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Kapitel 2

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„Also gut, ich mach’s“, sagte ich in den Hörer – wieder einmal ohne Begrüßung –, sobald ich am anderen Ende hörte, dass die Leitung frei war.

„Ich wusste es doch! Maia, du bist die beste!“, freute sich meine Mutter. „Herbert, sie macht es!“, hörte ich sie meinem Vater zurufen.

„Was ist los?“, hörte ich meinen Vater fragen.

„Unser Bienchen kümmert sich um unser Haus.“

„Na dann…“, kam die Reaktion von meinem Vater. Ich musste ein wenig in mich hineinlächeln. Mein Vater war diesbezüglich weitaus pragmatischer.

„Gut, also du kommst dann nächste Woche?“, erkundigte sich meine Mutter. „Du weißt ja, du brauchst nichts mitzubringen. Und die Waschmaschine kannst du auch benutzen.“ Wie reizend von meiner Mutter, dass ich die Erlaubnis hatte, mich immer noch frei im Haus meiner Kindheit zu bewegen.

„Ja, ist gut.“ Sofort hatte ich wieder dieses ungute Gefühl, dass das doch nicht die richtige Entscheidung gewesen war.

„Super! Vielen Dank, Maia!“, sagte sie.

„Kein Problem“, sagte ich, wenn auch wenig enthusiastisch.

„Du bist doch meine Lieblingstochter.“ Du hast ja auch nur eine.

„Also, ich komme dann am Montag“, sagte ich und deutete damit an, dass das Gespräch langsam für mich zu Ende war.

„Ja, am Montag dann...oder…kannst du auch schon Sonntagabend? Du, vielleicht kannst du uns dann ja am Montag zum Hafen fahren…“, meinte sie.

Ich verdrehte die Augen und seufzte innerlich.

„Ja, ich denke, dass lässt sich schon irgendwie hinkriegen.“

„Super! Bis denne.“

„Ja, bis dann“, sagte ich und damit war das Gespräch beendet.


***


Auf was hatte ich mich da bloß wieder eingelassen? Und warum ließ ich mich immer breitschlagen?

Vielen Dank auch, schrieb ich an meinen Bruder. Ich war genervt.

Was ist denn los?, kam die Antwort prompt zurück.

Mama und Papa machen eine Kreuzfahrt und ich soll mal wieder den Haussitter spielen.

Davon wusste ich ja noch gar nichts…, schrieb er wieder.

Aha, so lief der Hase also. Meine Eltern erzählen mir, dass mein Bruder nicht kann, obwohl sie ihn noch nicht einmal gefragt hatten. Vielleicht hätte ich doch Nein sagen sollen…

Sie haben mir erzählt, dass du nicht kannst, weil du ja immer so beschäftigt bist. Meine Wut auf meinen Bruder war verflogen, denn offensichtlich war er ahnungslos.

Ich habe auch immer viel zu tun, momentan geht’s aber. Wie läuft es bei dir? Mein Bruder war aber heute gesprächig…

Geht so, tippte ich zurück. Ich hatte wenig Lust, mit meinem Bruder meine Gefühlslage auszudiskutieren.

Ok, war seine Antwort und damit wussten wir beide, dass die Konversation beendet war. Kein Schreib, wenn du etwas brauchst, denn das war einfach nicht sein Stil. Und wir wussten beide, dass wir uns aufeinander verlassen konnten, wenn wir die Hilfe des anderen brauchten. Tim arbeitete als Wirtschaftsprüfer und daher kam es eher vor, dass ich Hilfe von ihm brauchte als er von mir und ich hatte schon immer das Gefühl, dass meine Eltern meinen Bruder bevorzugten – nicht nur, weil er finanziell besser dastand als ich.

Sagen wir mal…ich war eher so das Zufallsprodukt, als meine Eltern zehn Jahre nach meinem Bruder eigentlich schon damit abgeschlossen hatten, noch ein weiteres Kind zu bekommen. Ich meine, unsere Eltern haben uns beide geliebt beziehungsweise tun es immer noch, aber na ja…ein fader Beigeschmack bleibt immer.


***


Ich habe es schon wieder getan, schrieb ich an Guillaume. Bei ihm erwartete ich keine sofortige Antwort, denn er hatte selten sein Handy griffbereit.

