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31: Helena

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Rigoros ist er darauf bedacht, nicht von sich aus von Crescence zu reden und ihrer mit keinem eigenen Wort zu gedenken. Dies weniger einer freiwilligen Selbstzensur wegen, die sich jeden Gedanken an sie verbietet, als aufgrund der Befürchtung, ihretwegen am Ende doch Morelles Verdacht zu erregen. Nur wenn sie von sich aus die Sprache auf ihre Nichte bringt, geht er freimütig darauf ein – spitzt gleichsam die Ohren, welche Neuigkeiten es von ihr gibt. Er ist wie ein süchtiger Trinker, der verschämt seine Sucht verbirgt und doch nach jedem Schluck Alkohol lechzt, als hinge sein Leben davon ab. Dann erinnert er sie an die schönen Augenblicke des Sommers, die sie selbdritt erlebten.

Wie ein Süchtiger schmachtet er nach jedem Wort in den Briefen, die von ihrer Mutter, vermutlich nach ihrem Diktat, an Morelle gelangen, und zermartert sich vergeblich den Kopf, wie er in deren Antwort ein heimliches Wort einschmuggeln könnte, das seine Sehnsucht nach ihr verriete. Aber: censure! Denn wie es so kodieren, dieses Wort, dass sie es versteht, – Morelle aber nicht? Das ist praktisch ein Ding der Unmöglichkeit, dafür reicht nicht einmal seine ruchlose Phantasie.

Er erinnert sich des englischen Slogans, den sie einmal in den Pariser Straßen aufgeschnappt und beim Abschied scherzhaft wiederholt haben: See you later, alligator!, und will ihn im Antwortbrief an die Mirats mit einem Fragezeichen und drei Pünktchen einfügen: See you later, alligator? … – mit einem Fragezeichen und drei Pünktchen, um durch die apokryphe Interpunktion insgeheim seine Sehnsucht und sehnsüchtige Erwartung zum Ausdruck zu bringen. Subtiler, feinsinniger Henri!

Dann aber erscheint ihm alligator doch als allzu reptilienhaft wechselwarm oder unterkühlt, und er verfällt auf die merkwürdige Koseform Allie, die besser seiner unterdrückten Zärtlichkeit entspricht: See you later, Allie? … – Das verstünde aber niemand mehr. Schließlich überwiegen seine Zweifel, dass sie eine so versierte Kryptographin und Entzifferin sei, um den apokryphen Sinn seiner Botschaft zu entschlüsseln, und verzichtet resignierend darauf.

Würde das außerdem nicht auch den Verdacht Morelles erwecken, die unzukömmliche Fragen aufwerfen könnte, wie etwa: Warum dergleichen auf Englisch? Und was bedeutet ,Allie'? Wie ihr das dann erklären? Censure! Am Ende sind sogar diese Skrupel sämtlich noch l'art pour l'art und müßig, denn Chloé antwortet auf die Briefe der Schwägerin immer so rasch und spontan, dass er sowieso keine Gelegenheit zur Intervention und allfällig intrigierende und irritierende Inserate bekommt.

Was ihn an solch potenziellen und fiktiven Inseraten aber am meisten stört, das ist sein bewusster Treuebruch, der sich darin ausdrückt. Wie bitte? Comment? Plaît-il? Ihre eigenen Briefe zum Verrat an ihr missbrauchen? Das wäre grotesk. Censure! Wäre es doch völlig unter seinem Niveau, nicht solche Bedenken zu haben! Ist er doch auch aus Fleisch und Blut, deshalb muss er seiner Treulosigkeit untreu werden, seinen Treuebruch brechen. So verzichtet er endlich auf alle trügerischen Interventionen und nährt stattdessen die Hoffnung, Crecence auf ehrlichere Art wiederzusehen.

Am Ende ist es Morelle, die nach Ablauf dreier Monate von sich aus auf den Einfall kommt, wieder einmal ihre Schwägerin Crescentia Mirat, die von ihrem Hof ziemlich unabkömmlich ist, auf dem Land zu besuchen. Ob er sie auf der excursion begleiten wollte? fragt sie ihren Henri.

Oh! das ist allerliebst! eine ausgezeichnete Idee! stimmt er zu, das wäre charmant und allerliebst, Crescence einmal in ihrem angestammten Milieu heimzusuchen. Kommt die Jungfrau – denkt er bei sich – nicht von sich aus ins Labyrinth des Minotaurus, dann muss Minotaurus sie eben am Ort ihrer Herkunft erschnüffeln! Von da an fiebert er mehr und mehr der Fahrt nach Vinot entgegen, hofft, dass Morelle die Sache so bald als möglich managt, und kann es kaum erwarten, währenddem er ihr gegenüber so tut, als habe er ihren Plan nur eben so zur Kenntnis genommen, ohne von sich aus mit besonderem Interesse darauf zurückkommen zu wollen.

