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Grundkonzepte des Kirchenraums

Theologische und funktionale Aspekte

Liturgische Räume lassen oftmals genauer durchdachte theologische Grundkonzepte erkennen. Entsprechend erweist der Umgang mit historischen Räumen, dass unsere heutigen Vorstellungen und die anderer Zeiten in Konflikt geraten können. Es lohnt, sich in einem kurzen Gang durch die großen Epochen die entscheidenden theologischen Kategorien zu vergegenwärtigen, die den Kirchenbau bestimmt haben.

Die antiken Versammlungskirchen

Die frühen christlichen Gemeinden grenzten sich bewusst von den heidnischen Tempeln ab, die als „heilige Orte“ konzipiert waren, an denen man sich der z. B. in einer Statue präsenten „Gottheit“ nähern konnte. Demgegenüber stellten Christen ihre Vorstellung von der Gemeinde als Leib Christi und als „Versammlung der Heiligen“, die durch die Gegenwart des erhöhten Herrn geprägt und durch die sakramentale Begegnung mit Christus in Wort und Eucharistie gestärkt wird. Entsprechend konnten zunächst private Häuser für Gottesdienste genutzt werden. Im Orient finden sich noch archäologische Zeugnisse solcher antiker „Hauskirchen“, in denen selbst die Altartische transportabel waren, während eine Nische für die Taufe fest installiert war.

Als die Gemeinden anwuchsen, wurden im Westen eher Kirchen gebaut, die die Form der Basilika aufwiesen, d. h. des antiken öffentlichen Versammlungsraumes. Diese stellten sich als gegliederte Räume dar, die gegebenenfalls durch einen Vorhof und durch Nebengebäude komplettiert wurden. Neben der Kategorie der Versammlung wurden mit der Basilika zugleich Formen kaiserlicher Repräsentation übernommen. Der Klerus um den Bischof nahm den Platz der staatlichen Beamten in der Apsis ein, während der Altar zwischen Bischofsthron und Ambo gestellt wurde. Nun war die Versammlung eine hierarchisch gegliederte. Entsprechend war der liturgische Handlungsraum des Klerus oft durch Schranken vom Raum der Gläubigen abgegrenzt.

Die spätantiken Memorialkirchen

Neben den Versammlungskirchen wurden ab dem vierten Jahrhundert auch Memorialkirchen außerhalb der Städte über den Gräbern von Märtyrern errichtet, mit denen in gewisser Weise die Vorstellung eines heiligen Ortes doch wieder ins Christentum gelangte. Wo ein Märtyrer begraben war, fühlte man sich Gott sehr nahe, war man doch überzeugt, dass die Seele des Märtyrers bereits erhöht am himmlischen Thron als Fürbitter präsent war. Mit einer späteren Überführung (Translation) der Gebeine solcher Märtyrer in die Stadt und der engen Verbindung, die der Altar zu den unter ihm neu bestatteten Reliquien besaß, erhielt besonders der Altar innerhalb der Kirche den Charakter des heiligen Ortes.

Die Memorial- und die Versammlungsfunktion wurden in einem einzigen liturgischen Raum vereinigt. Bei bedeutenden Reliquien errichtete man eigene Krypten unterhalb der Altäre, um so einer größeren Anzahl von Pilgern einen Sicht- oder Berührungskontakt zum Reliquienbehälter zu ermöglichen.

Mit der Ausbreitung des Christentums in Richtung Norden wurden zudem bewusst heidnische Kultstätten übernommen. Viele Kirchen mit Michaels-Patrozinium, die auf Hügeln stehen, befinden sich an früheren Orten der Verehrung heidnischer Gottheiten. Auch hier machte sich das Christentum die zumindest untergründig weiterbestehende Kategorie des „heiligen Ortes“ zunutze.

Der untergliederte Raum des Mittelalters

Im Mittelalter prägten neue liturgische Kategorien den Kirchenraum. Man ging gewissermaßen von einer „virtuellen“ Gottesdienstgemeinschaft aus, die gar nicht konkret bei der Feier anwesend sein musste. Stiftungen von Altären und Messen (besonders für die Verstorbenen), die neue Form der Privatmesse, die keiner anwesenden Gemeinde mehr bedurfte, sondern nur noch ihrer symbolischen Repräsentanz in Form eines Messdieners, und die Bestimmung, dass an jedem Altar nur einmal am Tag eine Messe gefeiert werden durfte, hatten die Errichtung zahlreicher Nebenaltäre zur Folge.

