Читать книгу Die Regulatoren in Arkansas - Friedrich Gerstacker, Gerstäcker Friedrich, Jurgen Schulze - Страница 8
7. Zwei echte Backwoodsmen – Bahrens’ und Harpers Erzählungen
ОглавлениеDer Alte stand vor der Tür und blickte, augenscheinlich die Jäger erwartend, nach der Stelle hinüber, auf der sie jenseits des Flusses aus dem Walde treten mußten. Neben ihm kauerte Assowaum und zog seine Mokassins wieder an, die er bei der Wasserpartie abgelegt und neben der Büchse festgebunden hatte.
»Hallo da drüben«, schrie Roberts, »ist die Furt seicht genug?«
»Ay, ay!« war die Antwort, »knietief.«
Die Männer hielten die Versicherung für genügend und trieben die Pferde die Bank hinunter und in den Fluß. Curtis aber, der voranritt, wäre der Spaß beinahe übel bekommen, denn er sank augenblicklich unter, und sein Pferd mußte mit ihm ans andere Ufer schwimmen.
»Verdammt Eure schwarze Seele.« rief er ärgerlich aus, als er wieder festen Boden erreicht hatte, »was, zum Teufel, jagt Ihr einen denn mit Euren verdammten Lügen ins Wasser! He – ist das knietief?«
»Nun, versteht sich«, erwiderte Bahrens lachend, »seht Ihr dort nicht das Zypressenknie in der Mitte vom Fluß? Dem geht’s noch nicht einmal an den oberen Rand, ‹s ist freilich sieben Fuß hoch.«
Roberts hatte augenblicklich gehalten, als er Curtis so Hals über Kopf in die Fluten eintauchen sah, und dieser rief ihm jetzt vom andern Ufer zu:
»Reitet noch ein Stückchen den Fluß hinunter, Roberts, dort, wo Ihr den Kies seht, da werdet Ihr trocken durchkommen.«
»Wenn Ihr den Weg so gut kennt«, rief Bahrens, »warum seid Ihr denn nicht selbst weiter hinuntergeritten?«
»Weil ich Narr genug war, Euch auch nur ein Wort zu glauben«, erwiderte ihm dieser, galoppierte die steile Uferbank hinauf, sprang vom Pferd und schüttelte dem Alten die Hand, der ihn herzlich willkommen hieß.
Bahrens war einer von den echten Pionieren oder Squattern des Westens. Vor fünf Jahren etwa hatte er sich in Poinsett County, in den fürchterlichsten Sümpfen und zwanzig Meilen von jeder menschlichen Wohnung entfernt, niedergelassen. Dort hatte er auch eine Zeitlang höchst zufrieden von der Jagd gelebt. Dann aber war etwas vorgefallen, von dem er nicht gern sprach und das er »Familienverhältnisse« nannte, was ihn zwang, jene Gegend zu verlassen. Die Bewohner des Fourche la fave munkelten zwar etwas von Pferdefleischliebhaberei, das war aber grundlos. Erstlich kannten sie die Gegend nicht, denn was sich bis zu seiner Hütte verlief, war ohnedies wild geworden und der Büchse des Jägers verfallen, und zweitens hatte sich Bahrens stets als ein ehrlicher Mann bewiesen, und keiner seiner Nachbarn konnte ihm etwas Böses nachsagen. Daß er manchmal die »Wahrheit ein wenig zerhackte«, wie sich Roberts ausdrückte, wurde freilich von den meisten seiner Bekannten bestätigt, er selbst aber leugnete auch dies hartnäckig und war stets bereit, jede seiner Geschichten zu beschwören, nur – wetten wollte er nicht darauf, obgleich er sich sonst nie lange zu einer Wette bitten ließ. Hauptsächlich trieb er Viehzucht und bebaute nur ein sehr kleines Stück Land, etwa fünf Acker, um Mais für sich und die Seinen zu ziehen; auch hatte er mehrere Pferde, doch nicht viele. Er meinte, die Luft in Arkansas sage den Pferden nicht zu. Seine Familie bestand aus seiner Frau, zwei Töchtern und einem Sohn, der aber nicht bei den Eltern lebte, sondern vor zwei Jahren fortgewandert war und natürlich, da er weder schreiben noch lesen konnte, nichts weiter von sich hatte hören lassen.
