Читать книгу Denn ein Toter kann nicht reden - Fritjof Guntram - Страница 5

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Freeman benützte die nächste sich ihm bietende Gelegenheit, um Archies Chevrolet in die Garage zu schaffen. Dazu mußte er erst seinen eigenen Buick aus der Garage heraus- und dann den Chevrolet hineinschieben, denn er wagte nicht, den Motor anzulassen. Man hätte es womöglich im Hause gehört. Es war ein hartes Stück Arbeit, und Freeman fluchte rechtschaffen, als er die Garagentür abschloß und den Schlüssel zu sich steckte. Dann ging er in den Keller.

Archie Ballister lag auf dem Boden und schlief. Er richtete sich auf, als Freeman eintrat. Bösartig starrte er den Ankömmling an.

„Soll ich vielleicht die ganze Zeit auf dem Zementboden liegen?“ sagte er wütend. „Willst du mich etwa auf diese Art fertigmachen?“

„Es täte mir nicht leid, wenn du krepieren würdest“, versetzte Freeman ungerührt, „aber leider erlebe ich diese kleine Freude nicht. Hier habe ich dir etwas mitgebracht.“ Er stellte eine Flasche Whisky, die er unter den Arm geklemmt hatte, auf den Tisch und legte ein paar Schachteln Zigaretten daneben. Dann warf er ein paar Decken daneben.

„Das muß vorerst genügen“, sagte er. „Du bekommst Matratzen, sobald alles schläft. Ich muß jetzt wieder hoch, ich habe Gäste. Und daß du dich anständig verhältst und keinen Lärm machst. Ich habe keine Lust, wegen eines Raubmörders in Schwierigkeiten zu kommen.“

Mit einem Satz war Archie bei ihm und packte ihn an der Brust.

„Was sagst du da?“ rief er wild, während er Freeman hin und her schüttelte. „Raubmörder? Nimm dein loses Maul in acht, sonst erlebst du etwas.“

Freeman machte sich mit einem Ruck los.

„Du brauchst mir kein Theater vorzuspielen, Archie“, sagte er spöttisch, „dein hübscher Name wurde eben im Radio erwähnt. Die Bürger von Hamilton wurden zur Zusammenarbeit mit der Polizei aufgefordert. Ich bin zufälligerweise Bürger dieser freundlichen Stadt und müßte eigentlich meiner Bürgerpflicht genügen. Schon wer eine verdächtige Gestalt gesehen hat, soll es melden. Und daß du mehr als verdächtig aussiehst, Archie, wirst du wohl nicht leugnen.“

Archie sah ihn an und sagte sachlich:

„Man sollte dir alle Zähne einschlagen.“

Seufzend wandte sich Freeman ab.

„Du wirst nie ein feiner Mensch werden, Archie. Deshalb hast du es auch zu nichts gebracht.“ Er ging zur Tür. „Ich werde später noch einmal in den Keller kommen.“ Damit verschwand er, während Archie sich wieder fluchend auf den kalten Boden legte und versuchte, sich mit den Decken einigermaßen zu wärmen.

Spät am Abend, als die Haines fort waren und Eleanor schon im Bett lag, kam Freeman noch einmal hinunter und brachte Archie ein paar Matratzen. Dann ging auch er schlafen mit der geheimen Furcht im Herzen, welche Schwierigkeiten ihm sein ungebetener Gast noch bereiten würde.

Am anderen Morgen tauchte der alte Miller überraschend auf. Freeman hätte sich über jeden anderen Besuch mehr gefreut, und wenn es der Polizeipräsident gewesen wäre.

Miller betrat das Wohnzimmer und sah sich mißbilligend um. „Hier hängt wieder ein kalter Hecht in der Luft“, sagte er und schüttelte den Kopf. „Hat Eleanor Ihnen noch nie gesagt, Sie sollen nicht so viel rauchen?“

„Ich rauche, soviel ich will, Mr. Miller“, sagte Freeman, der Mühe hatte, sich zu beherrschen, „und wann ich will“, setzte er hinzu.

Miller warf seine gelben Lederhandschuhe auf den Tisch. Er hatte keine Lust, sich mit seinem Schwiegersohn zu streiten. „Mr. Freeman“, sagte er — sie nannten sich gegenseitig immer steif beim Nachnamen — „Mr. Freeman, was gibt es Neues in der Bank?“

„Die Geschäfte gehen gut“, sagte Freeman, „das müßten Sie eigentlich wissen. Schließlich gebe ich Ihnen täglich telefonischen Bericht.“

„Warum sind Sie so gereizt?“ verwunderte sich Miller.

„Weil ich nicht mag, daß man dauernd versucht, mich zu bevormunden“, entfuhr es Freeman, obwohl das ein schwerer Fehler sein konnte.

Er hatte Glück. Miller mixte sich verblüfft einen Whisky mit Soda und sah ihn dann nicht unfreundlich an.

„So sind Sie schon bedeutend besser, mein Junge“, sagte er väterlich und hob sein Glas, „noch zehn Jahre, und Sie sind ein prima Bankfachmann. Sie beginnen Energie zu entwickeln, und das gefällt mir.“

„So“, meinte Freeman, der sich fragte, worauf der Alte hinsteuerte. Er kannte Miller. Der war nie freundlich, wenn er nicht eine bestimmte Absicht dabei hatte.