Der Kirchenraum selbst wurde nicht unbedingt größer, aber er wurde vielfach untergliedert – so entstanden quasi viele kleine Kirchen in einem Gebäude. Ein einheitliches Konzept und eine gemeinsame Nutzung des gesamten Raumes waren selten zu beobachten, mit Vorliebe bei großen Festen in Form von Prozessionen, die die einzelnen „Orte“ miteinander in Beziehung setzten und in Verbindung brachten. An Stiftskirchen wurde gerne der Chor durch einen Lettner vom Raum der Gläubigen abgetrennt – ein Spiegelbild gesellschaftlicher Abgrenzungen –, sodass die Kleriker ihren „privaten“ Gottesdienstraum erhielten. In Köln hatten die Klerikerstifte sogar eigene Kirchen (die meisten der heute erhaltenen romanischen Bauten), neben denen einfache Pfarrkirchen für die übrigen Gläubigen standen. Aber auch die vielen Kirchen einer Stadt wurden mehrfach im Jahr durch Prozessionen miteinander verbunden, womit die ganze Stadt zu einem großen liturgischen Raum wurde.

Der neue Drang zum Einheitsraum nach dem Konzil von Trient

Durch die Auseinandersetzung mit den Fragen, die die Reformation aufgeworfen hatte, und durch die Umsetzung der Forderungen des Konzils von Trient und der nachfolgenden Theologie änderte sich die Vorstellung vom idealen Kirchenraum wieder. Der Barock stellte das Konzept des auf die gesamte Gemeinde bezogenen Einheitsraumes erneut in den Vordergrund; dieser war auf den Altarraum als regelrechte Bühne ausgerichtet. Der Lettner wurde beseitigt, der Hochaltar im Chor bildete das Zentrum des Raumes, auf den – wie als Gegenüber – die Gemeinde im Langhaus nun mit den neu eingeführten Kirchenbänken hin geordnet wurde. Für die Predigt, die zunehmend relevant wurde (wenn sie formal auch außerhalb der eigentlichen Messe ihren Platz hatte und der Priester entsprechend das Messgewand auszog), wurde die Kanzel oberhalb der versammelten Gläubigen ausgebaut. Durch die überschwänglich prachtvolle Gestaltung des Inneren konnte der Raum als Zugang zum „Himmel“ erfahren werden, bevor in der Aufklärung mit dem Klassizismus wieder sachlichere Gestaltungen den Raum bestimmten.

Trotz des Einheitskonzepts gab es aber zahlreiche Devotionsorte im Kirchengebäude, die vor allem für die private Frömmigkeit genutzt wurden. Heiligenfiguren, Bilder, Gelegenheiten zum Kerzenopfer und zum stillen Gebet ermöglichten einen „geistlichen Rückzug“ innerhalb eines großen Einheitsraumes. Als liturgische Einheit erlebte sich eine versammelte Gemeinde am ehesten, wenn diese – etwa durch gemeinsamen Gesang – einen entsprechenden Ausdruck finden und erfahren werden konnte. Dies dürfte in unseren Breiten umfassend erst im 19. Jahrhundert der Fall gewesen sein.

Ansätze der jüngsten Zeit

Im 20. Jahrhundert haben liturgische Bewegung und nachkonziliare Liturgiereform zu einer vertieften Reflexion und entsprechenden Umgestaltung bisheriger Kirchenräume bzw. zu Neubauten geführt, die auf neuen theologischen Grundlagen basierten. Auch wenn mit der Errichtung von gut einsehbarem Altar und Ambo eine für die aktive Teilnahme der Gläubigen wesentlich verbesserte Raumgestaltung geschaffen wurde, blieb es nicht selten beim Eindruck des bekannten Gegenübers – vielleicht noch verstärkt durch die Stellung des Priesters hinter dem Altar.

Deshalb wird in jüngster Zeit versucht, die Erfahrung der gottesdienstlichen Gemeinschaft, die sich um die zentralen Orte des Altares und des Ambos versammelt, durch eine auf dieses Zentrum hin ausgerichtete Bestuhlung und Raumgestaltung zu verwirklichen. Solche sogenannten „Communio-Räume“ können sowohl ellipsenförmig gestaltet sein als auch die Form des in einer Richtung – z. B. auf ein großes Kreuz hin – offenen Kreises haben, in dessen Mitte Altar und Ambo stehen. Auch wenn konkrete Verwirklichungen nicht ausschließlich Zustimmung erfahren, bilden sie dennoch wichtige Impulse, die Umsetzung der in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils enthaltenen liturgietheologischen Kategorien bei der Gestaltung unserer Kirchenräume zu bedenken.

Dem Gottesdienst Raum geben

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