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Revenge
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Das Leben war für Herbert «Herbie» Himmler nur noch eine Abfolge grauer dunkler Tage, begleitet und gefolgt von dem dumpfen Gefühl einer wiederkehrenden Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit, versunken und zugeschüttet auf dem Boulevard der zerbrochenen Träume.
Alles andere als Inbegriffe für ein schönes angenehmes Leben, der Glanz der guten Tage war schon vor einiger Zeit verblast, so wie der Ruhm und das Ansehen eines Filmsternchens erblasst.
Alles was geblieben war, waren Erinnerungen und die vage Erkenntnis, dass das Leben nicht immer so grau und hoffnungslos gewesen war wie an jenen Tagen.
Da half auch keine Flucht in Alkohol und Drogen, wie das gestrandete Existenzen nur zu gerne tun, um sich durch einen kurzfristigen Kick etwas Luft zu verschaffen, ihrer grauen trostlosen Existenz für den flüchtigen Moment eines Augenblicks, etwas Farbe zu verleihen.
Nein, am besten bleibe ich einfach liegen, ich bleibe einfach liegen und stehe nie wieder auf, Herbie lag halbwach in seinem Bett, seine Füsse lugten unter der Bettdecke hervor und sein T-Shirt war verschwitzt.
Das war es eigentlich meistens, Herbie litt nicht an Grippe oder hatte sich eine Erkältung eingefangen, die dafür gesorgt hätten, dass er jede Nacht schweissgebadet erwachte und fror.
Und weil Herbie dies wusste, hatte er bereits vorgesorgt, wie ein Roboter griff er dann jeweils schläfrig nach einen neuen, einen trockenen T-Shirt, streifte das verschwitzte ab und wechselte in ein trockenes.
Danach fiel er erneut in einen unruhigen Schlaf.
Warum erlöst mich nicht der sanfte stille Schlaf des Todes, warum küsst mich nicht sein kalter eisiger Mund, saugt mir den letzten Funken Lebens aus meinem erbärmlichen und kümmerlichen Dasein, nur, um endlich erlöst zu werden von alledem, warum nicht einfach einschlafen und nie wiedererwachen?
Über Herbies Lippen kommt ein gequältes Stöhnen, er machte seine Augen auf und blinzelte, das Licht der Sonne drang durch das Rollo und warf helle Streifen auf die gegenüberliegende Wand.
Was, wenn das Leben und jeder Aspekt davon schon vor langer Zeit seinen letzten Hoffnungsschimmer verloren hatte und verblast war wie die verdorrten Blüten einer Lilie im Frühjahr.
Herbert Himmler wälzte sich in seinem Bett, verfolgt von seinen düsteren Gedanken die sich jeden Morgen nach dem Erwachen in sein Bewusstsein schlichen um dort wie schwere dunkle Wolken an einem regnerischen stürmischen Himmel, zu verharren.
Immer wieder, ohne dass er dagegen etwas tun konnte, stiegen neue, noch dunklere Gedanken aus dem tiefen Schlund seines Unterbewusstseins an die Oberfläche, gefangen und eingesperrt in einer von Ängsten gepeinigten Seele, er wusste nur zu gut, dass sein Inneres nur noch ein dunkles undurchdringbares Etwas, eine Mixtur aus Frustration Existenzängsten und dem nagenden Gefühl eines Versagers war.
Das Leben hatte für Herb Himmler seinen Glanz schon vor einigen Wochen verloren, jetzt wurde es immer unerträglicher, die Hoffnung auf eine glückliche Wendung, woher diese auch immer kam, waren längst verflogen wie der Rauch aus einem Kamin.
Warum machst du nicht einfach Schluss, du kannst dich einfach von der Brücke stürzen, das geht ganz einfach und dann kann es endlich vorbei sein, fragte sich er sich an diesem Morgen einmal mehr?
Diese und ähnliche Gedanken waren für Herbie nicht neu, sie hatten sich in seiner Gedankenwelt eingeschlichen und sich dort hartnäckig ausgebreitet.
Und wenn hartnäckige Gedanken eine Eigenschaft haben, dann ist es jene, dass sie sich kaum mehr abschütteln lassen, sie sind wie Spinnwaben die sich im Denken festsetzen und dort ausharren.
Kein Kampf mehr, keine Angst mehr und diese quälenden lähmenden Bilder sind endlich verschwunden, keine Angst mehr davor zu haben, wann der nächste Zahlungsbefehl vom Postboten ihn in die Hand gedrückt wird, nie mehr diesen Blick was bist du doch für eine erbärmliche Kreatur Blick ansehen mehr zu müssen.
Es ist so einfach, es kann so schnell vorbei sein flüstert ihm eine Stimme, dann brauchst du dich nicht weiter zu quälen, so ist es doch kein Leben mehr, oder?