In den ersten warmen Tagen des Aprils 1835 ist es endlich so weit. Sie nehmen die Schnellpost ins Départment Seine-et-Marne, und er hat ein abenteuerlich sentimentales Gefühl, im Wagen dieselbe Strecke zurückzulegen, die Crescence schon zweimal zu ihnen nach Paris hin- und zurück gekommen ist. Jeder Halt und jeder Stein hat etwas Besonderes für ihn, könnte sie da doch gewesen sein. Really see you again, Allie? in seiner Privatsprache hat das immer noch Sinn. Er würde sehen, wie sie in ihrem Zuhause leibt und lebt, wo sie wohnt und wie sie schläft. Schon beim bloßen Gedanken daran erfasst ihn derselbe Wonnegraus wie Goethens Faust, als er Gretchens Bettvorhang aufhebt:

Was fasst mich für ein Wonnegraus!

Hier möcht ich volle Stunden säumen.

Natur, hier bildetest in leichten Träumen

Den eingebornen Engel aus!

Hier lag das Kind! mit warmem Leben

Den zarten Busen angefüllt,

Und hier mit heilig reinem Weben

Entwirkte sich das Götterbild!

Sein faustisches Gefühl verlässt ihn die ganze Fahrt hindurch nicht. Schon einmal auf seiner Wanderung durch den Harz hat er den Plan gefasst, einen Faust zu schreiben, in dem Mephisto das handelnde Prinzip wäre, – und es 1824 sogar dem alten Goethe in Weimar verklickert, der naturgemäß nicht sehr erbaut davon war. In seinem Stück scheut er sich nicht, Morelle unter der Hand zur mephistophelischen Kupplerin werden zu lassen. Als er einnickt, träumt er sich selber als Faust, Crescence als Gretchen, Morelle als weiblichen Mephistopheles wie in Cazottes Le diable amoureux.

In seinem späteren Ballett Doktor Faust erhebt er seine Beschwörungen, und sein Studierzimmer erhellt sich mit unzähligen Lichtern, die lieblichste Tanzmusik ertönt, und aus dem geöffneten Boden, wie aus einem Blumenkorb, steigt eine Tänzerin hervor, gekleidet im gewöhnlichen Gaze- und Trikotkostüm und umhergaukelnd in den banalsten Pirouetten. Faust ist anfänglich darob befremdet, dass der beschworene Teufel keine unheilvollere Gestalt annehmen konnte als die einer Balletteuse, doch zuletzt gefällt ihm die lächelnd anmutige Erscheinung und er macht ihr ein gravitätisches Kompliment. Mephistopheles – vielmehr Mephistophela, wie wir die in Weiblichkeit übergegangene Teufelei nennen müssen – erwidert parodierend das Kompliment des Doktors und umtänzelt ihn in der bekannten koketten Weise.

Mephistophela schwingt ihren Stab, und in einem schon vorher an die Wand gezauberten Spiegel erscheint das Bildnis eines wunderschönen Weibes in Hoftracht und mit einer Herzogskrone auf dem Haupt. Sobald Faust sie erblickt, ist er wie hingerissen von Bewunderung und Entzücken, und er naht dem holden Bildnis mit allen Zeichen der Sehnsucht und Zärtlichkeit. Doch das Weib im Spiegel, welches sich jetzt wie lebend bewegt, wehrt ihn von sich ab mit hochmütigstem Naserümpfen; er kniet flehend vor ihr nieder, sie aber wiederholt nur noch beleidigender ihre Gesten der Verachtung. Henri hat sich nicht geändert. Noch immer kennt er kein anderes Thema als unerwiderte Liebe: Er, der die Liebe noch nicht fand, verzehrt sich in sehnsüchtiger Zärtlichkeit nach seiner Traumfrau.

Wieder ist – wie in der Lorelei – das Scheitern der Liebe vorprogrammiert und im Stück fest verdrahtet: Sie ist, sozial weit über seinem Stand, eine Herzogin in Hoftracht und mit einer Herzogskrone, so dass – wie dort – ein Liebesbund nicht denkbar ist. Erschwerend kommt mit hinzu, dass Henri-Faust seine besten Jahre bereits hinter sich und seine Chancen verspielt hat: Verfehlte Liebe, verfehltes Leben! Hinzu kommt außerdem die sichtbare Verachtung der Lebedame und Femme fatale für den Gelehrten, den Intellektuellen, der für sie keinen Sex appeal hat: Dr. Faust alias Dr. Heine, Doktor beider Rechte, ist bei der holden Weiblichkeit so chancenlos wie eh und je.

