Читать книгу Denn ein Toter kann nicht reden - Fritjof Guntram - Страница 6

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Das Manuskript von Millers Rede, welches am Nachmittag gebracht wurde, schleuderte Freeman ebenso zu Boden wie die Handschuhe. Als jedoch Eleanor erschien und ihn vorwurfsvoll ansah, hob er es wieder auf. Er blätterte es mißmutig durch. Kein Zweifel, es war eine ausgezeichnete Rede, und normalerweise hätte es ihm Spaß gemacht, sie vor dem Bankkongreß zu halten. Aber nicht, solange ein Raubmörder in seinem Keller Schutz suchte.

Doch wie sollte er das Eleanor klarmachen?

„Ich verstehe gar nicht, was du gegen eine Reise nach Florida hast“, sagte sie. „Besonders jetzt im Winter, wo hier ein miserables Wetter herrscht. In der Bank kann es auch keine Schwierigkeiten geben. Sprogget erledigt den Routinekram, und schwierige Sachen macht sowieso mein Vater.“

„Ich will nicht“, erwiderte er lahm, „und ich dachte, daß meine Frau das respektieren würde.“

„Wenn du wenigstens einen Grund hättest“, sagte sie vorwurfsvoll, „aber einfach, weil du nicht willst, zwingst du mich, bei schlechtem Wetter in Georgia zu bleiben, statt mich in der Sonne Floridas erholen zu können.“ Und sie lief ans Telefon, um den alten Miller anzurufen.

Normalerweise hätte Freeman irgendeinen wichtigen Termin in der Bank vorschieben können. Das verbot sich jedoch von selbst, da der alte Miller über alles in der Bank informiert war. Und etwas anderes wollte ihm nicht einfallen, so sehr er sich auch bemühte.

Es gab nur eine Möglichkeit — Archie Ballister mußte verschwinden. Aber wenn er sich weigerte?

Dann mußte er es mit Gewalt versuchen. Ueberhaupt, warum nicht gleich mit Gewalt. War es nicht das beste Mittel, den unbequemen Mitwisser von früher loszuwerden? Solange Archie lebte, bestand die Gefahr, daß er bei der Polizei etwas über Randolph Freemans Vergangenheit ausplauderte. Nie würde Freeman sich richtig freifühlen können.

Und Freeman stand am Fenster und überlegte, wo man wohl einen Leichnam so verstecken konnte, daß die Polizei ihn nicht fand.

Währenddessen lief Archie im Keller ruhelos auf und ab. Es war empfindlich kalt hier unten. Erst hatte er Freiübungen gemacht, dann den Whisky ausgetrunken. Jetzt rannte er hin und her wie ein gefangener Löwe im Käfig. Er rauchte so viel, daß er schon Angst hatte, die Feuerwehr würde kommen.

Von dem schmalen Kellerfenster aus konnte er, wenn er sich auf den Tisch stellte, den Kiesplatz vor dem Haus sehen. Freeman hatte wenigstens den Chevrolet beseitigt. Das Fenster hatte den Vorteil, daß er jeden Besucher sehen konnte, der zum Haus kam, denn das Gebäude lag am Ende einer Sackstraße. Er sah den alten Miller kommen und wieder abfahren, dann rührte sich nichts mehr im Park, der grau und trüb im Nebel dalag.

Archie Ballister zog den Revolver aus der Tasche und entsicherte ihn. Nachdenklich spielte er mit dem Abzugshebel. Er hatte noch fünf Schuß — vor wenigen Tagen waren es noch sechs gewesen. Dann war die Sache in Dover passiert, und er hatte abgedrückt. Raubmord sagte man dazu.

Immerhin blieben ihm noch fünf Schuß. Das war eine ganze Menge für einen verzweifelten und zu allem entschlossenen Mann. Vielleicht konnte er sich damit das Geld besorgen, das er brauchte, um weiterzukommen. Denn er hatte geblufft, als er Freeman das Bündel Dollarnoten vor die Füße geworfen hatte. Es war sein letztes Geld gewesen, und das waren keine hundert Dollar. Der Raubmord in Dover hatte sich nicht gelohnt.

