Читать книгу Versteckspiel - Friederike Schmöe - Страница 7
ОглавлениеKAPITEL 2
„So, du bist also zufällig über das Opfer gestolpert.“ Der Polizist, der sich als Theo Weber vorgestellt hatte, musterte Maj aufmerksam. Sie saß mit ihrer Mutter auf der Polizeiwache. Hatte sich die Hände gewaschen, aber das Blut des Mannes spürte sie immer noch an den Fingern.
„Ist er tot?“, fragte sie leise.
„Nein.“ Der Polizist seufzte. Er war untersetzt, hatte eine Glatze und kratzte mit seinen Wurstfingern das Schwarze unter seinen Fingernägeln hervor. „Aber schwer verletzt.
Du hast heute Geburtstag, wie ich deinem Ausweis entnehme. Und du hast geklaut.“
„Habe ich nicht.“
„Sondern? Wo kam die Whiskyflasche her, die auf dem Parkplatz zu Bruch gegangen ist, hm?“
Maj zuckte die Achseln. „Vielleicht hat der Typ die Flasche fallen lassen.“
Sie hoffte, Weber würde nicht merken, wie sie innerlich zitterte. Ihre Mutter rutschte unruhig auf dem Stuhl herum. Auf ihrer Stirn bildete sich die typische, senkrechte Falte. Bis zur Nasenwurzel. Ein Zeichen dafür, dass sie sauer wurde.
Weber nahm eine Fernbedienung zur Hand und schaltete einen Fernseher an. Maj sah die Regalreihen des Supermarktes vor sich.
„Weißt du, was das ist?“
Maj verzog das Gesicht.
„Ein Überwachungsvideo“, half ihr der Polizist auf die Sprünge. „Da sieht man, wie du dich am Regal für die harten Sachen bedienst.“
Maj wurde heiß. Ihre Wangen glühten.
„Wussten Sie, dass Ihre Tochter klaut?“
Mit einem Seitenblick auf Majs Mutter drückte Weber auf ‚Stopp‘.
Die Mutter sog scharf die Luft ein. „Maj!“
„Mom, bitte“, stöhnte Maj.
„Das war nicht das erste Mal, oder?“ Weber trommelte mit einem Bleistift auf den Tisch.
Maj schwieg. Nein. Es war nicht das erste Mal. Zu Lars’ letzter Party hatte sie auch eine Flasche beigesteuert. Es war nicht so schwierig, etwas mitgehen zu lassen, wenn man sich erst mal überwunden hatte. Maj hatte zusammen mit ihrer Klassenkollegin Kelly im letzten Sommer als Aushilfe in einem griechischen Imbiss gejobbt. Doch das Geld war aufgebraucht. Ihre Mutter stand auf Sparsamkeit. Über mehr Taschengeld brauchte man mit ihr gar nicht zu diskutieren. Vor allem dann nicht, wenn Maj das Geld für Alkohol ausgeben wollte. Das hätte sofort einen Riesenkrach gegeben.
„Maj, das darf doch nicht wahr sein“, rief ihre Mutter. Die Falte auf ihrer Stirn wurde immer tiefer. Gleich würde sie ein paar Tränen abdrücken, damit Maj auch merkte, wie viel Kummer sie ihrer Mutter machte. Meine Güte, das ging ihr wirklich auf den Geist.
„Du kriegst eine Anzeige.“ Der Polizist raschelte mit mehreren Papieren. „Und Hausverbot im Supermarkt. Immerhin wissen wir, dass du den Mann auf dem Parkplatz nicht niedergestochen haben kannst.“
„Ich muss Sie aber sehr bitten!“, regte Majs Mutter sich auf.
„Lass, Mom“, sagte Maj.
„Hast du etwas gesehen oder gehört, als du aus dem Markt rausgelaufen bist?“, fragte Weber. „Nein.“ Maj schob die Hände unter den Po.
Ihr war kalt. Ihr Haar war noch feucht. Auf dem Parkplatz hatte sie eine halbe Ewigkeit herumgestanden, bis ihre Mutter kam und sie im Streifenwagen zur Polizeiwache fuhren.
Lars und Gila waren abgehauen. Hatten die beiden den Mann bei den Mülltonnen auch gesehen? Der auf sie gezeigt hatte? Und woher hatte sie nur das Gefühl, ihn zu kennen?
„Wirklich nicht?“ Weber sah Maj aus kalten, blauen Augen an.
„Da war ein Mann“, antwortete sie widerwillig. „Der lief zu den Altglastonnen.“
„Altglastonnen?“
„Die stehen am Rand vom Parkplatz. Richtung Kanalstraße.“ Maj überlegte blitzschnell.
Sollte sie sagen, dass der Mann sich umgedreht hatte, sodass sie sein Gesicht sehen konnte? Lieber nicht. Der Polizist würde sie nur weiter mit Fragen bombardieren.
„Ja? Wie sah der aus?“
„Groß und schlank.“
„Kannst du ihn beschreiben? Gesicht?
Kleidung?“
Maj krümmte sich innerlich zusammen.
Es war dunkel gewesen. Alles war ihr ganz unwirklich vorgekommen auf dem Parkplatz.
Sie hatte sogar einen Augenblick gedacht, der Mann auf dem Boden wäre tot.
„Er hatte dunkle Sachen an“, flüsterte Maj.
Er hatte auf sie gezeigt, ihr direkt in die Augen gesehen. „Trug eine Mütze. So eine mit Bommel.“
„Na gut. Es gibt noch eine Zeugin, die jemanden weglaufen sah. Die kann ihn besser beschreiben. Wir lassen eine Phantomzeichnung anfertigen. Du hörst von uns.“ Weber reichte ihr eine Visitenkarte. „Falls dir noch was einfällt.“
Er wandte sich ab und begann, auf einem Laptop zu schreiben.
„Ich nehme an, Sie brauchen uns nicht mehr?“, fragte Majs Mutter.
„Sie können gehen!“ Er wedelte ungeduldig mit der Hand.
Maj zuckte zusammen, als ihre Mutter sie am Arm nahm. Sie verließen das Büro und gingen den langen Korridor entlang zum Ausgang.
Maj machte sich los. Ihr Geburtstag war im Eimer. Aber noch schlimmer war, dass sie aus dem Grübeln nicht herauskam: Sie konnte sich einfach nicht erinnern, woher ihr der Mann vom Parkplatz bekannt vorgekommen war.