Der arme Doktor wendet sich hierauf mit bittenden Blicken an Mephistophela-Chloé, doch diese erwidert sie mit schalkhaftem Achselzucken und bewegt ihren Zauberstab. Aus dem Boden taucht sogleich bis zur Hüfte ein hässlicher Affe hervor, der aber auf ein Zeichen Mephistophelas, die ärgerlich den Kopf schüttelt, schleunigst wieder hinabsinkt in den Boden, woraus im nächsten Augenblick ein schöner, schlanker Balletttänzer hervorspringt, welcher die banalsten Pas exekutiert. Er hat die Züge des slawischen Schnösels auf Crescence' Abschiedsfeier – oder noch Alfie's bei Inga? Der Tänzer naht sich dem Spiegelbild, und indem er demselben mit der fadesten Süffisance seine buhlerischen Huldigungen darbringt, lächelt ihm das schöne Weib aufs holdseligste entgegen, streckt die Arme nach ihm aus mit schmachtender Sehnsucht und erschöpft sich in den zärtlichsten Demonstrationen. Henri wird noch im Schlaf seiner bloßen Einbildungen wegen vor Eifersucht gelb. Bei dem genannten Anblick gerät Faust in rasende Verzweiflung, doch Mephistophela erbarmt sich seiner, mit ihrem Zauberstab berührt sie den glücklichen Tänzer, der auf der Stelle in die Erde zurücksinkt, nachdem er sich zuvor in einen Affen verwandelt und seine abgestreifte Tänzerkleidung auf dem Boden zurückgelassen hat. Jetzt reicht Mephistophela dem Faust ein Pergamentblatt dar, und dieser, ohne langes Besinnen, öffnet sich eine Ader am Arm und unterzeichnet mit seinem Blut den Kontrakt, wodurch er für zeitliche irdische Genüsse seiner himmlichen Seligkeit entsagt. Er wirft die ernste ehrsame Doktortracht von sich und zieht den sündig bunten Flitterstaat an, den der verschwundene Tänzer am Boden zurückgelassen; bei dieser Umkleidung, die sehr ungeschickt vonstatten geht, hilft ihm das leichtfertige Corps de Ballet der Hölle.

Die Bedeutung ist klar: Der alte Gelehrte kann der attraktiven Jugend nicht das Wasser reichen, nicht Paroli bieten, und noch der affigste Tänzer spannt ihm seine Liebe, wie Alfie die Inga, aus.

Jetzt aber kommt etwas Neues. Das Blatt wendet sich: Der alte Roué besticht das Schicksal und verkauft seine Seele dem Teufel. Er entsagt für zeitliche irdische Genüsse seiner himmlischen Seligkeit, – und entsagt ihr umso leichter, als er sowieso nicht an sie glaubt. Er verleugnet sein bisheriges Sein: seine Ehrbarkeit, sein Wissen, sein Genie – um seines erotischen Reüssements bei der Herzogin willen. Er gewinnt seine Jugend zurück und hat alle Chancen, die ihm in der Vergangenheit versagt geblieben. In solch verwandelter Gestalt nähert er sich erneut seinem Ideal und stößt, tatsächlich, zum ersten Mal in seinem Leben auf glühendste Gegenliebe. Da aber reißt Mephistophela ihn schon wieder mit sich fort:

Sie gibt dem Faust jetzt Tanzunterricht und zeigt ihm alle Kunststücke und Handgriffe oder vielmehr Fußgriffe des Metiers. Die Unbeholfenheit und Steifheit des Gelehrten, der die zierlich leichten Pas nachahmen will, bilden die ergötzlichsten Effekte und Kontraste. Die teuflischen Tänzerinnen wollen auch hier nachhelfen, jede sucht auf eigene Weise die Lehre durch Beispiel zu erklären, eine wirft den armen Doktor in die Arme der andern, die mit ihm herumwirbelt; er wird hin und her gezerrt, doch durch die Macht der Liebe und des Zauberstabs, der die unfolgsamen Glieder allmählich gelenkig schlägt, erreicht der Lehrling der Choreographie zuletzt die höchste Fertigkeit: er tanzt ein brillantes Pas-de-deux mit Mephistophela, und zur Freude seiner Kunstgenossinnen fliegt er auch mit ihnen umher in den wunderlichsten Figuren. Nachdem er es zu dieser Virtuosität gebracht, wagt er sich auch vor das schöne Frauenbild des Zauberspiegels, und dieses beantwortet seine tanzende Leidenschaft mit den Gebärden der glühendsten Gegenliebe. Faust tanzt mit immer sich steigernder Seelentrunkenheit; Mephistophela aber reißt ihn fort von dem Spiegelbild, das durch die Berührung des Zauberstabes wieder verschwindet, und fortgesetzt wird der höhere Tanzunterricht der altklassischen Schule …

Noch aber ist das Spiel nicht verloren: Großer Platz vor einem Schlosse, welches zur rechten Seite sichtbar. Auf der Rampe, umgeben von ihrem Hofgesinde, Rittern und Damen, sitzen in hohen Thronsesseln der Herzog und die Herzogin, ersterer ein steifältlicher Herr, letztere ein junges üppiges Weib, ganz das Konterfei des Frauenbilds im Zauberspiegel des ersten Akts. Bemerklich ist, dass sie am linken Fuße einen güldenen Schuh trägt.

