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II. Was ist die Freimaurerei nicht?

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Schier unglaublich ist es, was über sie und ihre Mitglieder alles gefabelt wurde und noch wird. Als eine treue Dienerin meines Vaterhauses, die mich einst als Kind auf ihren Armen getragen, von mir erfuhr, dass ich Freimaurer sei, war sie erst ganz verstört, dann beschwor sie mich mit dem Aufgebot all der Beredsamkeit, die ihre Liebe ihr verlieh, schnell wieder auszutreten, weil die Freimaurer ja Gewitter und Hagelschlag machten und vielerlei ähnliche böse Künste trieben; und noch heute kann sie mir gegenüber den altgewohnten traulichen Ton nicht finden, sondern schaut mich oft angstvoll an, als befürchte sie, dass ich irgendwelche Hexenkünste loslasse. Und dabei ist diese gute Alte durchaus nicht dumm, sondern hat ihr gut Teil gesunden Menschenverstandes.

So mancher sonst ganz vernünftige Mensch geht mit einem Gefühl des Gruselns an einem Logenhaus vorbei, und wenn man gar von einem Manne weiß, dass er eine herausgehobene Stellung in der Loge einnimmt, womöglich gar „Meister vom Stuhl“ ist, so betrachten ihn gewisse Leute mit einer unbestimmten Angst, Sorge und Neugier.

Wie finster es noch jetzt in manchen Köpfen aussieht, möge der folgende Brief beweisen, welcher der Regensburger Loge „Walhalla“ zugegangen ist: „Oberbergham, den 6. September 1928. An die Freimaurer-Gesellschaft, Sitz in Regensburg. In Notzwang fühle ich mich gezwungen, Ihnen etliche Zeilen zu schreiben, und bitte Ihnen verzeihen Sie mir wenn ich Ihnen nicht recht angeredet soll haben, ich weiß nicht wie man Sie anredet und fragen mag ich nicht. Ich hab also ein Haus gehabt, habens mir mit Gewalt alles genommen eine Wohnungsfrau ist auch hier hat mir mein ganzes Holz genommen, ich kann mir nimmer helfen, bin nur mehr in der Wohnung und diese gehört mir nicht hab nichts zu leben, und ich bitte und ersuche Ihnen höflichst, sind Sie so gut und helfen Sie mir ich möchte gerne die Schwarz Kunst und helfen Sie mir dazu wie ichs machen muss ich bitte und ersuche Ihnen freundlichst helfen Sie mir, die Gemeinde und alles will mich unterdrücken und ersuche Ihnen um sofortige Antwort und bin Ihnen im voraus schon vielmals dankbar, ich ersuche Ihnen helfens mir. Achtungsvoll Therese M., Inwohnersfrau.“

Es ist hier nicht der Ort, alle die Märchen und Sagen aufzuzählen, mit denen der Aberglaube die Jünger der Maurerei umwoben hat. Von ihnen bis zu den handgreiflichen Lügen des berüchtigten Leo Taxil ist kein allzuweiter Schritt. Dieser französische Ehrenmann erzählte in einem einst sensationellen Buche von einem richtigen Satanskultus in den Logen, zu dem sich sogar ein leibhaftiger Teufel namens Bitru einstelle, und ähnlichen Unsinn mehr. Er hatte die Genugtuung, von Kardinälen und anderen Kirchenlichtern ernst genommen zu werden, ja sogar den Segen des Papstes für seine „verdienstvolle Wirksamkeit“ zu erlangen. Aber als ihm das geglückt war und er mit seinen Büchern ein glänzendes Geschäft gemacht hatte, da warf er die Maske ab, erklärte selbst seine „Enthüllungen“ für dreisten Schwindel und hatte nun die Lacher auf seiner Seite, während die Betrogenen sich schämten und sich z. T. mit der Behauptung zu entschuldigen suchten, die „Enthüllungen“ seien doch wahr, aber der Widerruf sei Lüge.

Nichts ist so albern, beleidigend und arg, dass es der Freimaurerei nicht schon nachgesagt worden wäre; sie hat es schon längst aufgegeben, sich dagegen zu wehren, da gegen Dummheit und Bosheit kein Kraut gewachsen ist.

