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Vier

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Eine Woche ähnelte der anderen. Diese Woche musste Martin zu einer Tagung nach Paris. In den breiten crèmefarbigen Polstersesseln der firmeneigenen Cessna Citation wurde er bei bestem Service durch eine A-Hörnchen-ähnliche Stewardess direkt von Buochs zum Airport Orly geflogen und natürlich vom Flugzeug abgeholt. Eigentlich egal, wo ich bin, dachte Martin, alles auf der Welt sieht mittlerweile gleich aus. Selbst das Tagungshotel war von internationalem Standard - Luxus und - Design. Orientieren musste er sich ohnehin nicht und schon gar nicht mit Einheimischen kommunizieren. Da er abends wieder zurückgeflogen würde, war es sogar völlig belanglos, sich zu merken, wo er gewesen war.

Er musste auch diesmal nichts tun außer zuzuhören. Damit würde sich diese Reise als Entspannungspause darstellen. Einen Vortrag nach dem anderen ließ er an sich vorübergehen, unterbrochen von Kaffeepausen und Buffet. Er lernte, dass Bionik Health auf dem Wege war, zu einem Umsatzriesen der Branche zu werden, dank NeuroX. Er grinste, weil er das als Vorstandsmitglied auf einer Tagung erfahren musste. Vielleicht sollte er sich jetzt doch etwas mehr um die Finanzen kümmern. Als er zurückgeflogen wurde, blieb ihm ein Satz aus einem der Vorträge im Gedächtnis: „Die Fluorbindung des methylisierten Phenolrings erweist sich als nützliche Zwischenstufe im Hinblick auf eine effiziente Produktion.“

Er wusste nicht gleich etwas damit anzufangen und war sich auch nicht im Klaren, wieso sein Gehirn diesen Satz gespeichert hatte. Er wusste nicht einmal, wer den Satz ausgesprochen hatte. Er sah weiter aus dem Fenster auf die bedrohlich bizarren Wolkentürme neben ihm, die der Pilot in weichen Bögen umflog und nickte dabei ein, eingeschläfert durch die leichten Turbulenzen.

Als er aufwachte, befand sich die Cessna schon im Landeanflug. Wie so oft nach einem Schlaf, kam ihm schlagartig und ohne bewusstes Nachdenken die Erkenntnis. Dieser Satz konnte nur ausgesprochen werden, wenn man seine Arbeit im Labor kannte. Die Idee mit dem Fluor war so spezifisch und seine Wirkung durch einen glücklichen Zufall entdeckt worden, dass es ihm völlig unwahrscheinlich erschien, dass ein anderer genau zum gleichen Ergebnis hätte kommen können. Der Vortragende kannte den Inhalt des USB-Sticks, weil er ihn selbst hatte oder weil ihm Dokumente daraus von jemandem zugespielt wurden. Er war plötzlich hellwach und vielerlei schoss ihm durch den Kopf. Also gezielt gestohlen, nicht verschlampt. Und der Dieb oder seine Helfer wussten vom Inhalt. Und sie kannten die Bedeutung. Und jetzt gab es jemand, der es viel leichter hatte, den Wirkstoff zu synthetisieren. Außer es war einer aus der eigenen Firma. Aber der würde niemals davon öffentlich berichten, ohne seinen Job direkt aufs Spiel zu setzen. Es war ja nicht nur die Sache mit dem Fluor auf dem Stick, sondern eine Beschreibung des gesamten Prozesses, auch der Studienergebnisse, eben die gesamten FDA-Dokumente. Eine Tatsache, die eigentlich nur er wusste und die er gerne unter den Tisch fallen gelassen hatte. Jetzt musste er den Täter finden. Mit Berner? Lieber nicht, sonst wird alles wieder aufgerührt. Aber vielleicht doch, er konnte das doch gar nicht alleine. Und Berner kannte er eigentlich ganz gut und er war ein verlässlicher Mensch, der ihm vielleicht ohne großes Aufsehen helfen würde. Und wer kam denn infrage als Dieb. Miriam wohl nicht, Frank ganz sicher.