Die Szene ist prachtvoll gechmückt zu einem Hoffest. Aufgeführt wird ein Schäferspiel im ältesten Rokokogeschmack: graziöse Fadheit, galante Unschuld. Die süßlich gezierte Arkadientänzelei wird plötzlich unterbrochen und verscheucht durch die Ankunft des Faust und der Mephistophela, die in ihrem Kostüm und mit ihrem Gefolge von dämonischen Balletttänzerinnen, unter jauchzenden Fanfaren, ihren Siegeseinzug halten. Faust und Mephistophela machen ihre springenden Reverenzen vor dem Fürstenpaar, doch Ersterer und die Herzogin, indem sie sich näher betrachten, sind betroffen wie von freudigster Erinnerung: sie erkennen sich und wechseln zärtliche Blicke. Der Herzog scheint mit besonders gnädigem Wohlwollen die Huldigung Mephistophela-Chloés entgegenzunehmen. In einem ungestümen Pas-de-deux, den Letztere jetzt mit Faust tanzt, haben beide fürnehmlich das Fürstenpaar im Auge, und während die teuflischen Tänzerinnen sie ablösen, kost Mephistophela mit dem Herzog, Faust mit der Herzogin; die überschwängliche Passion der beiden Letztern wird gleichsam parodiert, indem Mephistophela die eckigen und steifleinenen Graziösitäten des Herzogs mit ironischer Zimperlichkeit konterkariert. Aufs Neue springen Faust und Mephistophela hervor zu einem glänzenden Pas-de-deux, wo der eine wieder die Herzogin, und die andere wieder den Herzog mit verliebten Gebärden anlockt, so dass das erlauchte Fürstenpaar endlich nicht mehr widersteht und, seinen Sitz verlassend, sich den Tänzen jener beiden anschließt.

Dramatische Quadrille, wo Faust die Herzogin noch inniger zu bestricken sucht. Er hat ein Teufelsmal an ihrem Hals bemerkt, und indem er dadurch entdeckt, dass sie eine Zauberin sei, gibt er ihr ein Rendezvous für den nächsten Hexensabbat. Sie ist erschrocken und will leugnen, doch Faust zeigt hin auf ihren güldenen Schuh, welcher das Wahrzeichen ist, woran man die Domina, die fürnehmste Satansbraut, erkennt. Verschämt gestattet sie das Rendezvous. Parodistisch gebärden sich zugleich wieder der Herzog und Mephistophela, und die dämonischen Tänzerinnen setzen den Tanz fort, nachdem die vier Hauptpersonen sich in Zwiegesprächen zurückgezogen.

Harry malt sich Fausts Leidenschaft so dreist und kompromittierend aus, dass das Ballett an die Grenze der Aufführbarkeit kommt. Doch wird das gewagte Spektakel durch die Zwischenkunft geharnischter Ritter, wie durch martialische Sittenwächter, unterbrochen: Nach jedem Zauberstück steigert sich die tolle Lust; die vier Hauptpersonen stürzen rücksichtslos wieder auf den Tanzplatz, und in der Quadrille, die sich erneuert, gebärdet sich die Leidenschaft immer toller: Faust kniet nieder vor der Herzogin, die in nicht minder kompromittierenden Pantomimen ihre Gegenliebe kundgibt: vor der schäkernd hingerissenen Mephistophela kniet wie ein lüsterner Faun der alte Herzog; – doch indem er sich zufällig umwendet und seine Gattin nebst Faust in den erwähnten Posituren erblickt, springt er wütend empor, zieht sein Schwert und will den frechen Schwarzkünstler erstechen. Dieser ergreift rasch seinen Zauberstab, berührt damit den Herzog, und auf dem Haupt desselben schießt ein ungeheures Hirschgeweih empor, an dessen Enden ihn die Herzogin zurückhält. Allgemeine Bestürzung der Höflinge, die ihre Schwerter ergreifen und auf Faust und Mephistophela eindringen. Faust aber bewegt wieder seinen Stab, im Hintergrund der Szene erklingen plötzlich kriegerische Trompetenstöße, und man erblickt in Reih und Glied eine ganze Schar von Kopf bis zu Füßen geharnischter Ritter. Indem die Höflinge sich gegen diese zu ihrer Verteidigung umwenden, fliegen Faust und Mephistophela durch die Luft davon, auf zwei schwarzen Rossen, die aus dem Boden hervorgekommen. Im selben Augenblick zerrinnt, wie eine Phantasmagorie, auch die bewaffnete Ritterschar.

