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III. Was ist die Freimaurerei? Frei-Maurer.
ОглавлениеGerade in den Jahren, die auf das Ende des Weltkrieges folgten und eine Umwertung aller Wert bringen zu wollen schienen, hatten die deutschen Logen einen bisher unerhörten Zudrang zu verzeichnen. Es war, als suchten die sich Meldenden einen ruhenden Pol in der Erscheinungen Flucht und als ahnten und hofften sie, ihn im Freimaurerbunde zu finden. Und diese Erwartung dürfte sie nur selten getäuscht haben. Denn die allgemein menschlichen Forderungen des Bundes in Verbindung mit einem altehrwürdigen Gebrauchtum tragen in sich die Gewähr dafür, dass sie auch in den bewegtesten Zeitläuften unerschütterlich feststehen und von dem Wechsel der Umstände unabhängig, also imstande sind, dem aufrichtig Strebenden Ruhe und Gleichmut der Seele zu gewähren.
Der Name „Frei-Maurer“ birgt in sich schon den Kern des Wesens. Freiheit ist unser erstes Ziel. Aber nicht jene Freiheit, die mit Ungehemmtheit und Zügellosigkeit gleichbedeutend ist und schließlich zum Anarchismus führen muss, sondern diejenige, von welcher die Dichterworte gelten „Der Mensch ist frei, und wär' er in Ketten geboren“ und „Das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.“
Unter dem Namen jener falsch verstandenen Freiheit hat man nur zu oft im Laufe der Jahrhunderte den härtesten Zwang ausgeübt bis in unsere Tage. Und dies konnte geschehen, weil der menschliche Geist im Banne von Vorurteilen stand. Von solchen, welcher Art sie auch sein mögen, sich nie leiten zu lassen, das ist die erste Pflicht eines Freimaurers, ist die Grundlage der von ihm erstrebten sittlichen Freiheit. Zu dieser Überwindung aller Vorurteile zu gelangen, ist aber gar schwer, denn in uns allen liegen Abgründe, die nur durch Eigenliebe, Eigensucht und die konventionelle Lüge überdeckt sind. Darum richtet die Freimaurerei an ihre Jünger das ernste Gebot der Selbsterkenntnis, die ja schon im Altertum der Gott Apollo durch die Inschrift über dem Eingang seines berühmten Tempels zu Delphi von jedem ihm Nahenden forderte.
Freilich gewährt die Loge nur einem „freien Mann von guten Ruf“ Aufnahme. Aber bürgerliche Unabhängigkeit und günstiges Urteil der Welt sind doch nur äußere Voraussetzungen. Niemand vermag dem Suchenden ins Herz zu sehen. Darum verlangt die Freimaurerei, dass er es selbst tue. Mit unerbittlicher Wahrheitsliebe erkenne er seine Fehler und Schwächen, seine geheimsten Regungen, Wünsche und Absichten, und rotte alles aus, was in ihm das reine Gefühl echten Menschentums überwuchern könnte. Löst er sich in dieser Weise los von Egoismus, Vorurteilen, Hass, Zorn und anderen Leidenschaften und setzt er diese Tätigkeit rastlos fort, weil im Menschen die Versuchung ja täglich neu ihr Haupt erhebt, so gelangt er durch Fleiß und Übung zu der Freiheit, die von keiner düsteren Macht ihm geraubt werden kann und zu deren Erkämpfung die erste Silbe des Freimaurer-Namens ihn immer wieder aufruft.
Wer solche Freiheit sich täglich neu erwirbt, der wird auch das Wort „Maurer“ recht verstehen und in die Tat umsetzen. Denn es bedeutet nicht mehr und nicht weniger als „Arbeiter“. Schon durch den täglichen Kampf gegen das eigene Ich und um die Freiheit ist er ein Mann der Arbeit. Doch er soll es auch draußen im Leben sein. Nicht als Träumer oder verzichtender Außenseiter soll er abseits von den Pflichten des Daseins stehen, sondern rüstig die Hände regen und tätigen Anteil nehmen an allem, was zum Wohl seines Volkes und Vaterlandes, ja der ganzen Menschheit dient. Je mehr er „frei“ im oben angedeuteten Sinne wird, desto kräftiger und freudiger wird er als „Maurer“ wirken an der Stelle, an die ihn Beruf, Begabung und Schicksal gestellt haben.
Schon der Name Freimaurer also beweist, dass der Bund nicht Selbstzufriedenheit, Überhebung oder blasierte Resignation fordert, sondern im Gegenteil andauernde Erforschung und Läuterung des eigenen Innern und kraftvolle, von reiner Gesinnung erfüllte Betätigung im Leben verlangt.