Das Haus selbst war eine der im Westen Amerikas gebräuchlichen Blockhütten, aus rohen, unbehauenen Stämmen errichtet, deren Dach, grobgespaltene, kurze Bretter, durch schwere Stangen, sogenannte weightpoles, festgehalten wurde. Dem aus rohem Lehm und Balken aufgeführten Schornstein entstieg ein dünner blauer Rauch, und Bahrens war eben damit beschäftigt, Feuerholz für den Abend zu hacken, um eine freundliche Flamme im Kamin zu unterhalten. Nur eine kleine niedere Fenz hielt eine Masse von jungen Ferkeln ab, die friedliche Einsamkeit der Wohnung zu stören, und quietschend und grunzend umrannten sie die hindernde Einfriedung, als ob sie das gewöhnliche Abendbrot, ein paar Maiskolben, erwarteten. In einer kleinen Einzäunung dicht daneben melkte die älteste Tochter, ein hübsches, schwarzäugiges Mädchen, eine große weiße Kuh, während die jüngere ein kleines Kalb an einem Strick zurückhielt, daß es die Schwester nicht in ihrer Arbeit stören und warten sollte, bis die Reihe an ihm sein würde. Neben dem Haus aber, auf den gewaltigen, durch die Axt des Farmers geschlagenen Stämmen, saßen eine Unmenge Aasgeier, als ob sie entweder von ihrem Raub verscheucht wären oder diesen nur verlassen hätten, um mit dem nächsten Morgen ihr ekles Mahl wieder zu beginnen.
Die drei Jäger ritten jetzt ebenfalls zum Haus hin, und Roberts rief dem Alten schon von weitem zu:
»Ich hab’ Euch doch wohl unrecht getan, Bahrens. Wir glaubten, wir würden Euch ohne Fleisch antreffen, die Aasgeier da oben zeigen aber, daß irgendwas vorhanden sein muß, wenn nicht etwa eine Kuh gefallen wäre.«
»Guten Abend, Boys, guten Abend – recht so, daß ihr den alten Bahrens auch einmal aufsucht – Kuh gefallen? Roberts, kein Fleisch in meinem Hause? Da kennt Ihr den alten Bahrens schlecht. Wie ich noch am Cashriver wohnte, konnte ich täglich, das heißt im Durchschnitt, zwischen acht- und neunhundert Pfund Fleisch erlegen. Curtis weiß es, nicht wahr, Curtis?«
»Ja gewiß«, bestätigte dieser lachend – »zahmes!«.
»Zahmes? Wilde Tiere – Büffel und wild gewordenes Rindvieh natürlich eingerechnet; aber steigt ab, macht’s Euch bequem. Betsy, wirf den Tieren jedem einen Armvoll Mais in den Trog – hörst du —, bleib aber bei ihnen stehen, bis sie fertig sind, und wehre die Schweine ab, daß die Bestien den Trog nicht wieder umwerfen wie gestern.«
»Bahrens, hier muß wahrhaftig ein Aas in der Nähe liegen!« rief Roberts, nachdem die ersten Begrüßungen vorüber waren. »Es riecht, meiner Seel’, nach faulem Fleisch.«
»Nach faulem Fleisch?« wiederholte Bahrens, »Ihr habt gute Nasen. Hier in der Nähe liegt nichts – die Kanaillen, die Aasgeier, kommen immer, wenn man schlachtet.«
»Schlachtet?« fragte Curtis entsetzt, »das, was Ihr geschlachtet habt, riecht so? Was hast du denn, Assowaum? Der Bursche zieht ja ein Gesicht, als ob er lachen wollte.«
»Mr. Bahrens hat ein kleines Schwein geschlachtet«, sagte der Indianer, und es war augenscheinlich, wie sehr es ihn ergötzte, »die Aasgeier sind aber dumme Tiere; das Schwein ist erst vor acht Tagen umgebracht, und heute kommen sie schon!«
»Und das sollen wir essen?« rief Roberts lachend. »Wo sind denn die Hirsche?«
»Welche Hirsche?«
»Nun, die, die Ihr alle Tage schießt, wie Ihr es neulich erzähltet.«
»Oh, ich habe mir den Fuß verstaucht und seit drei Tagen nicht auf die Jagd gehen können.«
»Bahrens – hier ist ein Freund von mir, Mr. Harper, einer meiner Nachbarn, der gern Eure Bekanntschaft machen wollte. Harper, das ist Mr. Bahrens, der Mann, von dem ich Euch so viel erzählt habe. Ich denke, Ihr werdet wohl Freunde werden.« Die Männer schüttelten einander die Hand, und Bahrens schwor, er wollte verdammt sein, wenn Harper nicht ein merkwürdig gutmütiges Gesicht hätte.