Die nächste Szene kulminiert, bar aller moralischen Rücksichten, im Gipfel des Libertinismus. Nächtlicher Schauplatz des Hexensabbats: eine breite Bergkoppe; zu beiden Seiten Bäume, an deren Zweigen seltsame Lampen hängen, welche die Szene erleuchten; in der Mitte ein steinernes Postament, wie ein Altar, und darauf steht ein großer schwarzer Bock mit einem schwarzen Menschenantlitz und einer brennenden Kerze zwischen den Hörnern. Ihre Durchlaucht die Herzogin kommt auf einer ungeheuren Fledermaus herangeflogen; sie ist so entblößt als möglich gekleidet und trägt am rechten Fuß den güldenen Schuh. Sie scheint jemanden mit Ungeduld zu suchen. Endlich erblickt sie den Ersehnten, nämlich Faust, welcher mit Mephistophela auf schwarzen Rossen zum Feste heranfliegt; er trägt ein glänzendes Rittergewand, und seine Gefährtin schmückt das züchtig enganliegende Amazonenkleid eines deutschen Edelfräuleins. Faust und die Herzogin stürzen einander in die Arme, und ihre überschwellende Inbrunst offenbart sich in den verrücktesten Tänzen. Mephistophela hat unterdessen ebenfalls einen erwarteten Gespons gefunden, einen dürren Junker in schwarzer, spanischer Manteltracht, mit einer blutroten Hahnenfeder auf dem Barett; doch während Faust und die Herzogin die ganze Stufenleiter einer wahren Leidenschaft, einer wilden Liebe, durchtanzen, ist der Zweitanz der Mephistophela und ihres Partners, als Gegensatz, nur der buhlerische Ausdruck der Galanterie, der zärtlichen Lüge, der sich selbst persiflierenden Lüsternheit. Alle vier ergreifen endlich schwarze Fackeln, bringen in der oben erwähnten Weise dem Bock – der kein anderer ist als der Priapus auf Carraccis Stich Culte de Priape – ihre Huldigung, und schließen sich zuletzt der Ronde an, womit die ganze vermischte Gesellschaft den Altar umwirbelt. Das Eigentümliche dieser Ronde besteht darin, dass die Tänzer einander den Rücken zudrehen, und nicht das Gesicht, welches nach außen gewendet bleibt. Faust und die Herzogin, welche dem Ringelreihen entschlüpfen, erreichen die Höhe ihres Liebestaumels und verlieren sich hinter den Bäumen zur rechten Seite der Szene. Die Ronde ist beendet, und neue Gäste treten vor den Altar und begehen dort die Adoration des Bocks.

Unschwer, sich vorzustellen, was hinter den Kulissen passiert, nachdem Faust und die Herzogin auf der Höhe ihres Liebestaumels sich sich hinter den Bäumen verloren. Doch scheint dabei etwas schiefzulaufen: Als sie wieder zum Vorschein kommen, ist sein Antlitz verstört, und verdrossen wendet er sich ab von dem Weibe, das ihn mit den wollüstigsten Karessen verfolgt. Er gibt ihr seinen Überdruss und Widerwillen in unzweideutiger Weise zu erkennen.

Was ist passiert? Wollte sie ihn zum Gruppensex mit den alten Hexenweibern verführen? Ist er einem Transvestiten aufgesessen? Ist er einem Hermaphroditen auf den Leim gegangen? Hat er im Augenblick ihrer endgültigen Nacktheit, gerade als er am Ziel zu sein glaubte, etwas haarsträubend Entsetzliches feststellen müssen, das seiner Gier unüberwindbare Hindernisse entgegenstellte, dergestalt, dass an der Stelle, wo er sein Genüge zu finden hoffte, er sein Geschlecht statt des komplementären durch ein gleichgeschlechtlich-analophiles boykottiert fand? Vergebens stürzt die Herzogin flehentlich vor ihm nieder; er stößt sie mit Abscheu zurück. In diesem Augenblick erscheinen drei Mohren in goldnen Wappenröcken, worauf lauter schwarze Böcke gestickt sind; sie bringen der Herzogin den Befehl, sich unverzüglich zu ihrem Herrn und Meister Satanas zu begeben, und die Zögernde wird mit Gewalt fortgeschleppt. Man sieht im Hintergrund, wie der Bock von seinem Postament herabsteigt und, nach einigen sonderbaren Komplimentierungen, mit der Herzogin ein Menuett tanzt. Langsam gemessene zeremoniöse Pas. Auf dem Antlitz des Bockes liegt der Trübsinn eines gefallenen Engels und der tiefe Ennui eines blasierten Fürsten; in allen Zügen der Herzogin verrät sich die trostloseste Verzweiflung. Faust ist im Vordergrund stehengeblieben, und während er jenem Menuett zuschaut, erscheint wieder an seiner Seite Mephistophela. Mit Widerwillen und Ekel zeigt Faust auf die Herzogin und scheint in Betreff derselben etwas Entsetzliches zu erzählen; er bezeugt überhaupt seinen Ekel ob all dem Fratzentreiben, das er vor sich sehe, ob all dem gotischen Wuste, der nur eine plump schnöde Verhöhnung der kirchlichen Asketik, ihm aber ebenso unerquicklich sei wie letztere. Er empfindet eine unendliche Sehnsucht nach dem Reinschönen, nach griechischer Harmonie, nach den uneigennützig edlen Gestalten der Homerischen Frühlingswelt!

