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Kapitel 3

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Donc, dis-moi, chérie, sagte Guillaume, nachdem ich den Anruf entgegengenommen hatte. Natürlich sprach Guillaume ein nahezu perfektes Deutsch, aber er machte sich doch hin und wieder einen Spaß daraus, mit mir Französisch zu sprechen.

Ich wiederholte das, was ich ihm am Vormittag geschrieben hatte und dass es mir nur wenig besser ging. Mittlerweile fühlte ich mich auch ein wenig schlecht, weil ich meine Eltern angelogen hatte.

„Aber das ist doch nicht schlimm“, meinte mein Freund. „Ich kann verstehen, dass du deine Eltern nicht beunruhigen möchtest.“

„Aber was ist, wenn es wirklich mit mir bergab geht? Wenn meine Karriere jetzt schon vorbei ist?“, jammerte ich.

Ma chère Maia“, begann Guillaume. „Das ist ganz normal. C’est la vie. Mach dir doch nicht so viele Gedanken.“

Ich schätzte Guillaume wirklich für seine Worte, allerdings half mir das in diesem Moment nicht weiter.

Mais quoi faire?“, fiel ich ebenfalls ins Französische. Was sollte ich tun?

„Wie wäre es denn mal mit Urlaub?“, schlug Guillaume vor. „Wann warst du denn das letzte Mal richtig weg?“

„Öh…“, machte ich und musste einmal wirklich überlegen.

Eh ben…tu vois?“, sagte er und ich konnte eine Spur Triumph in seiner Stimme hören.

„Ja, vielleicht hast du recht…“, gab ich zu, wenn auch etwas widerwillig.

„Willst du mich vielleicht besuchen kommen?“, schlug er vor. „Vielleicht bringt Paris dich auf andere Gedanken.“

„Na ja, erst einmal muss ich auf das Haus meiner Eltern aufpassen. Danach werde ich weitersehen.“

„Überleg’s dir. Du bist hier immer willkommen.“

Je sais.“ – Ich weiß.

Bon…Mach dir nicht zu viele Sorgen. Das macht Falten“, sagte Guillaume. Ich musste lächeln, auch wenn er das nicht sehen konnte.

„Ich versuche es. Ich melde mich bald wieder bei dir“, versprach ich. „Salut.“

Salut, mon amour“, antwortete Guillaume und ich musste noch einmal kichern. Er gab es wohl nie auf.


Nach dem Gespräch mit Guillaume fühlte ich mich wirklich ein wenig besser. Und wenn sogar er sagte, dass ich mal Urlaub machen sollte…Ich war halt immer so beschäftigt und darauf bedacht, meine Projekte rechtzeitig abzugeben. Schließlich hing ja mein Unterhalt davon ab, aber irgendwie war mir das für einen Moment egal. Nun ja, erst einmal würde ich mich um das Haus meiner Eltern kümmern und dann würde ich weitersehen.


Ich machte wieder meinen Laptop an und rief noch einmal das Dokument mit dem Namen „L“ auf. Leere. Zumindest war das Dokument jetzt nicht mehr ganz so leer. Leere – ein Wort, das Leere/leer bedeutet, aber eigentlich gar nicht so leer ist. Ein Wort, das nichts und doch alles bedeutet, ein Wort, das leer ist und doch so viel Inhalt halt. Zumindest dieses Dokument war jetzt nicht mehr leer. Komisch wie sehr einem erst die Bedeutung eines Wortes oder seine Gegensätzlichkeit bewusst wird, wenn man erst einmal darüber nachdenkt. Leere. Was ist Leere?, tippte ich auf den Bildschirm, um meine Gedanken auf dieses imaginäre Papier zu bringen. Mir war bewusst, dass das eigentlich nur Worthülsen waren, aber manchmal tat es gut, so etwas aufzuschreiben.

Ich wusste schon früh, dass ich am liebsten Schriftstellerin werden wollte. Oder eben irgendwas mit Schreiben, denn ich konnte mich schon immer besser auf Papier ausdrücken, als wenn ich Dinge gesagt habe. Beim Sprechen hatte ich immer das Gefühl, ich kann gar nicht so viel sagen, wie ich denke. Papier ist da sehr viel geduldiger. Ja, öfters hat man mir sogar gesagt, ich würde so wenig sagen und ich solle doch mal den Mund aufmachen. Ich habe das nie so richtig verstanden, denn warum sollte ich denn mehr sagen als notwendig, wenn ich den Rest aufschreiben kann?

Schließlich habe ich mich dann für ein Journalismus-Studium entschieden, denn damit – so redete ich es mir zumindest ein – hätte ich am ehesten Chancen, in der Branche zu landen. Das Studium hat mir auch sehr viel Spaß gemacht, bis ich dann ein paar Jahre später mit der harten Welt der Branche konfrontiert wurde. Ich habe es zwar irgendwie immer geschafft, irgendwie über die Runden zu kommen, aber so ganz zufriedenstellend war das dann doch nicht. Ich war dann echt glücklich, als ich meine ersten kleinen Geschichten – Liebesgeschichten – erfolgreich veröffentlichen konnte. Damit hatte ich das Rad nicht neu erfunden, denn es ging immer mehr oder weniger um Frauen, die das Glück suchten – meistens in Form einer glücklichen Beziehung. Ich weiß nicht so genau, warum ich gerade solche Geschichten geschrieben habe. Vielleicht, weil es mir so einfach erschien, die Welt zu idealisieren. Wünscht sich nicht fast jede Frau eine glückliche Beziehung beziehungsweise definiert man sein Glück nicht allzu oft darüber, ob man in einer Beziehung ist oder nicht?

Vielleicht war das ja auch einfach Wunschdenken, weil ich das Gefühl hatte, dass mein Leben einfach so unglaublich chaotisch war und ich in der Liebe offensichtlich auch kein Glück hatte.

„Du musst mal mehr rausgehen“, war der ständige Ratschlag meiner Mutter, wenn sie sich erkundigte, ob ich denn einen Freund hätte und ich jedes Mal verneinte. Offensichtlich hatte sie bereits Angst, dass sie enkellos sterben würde. Na ja, da gab es zumindest noch Tim.

„Irgendwann, Mama“, versprach ich ihr dann immer. Und manchmal glaubte ich es selbst.

„Herbert, sag doch auch mal was. Oder willst du, dass wir komplett ohne Enkel von der Erde verschwinden?“

„Hm…“, war dann die typische Reaktion meines Vaters, dem das Thema offensichtlich weniger wichtig war als meiner Mutter. Meistens war das Thema dann allerdings auch schon vorbei und es gab Wichtigeres zu besprechen.


Leere ist nicht leer, tippte ich weiter. Einfach, weil ich nichts Besseres zu tun hatte. Und dann: Leer ist auch nicht leer. Was sollte das denn jetzt? Ich überlegte, den Satz wieder zu löschen, ließ ihn aber dann doch stehen.

Fühlte ich mich leer? Physisch gesehen war ich es jedenfalls nicht, aber je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr musste ich wieder an die Worte von Doktor Keimel denken. Und auch an das Angebot von Guillaume, ihn zu besuchen. Aber eigentlich hatte ich gar nicht so viel Lust auf Paris. Hamburg war für mich von der Größe schon grenzwertig, aber Paris war mir dann doch eine Nummer zu viel. Zu viele Menschen…

Alles mit der Ruhe, sagte ich mir und atmete noch einmal tief durch. Es wird alles gut.

Ei Ole Kiire

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