»Aber, Bahrens«, unterbrach ihn Curtis jetzt, »morgen früh müssen wir mit Tagesanbruch zu der kleinen Slew hinauf. Dort, wo die drei dürren Zypressen stehen, ist ein Mord verübt; es sieht wenigstens ganz danach aus.«
»Ein Mord? Das wäre schrecklich!«
»Es kann nicht anders sein; wir fanden die Spuren zu deutlich, doch hatten wir keine Zeit, die Sache näher zu untersuchen. Es ist übrigens gar nicht weit von hier, und morgen früh läßt sich’s leicht ermitteln. Die Täter zu verfolgen wäre heute doch unmöglich.«
»Alle Wetter, das ist seltsam!« rief Bahrens, »ich bin erst heute morgen da vorbeigekommen und habe gar nichts bemerkt!«
»Ich dachte, Ihr hättet Euch ein Bein verstaucht?« erinnerte ihn Curtis lachend.
»Nun ja – vor drei Tagen – Holzkopf! Glaubt Ihr, daß ich deshalb mein Lebenlang hinken müßte? – Aber kommt herein, Boys, der Nebel fällt merkwürdig feucht heut abend, und am Kamin sitzt sich’s behaglicher.«
»Nein, altes Haus!« sagte Roberts, ihm auf die Schulter klopfend, »wenn du so schlecht mit Proviant versehen bist, so wollen wir unsern Vorrat heranschaffen; Assowaum, laß uns den Bären holen. Jetzt dürfen wir nicht länger mehr damit hinter dem Zaun halten, sonst müssen wir dafür hungern. Überdies wird es dunkel.«
Mit vereinten Kräften schleppten die Männer den fetten Braten zum Haus, und in kurzer Zeit wurden den Frauen einige der besten Stücke zur Bereitung übergeben.
»Guten Abend, Mrs. Bahrens«, sagte Roberts, in das Haus tretend, »wie geht’s? Lange nicht gesehen; immer noch munter?«
»Muß ja wohl, Mr. Roberts«, erwiderte die Frau freundlich, das große Kattunbonnet, das sie beim Kochen trug, um die Hitze von den Augen abzuhalten, aus dem Gesicht zurückschiebend. »Das ist recht, daß Sie uns besuchen, nächstens komm’ ich einmal zu Ihnen herüber. Mein Alter ist aber gar nicht von zu Hause fortzubringen.«
»Meine Alte hat Sie und die Töchter schon lange erwartet, Mrs. Bahrens«, erwiderte Roberts, ihr die dargebotene Hand schüttelnd, »wie geht’s den Mädchen hier im Busch – eh? Sind aber das einsame Leben schon gewohnt, denn in den Cashsümpfen war’s wohl auch nicht lebhafter. Schreckliches Land, die Cashsümpfe, als ich das letztemal dort war und bei Strong vorbeiritt… Sie kennen doch Strong, der die große Farm besitzt? Hat sich dort wahrhaftig an der besten Stelle niedergelassen und wird…«
»Halt ihn auf! – Um Gottes willen, halt ihn auf!« schrie Bahrens jubelnd, »da trabt er wieder hin mit verhängten Zügeln; wenn man ihn laufen läßt, ist er in fünf Minuten beim Revolutionskrieg. Gott sei uns gnädig, Roberts, mit Euch ist gar kein vernünftiges Wort mehr zu sprechen. – Aber, Kinder, daß Ihr so trefflich für Proviant gesorgt habt, verdient eine Belohnung; hier, Lucy – reich einmal die Kruke unter dem Bett vor – nimm dich in acht, Blitzmädel, wenn du sie zerbrichst, sei dir Gott gnädig! Jetzt, Boys, wollen wir einen fidelen Abend feiern, Bärenfleisch und Whisky – hu pi!« Und der alte Mann stieß seinen Jagdschrei aus, daß die Hunde draußen unruhig wurden und zu heulen anfingen.