Nein!
Die Stimme hatte recht, so war es tatsächlich kein Leben mehr, kein Leben mehr über das er sich freuen konnte, weil es einfach nichts Positives mehr gab, woran er sich hätte erfreuen können.
Du kannst dir deine Sache schon denken Postbote, du hast einen sicheren Job und eine gute Rente und bestimmt hast du noch eine Frau, die ebenfalls einen gutbezahlten Job hat, ja, ich kenne deinen Blick der mehr als tausend Worte ausdrückt, nein, ich kenne diese Blicke von den Leuten auf der Strasse.
Es sind immer dieselben Blicke, sie schauen dich an und hinter ihrer gespielten Fassade lachen sie über dich.
Hinter vorgehaltener Hand lästern sie über dich und ziehen über dich her «hast du diesen Loser gesehen, oder wie kann ein Mann bloss so abstürzen sagen ihre Blicke.
Wie hatte es doch jemand einmal so schön in einem Satz formuliert, die Dunkelheit ist die Abwesenheit von Licht!
Ja, dunkel war es in Herbert Himmlers Leben schon eine ganze Weile und er konnte sich noch gut an den Beginn seiner Dunkelheit erinnern, er hatte oft darüber nachgedacht, ob es wirklich der Grund war oder nicht, in seinen Augen war er es tatsächlich.
Alles hatte wie an einem schönen Herbsttag angefangen, am Morgen noch scheint die Sonne und gegen Mittag ziehen die ersten Wolken auf, doch diese sind noch nicht wirklich tragisch und so achtet man sich auch nicht darauf und verrichtet seine Arbeit weiterhin wie immer.
Du merkst das heraufziehende Gewitter nicht, dass sich direkt über deinem Kopf zusammenbraut.
Herbie hatte es nicht erkannt, vielleicht hatte er es nicht erkennen wollen, warum auch, er stand schliesslich auf der Sonnenseite des Lebens, warum sich also Gedanken über ein paar aufziehende Gewitterwolken machen.
Doch all dies wäre noch erträglich gewesen in Herbs Augen, (was nicht hiess, dass es deswegen besser war) was viel schlimmer war und was Menschen wie ihn dazu brachten, überhaupt erst an den Freitod zu denken, war die Erkenntnis, nicht mehr gebraucht zu werden.
Diese Einsicht trifft die Menschen eines Tages wie aus dem Nichts, so wie eine Bombe einschlägt und man sich dessen so richtig bewusstwird.
Eine niederschmetternde Erkenntnis.
Wertlos für die Gesellschaft, wie eine Sache die jahrelangen guten Dienste geleistet hatte, doch nun nicht mehr gebraucht wurde, deshalb schob man sie ab, weit von sich weg.
Je weiter weg und aus dem Augen, je besser!
Aus den Augen, aus dem Sinn, je genau, darum ging es doch!
Doch das Unglück zieht bereits heimlich und bedrohlich seine Runden, im Hintergrund lauernd, doch davon bekam man nichts mit, schliesslich ist das Unglück noch zu weit weg um sich ernsthaft Gedanken darüber zu machen.
Doch dann, es ist inzwischen drei Uhr nachmittags und du achtest dich nicht weiter das Wolken, weil du denkst, dass sie sich wieder verzogen haben, sind nun grösser dunkler und bedrohlicher geworden als zu Mittag.
Die ersten Winde kommen auf, auch sie sind zuerst nur ein laues Lüftchen das du als angenehm empfindest, doch dann …..
.. braut sich der Wind und die Wolken zu einem gewaltigen und grossen Ganzen zusammen um sich in einem gewaltiger tosenden Unwetter zu entladen, vor dem du nicht wegrennen und dich auch nicht verstecken kannst.
Du hast es versäumt, die Wolken weiter zu beobachten, oder zumindest wenigstens einen Blick zum Himmel zu werfen und so hast du auch nicht bemerkt, dass sich über die ein gewaltiges Unwetter zusammenbraut.
Herb Himmler hatte es auch versäumt, von Zeit zu Zeit dem Himmel nach einem Unwetter abzusuchen, er hatte etwas gespürt, es innerlich gespürt, dass sich da etwas zusammenbrauen könnte, doch er hatte es ignoriert.
Herb ignorierte gerne Anzeichen, ja darin war er sogar sehr gut.
In letzter Zeit hatte er gelernt, die Zeichen nicht mehr länger zu ignorieren, zu deutlich waren sie gewesen um sie zu ignorieren, die Erkenntnis am Arsch zu sein war ihm nur zu real als dass er es hätte ignorieren oder verdrängen können.
Herb hatte diese Lektion inzwischen gelernt, bitter gelernt!