Dagegen sei wahrheitsgemäß versichert, dass der Bund der Freimaurer keine Geheimorganisation mit unheimlicher Gewalt und dem Ziele der unsichtbaren Herrschaft über die Völker und Länder ist. Es gibt keine oberste Leitung, denn die Großlogen des Bundes sind voneinander unabhängig, es gibt keine „unbekannten Oberen“, denn jede Loge kürt in freier Wahl ihre Leiter.

Ebenso unwahr ist es, dass unsere deutschen Logen irgendwelche Protektionswirtschaft treiben. So mancher, der sich einer Loge anschloss in der stillen Hoffnung auf persönliche Vorteile in Bezug auf Reichtum und äußere Erfolge aller Art, hat sich in diesen Erwartungen gründlich enttäuscht gesehen und erkennen müssen, dass auch in diesem Punkte die umlaufenden Gerüchte nicht auf Wahrheit beruhen. Ja, es darf ganz offen gesagt werden, dass gerade in unseren wirtschaftlich so schweren Zeiten sich in den Logen Stimmen erhoben haben, welche fordern, dass die Brüderschaft auf die berufliche Förderung ihrer Mitglieder mehr bedacht sein solle als bisher, ein Verlangen, dem die überwältigende Mehrheit aber grundsätzlich ablehnend gegenübersteht, weil sich die Freimaurerei dadurch nicht nur von ihrem Ideal entfernen, sondern auch auf einen ihrer wesentlichsten Vorzüge verzichten würde.

Denn in einer Zeit, die fast ausschließlich dem Materialismus huldigt, in der Hunderte von Gewerkschaften, Verbänden usw. einzig den Zweck verfolgen, ihren Mitgliedern wirtschaftliche Vorteile zuzuwenden, ist eine große Vereinigung geradezu unentbehrlich, die ein Gegengewicht gegen solche egoistische Bestrebungen bildet und den Bibelspruch zu betätigen strebt: „Der Mensch lebt nicht vom Brote allein.“ Und just in unseren Tagen ist es für Männer, die draußen im Leben der harten „Forderung des Tages“ genügen müssen, eine unsagbare Wohltat, einem Kreise anzugehören, in welchem die Unterschiede von Geld und Gut, Rang und Stand hinter der Bewertung als Mensch zurückstehen.

Draußen im Leben kann sich keiner einem andern nähern, ohne dass letzterer sich im stillen die misstrauische Frage vorlegt: wieviel will er oder welchen sonstigen Nutzen erwartet er von mir? In der Loge aber schwindet solches Misstrauen vor der gegenseitigen Liebe und Achtung, vor dem gemeinsamen Gefühl der Verbundenheit zu höheren Zwecken.

Auch diejenigen sind im Irrtum, die da meinen, die Logen seien lediglich Wohltätigkeitsvereine. Gewiss ist die Befolgung des Gebots: „Wohlzutun und mitzuteilen vergesset nicht“ eine der Pflichten jedes Freimaurers, aber sie bleibt, wie so manches andere, lediglich Mittel zum Zweck, ist aber nicht der Zweck selbst. Denn nicht die Gabe an sich ist wertvoll, so nötig und willkommen sie auch sein mag, sondern die Gesinnung, aus der heraus sie gespendet wird: die Anteilnahme an dem Geschick jedes Mitmenschen, wodurch die Spende nicht als Almosen erscheint, sondern als liebevoll dargebotene Hilfe, die nicht auf Dank und Vergeltung rechnet. Beweis dafür ist die Tatsache, dass die freimaurerische Wohltätigkeit in den allermeisten Fällen sich Fernstehenden zuwendet und bestrebt ist, sich von der bürokratischen Art und Weise freizuhalten, in der sonst gewöhnlich „Unterstützungen“ gewährt werden. Ein schönes Maurerlied sagt:

Wir verwalten fremde Güter

Bis zum Tag der Rechenschaft

und zeigt durch diese Worte deutlich das soziale Verständnis, das im Herzen eines echten Freimaurers vorhanden sein soll und demgemäß von den Logen allzeit gepflegt und ihren Mitgliedern anerzogen worden ist.