Halt, dachte er. So geht das nicht. Erst einmal einen klaren Kopf bekommen und dann Schritt für Schritt vorgehen. Entspannen, entspannen, entspannen sagte er sich wie ein Mantra. Und es gelang - langsam. Am nächsten Morgen sagte er alle Termine ab, A-Hörnchen wurde das schon managen, und begab sich in den Country Club. Das war für ihn mittlerweile ein angenehmer Zufluchtsort. Besser als zu Hause, weil er hier nicht durch den alten Martin abgelenkt wurde.

Der Clubraum war wohl komplett aus England importiert worden. Dunkle Holztäfelung, Bücherregale voll mit alten Büchern, die keiner las, aber deren wertvolle Buchrücken perfekt zum Ambiente passten. Bequeme Sitzmöbel aus altem, abgenutztem Leder, in denen man wohlig versank, arrangiert zu kleinen Gruppen um niedrige Beistelltische aus Mahagoni. Nautische Geräte, ein riesiger Globus und afrikanische Speere und Schilde zeugten von Britanniens Größe. Der Geruch von Whisky und Tabak haftete seit Generationen an diesem Mobiliar und gab dem Raum ein Flair der glorreichen Kolonialzeiten. Es gab wohl auch eine intensive Beziehung Englands zur Schweiz. Hier wurde doch auch von Engländern das Skifahren als touristische Attraktion erfunden, am Arlberg. Moment mal, dachte er, Arlberg ist doch in Österreich. Aber egal, aus Sicht der Engländer war das doch gleichgültig, sie betrachteten die Alpen als Ganzes außer dem französischen Teil. Er hatte diese Beobachtung schon früher gemacht, dass nämlich Flachländer sich besonders zu den Gipfeln hingezogen fühlten. Für jemand, der in einer Gegend wohnte, wo man schon am Freitag sehen konnte, wer sonntags zu Besuch kam, waren Berggipfel unwiderstehlich. Einheimische gingen nämlich nicht ohne Not auf einen Berg, außer gegen Bezahlung, um Flachländer hinaufzuschaffen.

Er bestellte sich bei der freundlichen Dame des Clubservice einen Single Malt pur. Das war der einzige Makel an der perfekten Kopie eines englischen Clubs: Es gab eine adrette weibliche Bedienung statt eines alten schlurfenden Butlers und man konnte hie und da auch Frauen als Gäste sehen. In einer Ecke saßen zwei Herren, deren gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung Jahre zurücklagen, die aber diesen Habitus als selbst geschaffenes Gnadenbrot finanziell aufrecht erhalten konnten, vulgo: Man sah ihnen an, dass sie ordentlich Geld hatten.

Jeder hatte die Züricher Allgemeine vor sich (die London Times wäre stilvoller gewesen) und sie lasen sich gegenseitig Artikel vor, was Martin als eine Form des Smalltalks interpretierte.

„Schau mal, Lorenz, was da auf Seite 3 steht: Die Menschen jeden Alters werden immer dümmer. Das hat eine amerikanische Studie herausgefunden. Was dich betrifft, wundert es ja nicht, aber die Jungen?“

Das kam Martin bekannt vor. Vielleicht gab es ja noch mehr Studien zu diesem Thema.Wenn ich schon 'amerikanische Studie' höre, dachte Martin. Alle machten Studien, nur um bekannt zu werden. Praktisch daran ist aber, dass man für jedes Vorurteil der Welt eine Studie als Beleg finden konnte, weil sich für jede Meinung ein Sponsor fand.