Und so war es mit ihm bergab gegangen, anfangs nicht sehr schnell, die Wolken waren noch in der Mittagsphase und er hatte die Vorzeichen auch dann noch ignoriert, als sich ein grosser Sturm abzuzeichnen begann, oder vielleicht wollte er es einfach ignorieren, es nicht wahrhaben.
Wer hat schon gerne eine schlechte Zukunftsperspektive vor sich, und man versucht dabei sein Unterbewusstes zu täuschen indem man zum Himmel schaut und sich einredet, dass der Himmel tiefblau und wolkenlos ist.
Doch in Wirklichkeit hatten sich die dunklen schweren Gewitterwolken mit dem Wind vereint und sich zu einem vernichtenden wirbelnden Durcheinander vermischt, bereit jeden Moment seine ganze Wucht und Gewalt zu entladen.
Und wenn man all die Nachrichten im Fernsehen in den Abendschauen sieht, dann weiss man, dass mit einem Tornado nicht zu spassen war und dass er alles mit seiner gewaltigen Kraft zerstören würde, was sich im in den Weg stellte.
Herb Himmlers erste Wolken waren an seinem Schicksalshimmel an dem Tag aufgetaucht, als er und seine Kumpels von der Fabrikation die Kündigung erhalten hatten.
Es hatte Mitarbeiterversammlungen gegeben und Vertreter der Gewerkschaft waren gekommen, um einen Sozialplan mit dem Management zu vereinbaren, doch am Ende war alles nur warme Luft gewesen.
All diesen feinen Sesselfurzern sind wir doch egal, die haben ja ihre Pfründe im Trockenen hatte sein Kumpel Willi Hermann mit bitterer Verachtung in seiner Stimme zu Herb gesagt, Herb hatte nur geschwiegen und genickt.
Und ich will dir noch was sagen Herb, hatte Willi ausgeholt und dabei mit erhobener Faust in Richtung der Büros der Verwaltung gezeigt, die Brüder von der Gewerkschaft sind auch alle für den Arsch, kannst du nicht brauchen.
Die wollen uns doch nur Honig ums Maul schmieren, damit wir ruhig bleiben, ich sage dir Herb, das ist Politik und während er immer noch mit verbitterter zittriger Stimme gesprochen hatte, war seine Faust zum Zeichen seiner Verbitterung über ihren Köpfen geschwebt wie ein Damoklesschwert.
Die denken die können uns so einfach abservieren Herb, die glauben das tatsächlich diese beschissenen Wichser, hatte Willi geschnaubt und dabei Tränen in seine Augen gehabt, doch das lassen wir uns nicht gefallen, oder Herb?
Herb hatte nichts gesagt, er hatte Willi nur stumm zugenickt und weiter geschwiegen.
Herb, damals noch voller Zuversicht und in der inneren Hoffnung verfangen, hatte keine Lust gehabt sich auf diese Diskussion mit seinem Kumpel Willi einzulassen, das Management und die Gewerkschaft würden eine Lösung finden, davon war er damals noch überzeugt gewesen!
Doch – sie hatten es sich gefallen lassen.
Heute, mehr als zwei Jahre später war er nicht mehr davon überzeugt gewesen und er würde es auch nie wieder in seinem Leben sein.
Die Zuversicht und den Glauben von damals war längst verflogen, das hatte auch nichts mit einer pessimistischen Lebenseinstellung zu tun wie Herb fand, es waren einfach Fakten die sich nicht schönreden oder schön denken liessen.
Doch damals sah er die Dinge auch noch ganz anders als jetzt, damals hatte er auch noch keine Angst davor gehabt, wenn es an der Türe klingelte, dass ihm der Pöstler einen weiteren, einen neuen Brief von Amtes wegen zur Unterschrift überreichen würde und dabei diesen Blick in seinen Augen bemerken.
Der Blick reichte auch aus, für diese Art von Blick braucht es keine Worte, denn sie sind schlimmer und bohren dir einen tiefen Stich in deine Brust und dabei hinterlassen sie obendrein noch eine Leere in deinem Denken.
Solche Dinge mussten auch nicht ausgesprochen werden, sie sagten genau aus und lösten beim Empfänger das aus, was sie auslösten sollten, manchmal nicht bösartig, doch boshaft genug, um sich innerlich schlecht und beschissen zu fühlen.
Damals hatte er sich noch gutes Bier leisten können und er hatte sich auch guten teuren Wein leisten können, kein Vergleich zu dem billigen Koch Wein und dem Billig Importbier, dass er sich beim Discounter kaufte
Anfangs hatte er sich noch geschämt, diesen billigen Fusel zu kaufen und ihm war auch der Blick der Kassiererin dabei nicht entgangen, wie sie ihm für seinen Einkauf bei Aldi gedankt hatte und ihn mit dem Worten kommen Sie bald wieder verabschiedete.