Freeman würde ihm Geld geben, zweifellos. Ein paar hundert Dollar vielleicht. Er hatte es ja schon angeboten. Aber das war nicht genug. Er brauchte viel mehr. Einige Tausend mindestens. So viel würde Freeman wohl nie freiwillig rausrücken. Man würde ihn dazu zwingen müssen.

Und sorgfältig überzeugte sich Archie davon, daß an seinem Revolver alles in Ordnung war.

Am Nachmittag fuhr Freeman in die Stadt. Er hatte sich genau überlegt, was er tun wollte, und dazu brauchte er die Antworten auf ein paar Fragen. Er steuerte den Wagen selbst. Eleanors Wagen hatte er vor die Garage gefahren, damit sie nicht etwa versehentlich in die Garage ging und Archies Wagen sah.

Das Büro von Bill Haines lag im Zentrum von Hamilton, an dem großen Platz mit dem Reiterstandbild von Alexander Hamilton, dem berühmten Gegenspieler Jeffersons, der der Stadt seinen Namen gegeben hatte. Grämlich blickte der große Politiker auf Freeman hinab, der seinen Wagen unmittelbar unter ihm parkte und zum Haus von Haines hinüberging.

Der Anwalt warf ein paar Leute heraus, als ihm Mr. Freeman gemeldet wurde. Haines pflegte seine Besucher in drei Gruppen einzuteilen, in solche, die er warten lassen konnte, in solche, die er notfalls hinauswerfen konnte, und in solche, die sofort zu ihm Zutritt hatten. Freeman gehörte zu diesen letzteren.

Der Bankdirektor betrat das Zimmer und trug sein forsches „Die-Börse-erholt-sich-schon-wieder-Lächeln“ leicht betrübt zur Schau.

„Tut mir leid, daß ich Sie störe, Bill“, sagte er, „ich habe ein paar juristische Fragen an Sie.“

„Aber bitte, Randolph!“ Haines wies auf einen Sessel. „Sie wissen doch, ich stehe jederzeit gerne mit Rat und Tat zur Seite. Wo brennt’s denn?“

„Nach wieviel Jahren verjährt ein Verbrechen?“ fragte Freeman.

Haines sah ihn überrascht an.

„Das ist nicht so ohne weiteres zu beantworten. Es hängt davon ab, um was für ein Verbrechen es sich handelt und wo es begangen wurde. Dachten Sie an einen bestimmten Fall?“

„Nein“, sagte Freeman, „ein Neffe von mir schreibt Kriminalromane und fragte mich, ob ich ihm diese Auskünfte verschaffen könnte.“

„Ah so“, machte Haines, „aber er muß doch an ein bestimmtes Verbrechen gedacht haben. Ist es Mord?“

„Nein — eigentlich Raub“, sagte Freeman zögernd, „der Fall sieht ungefähr so aus, daß zwei Männer in eine illegale Spielhölle eindringen und dort mit vorgehaltener Pistole die Herausgabe des gesamten Vermögens erzwingen. So sieht das Verbrechen aus, das mein Neffe mir geschildert hat.“

Haines lächelte amüsiert.

„Wenn es eine illegale Spielhölle ist, werden die Leute dort wohl kaum Anzeige erstatten, meinen Sie nicht?“

Freeman sah ihn überrascht an. Ihm schien ein Gedanke zu kommen.

„Demnach ist es überhaupt kein Verbrechen, nicht wahr?“ sagte er.

„So einfach dürfen Sie es sich nicht machen“, erklärte Haines, „natürlich ist es ein Verbrechen. Nur wird die Polizei sich nicht um seine Aufklärung bemühen, da sie von gar nichts weiß. Etwas anderes ist, wenn Anzeige erstattet wird. Das würde aber in Ihrem Fall bedeuten, daß die Leute damit selber ein Verbrechen zugeben würden — nämlich das Betreiben einer illegalen Spielhölle.“

„Wunderbar“, sagte Freeman aufgeräumt und rieb sich die Hände, „mein Neffe wird zufrieden sein. Ich wette, er ist gar nicht auf diese Idee gekommen. Diese jungen Leute!“ Er stand auf und verabschiedete sich von Haines.