„Und wie geht es sonst?“ fragte Miller.

„Gut“, sagte Freeman und wartete ab. Er wollte es dem Alten nicht allzu leicht machen.

„Hm —“ Miller betrachtete angelegentlich seine Fingernägel. „Eleanor hat in letzter Zeit auch nicht geklagt.“ Miller faßte das sicher als großes Kompliment Freeman gegenüber auf.

„Aha“, sagte Freeman, „das freut mich aber. Vielleicht werde ich noch was?“

„Bestimmt, mein Junge“, sagte Miller mit aller falschen Güte, zu der er fähig war. Er hatte nicht den ironischen Unterton Freemans bemerkt. „Bestimmt sogar“, wiederholte Miller noch einmal nachdrücklich. „Und was die andere Angelegenheit betrifft …“

„Welche andere Angelegenheit?“ wollte Freeman wissen.

„Nun, lassen Sie mich erzählen.“ Miller lehnte sich zurück und spielte mit seinem Glas. „Nächsten Freitag“, fuhr er fort, „soll doch in Florida der Bankenkongreß beginnen. Bei diesem Kongreß hat man mich unglückseligerweise als einen der Hauptredner vorgesehen. Nun ja, das ist kein Wunder. Die alte Miller-Bank, die heutige Freeman-Miller-Bank, war einmal eines der bekanntesten Bankinstitute des Landes. Das ist leider nicht mehr so …“

„ … Obwohl der Umsatz um zweihundert Prozent gestiegen ist, seitdem ich sie übernommen habe“, warf Freeman ein.

„Davon wollen wir jetzt nicht sprechen“, sagte Miller nachsichtig, „ich meine nur, daß der Ruf der Miller-Bank sehr gut war und daß ich gewissermaßen einer der bekanntesten Bankiers dieses Landes bin.“

„Na, dann ist es doch großartig, daß Sie eine hübsche Rede halten werden“, meinte Freeman.

„Gewiß. Das Traurige ist nur, daß ich keine Zeit habe.“

„Dann sagen Sie einfach ab.“

„Das geht nicht mehr. Der Kongreß beginnt nächsten Freitag. Ich kann es mir nicht leisten, abzusagen. Man würde keinen Ersatzmann finden.“

„Fällt Ihnen nicht reichlich spät ein, daß Sie keine Zeit haben werden?“ meinte Freeman.

„Ich habe keine Zeit, aber ich habe einen Ersatzmann“, sagte Miller.

Freeman starrte ihn verständnislos an.

„Das begreife ich nicht!“

„Es ist doch ganz einfach“, lachte Miller. „Sie, Freeman, werden für mich fahren und meinen Vortrag halten.“

Freeman starrte ihn entgeistert an. Er sollte fortfahren, vor den Bankleuten des ganzen Landes einen großen Vortrag halten und mußte jede Sekunde zittern, daß seine Frau oder jemand vom Personal den in seinem Keller eingesperrten Raubmörder Archie Ballister entdeckte. Das Ganze kam ihm so unwahrscheinlich vor, daß er in Versuchung geriet, laut loszulachen.

„Was ist los?“ fragte Miller. „Wollen Sie etwa nicht?“

„Ich kann doch unmöglich als Ersatzmann für Sie einspringen“, sagte Freeman.

„Natürlich können Sie. Sie sollen ja nichts weiter tun, als meine Rede abzulesen. Natürlich werden Sie den Leuten nicht erzählen, Sie hätten auch die Rede selbst verfaßt — Sie werden am Beginn Ihres Vortrages sagen, ich wäre erkrankt, und Sie hätten den Auftrag, meinen Vortrag vorzulesen.“

„Wenn das alles ist, können Sie doch einen Rundfunksprecher hinschicken“, meinte Freeman.

„Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?“ fragte Miller. „Uebrigens ist alles schon vorbereitet. Ich habe zwei Flugkarten besorgt. Eleanor wird mit Ihnen reisen. Sie werden vier Tage fortbleiben. In der Zwischenzeit wird Sprogget die Bank führen.“ Sprogget, das war der zweite Direktor, ein farbloser, kleiner Mann ohne Rückgrat.

Freeman sah Miller gerade an.

„Ausgeschlossen“, sagte er, „ich kann jetzt nicht fahren.“

„Aber natürlich werden Sie fahren“, sagte Miller, „mein Schwiegersohn wird mich doch nicht in einer solchen Lage im Stich lassen.“ Er erhob sich und sah auf die Uhr. „Höchste Zeit für mich“, sagte er, „und viel Erfolg in Florida. Ich schicke Ihnen heute nachmittag jemanden herüber, der Ihnen alle nötigen Unterlagen und das Manuskript der Rede bringt. Grüßen Sie mir Eleanor.“

Er schritt aufgerichtet durch das Wohnzimmer. Freeman brachte ihn zur Haustür und beobachtete voll Ingrimm, wie der draußen wartende Fahrer den Schlag von Millers Cadillac aufriß. Wütend ging er ins Wohnzimmer zurück. Sein Blick fiel auf Millers Handschuhe, die dieser vergessen hatte. Er packte sie und schleuderte sie auf den Boden. Dann goß er sich ein großes Glas voll Whisky und leerte es auf einen Zug. Danach war ihm bedeutend wohler.

Denn ein Toter kann nicht reden

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