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Nous und Logos:
Heraklit

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Diese von Xenophanes vertretene Sicht der Dinge: dass Geist und damit wahre Einsicht und Erkenntnis in der Welt der Sterblichen eher selten anzutreffen sind, wird in vorsokratischer Zeit vornehmlich und mit polemischen Spitzen versehen von Heraklit aus Ephesos (ca. 544–483 v. Chr.) behauptet. Und zwar spricht er das in gleich zweien der drei Fragmente aus, in denen das Wort Nóos bei ihm vorkommt. In Fragment 40 stellt Heraklit lapidar fest, Vielwisserei – ‚Polymathie‘ – lehre keinen Nóos, keinen Geist, und er leugnet, dass namentlich Hesiod, Pythagoras, Xenophanes und Hekataios Nóos besessen hätten: Vielwissende waren sie, aber Geist besaßen sie nicht.

Allgemein formuliert ist damit zu verstehen gegeben: Vieles zu wissen, ist nicht gleichbedeutend damit, Geist zu haben. In die gleiche Kerbe haut Heraklit mit Fragment 104, in welchem er fragt, was Nóos oder Phren (Verstand) der Menschen sei. Und er gibt sich selbst zur Antwort, die Mehrheit menschlicher Wesen besäße offenbar keinen Nóos. Dies beweist sich für ihn in dem Sachverhalt: „Volkssängern glauben sie und zum Lehrer haben sie die Menge und wissen nicht, daß die Vielen schlecht, wenige aber gut sind“.35

Aufschlussreich ist zudem das dritte Fragment, in dem Heraklit das Wort Nóos verwendet, das Fragment 114. Dieses Fragment gibt, zunächst etwas grob gesagt, zu bedenken: Dem Nóos kommt (ob primär oder ausschließlich oder auch als eine unter anderen Funktionen, geht aus diesem Fragment nicht hervor) die Funktion zu, die verborgene Harmonie und Gesetzmäßigkeit hinter den Gegensätzen und Widersprüchen der Erscheinungswelt zu erkennen. Heraklit will damit auf Folgendes hinaus. Gemäß seiner Physik sind alle Veränderungen in Natur und Kosmos nichts anderes als Wandlungen eines Urstoffs, den er im ‚ewig lebendigen Feuer‘ erblickt, wie es in Fragment 30 heißt. Dieses Feuer wandelt sich nach exakt angebbaren Maßverhältnissen in die drei anderen später so genannten ‚Elemente‘ Wasser, Luft und Erde und stellt sich aus ihnen wieder her. All diese Prozesse werden gesteuert von einer Art Weltgesetz, das er als Logos bezeichnet und das nur eines ist und allgemein gilt. 36 Diesen Logos nun, dieses Weltgesetz erkennen, wie Heraklit überzeugt ist, nur die wenigsten Menschen – nämlich diejenigen, die über Nóos verfügen. Nur diejenigen also, die den Nóos besitzen, sind in der Lage, das – für Heraklit anscheinend göttliche – Gesetz zu entdecken, das Sein, Werden und Vergehen im Kosmos steuert. Nur sie, so kann man sagen, sind imstande, kraft ihres Geistes die Wahrheit zu erkennen und auszusprechen.

Der Mehrzahl der Menschen bleibt diese Erkenntnis nach Heraklits Überzeugung verborgen; sie ist verbannt von solcher Wahrheit, mangelt es ihr doch an Nóos, dessen grundlegende Funktion für Heraklit, um es noch einmal zu betonen, darin besteht, den Logos, das universell gültige Weltgesetz, zu erfassen.

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