„Sie haben mir einen großen Gefallen getan“, sagte er.

Der Anwalt trat ans Fenster und sah nachdenklich auf die Straße hinunter, bis Freeman dort erschien. Haines hatte in der letzten Zeit verschiedene Dinge beobachtet, die ihn nachdenklich gemacht hatten. Irgend etwas stimmte mit Freeman nicht, soviel stand fest. Und ich will nicht Bill Haines heißen, dachte er, wenn ich nicht genau weiß, daß Freeman überhaupt keinen Neffen hat.

Als Freeman wieder daheim war, sagte Eleanor zu ihm: „Ich habe den Monteur rufen lassen. Irgend etwas an meinem Wagen stimmt nicht. Ich wollte vorhin zu Vater fahren, aber der Motor sprang nicht an.“

„So“, meinte Freeman zerstreut, „und woran lag es?“

„Ich weiß es nicht“, erwiderte sie, „der Monteur muß jeden Augenblick hier sein.“

„Du kannst ja inzwischen’meinen Wagen nehmen“, schlug er ihr vor, „inzwischen bringt der Monteur deinen Wagen in Ordnung.“

Er wußte nicht, welche Schwierigkeiten er sich damit bereiten würde. Denn als Eleanor in seinem Buick davonfuhr, stand Archie Ballister im Keller am Fenster und starrte mißtrauisch hinaus. Archie hatte eine schlechte Nacht verbracht, und, was noch schlimmer war, er langweilte sich. Außerdem traute er Freeman nicht. Er wußte, daß Freeman nach einer Möglichkeit suchte, ihn loszuwerden. Archie war auf der Hut und verbrachte die meiste Zeit damit, durch das Fenster den Weg zu beobachten. So sah er auch den Wagen, in dem der Monteur kam.

Es war ein gelbes Fahrzeug mit schwarzer Reklameschrift darauf. Als Archie den Wagen in der Ferne sah, konnte er die Schrift noch nicht lesen. Im ersten Augenblick dachte er, es wäre ein Polizeiauto. Wilde Wut sprang in ihm hoch. Er riß den Revolver aus der Tasche und entsicherte ihn. Lauernd beobachtete er das sich nähernde Fahrzeug.

Auch als er die Schrift lesen konnte, legte sich sein Mißtrauen nicht. Es war ein Caravan ohne Fensterscheiben. Archie konnte sich leicht vorstellen, daß einige Polizisten auf der Ladefläche verborgen waren. Wer weiß, welche Teufelei Freeman ausgeheckt hatte.

Archie sah den Monteur in seinem grünen, fleckigen Overall aussteigen und zur Haustür gehen. Wenige Minuten später tauchte er wieder auf, begleitet von dem Diener John. Die beiden gingen ums Haus herum.

Die Garage, durchzuckte es Archie. Dort stand der gestohlene Chevrolet. Wenn der Monteur die Garage betrat und den Wagen sah, war er geliefert. Denn immer noch waren die beiden flüchtigen Verbrecher das Tagesgespräch in Hamilton. Freeman hatte ihm am Morgen die Tageszeitung gebracht, und da war ein langer Artikel über ihren Fluchtweg drin gewesen. Und am Schluß die lapidare Bemerkung, jeder Bürger von Hamilton solle die Augen aufmachen.

Archie verließ die Werkstatt und suchte nach einem Fenster, von dem aus er die andere Seite des Hauses mit der Garage beobachten konnte. Das war nicht ohne weiteres möglich. Der einzige Raum, der ein solches Fenster hatte, war der Weinkeller, und der war fest verschlossen.

