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Reproduktionsarbeit

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Das Merkwürdige ist, dass Reproduktionsarbeit weit weniger als Erwerbsarbeit unmittelbarer Gegenstand meiner politischen und wissenschaftlichen Forschungsarbeit wurde. Und doch gab es überhaupt keine Veröffentlichung, in der sie nicht irgendwo eine Rolle spielte. Indem sie nicht im Zentrum stand, stellte sie aber auch in Frage, ob es weiterführend sei, ein Zentrum anzunehmen. Das beginnt hier mit dem ersten Text, der sich autobiographisch-politisch die Frage nach der historischen Verortung der Frauenpolitik stellt, die wir betrieben haben. Man spürt die Notwendigkeit, einen Anker in der Geschichte zu finden, die Suche nach einem Vorbild, als das unsere Frauengruppe fast natürlich keine Hausfrau wählte – wo kämen die je als Vorbild vor –, aber eine Mutter, Pelagea (nach Brecht und Gorki). Aber diese sprengt alle gewöhnlichen Vorstellungen von Müttern, sie wird im Laufe der Handlung Revolutionärin, und auf diese Weise kommen alle großen Fragen nach Partei, Revolution und Staat vor. In diesem Aufsatz erfährt man, wie die Gruppe die eigenen Erfahrungen nicht wichtig fand und sie schließlich doch zur Grundlage weiterer Forschung und Politik machte; er zeigt auf diese Weise auch, wie die persönlichen Fragen zusammenhängen mit der Politik im Großen. Man erfährt, wie das Nachdenken über die Frau im Hause zur Frage nach der Macht im Staat wird, aber auch, dass diese Erkenntnis nicht praktisch werden kann ohne Selbstkritik und Selbstveränderung jeder Einzelnen. In einer Zeit, in der die Frage, was Feminismus sein könnte, wieder aktuell geworden ist, ist dieser Text eine notwendige Grundlage. – Der Beitrag zu Knabenspielen als Menschheitsarbeit stieß in die damalige feministische Debatte wie in ein Wespennest. Zunächst veröffentlicht in einer Diskussionszeitschrift, erhielt er eine geradezu niederdrückende Menge an zerreißenden Kritiken, die schwer nachzuvollziehen sind, wenn man ihn heute studiert. Offenbar wurde sein Grundimpuls durchaus verstanden, nämlich die gesamte Denkstruktur zum Verhältnis von Kapitalismus und Patriarchat, also auch die theoretischen Grundlagen des akademischen Feminismus umzustürzen und an die Stelle eine Theorie der Geschlechterverhältnisse zu setzen, die Letztere als Produktionsverhältnisse begreift. Man liest in den einzelnen Formulierungen noch leichtes Zögern. Ich habe das Thema nicht mehr losgelassen, sondern weiter daran gearbeitet und es zehn Jahre später in einem grundlegenden historisch-kritischen Beitrag veröffentlicht (vgl. HKWF 2003, 436 – 497; eine Kurzfassung folgt am Schluss dieses Buches). Die Vier-in-einem-Perspektive taucht hier als eine Art visionärer Horizont und noch etwas unfertig als Leitfaden praktischer Politik auf. – Der Beitrag zur Neuen Mitte scheint veraltet, da er über Schröder und Blair spricht, ist jedoch hochaktuell. Im Zentrum stehen die Familienvorstellungen des Blair-Beraters Giddens; aus ihnen werden scharfe Maßstäbe für eine sozialistische Politik entwickelt, an denen auch die Auffassungen von Oskar Lafontaine und Gregor Gysi gemessen werden. Keine der Fragen an sie ist überholt. – Der vierte Text scheint die Ebene der großen Politik zu verlassen, um sich in die Niederungen alltäglicher Erfahrungen zu begeben. Er ist ein Experiment, indem er ganz persönliche Erlebnisse mit sozialpolitischen Analysen im Großen in den Umbrüchen des Gesundheitswesens verknüpft. In dieser Weise ist er auch ein Vorschlag an alle, selbst so zu verfahren, um in schwierigen Situationen handlungsfähig zu bleiben. Schwäche wird als Analysemittel benutzt und so Erfahrung mit Kritik der politischen Ökonomie verbunden und Politik mit dieser.

Die Vier-in-einem-Perspektive

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