„Hör mir bloß auf mit amerikanischen Studien“, sagte Lorenz, “Die gibt es ja für alles. Butter ist gesund, Butter tötet, Vitamin E ist gefährlich, Vitamin E hilft gegen vorzeitiges Altern, was immer du willst. Aber das mit dem dümmer werden, glaube ich sofort. Ich kann sagen, was ich will, die Jungen wissen alles besser und haben dabei keine Ahnung davon, weil sie noch gar nichts erlebt haben.“

„Wie wahr, wie wahr“, nickte sein Gegenüber angelegentlich und ein bisschen zu oft. Er sah tatsächlich ein wenig senil aus, fand Martin, was gar nicht zu seiner eleganten und gepflegten Gesamterscheinung passte. Martin stand altersmäßig zwischen den beiden und der gescholtenen Jugend, was bei ihm derzeit noch zu einer differenzierteren Beurteilung führte. Für das Phänomen, dass die Mehrheit der Menschen trotz der essentiell besseren Bildungsmöglichkeiten immer dümmer wurde, machte er die Medien mit schuldig. Die orientierten sich heute ausschließlich an den Quoten und damit an den Werbeeinnahmen. Der share holder value musste stimmen, und er dachte dabei an Sean. Einen Bildungsauftrag oder die Verpflichtung, objektiv Bericht zu erstatten oder die Meinungsvielfalt zu gewährleisten, sah Martin immer weniger. Der ausschließlich kommerzielle Maßstab lieferte aber auch ein verlässliches Bild, was die Menschen tatsächlich konsumieren wollten. Sie waren allesamt Voyeure, Schadenfreude war eines ihrer größten Vergnügen und die Pseudoberühmtheit völlig unbegabter und belangloser Menschen, ließen ihnen den Traum, selbst berühmt zu werden, als völlig realistisch erscheinen. Insbesondere sehr junge Menschen waren davon angesteckt. Martin war es nur nicht klar, ob es sich um ein 'Henne-Ei-Problem' handelte. Waren die Angebote so, weil die Menschen sie tatsächlich wollten oder wollten die Menschen das, weil sie auf den Mist konditioniert waren und sich gar nicht vorstellen konnten, etwas anderes zu wollen. Ein wesentlicher Faktor schien ihm das Letztere zu bestätigen: Der Mensch neigt zur Bequemlichkeit, auch im geistige Sinne. Leichte und schnell zu konsumierende Kost war angenehmer und man konnte aufkommende Langeweile einfach durch 'Zappen' auf ein anderes Angebot bekämpfen. Das nährte die zunehmend katastrophale Oberflächlichkeit, die heute auch die Denkenden befiel. Das wiederum erinnerte ihn an viele Verschwörungstheoretiker, die glaubten, das alles sei von unerkannten Mächten oder Mächtigen gesteuert. Die römischen Kaiser mit ihrem 'panem et circenses' hatten das schon gut verstanden. Satte Menschen, die sich nicht langweilen sind so gut wie nicht zur Revolution zu bewegen. Martin glaubte aber nicht an verborgene Mächte, sondern höchstens an ein stillschweigendes Einvernehmen zwischen Politik und Geld. Er selbst wäre ja auch völlig ungeeignet für eine Revolution. Dazu war er viel zu bequem, arrangierte sich gerne mit seinem Umfeld, obwohl er die Situation glasklar analysierte. Es war ihm eben lieber, seine Maske aufzusetzen und seine Gedanken für sich zu behalten und vor allem keine Energie mit nutzlosen Aktionen zu vergeuden.

Dann fiel ihm ein, dass er ein aktuelles Problem hatte. Er mochte das nicht. Angesichts des angenehmen Ambientes hatte er den Einfall, dass ein gemütliches Gespräch an diesem Ort mit Berner als Gast keine schlechte Sache wäre.

Also rief er Berner ein, der sich über den seit langem eingeschlafenen Kontakt sichtlich freute und nach einer halben Stunde da war.

„Auch ein Whisky? Du bist ja nicht im Dienst.“

„Eigentlich nicht mein Getränk, aber hier kann man ja gar nicht anders. Also bitte, aber mit etwas Soda.“

Sie genossen den ersten Whisky bei einer feinen Zigarre nahezu schweigend.

„Also, du hast doch einen besonderen Anlass gehabt?“ Berner nahm es Martin nicht übel. Er wusste, dass Geselligkeit ohne intellektuellen oder sonstigen Nutzen nicht Martins Sache war, was seiner Sympathie keinen Abbruch tat.