Es dauerte einige Minuten, bis Archie in der Werkstatt ein Brecheisen gefunden hatte, mit dem er die Tür aufbrechen konnte. Dann stand er am Fenster und sah lauernd hinaus. Seine Finger umkrampften den Revolver. Doch was er sah, beruhigte ihn zunächst.

Vor der Garage stand ein hellblaues Cabriolet. John führte den Monteur dorthin. Das Fenster stand offen, so daß Archie die Unterhaltung der beiden deutlich verstehen konnte.

„ … irgendein Fehler am Wagen von Mrs. Freeman“, sagte John, „Mrs. Freeman wünscht, daß Sie die Sache so bald wie möglich in Ordnung bringen.“

„Ich wette, der Tank ist leer“, lachte der Tankwart. Er war ein kleiner Mann mit einem faltigen Gesicht, das aussah wie gegerbtes Leder. „Das letzte Mal“, fuhr er fort, „hatte Mrs. Freeman vergessen, die Handbremse zu lockern. Immer wenn sie versuchte, anzufahren, würgte sie den Motor ab. Wenn ich ihr zu etwas raten dürfte, dann zu einem Chauffeur.“

„Das würde Sie ja brotlos machen“, sagte John anzüglich, „ein Chauffeur würde für das Auswechseln von zwei Zündkerzen sieben Dollar verlangen.“

„Da haben Sie auch wieder recht“, brummte der Mann und öffnete die Kühlerhaube. Während er sich prüfend über den Motor beugte, stand John abwartend daneben.

„Versuchen Sie mal, anzulassen“, sagte der Monteur.

John kletterte in den Wagen und betätigte den Zündmechanismus. Ein schwaches Wimmern ertönte. Archie hatte die Diagnose genauso schnell wie der Monteur. „Batterie“, murmelte er.

Der Monteur erhob sich.

„Das ist kein Problem“, sagte er, „die Batterie ist am Ende. Der Wagen braucht nur eine neue. Glücklicherweise habe ich daran gedacht, eine mitzubringen.“

Er wollte zu seinem Wagen gehen, aber John kam ihm dazwischen.

„Nicht so eilig, Meister. Meines Wissens steht eine nagelneue Ersatzbatterie in der Garage. Mr. Freeman hat sie vor ein paar Tagen mitgebracht.“

Der Monteur kratzte sich enttäuscht am Hinterkopf.

„Warum hat er sie dann nicht selbst eingebaut? Und ist die überhaupt bei uns gekauft?“

Archie grinste breit.

„Natürlich“, erwiderte John, „schließlich kauft der Chef alles bei Ihnen. Außerdem fällt mir jetzt ein, daß er die Batterie selbst in diesen Wagen einbauen wollte. Er hat es wohl vergessen. Er ist in letzter Zeit ziemlich zerstreut.“

„Und seine Gattin, die holde Mondkuh, läßt deswegen mich aus der Stadt kommen“, brummte der Monteur, „‘s ist ‘ne Schande. Sowie die Leute so viel Geld haben, daß sie nicht mehr sparen brauchen, lassen sie ihre verrückten Launen an anderen aus. Ich habe fünf Aufträge in der Werkstatt liegengelassen, dringende Aufträge, um das kaputte Autochen der Prinzessin wieder heil zu machen — und dann ist es solch eine Lappalie.“

„Schimpfen Sie nicht so viel“, sagte John begütigend, „ich würde Ihnen gerne zustimmen, aber ich bin hier angestellt. Kommen Sie!“

Er ging zur Garage und wollte die Tür öffnen. Zu seiner Ueberraschung war sie verschlossen.

„Das tut doch Mr. Freeman nie, wenn beide Autos draußen sind“, murmelte er und ging in das Haus, um die Ersatzschlüssel zu holen. Der Monteur begleitete ihn.

Archie ballte die Fäuste. Gleich war es soweit. Warum rührte sich Freeman nicht, warum verhinderte er nicht, daß die Garagentür geöffnet wurde? Er mußte im Haus sein. Wenn die beiden Männer den gestohlenen Wagen sahen, würden sie sofort die Polizei benachrichtigen, und dann war hier der Teufel los. Es war doch unmöglich, daß Freeman sich das nicht sagte. Er mußte wissen, daß der Monteur da war. Er mußte. Er mußte. Archie hämmerte vor Wut mit der Faust auf das Fensterbrett.