»Bahrens, die Bestien beißen sich draußen«, sagte Curtis endlich, »unsere sind auch hungrig; wo habt Ihr denn das Schweinefleisch? Wir wollen’s den Tieren geben, für Menschen ist es doch nicht genießbar.«
»Mein gutes Fleisch?«
»Ih, geht zum Teufel mit Eurem Fleisch. Ich dachte, Ihr könntet so viele Hirsche schießen?«
»Ja, aber mein Bein!«
»Jetzt kommt er wieder mit seinem Bein, göttlicher Kerl! Aber, Harper, Ihr sitzt ja so stumm da und sagt gar keine Silbe Ihr denkt wohl an den Mord?«
»Ja! Aufrichtig gesagt, kann ich die Blutflecke nicht aus dem Gedächtnis bringen. Es sah zu schauerlich aus!«
»Schauerlich, Mr. Harper? Da hätten Sie einmal sollen im vorigen Jahre am Cashriver wohnen«, erwiderte Bahrens; »verdammt will ich sein, wenn nicht dort alle Tage zwei oder drei Leichen vorbeigeschwommen kamen – und was für Leichen! Manche ohne Kopf.«
»Wo kamen aber die Menschen alle her?« fragte Harper halb erschreckt und halb ungläubig, »ich dachte, es wäre eine so menschenleere Gegend gewesen?«
»Die Menschen? Nun, da sollt’ ich mich doch wohl nicht drum kümmern? Und was ging das mich an?«
»Halt – spart Eure Gespräche bis nach Tische auf«, sagte Roberts lachend, »laßt uns vor allen Dingen nach den Pferden sehen, nachher schmeckt auch das Essen besser.«
Dem Rat wurde augenblicklich Folge geleistet, als sie aber von den Futtertrögen zurückkehrten, rief die Frau schon zum Abendbrot, und bald saßen die Männer auf umgestülpten Fässern, hingerückten Kästen, Klötzen und roh gearbeiteten Stühlen um den schmalen Tisch herum, auf dem eine mächtige Schüssel voll gebratener Bärenrippen und in Scheiben geschnittenen Fleisches den Mittelpunkt bildete, während Maisbrot, eingekochter Kürbis, etwas Honig und Milch die übrigen Bestandteile des Mahles ausmachten. Die Whiskyflasche ging indessen im Kreise herum, und wenn auch kein Wort weiter gesprochen wurde, bewiesen doch die klappernden Messer und die überall sichtbar werdenden, blank abgenagten Rippen, wie den Hungrigen die delikate Mahlzeit schmeckte.
Als sie geendet, standen sie einzeln, wie sie zuerst fertig wurden, vom Tisch auf, und die Frauen, die sich wohlweislich einige Stücke aufbewahrt hatten, nahmen, ohne es der Mühe wert zu halten, die benutzten Teller mit reinen zu vertauschen, die leer gewordenen Sitze ein.
Mrs. Bahrens, etwa in den Vierzigern, zeigte noch Spuren früherer nicht unbedeutender Schönheit, ihre schlanke Gestalt war aber von einem keineswegs saubern baumwollenen, einst weiß gewesenen Kleid umhüllt, ihre schönen, braunen Haare hatte sie ziemlich nachlässig um den Kopf herumgesteckt, und ihre großen, dunklen Augen verloren viel von ihrem Glanze durch die keineswegs brillante Fassung des etwas rauh und schmutzig aussehenden Gesichts. Die Töchter trugen sich schon besser und reinlicher, aber auch ihr Teint würde durch etwas warmes Seifenwasser nur gewonnen haben.
Als das Essen oder vielmehr das Geschirr abgeräumt war, denn das Essen verschwand spurlos, schob Bahrens den Tisch ein wenig zurück, daß die verschiedenartigen Sitze wieder in einen Halbkreis um den Kamin gerückt werden konnten, und rief dann fröhlich aus:
»Nun, Gentlemen, kommt das Beste – der Stew.«
»Du hast ja keine Butter«, sagte seine Frau.
