Читать книгу Versteckspiel - Friederike Schmöe - Страница 8
ОглавлениеKAPITEL 3
Am Dienstag und Mittwoch durfte Maj von der Schule wegbleiben. Sogar eine Psychologin tauchte auf. Sie stellte Fragen, auf die Maj einsilbig antwortete. Sie interessierte sich dafür, wie es Maj ging und ob sie über alles sprechen wollte.
„Nee, ist schon o.k.“, antwortete Maj und spielte mit ihrem Handy. Lars und Gila hatten kein einziges Mal angerufen.
„Es ist normal, dass du einen Schock hast“, half die Psychologin. „Man fühlt sich dann ganz aufgelöst, als wenn alles um einen herum nicht wahr wäre. Ist das so?“
„Nö, eigentlich nicht“, antwortete Maj. Von den Albträumen wollte sie niemandem erzählen.
Da sah sie das Opfer in seinem Blut liegen, und immer mehr Blut lief aus ihm heraus, floss über ihre Füße und Hände.
„Wie geht es dem Mann, den ich auf dem Parkplatz gefunden habe?“, fragte Maj.
„Er hat schwere Stichverletzungen, aber er wird durchkommen. Zum Glück wurde er schnell ins Krankenhaus transportiert und gleich operiert.
Er muss allerdings eine Weile dort bleiben.“
Maj hörte ihre Mutter draußen in der Küche herumräumen. Noch nie hatte sie so einen bescheuerten Geburtstag gehabt. Und ihr Vater hatte auch nicht angerufen. Seit er mit seiner neuen Frau zwei Kinder hatte, vergaß er alles, was mit seiner alten Familie zu tun hatte.
Als die Psychologin gegangen war, redete die Mutter auf Maj ein.
„Natürlich will ich, dass es dir gut geht. Aber wir müssen über diese andere Sache sprechen.“
„Lass mich doch einfach in Ruhe!“, wehrte Maj ab. „Dann geht’s mir am besten.“ Sie hatte keine Lust, ständig ausgequetscht zu werden wie eine Zitrone. Am wenigsten von ihrer Mutter. Ab und zu sehnte sie sich einfach nach einem Platz, der weit weg von allem war und ihr allein gehörte. „Du bist nicht nur rotzfrech und ungezogen.
Du klaust auch noch.“ Die Mutter verschränkte die Arme vor der Brust. Die tiefe Stirnfalte schien auf ihrer Nasenwurzel zu balancieren wie ein Besenstiel. Sie erwartete eine Antwort. Maj hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte.
„Warum, Maj? Wenn du Geld brauchst, rede mit mir. Wir müssen zusammenhalten. Du trägst auch Verantwortung mir gegenüber.“
„Du hättest mir bestimmt Geld für Whisky gegeben“, platzte es aus Maj heraus.
„Sei nicht immer so schnodderig!“
Mit unterdrücktem Zorn strich die Mutter sich ein paar Haarsträhnen aus der Stirn.
Das Gel, das sie sich in großen Mengen in die Frisur schmierte, machte ihr Haar ganz stachelig. Maj konnte sich erinnern, wie weich es früher gewesen war, als sie klein war.
„Das ist alles der Einfluss von diesem Lars.
Ich will nicht, dass du Whisky trinkst, hast du mich verstanden?“
„Wir trinken nicht viel“, wich Maj aus.
„Wir mixen ihn.“
„Was mixt ihr denn?“
„Ein paar Drinks halt. Jeder steuert was bei.“
„Ich will das nicht, Maj. Nicht mit Lars. Du weißt nicht einmal, was er dir da reinmischt.
Die Jungs …“
„Er mischt mir nichts rein!“, fauchte Maj.
„Lass mich doch einfach in Frieden!“ Gespräche mit ihrer Mutter endeten immer in genau der gleichen Sackgasse.
Maj rannte auf ihr Zimmer. Sie stellte ganz laut Nightwish an. Wenn sie Musik hörte, wurden ihre Gedanken ruhiger. Dann zerbrach sie sich nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit den Kopf. Wem sollte sie schon erzählen, dass ihr der Täter bekannt vorgekommen war? Kommissar Weber kam nicht in Frage. Er hatte ihr Angst eingejagt. Am liebsten hätte sie den fetten Mann mit den schmutzigen Fingernägeln für immer vergessen. Außerdem nagte das schlechte Gewissen wegen der Whisky-Flasche an ihr.
Sie überlegte, ob sie Gila anrufen sollte.
Mit Gila konnte sie eigentlich ganz gut reden. Doch seit Gila mit Lars zusammen war, hatte ihre Freundschaft einen Knacks bekommen.
Gila quatschte nur noch über ihren Typen.
Wie sie ihm verliebte Smileys simste, Weihnachtsgeschenke aussuchte und all so was. Das war Maj wirklich komplett egal. Lars war ganz o.k., aber so weltbewegend, wie Gila ihn fand, war er auch wieder nicht.
Ihre Mutter klopfte. „Kann ich reinkommen?“
Maj drehte sich auf den Bauch. „Nein“, murmelte sie in ihr Kissen. „Nein, nein, nein.“ Wenig später hörte sie ihre Mutter im Wohnzimmer telefonieren. Sie stellte die Musik leiser, um lauschen zu können.
„Sie ist immerhin deine Tochter!“, sagte die Mutter. „Selbst wenn du dich nicht mehr für sie interessierst, hast du immer noch eine Verantwortung.“
Na super, dachte Maj. Das fehlte gerade noch, dass ihr Vater hier hereinschneite und sie wegen der Sache mit dem Klauen rund machte. Sollte er doch bei seiner neuen Frau und seinen Zwillingen bleiben.
Als Maj später im Bett lag, konnte sie lange nicht einschlafen. Immer wieder sah sie auf den Radiowecker neben ihrem Bett. Stunde um Stunde verstrich. Irgendwann fiel sie in einen unruhigen Schlaf, in dem der Mann, den sie bei den Altglastonnen gesehen hatte, auf sie zeigte. Und plötzlich hatte er ein Messer in der Hand und kam auf Maj zu. Sie wich zurück, stürzte und sah den Kerl hoch über sich aufragen.
Maj versuchte, rückwärts über den Boden zu kriechen. Nur weg von ihm, weg! Mit einem Mal war das Messer in seiner Hand zu einer Pistole geworden. Sie hörte Schüsse. Einen. Zwei. Drei. Maj schrie auf. Schweißnass fuhr sie hoch. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie mitbekam, dass das laute Hämmern von der Tür kam.
„Maj, was ist los? Schließ bitte auf!“ Die Stimme ihrer Mutter überschlug sich.
Maj sah auf die Uhr. Halb vier! Sie fror. Im Schlaf hatte sie die Decke zu einem Knäuel geformt und unter ihren Bauch geschoben.
„Alles o.k., Mom! Ich habe nur schlecht geträumt.“
„Maj, mach bitte auf.“ Ihre Mutter rüttelte an der Klinke, aber Maj antwortete nicht. Sie wollte nicht, dass ihre Mutter hereinkam, sich zu ihr aufs Bett setzte und die Ich-bin-doch-deine-Mutter-Show abzog.
Sie würde Maj ohnehin nicht verstehen.
„Alles o.k.“, rief Maj noch einmal und kuschelte sich unter ihre Decke.
Leise murmelte sie: „Geh einfach weg.“