Links von sich hörte er wieder Stimmen.

„Sie wissen jetzt Bescheid!“ Das war Johns Stimme. „Melden Sie sich bei mir, wenn Sie fertig sind.“

Der Kies knirschte, und der Monteur kam mit einem Schlüsselbund in der Hand. Er lief so dicht am Kellerfenster vorbei, daß Archie ihn hätte mit der Hand berühren können. Dann stand er vor der Garagentür, Schlüssel klirrten, die Tür bewegte sich nach oben.

Die Garage war so gebaut, daß zwei Wagen darin hintereinander Platz hatten. Freeman hatte den Chevrolet bis ans hintere Ende gefahren, während die Ersatzbatterie unmittelbar neben dem Eingang stand. Es sah so aus, als bemerkte der Monteur den Wagen gar nicht. Er nahm die Batterie hoch und trug sie hinaus. Dann machte er sich daran, die Tür wieder zu schließen.

Archie atmete auf und ließ die Hand mit dem Revolver sinken. Das war noch einmal gutgegangen. Plötzlich stutzte er. Was war das?

Noch während er die Tür schloß, schien der Monteur sich an etwas zu erinnern. Er ließ die Tür wieder hochgleiten und betrat die Garage. Dort stand ein Preßluftbehälter, wie er an allen Tankstellen zum Füllen der Reifen mit Luft verwandt wird. Der Monteur rollte ihn hinaus.

Ach so, dachte Archie, er will die Reifen aufpumpen, damit die Rechnung etwas höher wird.

Aber plötzlich sah der Monteur den Chevrolet. Er blieb nicht etwa stehen oder ging gar näher heran, nein, er zögerte nur ein, zwei Sekunden, während er sich über das Gerät beugte, und in diesen wenigen Sekunden starrte er verblüfft auf das New Yorker Nummernschild. Dann rollte er den Luftapparat hinaus.

Trotzdem wußte Archie, was er zu tun hatte.

Als der Monteur eine halbe Stunde später wieder seinen Wagen bestieg, um zur Stadt zurückzufahren, wußte er nicht, welch unheimlichen Beifahrer er hatte.

Der Weg machte ein Stück hinter dem Haus eine Biegung; dichte Bäume verhinderten, daß er hier vom Haus aus eingesehen werden konnte. Die Stadt wiederum war zu weit weg, als daß man schon die Häuser gesehen hätte. Die Dämmerung war schon hereingebrochen. Schwer und regennaß hingen die Zweige von den Bäumen herunter.

Archie richtete sich auf und drückte dem Fahrer seinen Revolver ins Genick.

„Bleib stehen, mein Junge“, sagte er.

Der Monteur wurde fast ohnmächtig vor Schreck. Er wagte nicht, den Kopf zu wenden, aber er konnte im Rückspiegel Archies verbissenes Gesicht sehen. Gehorsam trat er auf die Bremse, und der Wagen hielt.

„Was wollen Sie von mir, Mister?“ fragte er mit zitternder Stimme.

„Schnauze“, sagte Archie und wies mit dem Kopf nach rechts, „fahr dort hinein.“

„In den Wald?“ fragte der Monteur ungläubig.

Der Druck der kalten Revolvermündung verstärkte sich.

„Tu schon, was ich dir sage“, befahl Archie ungeduldig.

Langsam kam das Fahrzeug wieder in Bewegung, verließ die feste Straße, schwankte bedrohlich an dem Abhang, welcher sich seitlich der Straße befand, und kämpfte sich seinen Weg durch die Bäume. Die Räder pflügten sich schwerfällig durch den dichten Morast aus nassem Laub, Schlamm und Lehm.