Der Weg zu dem Ziele, ein echter Freimaurer zu sein, ist freilich lang, und nicht jeder legt ihn ganz zurück. So mancher erlahmt dabei, findet nicht die Kraft, die inneren Hemmungen zu überwinden, sondern fällt nach kurzem Bemühen wieder in seinen anfänglichen Zustand zurück. Was im ganzen Leben angesichts jeder idealen Bestrebung gilt, das gilt auch für die Freimaurerei: „Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.“ Denn auch die „Königliche Kunst“ ist eben nur Menschenwerk, und auch unter ihren Jüngern ist gar oft der Geist willig, aber das Fleisch schwach.

Die Freimaurerei hat keine Geheimlehre, ja ihr Inhalt ist weder ein religiöses, noch ein philosophisches, noch ein wirtschaftliches oder soziales System, sondern steht über diesen allen, obwohl er mit allen innere Berührung besitzt. Die Aneignung ihrer Grundsätze ist auch nicht an höhere geistige Begabung oder Schulung gebunden, vielmehr bietet sie dem geistig höchststehenden wie dem schlichtesten Menschen Erhebung und Vertiefung, Förderung und Bereicherung seines Innenlebens. Darin eben besteht ihr „Geheimnis“, von dem so viel geraunt wird. Aber dieses Geheimnis lässt sich nicht in Worte fassen, nicht lehren, es lässt sich nur erleben. Darum sind die äußeren Formen, die Symbole, deren sich die Freimaurerei bei ihrer Arbeit bedient, zwar in vielen sogenannten Verräterschriften öffentlich dargelegt, ja sogar mit entsprechenden Abbildungen versehen worden, aber jeder Leser solcher Schriften hat sich gesagt: in diesen bloßen Äußerlichkeiten kann das Geheimnis doch nicht bestehen. Und er hat recht. Denn so wenig man aus der Kleidung eines Menschen sein Inneres erkennen kann, so wenig vermag auch die Kenntnis aller unserer Rituale und Zeichen das Geheimnis der Freimaurerei zu enthüllen, weil es sich jedem in einer anderen, seiner persönlichen Eigenart angepassten Weise offenbart.

Schließlich sei noch der Meinung entgegengetreten, dass die Logen nichts anderes seien als Geselligkeitsklubs. So selbstverständlich es ist, dass der Verkehr der Brüder einer Loge untereinander sich nicht immer auf den „Höhen der Menschheit“ bewegen kann, sondern auch in traulicher, ja oft fröhlicher Unterhaltung besteht, so wenig ist diese Selbstzweck, vielmehr stellt auch sie nur ein Mittel dar, durch das die Freimaurerei ihren eigentlichen Zweck zu erreichen sucht: die Aufwärtsentwicklung ihrer Mitglieder.

Von Leuten, welche die Freimaurerei gering schätzen, hört man oft den vernichtenden Ausspruch, dass sie in eine Erstarrung versunken sei und keinen Anschluss an die großen Fragen der Gegenwart gefunden habe. Demgegenüber sei betont, dass alles, was unsere Zeit bewegt, auch in den Logen ein Echo findet, und dass der Kampf, welcher nach dem bekannten Worte eines alten Philosophen der Vater aller Dinge ist, auch in der Freimaurerei nicht etwa einer stumpfen Gleichgültigkeit Platz gemacht hat. Nur spielt er sich in ihr nicht in der Form heftigen, gehässigen Streites ab, sondern in den Grenzen der Sachlichkeit, wie sie aus der gegenseitigen Achtung und Liebe sich ergibt. Und gerade dadurch wird jeder Auseinandersetzung die Bitterkeit genommen und ein geistiger Gewinn erzielt.

Wer die Geschichte der Freimaurerei kennt, der weiß, dass in ihr zwar auch die Anschauungen gewechselt haben, ja dass sie auch von Abirrungen nicht verschont geblieben ist, aber dass sie sich von diesen auch immer wieder zu befreien wusste und auch heute noch still, aber beharrlich trotz aller Anfeindung, Verlästerung und Verhöhnung den Weg geht, dessen Richtigkeit durch eine 200jährige Erfahrung bestätigt wird.

Die Freimaurerei

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