»Alle Wetter, das ist wahr – aber hallo – was brauchen wir Butter, wir haben ja Bärenfett – Whisky und Bärenfett werden sich noch viel besser miteinander vertragen. Gentlemen, dies ist das Land, um drin zu leben. Es geht nichts über Arkansas!«
»Ih nun, Mr. Bahrens«, meinte Harper, der, als er die Vorbereitungen zu seinem Lieblingsgetränk bemerkte, aufzutauen begann, »ih nun, ich weiß doch nicht; Missouri ist auch nicht zu verachten, ich habe lange dort gelebt, und…«
»Missouri?« rief Bahrens verwundert. »Missouri? Da sei uns Gott gnädig; und das vergleichen Sie mit Arkansas?«
»Nun, es grenzt doch dicht genug daran?«
»Grenzen? Es ist gerade so, als ob der liebe Gott den Finger genommen und einen Strich zwischen den beiden Staaten durchgezogen hätte, daß der eine fruchtbar und der andere unfruchtbar werden sollte. Missouri! Na, nu hört alles auf; wie lange sind Sie denn eigentlich schon in Arkansas?«
»Etwa sechs Wochen.«
»Ach, dann ist es etwas anderes, dann wissen Sie’s noch nicht besser; Herr, hier ist das Land so fett, daß wir, wenn wir Lichter gießen wollen, den Docht nur in die Pfützen tauchen – es brennt ebensogut. Wenn ein Mann in Arkansas sein Feld mit Fleiß und Aufmerksamkeit bestellt, so kann er darauf rechnen, hundert Bushel vom Acker zu ernten.«
»Das wäre viel!«
»Viel? Das ist gar nichts! Wenn er sich keine Mühe mit dem Land gibt und den Mais nur so roh aufwachsen läßt, so bleiben ihm immer noch fünfundsiebzig Bushel gewiß; und wenn er gar nicht pflanzt, so – so wachsen doch noch fünfzig – das Land ist nicht totzumachen!«
Harper rückte ein wenig auf dem Kasten herum, auf dem er saß, und Roberts und Curtis warfen sich verstohlene Blicke zu.
»Und was noch ein Vorteil ist«, sagte Bahrens, »wir brauchen immer erst im Juni zu pflanzen, der Mais wächst so merkwürdig schnell. Denken Sie nur, im letzten Jahr hat er mir die Bohnen, die ich dazwischengesteckt habe, mit der Wurzel aus dem Boden gezogen; und die Kürbisse – zehn Menschen können um einen herumstehen.«
»Erstaunliches Land!« sagte Harper, »dann ist aber wohl alles großartig darin, denn die Moskitos und die Holzböcke sind noch gar nicht dagewesen.«
»Alles großartig?« fragte Bahrens, jetzt ganz auf seinem Steckenpferd, mit dem Lande zu prahlen, in dem er lebte. »Alles großartig? Das will ich meinen; die Moskitos fliegen in heißen Sommertagen so dick, daß sie oft durch den Schweiß zusammenkleben und klumpenweise aus der Luft herunterfallen. Die Holzböcke hab’ ich mit meinen eigenen Augen beobachtet, wie sie mit den Vorderbeinen sich an irgendeinem Stück Holz aufrichteten und nach den Kuhglocken horchten, und die Flöhe gehen abends ordentlich zu Wasser an den Fluß, wie anderes Viehzeug auch. Und was für Flüsse haben wir! Der Herr sei uns gnädig – die See drängen sie mit aller Gewalt ein ganzes Stück Weges zurück, wenn sie hineinkommen.«
»Sie kommen aber nicht hinein«, meinte Harper.
»Kommen nicht hinein? Wo gehen sie denn hin?« fragte Bahrens entrüstet, »sie verschwitzen sich wohl, he? Wo läuft denn der Petite-Jeanne hin?«
»In den Arkansas.«
»Nun, und der Arkansas?«
»In den Mississippi.«
»Und der Mississippi?«
»In den Golf von Mexiko.«
»Als ob das nicht alles eins wäre. – Da nehmen Sie einmal den südlichen Teil von Missouri. Ist schon jemand im südlichen Teil gewesen?«
»Wahrscheinlich wir alle«, erwiderte Roberts.