Sie hatten einen anderen Blick als der Postbote, ihr Blick wollte ihm sagen, oh Mann, du musst schon echt arm daran sein, wenn du dir diese Scheisse durch die Kehle jagst, du siehst nicht so aus, als würdest du den Fusel zum Kochen verwenden.
Sie hatte recht mit ihrem Blick, er verwendete diese billigen Alkiartikel nicht zum Kochen, er betrank sich damit, klar war es Scheisse, doch diese Scheisse war Realität und deshalb doppelt erniedrigend.
Doch irgendwann gewöhnte man sich daran, irgendwann ging einem das alles am Arsch vorbei, irgendwann hatte man sich mit sich selbst arrangiert, irgendwann kam der Moment an dem man anfing, anders zu denken und anders zu empfinden.
Nein, irgendwann, er brauchte nicht mehr wegzusehen oder die Dinge zu ignorieren die um ihn herum und mit ihm geschahen, sie waren zu offensichtlich geworden, als das er dessen Existenz noch weiter hätte abstreiten sollen.
Du bist ein Loser Herb hatte er sich angesichts dieser Tatsache immer und immer wieder gesagt, wenn jemand so tief fällt, dann ist er ein Loser.
Das Gegenteil zu behaupten oder die Dinge schönreden zu wollen, wäre nur ein billiger Selbstbetrug um weiterhin auf einer rosa Wolke zu schweben und so zu tun, als wäre alles heile Welt.
Die heile Welt hatte für Herb Himmler schon seit längerer Zeit aufgehört zu existieren.
Nein, es wäre doch so einfach, wenn er nur einfach einschlafen könnte um danach nie wieder aufwachen zu müssen, sich nicht mehr all seinen Ängsten und Problemen stellen zu müssen, einfach, dass es damit endlich Schluss war.
Seine dunklen trägen Gedanken sorgten bei ihm dafür, dass er sich genauso fühlte, wie es auch im Innern seines Kopfes aussah, müde und lustlos.
Herb war sehr tief gesunken, dieser Tatsache war er sich bewusst und er beschönigte auch nichts mehr, früher hatte er es noch gemacht, früher war er auch fröhlich und zuversichtlich gewesen, früher war er…!
Ja früher.
Früher, ein schaler Beigeschmack hatte dieses Wort für ihn bekommen, früher hier und früher da, die hässliche Fratze seiner Angst starrte ihn aus leeren niedergeschlagenen Augen jeden Morgen in seinem Spiegel an und führte ihm vor Augen, wo er war und wer er war.
Stirb endlich hatte er sich vor einigen Tagen selbst gesagt, er hatte es in einem seiner immer häufiger wiederkehrenden Anfällen von Depression gesagt, und sich jedes Mal dabei selbst verflucht.
Er schrie sich selbst an, stirb endlich und dabei hämmerte er mit beiden Fäusten gleichzeitig gegen seine Schläfen, bis die feinen Äderchen geplatzt waren und sein ganzer Schädel durch die zugefügte Selbstzerstörung schmerzte und dröhnte.
Erst danach fiel ihm jeweils auf, dass seine Handballen blutig waren von dem Blut der aufgeplatzten Äderchen, ab solchen Momenten hämmerte er nicht mehr wie ein Bekloppter mit beiden Fausten gegen seinen Kopf, er schrie es gedanklich in seinem Bewusstsein heraus, so als wollte er sein Bewusstsein zwingen, ihn zu töten, indem er einen Knockout erlitt um abzutreten und zu vergessen.
Doch Herb trat nicht ab und er vergass auch nicht.
Herb schloss seine Augen und versuchte die innere Stimme zu ignorieren, die Stimme die jeden Moment zu ihm sprach und die ihm alles andere als Hoffnung machte, er wollte diese Stimme nicht mehr länger hören, nicht mehr länger ertragen müssen.
Wie viel kann ein Mensch aushalten fragte er sich, wie lange konnte er all das noch aushalten, solange aushalten bis der Punkt erreicht sein würde?
Schliesslich verfiel er in einen nervösen Halbschlaf bis ihn das Klingeln seines Handys weckte und zurück ins Jetzt holte.
Der Tod, selbst der gewählte Freitod wäre allemal besser als ein solches Leben weiterzuführen, mit dem Tod hätte alles ein Ende und er wäre seine Probleme auf einen Schlag los.
Der Gedanke gefiel Herb, nahm immer mehr Gestalt an in seinen Gedanken, der Tod fühlte sich angenehm warm und verlockend an, ja hatte geradezu etwas Anziehendes auf Herb.