Читать книгу Denn ein Toter kann nicht reden - Fritjof Guntram - Страница 7

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Als Archie den Weg erreichte, kam dort ein hellblauer Buick entlang. Darin saß, gepflegt, frisch rasiert, in einem tadellosen Maßanzug, einen Zigarillo zwischen den Lippen: Randolph Freeman. Und als er Archie Ballister in seinem Zustand sah, wäre er vor Verblüffung fast gegen einen Baum gefahren.

Archie winkte, und Freeman hielt.

„Bist du verrückt geworden?“ war das einzige, was Freeman herausbrachte.

„Keineswegs“, knurrte Archie, „ich habe einen kleinen Ausflug in diesen hübschen Park gemacht und bin ins Wasser gefallen.“

Er sah sich nervös um. Die Räder des Reparaturwagens hatten sich tief in den weichen Untergrund neben der Straße eingedrückt — die Stelle lag nicht weit weg. Hoffentlich bemerkte Freeman sie nicht.

„Diesen Blödsinn soll ich glauben?“ Freeman hatte seine Fassung immer noch nicht wiedergefunden. Er musterte Archie kopfschüttelnd. „Wie siehst du nur aus! Am besten, ich fahre dich sofort zur Polizei.“

„Ich warne dich“, sagte Archie drohend, „es dürfte auch in deinem Interesse liegen, daß ich ungeschoren aus dieser Sache herauskomme.“

„Aus welcher Sache?“ Freeman wurde hellhörig.

„Das geht dich überhaupt nichts an.“

„Na schön“, knurrte Freeman, „dann kannst du von mir aus bleiben, wo du bist.“ Er machte Anstalten, fortzufahren.

„Halt!“ schrie Archie. „Oder ich schieße.“

„Womit?“ fragte Freeman spöttisch.

Archie wurde sich zähneknirschend des Umstandes bewußt, daß sein Revolver unten im Fluß lag. Er suchte nach einer Geschichte, die einigermaßen glaubwürdig klang. Mit der Wahrheit durfte er nicht kommen, das war klar.

„Ich sah vom Kellerfenster aus jemanden im Park“, sagte er stockend, „da dachte ich, es wäre ein Kriminalbeamter.“

„Wie kamst du denn auf diese Idee?“ wollte Freeman wissen.

„Ich dachte …“ Archie suchte nach einer Ausrede. Plötzlich fiel ihm etwas ein. „Ich dachte, du hättest mich verpfiffen.“

In Freemans Gesicht rührte sich kein Muskel.

„Weiter!“

„Ich glaubte, das Haus würde umstellt. Da kletterte ich zum rückwärtigen Fenster hinaus …“

„Zum rückwärtigen Fenster?“

„Ja! Ich mußte die Tür zum Weinkeller aufbrechen. Auf der anderen Seite war doch der Mann.“

Freeman wollte aufbrausen, unterließ es aber dann.

„Und? Weiter!“

„Ich lief durch den Park und näherte mich dem Mann. Ich mußte unbedingt herausfinden, was er hier wollte. Er ging hinunter zum Fluß. Ich folgte ihm. Dann entdeckte ich, daß es jemand von der Verwaltung des Parks zu sein schien, denn er verschwand in einem Schuppen mit Geräten. Ich war beruhigt und wollte umkehren …“

„ … und dabei bist du ins Wasser geflogen!“ Freeman lachte rauh auf. „Das geschieht dir recht. Wenn ich dich hätte an die Polizei ausliefern wollen, wäre das bestimmt anders vor sich gegangen. Kriminalbeamte, die ums Haus schleichen!“ Er schüttelte den Kopf und forderte Archie zum Einsteigen auf.

„Aber mach mir nicht die schönen Polster dreckig“, sagte er und fuhr an. Archie bemerkte zu seiner Erleichterung, daß Freeman die Reifenspuren im Wald nicht bemerkte.

„Hat dich der Mann gesehen?“ wollte Freeman wissen.

Archie schüttelte den Kopf.

„Nein, ganz bestimmt nicht.“

„Und war sonst noch jemand in der Nähe?“

„Niemand!“ versicherte Archie.