»Auch am Elevenpointsriver oben? – Gentlemen, ich will nicht übertreiben, aber dort war’s so felsig, daß wir die Schafe bei den Hinterbeinen einzeln aufheben mußten, damit sie nur zwischen den scharfen Steinen das bißchen Gras herausholen konnten; die Wölfe wurden so mager, und schwach, daß sie sich an einen Baum lehnten, wenn sie heulen wollten. Nun seh’ einer den Unterschied zwischen Missouri und Arkansas. Was fingen wir zum Beispiel im Winter an, wo wir nichts für das arme Viehzeug zu fressen hatten? Nun? Raten Sie einmal.«
»Ließt es doch wohl im Walde herumlaufen?« fragte Curtis.
»Was hätte ihm denn das für Nutzen gebracht, das möcht’ ich wissen? Der Boden war ja so dürr, daß nicht einmal Rinde an den Büschen und Bäumen wuchs – nein, ich verfiel auf ein ganz anderes Mittel. Ihr kennt Tom, Roberts, der später in aller Eile eine Geschäftsreise nach Texas machen mußte – ih – der große Tom, erinnert Euch doch nur, er war so lang, daß er jedesmal niederknien mußte, wenn er sich auf dem Kopfe kratzen wollte. – Gut, der war früher einmal, in Philadelphia glaub’ ich, Mechanikus gewesen und hatte noch eine ganze Menge Handwerkszeug mitgebracht; der mußte mir eine Partie großer grüner Brillen anfertigen, die setzt’ ich den Kühen auf, gab ihnen Hobelspäne zu fressen, und verdammt will ich sein, wenn sie’s nicht für Gras fraßen und fett wurden.«
»Gott sei uns gnädig!« rief Harper.
»Da haben wir’s hier besser«, fuhr Bahrens entzückt fort, »hier sitzen wir gewissermaßen im Moos drin, und die Jagd…«
»Hallo!« rief Harper jetzt dazwischen, »auf die laß’ ich, was Missouri anbetrifft, nichts kommen. Die kann nirgends besser sein.«
»Besser sein?« lachte Bahrens höhnisch, »besser? Wenn ein Bär hier nur drei Zoll Fett auf dem Rücken hat, heißt er mager, die Hirsche…«
»… fängt man bei den Beinen!« lachte Roberts. Bahrens sah ihn verwundert an, und Harper schnitt ein außerordentlich freundliches Gesicht.
»Nun, Roberts, das müßt Ihr selber sagen«, fuhr Bahrens fort – »aber, Betsy, das Wasser kocht; nun brau das Getränk, mein Mädchen, du weißt, wie wir es gern haben – das müßt Ihr selber eingestehen, Roberts, im Jagen tut mir’s hier keiner gleich. Kleines Wild schieß’ ich gar nicht mehr, da hab’ ich so meine eigenen Manieren, das zu fangen!«
»Wie bei uns die Jungen«, sagte Harper, »die fangen auch die Kaninchen in Fallen.«
»Fallen!« Bahrens lächelte verächtlich, »da braucht’s auch noch Fallen dazu? Kommt nach Arkansas, wenn Ihr etwas lernen wollt. Liegt ein bißchen Schnee, dann geh’ ich hinaus in den Wald, nur weit genug, daß ich das Haus nicht mehr sehen kann…«
»Das ist nicht weit«, meinte Curtis.
»Gut – dort steck’ ich kleine Stücke rote Rüben in den Schnee und streue Schnupftabak darauf – morgens liegen die Kaninchen tot daneben.«
»Fressen sie denn den Schnupftabak?« fragte der Krämer verwundert.