„Tut mir leid, in der Tat gibt es etwas Heikles“, Martin machte eine Pause und blies ein paar Rauchkringel gegen die Decke. Berner unterbrach ihn nicht. „Der USB-Stick wurde mit voller Absicht gestohlen.“

„Das überrascht mich gar nicht. Aber wie kommst du gerade jetzt darauf?“

„Ich bin mir natürlich nicht sicher. Aber der Zufall wäre doch zu groß.“ Martin erzählte von seiner Vermutung.

„Das klingt schon sehr plausibel“, stimmte Berner ihm zu. “Auch dass den Vortrag niemand aus deiner Firma gehalten hat, glaube ich sofort. Du hättest ihn doch gekannt.“ Na ja, dachte Martin beschämt, nicht unbedingt. Aber an einen Karriere-Selbstmörder glaubte er wirklich nicht.

„Was soll ich machen? Ich habe keine vernünftige Idee.“

„Ich kann ohne neue Erkenntnisse den Fall nicht wieder aufmachen. Was du vermutest, ist einfach zu wenig konkret. Versteh' mich nicht falsch. Ich war nie der Meinung, dass es nur eine Schlamperei war. Auf jeden Fall sehe ich mir die Akten noch einmal genau an, insbesondere in Bezug auf die Kontakte. Sprich erst einmal mit niemandem darüber, okay?“

In den nächsten Tagen hörte Martin nichts von Berner. Alles lief wie immer, nur er wurde zunehmend unruhig. Eines Morgens sah er einen Gast in Begleitung des Werkschutzes die Glasröhre queren. Neugierig folgte er und fühlte sich dabei ein wenig lächerlich. Wie ein Privatdetektiv im eigenen Haus, dachte er. Die beiden traten durch den gesicherten Laboreingang und nach einer Minute kam der Werkschutzmann wieder heraus. Jetzt wollte Martin unbedingt wissen, wer der Besucher war und betrat selbst den Laborbereich. Er nannte sich einen Narren, weil natürlich Mitarbeiter von Subunternehmen den Labors immer wieder Besuche abstatteten. Er schlenderte durch die Gänge, so als ob er einfach einmal einen unangemeldeten Kontrollbesuch machte, was er eigentlich nie tat. Jetzt müsste ich nur noch ein wenig pfeifen, dann wäre der Lächerlichkeit endgültig genüge getan, dachte er und war von sich selbst peinlich berührt. Er nahm wenigstens die Hände aus den Hosentaschen. Hinter der Glaswand eines kleinen Besprechungsraums sah er August sitzen mit Leutnant Paul, dem Mitarbeiter von Berner. Das war sehr ungewöhnlich, fand Martin. Er ging schnell wieder in seine Bürosuite und bat B-Hörnchen ihn sofort mit Kommissar Berner zu verbinden.

„Hallo Dylan, hier Martin.“

„Hallo, Martin, was gibt es so früh?“

„Was zum Teufel macht dein Lieutenant bei uns im Büro?“

„Wie bitte? Wer?“

„Na, dein freundlicher Leutnant, der Paul eben.“

„Was ist mit ihm?“

„Was soll mit Ihm sein? Er verhört unsere Leute. Ich dachte, es gibt keinen 'Fall' mehr.“

„Er tut was?“

„Jetzt tu nicht so, als ob du das nicht wüsstest. Der macht doch nichts ohne deinen Segen.“

„Ich schwör's dir, ich weiß davon nichts. Er war bei dir im Büro, hast du gesagt?“

„Nicht bei mir. Ich habe es nur durch Zufall bemerkt. Bei meinen Leuten.“

„Das verstehe ich nicht. Ja gut, ich habe mit Andri darüber gesprochen, dass du nämlich neue Anhaltspunkte hast. Er meinte aber auch, das würde nicht genügen, um den Fall nochmal aufzurollen. Wir sind so verblieben, dass wir erst einmal in Ruhe nachdenken und die Akten noch einmal analysieren wollten, das sagte ich dir doch. Ich verstehe das nicht.“

„Aber er war da.“

„Ich kann dir im Augenblick nichts sagen. Ich werde mit ihm sprechen und dich dann wieder anläuten.“

Martins Ungeduld war mit diesem Ergebnis nicht befriedigt. Er beschloss spontan, mit Miriam zu reden. Miriam setzte sich ihm gegenüber und strahlte kühle Sachlichkeit aus.