Er war sich klar darüber, daß man den Monteur vermissen würde. Man würde auch bald den Wagen im Fluß finden. In wenigen Stunden war die Polizei da. Bis dahin mußte er aus dem Haus sein — und dazu brauchte er viel Geld. Dieses Geld besaß Freeman. Ein Glück, daß dieser nichts bemerkt hatte, sonst wäre die Lage sehr ungemütlich geworden. Aber so hatte er noch eine Chance, Freeman auszurauben und dann zu verschwinden. Mit einem Haufen Geld glückte es ihm sicher, noch einmal die Grenze nach Mexiko zu erreichen. Dort war er sicher, dort hatte er eine Menge Freunde. Ein kleines Dorf hatte ihn sogar zum Ehrenbürger ernannt, weil er ein paar Tausender für die neue Schule gestiftet hatte. Mexiko, dachte er, Mexiko!

Die Stimme Freemans riß ihn aus seinen Grübeleien.

„Da vorne liegt das Haus. Leg dich auf den Boden des Wagens. Ich werde dann dafür sorgen, daß du ungesehen ins Haus kommst.“

Der Wagen hielt, und Freeman stieg aus. Wenig später erschien er in der Haustür.

„Die Luft ist rein“, rief er leise.

Mit ein paar Sätzen war Archie im Haus und lief die Treppe hinunter. Dann saß er wieder im Keller und trocknete sich ab. Freeman hatte ihm ein Handtuch gegeben und ein paar abgelegte Kleidungsstücke. Während er sich abtrocknete, dachte er darüber nach, was er jetzt unternehmen würde. Er mußte schnell handeln. Wenn er nur wußte, wo Freeman sein Geld aufbewahrte. Oder wenn er seinen Revolver noch hätte. Dann könnte er Freeman dazu zwingen, ihm so viel zu geben, wie er brauchte. Er sah sich um, ob er nicht wenigstens ein Messer fand. Aber es lagen nur Schraubenzieher, Bohrer und Hammer in der Werkstatt.

Währenddessen ging Freeman mit großen Schritten im Wohnzimmer auf und ab. Dieser Ausflug Archies hätte alles zerstören können. Wenn er daran dachte, daß nur ein Mensch ihn hätte zu sehen brauchen, und schon wäre der Bankdirektor Freeman erledigt gewesen. Ihm brach der Angstschweiß aus. Er tastete in seine Jackettasche, wo er seinen Revolver aufbewahrte. Er mußte etwas unternehmen, heute abend noch. Sowie es dunkel war. Er würde den Fall zu einem sehr schnellen Ende bringen. Der Schalldämpfer lag in seinem Nachttisch — niemand im Haus würde etwas hören.

Mitten in seine Ueberlegungen hinein läutete das Telefon. Er nahm den Hörer ab.

„Hier Autowerkstatt Smith and Johnson“, meldete sich eine Stimme, „spreche ich mit Mr. Freeman?“

„Ja, was gibťs?“

„Wir haben heute nachmittag einen unserer Monteure zu Ihnen geschickt. Da er bei uns noch nicht wieder aufgetaucht ist, würde ich gerne wissen, ob er noch bei Ihnen ist.“

„Nein“, sagte Freeman, „hier ist er nicht.“

„Merkwürdig“, sagte der Mann, „wo mag er nur stecken?“

„Vielleicht in einem Lokal“, lächelte Freeman, „er wird einen zwitschern gegangen sein.“

„Unerhört“, schnappte sein Gesprächspartner, „der Mann hat bis neun Uhr Dienst. Na, der bekommt etwas zu hören, wenn er es wagen sollte, hier noch aufzutauchen.“

Freeman hängte ein. Einen Augenblick lang dachte er an den Monteur. Der war seine Stellung bestimmt los. Das ist Amerika, dachte er. Einmal schwänzen, und schon fliegt man. Dabei konnte der Monteur noch von Glück reden — er brauchte sich nur anderswo einen Job zu suchen. Bei ihm, Freeman, war das anders. Wenn einmal gewisse Dinge aus seiner Vergangenheit bekannt wurden, wenn Archie plauderte — war er völlig erledigt. Dann konnte er Schuhputzer werden oder Tellerwäscher, Eleanor würde sich scheiden lassen, der alte Miller ihn aus der Bank feuern — ihm brach der kalte Schweiß aus. Nur das nicht, dachte er, noch habe ich eine Chance. Und er lief ins Schlafzimmer und holte den Schalldämpfer und steckte ihn auf den Revolver. Heute abend würde er es tun, es mußte sein. Er legte den Revolver auf den Tisch und goß sich ein großes Glas Whisky ein.

So traf ihn Eleanor an, als sie zurückkehrte.

Denn ein Toter kann nicht reden

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