»Fressen? Nein, sie riechen daran und niesen so stark, daß sie sich den Hals brechen.«
»Bei dem Halsbrechen«, sagte Harper, »fällt mir ein, wie ich’s neulich mit einer Eule machte. Die Kanaille hatte mir drei Nächte hintereinander jede Nacht ein Huhn fortgeholt, und ich war immer vergebens hinausgeschlichen. Endlich, am vierten Tage, kommt sie morgens früh, es regnete ein wenig, ans Haus geflogen. Ich merkt’ es gleich an den Hühnern, die flatterten so sonderbar hin und her. Schnell griff ich nach der Büchse und lief hinaus, fand auch bald, daß die Eule in einem kleinen, dichtbelaubten Hickory saß, ich konnte aber nur den Kopf von ihr sehen, und da ich sie nicht gleich totschießen, sondern den Hunden auch noch einen Spaß lassen wollte, so ging ich im Kreise herum, um eine passende Stelle zum Schießen auszusuchen. Überall waren aber die Blätter gleich dicht, und die Eule guckte mich indessen mit ihren großen rollenden Glotzaugen fest an. Dreimal war ich auf die Art, mit der Büchse im Anschlag, um den Baum herumgegangen, als auf einmal etwas in den Zweigen raschelte und die Eule herunterkam. Hol’ mich der Böse, wenn sie sich nicht dadurch, daß sie mich immer im Auge behielt, ganz in Gedanken den Kopf abgedreht hatte.«
»Das ist keine Kunst!« rief Bahrens, der nicht daran dachte, die Wahrheit der Erzählung zu bezweifeln. »Wie ich noch ein junger Bursche war, konnt’ ich’s mit jedem Truthahn im Rennen aufnehmen, und wenn er zu fliegen anfing und stieg nicht zu hoch, so hatt’ ich ihn gewiß.«
»Was das Laufen anbetrifft«, – meinte Harper, »so hätt’ ich gewünscht, daß Sie meinen Bruder gesehen hätten, wenn er hinter Rebhühnern her war!«
»Sie wollen uns doch wohl nicht etwa hier erzählen, daß er Rebhühner im Fliegen gefangen hätte!« rief Bahrens erschrocken aufspringend.
»Nein«, sagte Harper, »das nicht, aber verdammt will ich sein, wenn er ihnen nicht bei jedem Sprung eine Handvoll Federn aus dem Schwanze riß.«
»Gentlemen, hier kommt der Stew! Gott segne es, Betsy, Sie haben ihn stark gemacht!« rief Roberts. »Nein, ich danke, kein Wasser mehr drunter, das nimmt ihm den würzigen Geruch, es muß mitgekocht werden. Aber, Bahrens, Ihr hattet wahrhaftig recht – das Bärenfett schmeckt ausgezeichnet darin; so etwas Mildes und doch so feurig!«
Das Gespräch wurde jetzt für einen Augenblick unterbrochen, und die Männer gaben sich ganz dem Genuß des Getränkes hin. Endlich brach Curtis das feierliche Schweigen und sagte schmunzelnd:
»Mrs. Roberts und Mr. Rowson sollten nur den gestrengen Herrn Roberts hier sitzen und Whisky-Stew trinken sehen, die würden schöne Gesichter schneiden.«
Roberts, der schon beim dritten Glase war und anfing warm zu werden, setzte ab und rief aus:
»Mr. Rowson mag… Jedenfalls weiß ich, daß er mir in nichts hineinschwatzen soll, was mich angeht! Mit meiner Frau und Tochter mag er’s machen, wie er will, oder – wie die wollen vielmehr.«
»Ich glaube, die wollen ziemlich, wie er will«, sagte Curtis.
»Leider Gottes – der glatte, geschmeidige Schleicher ist mir von jeher ein Dorn im Auge gewesen – schimpft immer auf die Römisch-katholischen – hol’s der Henker, wenn ich glaube, daß er um eine Prise Schnupftabak besser ist!«
»Der Rowson ist wohl höllisch in das Mädchen, in Eure Tochter, verschossen?« fragte Curtis.