Mephistophela versteht ihn, und mit ihrem Zauberstab den Boden berührend, lässt sie das Bild der berühmten Helena von Sparta daraus hervorsteigen und sogleich wieder verschwinden. Das ist es, was das gelehrte, nach antikem Ideal dürstende Herz des Doktors begehrte; er gibt seine volle Begeisterung zu erkennen, und durch einen Wink der Mephistophela erscheinen wieder die magischen Rosse, worauf beide davonfliegen. Im selben Moment erscheint die Herzogin wieder auf der Szene; sie bemerkt die Flucht des Geliebten, gerät in die unsinnigste Verzweiflung und fällt ohnmächtig zu Boden. In diesem Zustand wird sie von einigen wüsten Gestalten aufgehoben und mit Scherz und Possen, wie im Triumph, umhergetragen.

Eine Insel im Archipel. Ein Stück Meer, smaragdfarben glänzend, ist links sichtbar und scheidet sich lieblich ab von dem Türkisblau des Himmels, dessen sonniges Tageslicht eine ideale Landschaft überstrahlt: Vegetation und Architekturen sind hier so griechisch schön, wie sie der Dichter der Odyssee einst geträumt. In diese Welt brechen plötzlich, auf ihren schwarzen Rossen durch die Luft herabfliegend, Faust und Mephistophela herein. Sie sind wie befreit von einem düstern Alpdruck, von einer schnöden Krankheit, von einem tristen Wahnsinn, und erquicken sich beide an diesem Anblick des Urschönen und des wahrhaft Edlen. In griechische Gewänder gekleidet, lassen Faust und Helena sich nieder auf einen Thron zur rechten Seite der Szene, während Mephistophela, einen Thyrsus und eine Handtrommel ergreifend, als Bacchantin in den ausgelassensten Posituren einherspringt. Die Jungfrauen der Helena erfasst das Beispiel dieser Lust, sie reißen die Rosen und Myrten von ihren Häuptern, winden Weinlaub in die entfesselten Locken, und mit flatternden Haaren und geschwungenen Thyrsen taumeln sie ebenfalls dahin als Bacchantinnen. Die Jünglinge bewaffnen sich alsbald mit Schild und Speer, vertreiben die göttlich rasenden Mädchen und tanzen in Scheinkämpfen eine jener kriegerischen Pantomimen, welche von den alten Autoren so wohlgefällig beschrieben sind.

Dieses artige Spiel wird aber plötzlich gestört: Die erschreckten Liebesbübchen werfen sich rasch auf ihre Reitschwäne und flattern von dannen bei der Ankunft der Herzogin, die auf einer ungeheuren Fledermaus durch die Luft herbeigeflogen kommt und wie eine Furie vor den Thron tritt, wo Faust und Helena ruhig sitzen. Sie scheint jenem die wahnsinnigsten Vorwürfe zu machen und diese zu bedrohen. Mephistophela, die den ganzen Auftritt mit Schadenfreude betrachtet, beginnt wieder ihren Bacchantinnentanz, dem die Jungfrauen der Helena sich ebenfalls tanzend beigesellen, so dass diese Freudenchöre mit dem Zorn der Herzogin gleichsam verhöhnend kontrastieren. Letztere kann sich zuletzt vor Wut nicht mehr lassen, sie schwingt den Zauberstab, den sie in der Hand hält, und scheint diese Bewegung mit den entsetzlichsten Beschwörungssprüchen zu begleiten. Alsbald verfinstert sich der Himmel. Blitz und Donnerschlag, das Meer flutet stürmisch empor, und auf der ganzen Insel geschieht an Gegenständen und Personen die schauderhafteste Umwandlung. Alles ist wie getroffen von Wetter und Tod: Die Bäume stehen laublos und verdorrt; der Tempel ist zu einer Ruine zusammengesunken; die Bildsäulen liegen gebrochen am Boden; die Königin Helena sitzt als eine fast zum Gerippe entfleischte Leiche in einem weißen Laken zur Seite Fausts; die tanzenden Frauenzimmer sind ebenfalls nur noch knöcherne Gespenster, gehüllt in weiße Tücher, die über den Kopf hängend nur bis auf die dürren Lenden reichen, wie man die Lamien darstellt, und in dieser Gestalt setzen sie ihre heitern Tanzposituren und Ronden fort, als wäre gar nichts passiert, und scheinen die ganze Umwandlung durchaus nicht bemerkt zu haben. Faust ist aber bei diesem Begebnis, wo all sein Glück zertrümmert ward durch die Rache einer eifersüchtigen Hexe, aufs höchste gegen dieselbe erbost; er springt vom Thron herab, mit gezogenem Schwert, und bohrt es in die Brust der Herzogin.

