Читать книгу Versteckspiel - Friederike Schmöe - Страница 6
ОглавлениеKAPITEL 1
Maj sah sich um. Lange Schlangen an den Kassen. Stau am Kühlregal. Am späten Nachmittag traten sich die Kunden im Supermarkt immer gegenseitig auf die Zehen. Bei dem ganzen Stress wollte jeder nur so schnell wie möglich hier raus.
Maj griff nach einer Flasche Whisky und schob sie unter die Jacke. Ging weiter, ganz cool. Gerade wurde eine neue Kasse geöffnet. Maj drängte sich vor und legte eine Packung Kaugummi aufs Band, zahlte und verließ den Markt.
Draußen war es dunkel. Die Straßenlaternen tauchten nur den Parkplatz vor dem Supermarkt in fahles Licht. An der Längsseite zur Hauptstraße stauten sich die Autos. Doch als Maj auf die kleinere Kanalstraße zuging, schien alles wie ausgestorben. Echt nicht der Hit, im November Geburtstag zu haben. Majs Party würde bei Lars im Keller stattfinden. Sie hätte lieber draußen gefeiert, mit Lagerfeuer und allem Pipapo. Wie Gila im letzten Juni. So eine Fete konnte Maj sich abschminken. Sie sah die Regenfäden im Licht der Laternen über den Parkplatz wehen.
Die Neonleuchte über dem Eingang flackerte. „He!“, rief jemand hinter ihr her. Erschrocken drehte sie sich um. Jetzt nur nicht in Panik geraten. Maj zog die Schultern hoch und hastete weiter. Drüben bei der Bushaltestelle warteten Lars und Gila.
Nun freute Maj sich doch auf die Party.
Man wird ja nur einmal 16, dachte sie und ging schneller.
Aber es kam alles anders.
Fast schon am Gehsteig angekommen, hörte Maj Zweige knacken. Sie fuhr herum, sah zu den wenige Meter entfernten Altglastonnen hinüber. Kurz dahinter begann das Wäldchen.
Da lief ein Mann weg! Unerwartet drehte er sich um und sah in Majs Richtung. Der Lichtkegel einer Laterne fiel auf sein Gesicht. Maj blickte direkt in seine Augen. Sie standen ungewöhnlich eng zusammen. Er trug eine Mütze und einen dicken Schal um den Hals. Unsicher taumelte er rückwärts auf die Tonnen zu. Als die Finsternis jenseits des Parkplatzes ihn beinahe verschluckt hatte, hob er den rechten Arm und streckte Maj seine Hand entgegen. Als zielte er mit einer Pistole auf sie. Majs Herz machte einen Satz.
Irgendwie kam ihr der Typ bekannt vor. In seiner Hand sah sie etwas aufblitzen. Ein Messer? Blödsinn. Konnte gar nicht sein.
Schulterzuckend wandte sich Maj wieder um – und stolperte über etwas Weiches, Unförmiges. Sie keuchte auf und suchte Halt an der Ladefläche eines Pick-ups. Die Flasche Whisky rutschte ihr unter der Jacke raus und zerbrach auf dem Asphalt. Vor Schreck machte Maj noch einen Schritt vorwärts und stürzte. Ihre Hand fasste in etwas Nasses, Warmes. Entsetzt kroch sie einen Meter zurück und sah auf ihre Finger. Blutverschmiert! Vor ihr lag ein Mann zusammengekrümmt auf dem Boden. Er stöhnte leise. Majs Herz hämmerte wie verrückt. Was sollte sie jetzt tun? Drüben an der Bushaltestelle sah sie Gila und Lars ungeduldig von einem Fuß auf den anderen treten. Sie wollte hinüberrufen, aber aus ihrer Kehle kam kein Laut.
Der Verletzte röchelte. Maj rutschte noch ein Stück von ihm weg. Ausgerechnet jetzt waren kaum Leute auf dieser Seite des Parkplatzes.
„Wir müssen die Polizei rufen!“, schrie eine Frau, die plötzlich neben Maj auftauchte. „Und einen Krankenwagen!“
Maj fing an zu zittern. Die Frau kniete neben ihr nieder und fummelte an der Kleidung des Verletzten.
„Bist du fit in Erster Hilfe?“, fragte sie.
Maj schüttelte den Kopf. Als sie noch einmal einen Blick zu den Altglastonnen warf, war der Mann weg.