»Nun natürlich – in vier Wochen wollen sie zum Friedensrichter und halbpart machen – mir recht!«
»Hört, Roberts, ich war auch einmal unmenschlich verliebt«, sagte Bahrens schmunzelnd. »Es war ein Mädchen aus der Stadt – aus Saint Louis. Ich handelte damals mit den Osagen oben, nach dem Missouri- und Yellowstoneriver hinauf, und lagerte etwa drei Meilen westlich von der Stadt. Wollt Ihr’s wohl glauben? Alle drei Tage bekam ich einen großen Brief, in dem gewiß von lauter Liebe und Treue geschrieben stand. Nur schade, daß ich es selbst nicht lesen konnte, und die Indianer, mit denen ich zusammen lebte, wußten an einem Brief nicht das Inwendige vom Auswendigen zu unterscheiden. Eine Liebesglut muß aber in den Dingern gesteckt haben, das war fürchterlich – ich band sie zusammen und schob sie, als ich fortging, in einen ledernen Beutel, und wie ich nach Hause kam und machte ihn wieder auf, hatt’ ich weiter nichts als Asche drin.«
»Aber, Leute, ich dächte, wir gingen zu Bett!« rief der Krämer gähnend, »morgen früh müssen wir doch mit der ersten Dämmerung aufbrechen, und mir ist’s fast, als ob ich müde würde.«
»Ja, ‹s wird spät«, sagte Roberts, der vor die Tür getreten war und nach den Sternen sah, »es muß schon zehn Uhr vorbei sein.«
»Nur noch einen Augenblick!« wandte Harper mit schon etwas schwerer Zunge ein; »da wir gerade von Liebe sprechen, so fällt mir da eine Geschichte von meinem Bruder ein, wie er noch ein junger Bursche war. Den hättet Ihr kennen sollen – ein verfluchter Kerl; achtzehn Jahre alt, und schon drei Mädchen die Ehe versprochen. Kommt auch in Philadelphia zu einem Quäker, und das ist sonderbarerweise gerade der Bruder des einen Mädchens. Der erkennt ihn, ist aber ganz freundlich und lädt ihn ein, bei ihm zu Tische zu bleiben; doch nach dem Essen steht er auf, schützt einige Geschäfte vor und verläßt das Haus, um die Constabler zu holen und meinen Bruder einstecken zu lassen. Was meint Ihr aber, was er fand, als er wieder nach Hause kam?«
»Nun, Euer Bruder hatte sich wahrscheinlich aus dem Staube gemacht!«
»Ja – aber nicht allein, er war mit des Quäkers Frau durchgegangen.«
»Nee, kann der Mensch lügen!« flüsterte Bahrens heimlich Curtis zu, der neben ihm stand.
»Also zu Bett jetzt! Wo werden wir denn schlafen, Bahrens?«
»Ja, das müssen wir einteilen. Drei Betten sind nur da, eins müssen die Mädchen behalten, eins ich und meine Alte, und das dritte sollte dann wohl den Ältesten bleiben, also Roberts und Mr. Harper – Mr. Harper wird nach all den Geschichten recht gut schlafen —, und die anderen drei Gentlemen, Curtis, Mr. Hartford und Assowaum, nun für die finden sich Felle genug. So, das ist brav, Betsy, mach ihnen das Lager zurecht, und morgen brechen wir mit dem frühesten auf.«
Assowaum, der den ganzen Abend keine Silbe gesagt, sich bei den Erzählungen der beiden Männer aber sehr amüsiert zu haben schien und dem Whisky später keineswegs unbedeutend zugesprochen hatte, rollte sich jetzt ebenfalls in seine Decke. Als er aber nach dem Platz, wo er sich niederlegen wollte, ging und dicht an der Kaminecke, nahe beim Feuer vorbeikam, stolperte er und wäre beinahe gefallen.
»Hallo, Indianer!« sagte Harper lachend, »hast du zuviel Whisky im Kopf? Das ist nicht gut.«
»Ist nicht gut, von irgend etwas zuviel«, sagte der Befiederte Pfeil, indem er sich lang ausstreckte, und einen dort liegenden Klotz unter seinen Kopf schob. »Zuviel Whisky aber ist gerade genug!« Und mit dieser philosophischen Bemerkung legte er sich auf die Seite und war auch schon in wenigen Minuten eingeschlafen.
»Gebt Ihr irgendeiner besonderen Stelle des Bettes den Vorzug, Roberts?« fragte Harper, als sie sich entkleidet hatten.
»Nein«, sagte dieser in aller Unschuld.
»Nun, dann mögt Ihr Euch drunter legen«, meinte Harper lachend, indem er unter die darauf ausgebreiteten gegerbten Hirschhäute kroch.
Roberts schien aber doch mit dieser Stelle nicht ganz einverstanden, denn er lag bald an Harpers Seite, und in kurzer Zeit war weiter nichts als das leise Knistern des Feuers und das tiefe, regelmäßige Atmen der Schlafenden zu hören.
Die Nacht ging ruhig und ungestört vorüber; einmal ausgenommen, als Curtis aufsprang und mit wildem Fluchen sämtliche Hunde hinaustrieb. Diese hatten sich nämlich, einer nach dem andern, hereingeschlichen und sich auf und neben die am Boden ausgestreckten Jäger gelagert.