Mephistophela hat die beiden Zauberrappen wieder herbeigeführt, sie treibt Faust angstvoll an, sich schnell aufzuschwingen, und reitet mit ihm davon durch die Luft. Das Meer brandet unterdessen immer höher, es überschwemmt allmählich Menschen und Monumente, nur die tanzenden Lamien scheinen nichts davon zu merken, und bei heitern Tamburinklängen tanzen sie bis zum letzten Augenblick, wo die Wellen ihre Köpfe erreichen und die ganze Insel gleichsam im Wasser versinkt. Über das sturmgepeitschte Meer, hoch oben in der Luft, sieht man Faust und Mephistophela auf ihren schwarzen Gäulen dahinjagen.

Ein großer freier Platz vor einer Kathedrale, deren gotisches Portal im Hintergrund sichtbar. Zu beiden Seiten zierlich geschnittene Lindenbäume; unter denselben links sitzende zechende und schmausende Bürgersleute, gekleidet in der niederländischen Tracht des sechzehnten Jahrhunderts. Überall Kirmesjubel: Schaubuden, Musikanten, Puppenspiel, umherspringende Pickelheringe und fröhliche Gruppen. In der Mitte der Szene ein Rasenplatz, wo die Honoratioren tanzen. – Faust verteilt unter die Menge seine Phiolen, aus welchen man nur einige Tropfen zu genießen braucht, um von jedem Leibesübel geheilt und von der unbändigsten Tanzlust ergriffen zu werden. Der Schützenkönig, welcher den Inhalt einer Phiole verschluckt, empfindet dessen Zaubermacht, er ergreift Mephistophela und hopst mit ihr einen Pas-de-deux. Auch auf den bejahrten Bürgermeister und seine Gattin übt der Trank seine beinbewegende Wirkung, und beide humpeln den alten Großvatertanz.

Während aber das sämtliche Publikum im tollsten Wirbel sich umherdreht, hat Faust sich der Bürgermeisterstochter genaht, und bezaubert von ihrer reinen Natürlichkeit, Zucht und Schönheit, erklärt er ihr seine Liebe, und mit wehmütigen, fast schüchternen Gebärden nach der Kirche deutend wirbt er um ihre Hand. Auch bei den Eltern, die sich keuchend auf ihre Bank niederlassen, wiederholt er seine Werbung; jene sind mit dem Antrag zufrieden, und auch die naive Schöne gibt endlich ihre verschämte Zustimmung. Letztere und Faust werden jetzt mit Blumensträußen geschmückt und tanzen als Braut und Bräutigam ihre sittsam bürgerlichen Hymenäen. Der Doktor hat endlich im bescheiden süßen Stillleben das Hausglück gefunden, welches die Seele befriedigt. Vergessen sind die Zweifel und die schwärmerischen Schmerzgenüsse des Hochmutgeistes, und er strahlt vor innerer Befriedigung wie der vergoldete Hahn eines Kirchturms.

Es bildet sich der Brautzug mit hochzeitlichem Gepränge, und derselbe ist schon auf dem Weg zur Kirche, als Mephistophela plötzlich mit hohnlachenden Gebärden vor den Bräutigam tritt und ihn seinen idyllischen Gefühlen entreißt; sie scheint ihm zu befehlen, ihr unverzüglich von hinnen zu folgen. Faust widersetzt sich mit hervorbrechendem Zorn, und die Zuschauer sind bestürzt über diese Szene. Doch noch größerer Schrecken erfasst sie, als plötzlich auf Mephistophelas Beschwörung ein nächtliches Dunkel und das schrecklichste Gewitter hereinbricht. Sie fliehen angstvoll und flüchten sich in die nahe Kirche, wo eine Glocke zu läuten und eine Orgel zu rauschen beginnen, ein frommes Gedröhne, welches mit dem blitzenden und donnernden Höllenspektakel auf der Szene kontrastiert. Auch Faust hat sich wie die andern in den Schoß der Kirche flüchten wollen, aber eine große schwarze Hand, die aus dem Boden hervorgriff, hat ihn zurückgehalten, während Mephistophela mit boshaft triumphierender Miene aus ihrem Mieder das Pergamentblatt hervorzieht, das der Doktor einst mit seinem Blut unterzeichnet hat; sie zeigt ihm, dass die Zeit des Kontrakts verflossen sei und Leib und Seele jetzt der Hölle gehören. Vergebens macht Faust allerlei Einwendungen, vergebens verlegt er sich zuletzt aufs Jammern und Bitten – das Teufelsweib umtänzelt ihn mit allen Grimassen der Verhöhnung. Es öffnet sich der Boden, und es treten hervor die greuelhaften Höllenfürsten, die gekrönten und szeptertragenden Ungetüme. In jubelnder Ronde verspotten sie ebenfalls den armen Doktor, den Mephistophela, die endlich sich in eine grässliche Schlange verwandelt hat, mit wilder Umschlingung erdrosselt. Die ganze Gruppe versinkt unter Flammengeprassel in die Erde, während das Glockengeläute und die Orgelklänge, die vom Dom her ertönen, zu frommen christlichen Gebeten auffordern.