Guillaume hatte ich bei einer Reise für ein neues Werk in Paris kennengelernt. Ich war gerade in einem Café am Frühstücken, als er – wie ein echter Franzose – mich ansprach und nachdem wir uns unterhalten und ein paar weitere Male getroffen hatten, hatte er sich ein paar mehr Hoffnungen gemacht, die ich ihm dann aber leider zunichte gemacht habe. Trotzdem waren wir seit dem Zeitpunkt gut befreundet.


Nachdem das also geklärt war, überkam mich wieder diese Leere. Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Na ja, eigentlich schon, denn ich musste irgendetwas schreiben. Etwas, was präsentabel war, was ich abgeben konnte. Etwas, was mir den Lebensunterhalt über die kommenden paar Wochen sicherte. Ich nahm meinen Laptop, öffnete das Schreibprogramm und starrte auf den blinkenden Cursor, der nur darauf wartete, dass ich in die Tasten haute. Bitte, nur ein einziger Gedanke, ein Geistesblitz. Ich glaubte nicht an Gott oder sonst ein göttliches Wesen, aber das war einfach intuitiv. Stattdessen hörte ich wieder die Stimme meines Verlegers in meinem Kopf: Maia, Deine Sachen waren auch schon mal besser. Ja, das tat weh, aber ich wusste, dass er recht hatte. Aber was sollte ich denn tun? Irgendwann war nun einmal alles gesagt. Und mein Metier waren eben diese einfachen Frauenromane. Sollte ich mich etwa neu erfinden und mal versuchen Krimis oder Thriller zu schreiben? Nein, das war einfach nicht meine Art. Ich musste das schreiben, was ich fühlte, aber in letzter Zeit war da einfach nichts. Noch dazu kam, dass alle Menschen um mich herum gefühlt in glücklichen Beziehungen waren und nur ich war Single. Ich meine, für mich war das nicht so schlimm, aber man bekommt dann immer von der Umwelt suggeriert, dass mit einem nicht alles in Ordnung sei.

Ich starrte weiter auf den Cursor und er schien zurückzustarren. Unbarmherzig blinkend, als würde er mich dazu auffordern wollen, dass ich nun endlich etwas auf dieses virtuelle Papier brachte. Los, komm Maia. Jetzt hörte ich auf einmal schon Stimmen, wie der Computer mit mir sprach. Geht’s noch? Ich tippte fünf Buchstaben: ein L, dreimal E und ein R – Leere. Ja, das war es, was ich fühlte. Und auf einmal fühlte ich mich ein wenig besser. Einfach nur, weil ich es aufgeschrieben hatte. Ich brauchte keinen Therapeuten, was ich brauchte war einfach nur ein Schreibprogramm.

Ich hörte, wie mein Telefon eine neue Nachricht ankündigte: Salut Chérie. Qu’est-ce qu’il y a? Guillaume.

Ich war zwar für einen Moment etwas verwundert, dass er doch so zeitnah geantwortet hatte, aber das freute mich umso mehr. Außerdem hatte mich dieses Klingeln mal wieder in die Realität befördert, bevor ich mich wieder ganz diesen depressiven Gedanken hingegeben hatte. Ach was, was heißt denn depressiv? Ich doch nicht. Das hat doch jeder mal.

Ich musste auch ein wenig über Guillaumes Chérie lächeln. Wir wussten beide, dass das nicht ernst gemeint war und trotzdem machte er sich einen Spaß daraus, mich hin und wieder so zu nennen, als wären wir ein Paar.

Da ich nichts Besseres zu tun hatte, beschloss ich, ihm direkt zu antworten und erklärte ihm die Situation mit meinen Eltern. Je me sens nulle – ich fühle mich schlecht, setzte ich noch hinterher, denn irgendwie hatte ich dann doch das Bedürfnis, einem meiner besten Freunde meine Gefühle zu offenbaren. . . .

Je t’appelle ce soir. Bises, kam die Antwort. Gut, dann musste ich also noch bis heute Abend warten, bis er mich zurückrief. Ich drückte auf das rote Kreuz des Schreibprogramms. Möchten Sie die Änderungen an Dokument 1 speichern? Für einen Moment zögerte ich, dann drückte ich auf Ja, gab als Titel nur einen Buchstaben – L – ein, klappte dann meinen Laptop zu und atmete noch einmal tief durch.

Ei Ole Kiire

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