„Tut mir leid, Miriam. Das A-Hörnchen lässt mich nicht zu dir.“

„Was soll das jetzt bedeuten und wer, Himmel noch mal, ist A-Hörnchen?“

Martin legte den Zeigefinger an den Mund. „Nicht so laut, ich nenn' so meine erste Sekretärin, die meinen Tag verplant, aber verrat' mich nicht.“

„Und die zweite heißt dann wohl B-Hörnchen.“

„Genau.“

„Ist nicht dein Ernst. Aber das wolltest du sicher nicht mit mir besprechen.“

„Natürlich nicht. Ich wollte wissen, was Paul dich gefragt hat.“

„Paul, welcher Paul?“

„Der Leutnant Paul vom Kommissar Berner.“

„Ich kenn' den kaum. Außerdem ist das schon so lange her. Da warst du noch mit uns zusammen.“

„Nein, nein, ich meine heute.“

„Heute, bist du sicher, dass bei dir alles in Ordnung ist? Ich war heute den ganzen Tag an den Geräten und habe niemanden außer Michael, Franz und Nadja gesehen. Alles Leute, die du gar nicht kennst.“ Es klang ein wenig spitz.

„Ich habe den Paul mit August im Besprechungszimmer gesehen. Da gibt es keinen Zweifel.“

„Dann musst du schon den fragen. Ich muss jetzt wieder an die Arbeit. Frank wartet.“ Das schlechte Gewissen hinderte Martin, etwas zu erwidern, so dass er nur 'Tschüss' sagte und dabei sehr traurig wurde. Er wusste im Augenblick nicht, wie er Miriam wieder auf seine Seite ziehen sollte. Er hätte gerne noch gefragt, wie es mit Frank so läuft, aber das hätte eifersüchtig geklungen und das wollte er ganz bestimmt nicht.

Also machte er einen Termin mit August.

„Grüezi, August, wie geht es so?“

„Danke, Herr Dr. Hohenstein, es ist schon alles in Ordnung.“ Er wirkte noch unsicherer und energieärmer als früher. Martin meinte sogar, ein leichtes Zittern seiner Hände zu bemerken.

„Wie geht es mit den anderen?“

„Ich möchte über die anderen nichts sagen.“

„Keine Sorge, ich will sie nicht aushorchen. Ich wollte nur wissen, ob sie sich wohlfühlen.“ Ohne es zu merken, hatte Martin auf das 'sie' gewechselt, obwohl sie sich früher alle geduzt hatten.

„Ja natürlich fühle ich mich wohl. Das ist ein phantastischer Arbeitsplatz.“

„Eigentlich wollte ich wissen, was Leutnant Paul heute bei ihnen wollte.“

„Ach der. Der wollte eigentlich nur wissen, wann die nächste Sitzung unserer Gruppe ist. Das hatte mit der Arbeit nichts zu tun.“

„Ah, sie meinen Ihre Ökobewegung? Was hat denn Paul damit zu tun?“

„Der ist jetzt auch dabei, bei der 'Ökobewegung', weil er auch hinter unserer Sache steht und viele Leute kennt.“

Leutnant Paul in einer Ökobewegung. So viel Vorstellungskraft besaß Martin beim besten Willen nicht. Aber es gibt eben Dinge auf Himmel und Erde.. der Rest des Zitats fiel ihm nicht ein.

„Das ist aber schön“ meinte Martin und nicht einmal August glaubte an die Ehrlichkeit dieses Satzes.

Martin beließ es dabei. August war immer ein Idealist gewesen, sein Fanatismus hielt sich bei seiner mangelnden Energie aber sicher in ungefährlichen Grenzen.