Hier erwacht Henri unterm Pferdegetrappel aus seinem faustischen Schlummer. Er reibt sich die Augen: Das also ist seine persönliche Vision des Faust, so wird er ihn später gestalten. Wieder ist es, wie Almansor und der Ratcliff, ein frappierendes Gleichnis unerfüllter und unerfüllbarer Liebessehnsucht. Zuerst begehrt er die barocke Schönheit der mittelalterlichen Herzogin, in der Morelle auf eigentümliche Weise mit Mephistophela verschmilzt. Oder ist es das Phantom der großbürgerlichen Molly, die sich in grauer Vorzeit dem Gutsbesitzer John Friedländer aus Königsberg vermählte? Die letzte Hamburger Begegnung war 1827: Ich bin im Begriff, diesen Morgen eine dicke Frau zu besuchen, die ich in 11 Jahren nicht gesehen habe, und der man nachsagt, ich sei einst in sie verliebt gewesen. Sie heißt Mme. Friedländer aus Königsberg, sozusagen eine Cousine von mir. Sie, die nichts von ihm wissen wollte, verfolgt ihn immer noch wie ein Schemen. Was ist hinter den Kulissen Schreckliches geschehen, dass er mit solcher Abscheu auf die Herzogin zeigt? Im Grunde genügte ein Ehering an ihrem Finger.

Dann träumt er von der Griechin Helena, der schönsten Frau des klassischen Altertums. Jetzt, da er den Teufel beschwören kann, begehrt er von dem dienstbaren Geist, dass er ihm die schöne Helena von Sparta verschaffe. Er, Heine, der sich davon nicht ausnimmt, habe es schon einmal gesagt, der Johann Faust sei der wahre Repräsentant der Deutschen, des Volkes, das im Wissen seine Lust befriedigt, nicht im Leben. Obgleich der berühmte Doktor, der Normal-Deutsche, nach Sinnengenuss lechzt und schmachtet, sucht er den Gegenstand seiner Lust nicht auf den blühenden Fluren der Wirklichkeit, sondern im gelehrten Moder der Bücherwelt; und wohingegen ein französischer oder italienischer Nekromant von dem Mephistopheles das schönste Weib der Gegenwart gefordert hätte, begehrt der deutsche Faust ein Weib, welches bereits seit Jahrtausenden tot ist und ihm nur noch als schöner Schatten aus altgriechischen Pergamenten entgegenlächelt – die Helena von Sparta. Wie bedeutsam charakterisiere dieses Verlangen das innerste Wesen des deutschen Volkes!

Aber Helena ist bloß eine literarische Fiktion, ein Produkt der Phantasie – und die Sehnsucht nach ihr kennzeichnet einen Mann, der seine Befriedigung anhand idealer Frauengstalten sucht – den Ipsisten. Um davon loszukommen, verlangt es ihn nach der Bürgermeisterstochter, einem einfachen Mädchen aus dem Volke.

Zugleich hat die Parabel eine geistesgeschichtliche Symbolik: Die Herzogin verkörpert die unterdrückte Erotik des jüdisch-christlichen Nazarenertums, dessen Lustfeindlichkeit er anprangern will. Helena dagegen den klassischen Hellenismus, der aber bloß eine phantastische Fiktion ist. Das wahre Glück findet sich nur an der Seite der reinen Natürlichkeit, Zucht und Schönheit eines Mädchens aus dem Volke. Im bescheiden süßen Stillleben glaubt er schließlich das Hausglück zu finden, das die Seele befriedigt. Vergessen sind die Zweifel und schwärmerischen Schmerzgenüsse des Hochmutgeistes, und er strahlt vor Liebesglück wie der vergoldete Hahn eines Kirchturms. Aber auch das geht schief, ist seine Seele doch schon dem Teufel verpfändet – der Liebessucht verfallen?

Wir sehen – Liebeszensur, wohin das Auge blickt, auf der ganzen Linie! Wie eine unbestechliche Selbstkritik wirkt seine unbewusste Traumzensur. Die Liebe zur herzoglichen Traumfrau scheitert, weil sie nur eine verhexte Teufelin ist: Die mondänen Mannequins taugen nicht für Henri, die moderne Glitzerwelt verbirgt nur ein gähnendes Nichts. Auch die ideelle Liebe zur schönen Helena ist keine Lösung – es ist bloß klassische Selbstbefriedigung. Aber auch die Liebe zu einem natürlichen, züchtigen und schönen Bürgermädchen mit ihrem stillen Hausglück scheitert, wenn es der Teufel so will.

Woher diese Schwarzseherei? Ist er ein so gebranntes Kind, dass er nicht mehr an glückliche Liebe glaubt? Sieht er seinem Besuch in der Bürgerwelt Vinots so pessimistisch entgegen? Kommt nicht die Bürgermeisterstochter, sein Gretchen, seiner Vorstellung von Crescence so nahe wie irgend möglich? Wird er zum Zensor seiner Traumzensur?

Henri hardcore II - Heines Mannesjahre

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