„Hören Sie“, sagte der Monteur mit belegter Stimme, „ich hab’ bestimmt nichts gesehen.“

„Halťs Maul“, befahl Archie.

„Ich werde bestimmt niemandem etwas verraten“, versprach der Mann, dem der Schweiß ausbrach.

„Fahr da links ’rüber“, befahl Archie, ohne den Revolver vom Genick des Fahrers zu nehmen.

Der Wagen schwenkte in die angegebene Richtung. Hinter einer dichten Gruppe von Bäumen begann ein ziemlich steiler Abhang, der in eine Zementböschung auslief. Diese fiel unter einem steilen Winkel in den Meldrum River hinab, einen Fluß, der im Sommer nur ein kleines Rinnsal war, aber durch die Regenfälle der letzten Wochen stark angeschwollen war und jetzt Hochwasser führte. Die schmutzigen, gelben Fluten wirbelten schnell vorbei.

„Nimm den Gang ‘raus“, befahl Archie, „mach die Bremse los.“

Sie hatten jetzt den Abhang erreicht, und der Monteur hatte angehalten.

„Was haben Sie vor?“ fragte der Mann mit angstverzerrtem Gesicht.

„Das wirst du gleich sehen“, sagte Archie.

In diesem Augenblick warf sich der Monteur in einem verzweifelten Entschluß zur Seite. Seine Hand flog nach hinten. Archie drückte ab, doch die Kugel durchschlug nur die Hand des Mannes. Zwischen ihnen befand sich die Rückenlehne der vorderen Sitzbank.

Archie beugte sich vor, um zu schießen, aber sein Gegner umklammerte mit eisernem Griff seine Hand, und die Kugel schlug in die Decke. Verbissen kämpften die beiden Männer miteinander.

Keiner von beiden hatte bemerkt, daß der Wagen sich durch die heftigen Bewegungen in seinem Innern in Bewegung gesetzt hatte. Erst langsamer, dann schneller rollte er den Abhang hinunter, auf die Böschung und die gurgelnden Fluten des Meldrum River zu.

Plötzlich erkannte Archie die Gefahr. Im gleichen Augenblick sah auch der Monteur schreckerstarrt auf. Diese Pause benützte Archie. Mit einem Ruck riß er seine Hand los und drückte den Revolver ab. Die Kugel traf den Monteur in den Kopf. Lautlos sackte er zusammen.

Sekundenbruchteile später knallte der Wagen auf die Zementböschung auf. Sein Vorderteil wurde in die Höhe gerissen. Das Auto sprang wie ein Skispringer in die Luft, legte sich etwas zur Seite und tauchte dann mit dumpfem Aufklatschen in das schäumende Wasser ein.

Archie bemühte sich verzweifelt, über die Sitzbank hinweg zu einem der vorderen Fenster zu gelangen. Der Laderaum hatte ja keine Fenster.

Das Auto sank schnell. Durch die schräggestellten kleinen Fenster gurgelte das Wasser herein. Archie versuchte vergeblich, die Tür zu öffnen. Das wäre ihm frühestens geglückt, wenn das Auto voll Wasser gelaufen wäre. Panische Angst ergriff ihn. Er hämmerte gegen das Fenster.

Jetzt verschwand das Auto ganz von der Wasseroberfläche. Binnen Sekunden entwich die Luft. Er bekam Wasser in den Mund, hustete, schluckte. Dann erwischte er die Kurbel des einen Fensters und drehte daran. Es war ihm wie ein Wunder, daß es sich öffnen ließ. Er wartete nicht, bis die Scheibe ganz unten war, sondern drängte sich hindurch, sobald es ging. Endlich war er draußen, stieß empor zur Wasseroberfläche und kämpfte sich zum Ufer hinüber.

Dort saß er dann, halberfroren, hustend, ehe er sich schließlich, durchnäßt wie er war, auf den Rückweg machte.

Der Zwischenfall war verdammt gefährlich gewesen. Und was das schlimmste für ihn war — er hatte seinen Revolver dabei eingebüßt.

Denn ein Toter kann nicht reden

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