Er rief Berner an. „Na, was hat Paul zu sagen gehabt?“

„Er meinte, er hätte nur den August Maier besucht wegen einer privaten Sache, es ging um irgendeinen Termin für ein Treffen.“

„Der Ökogrupppe gegen was weiß ich.“

„Ja, genau.“

„Maier hat mir erzählt, dass Paul jetzt auch Mitglied sei und hat sich richtig gefreut.“

„Ja, jeder darf in einer Demokratie außerhalb seiner Arbeitszeit machen, was er will, außer morden.“

„Er muss es ja sehr wichtig gehabt haben, dass er sogar in die Firma kommt.“

„Vielleicht war er ja gerade in der Gegend, was weiß ich.“

Martin fühlte, dass er so nicht weiter kam und beschloss, nur noch eins zu tun, um sich nicht lächerlich zu machen. Er musste mit Frank reden. Er rief ihn an. Ein persönliches Gespräch vermied er, dazu war ihm Frank mit seinem ganzen Gehabe zu unangenehm.

„Hallo, Frank, Ich habe da mal eine Frage.“

„Ja bitte, Martin, schießen sie los.“ Vorname und 'sie', was war denn das für eine Art mit ihm zu reden.

„Du erinnerst dich doch an die Sache mit dem USB-Stick?“

„Ja, natürlich. Es verlief im Sande.“

„Hast du ihn wirklich nicht versehentlich mitgenommen?“ Martin wollte direkt sein und ihn in Bedrängnis bringen. Es wäre besser gewesen, dabei sein Gesicht zu sehen. So gab er ihm leider die Chance einer Denkpause.

„Natürlich nicht. Aber ich habe viel darüber nachgedacht, wer es hätte sein können.“

„Und zu welchem Ergebnis bist du gekommen?“

„Bei der damaligen Anwesenheit kommen nur Miriam und August infrage. Eine Auswertung des Zugangsprotokolls schließt auch einen weiteren Unbekannten aus.“ Lass bloß Miriam in Ruhe, dachte Martin, sonst bekommst du richtig Ärger mit mir. Wie dieser Ärger aussehen könnte, wusste er allerdings auch nicht. Also beherrschte er sich.

„Und du, natürlich.“

„Aber ich weiß, dass ich es nicht war.“ Eine seltsame Begründung, fand Martin.

„Nehmen wir einmal an, du sagst mir die Wahrheit. Auf wen tippst du dann?“ Das war grob und Martin wusste es auch. Umso erstaunlicher, dass Frank darauf offensichtlich nicht reagierte.

„August halte ich für zu korrekt. Ich glaube, Miriam hat ihn verschlampt, und wollte das nicht zugeben, weil sie doch so viel auf ein gutes Verhältnis mit Ihnen Wert legt.“

„Und wie erklärst du dir dann, dass ich einen wichtigen Inhalt daraus auf dem Vortrag in Paris gehört habe?“

„Sind sie sich sicher? Das wäre dann doch sehr fatal und würde nicht zu meiner Theorie passen.“

„Es sei denn, Miriam ist ein Spion“, lockte Martin ihn.

„Man kennt einen Menschen nie genau. Das hätte ich nicht gedacht.“

„Natürlich ist sie kein Spion, dazu kenn' ich sie viel zu gut.“ Du Blödmann, fügte er in Gedanken dazu.

„Auf jeden Fall werde ich beobachten, ob ich noch mehr von außen höre. Ich werde nächste Woche auf der Fachtagung der Pharma-Entwickler die Augen und Ohren offen halten.“

Martin wollte das Gespräch, um ihn dazu zu bringen, den Diebstahl zuzugeben und jetzt hatte dieser Mensch so cool reagiert und ihm das Heft aus der Hand genommen. Den Verdächtigen zum Ermitteln aufgefordert! Das ging ja wohl völlig daneben. Ein Politiker werde ich nie, dachte Martin resigniert. Und sein Verdacht gegen Frank blieb.

Das schmale Fenster

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