Читать книгу Revenge - Fritz Dominik Buri - Страница 4
Einmal mehr Post für Herb
Оглавление«Ich habe hier noch ein Einschreiben für Sie Herr Himmler» begrüsste der Postbote Herb, nachdem dieser geklingelt hatte.
«Ah ok» antwortete Herb trocken, schon wieder ein Einschreiben, bestimmt eine Mahnung oder weitere Androhung für einen Zahlungsbefehl «von wem?»
«Hm» der Postbote schaute sich den Umschlag an «Hollinger Haus und Immobilien».
Der Vermieter dachte Herb und zuckte innerlich zusammen, er wusste nicht, ob der Postbote ihm seinen Schreck ansehen konnte, doch war es ihm egal, zu oft in letzter Zeit hatte die Postzustellung bei ihm geklingelt, weil es um einen Zahlungsbefehl oder ein Einschreiben ging.
Der Postbote hielt ihm seinen elektronischen Apparat hin, damit Herb den Empfang quittieren konnte, sein Hals fühlte sich mit einem Mal so trocken an, er räusperte sich und unterschrieb auf dem Apparat, zu gut konnte er sich vorstellen, was dieses Schreiben beinhaltete!
Bestimmt kein Dankesschreiben.
Der Postbote händigte Herb den Brief aus und wünsche ihn einen schönen Tag, schaute ihn mit diesem Blick an den er bereits kannte und verschwand.
«Auch einen schönen Tag» murmelte Herb gedankenabwesend als der Postbote schon um die Hausecke verschwunden war und ging zurück in seine Wohnung, den Brief in der Hand.
Nein, er wollte nicht wissen was drinstand, er konnte es ahnen, es war soweit und der Brief würde die Kündigung der Wohnung bedeuten, die Frage war nur per wann, doch er würde rausmüssen, das war die bittere Wahrheit.
Er brauchte nun einen Kaffee und eine Zigarette, seine Gedanken drehten sich im Kreis, nun war der Tag gekommen, vor dem er sich gefürchtet hatte, der Tag an dem ihm mitgeteilt werden würde, dass er sich gefälligst eine andere Bleibe zu suchen hatte.
Einerseits war er auch nicht verwundert, die Immobilienfirma der die Wohnung gehörte, hatte lange Verständnis gezeigt und er hatte sie hinhalten können, doch einmal kam der Augenblick, wo alles hinhalten nichts mehr nutzte und nur noch Geld die Gemüter und unliebsame Umstände verhindern konnte.
Diesen Zeitpunkt, diese Linie hatte er überschritten.
Er hatte es versucht, diesen unliebsamen Umstand zu verhindern, denn seine Wohnung war das letzte was ihm noch geblieben war.
Und nun sollte er raus, dabei hatte er keine Ahnung wohin er gehen sollte.
Wieder so eine Sache die er lange ignoriert hatte, verdrängt und beiseitegeschoben, bis schliesslich der grosse Knall folgte – so wie jetzt.
War es unter diesen Voraussetzungen verwunderlich, wenn man depressiv wird überlegte ich Herb, und kam zum Schluss, dass es dies nicht war sondern eine ganz normale Abfolge, wenn alle Stricke reissen, dann geht es mit einer Person bergab und mit ihm ging es gewaltig bergab.
Er hatte sich sogar schon überlegt, ob er eine Bank überfallen sollte, und dann von dem Mann oder der Frau hinter dem Schalter nur so viel verlangen, wie er benötigte um all seine Schulden zu bezahlen, nicht mehr und nicht weniger.
Doch er hielt dies für eine schlechte Idee, auch das würde seine Situation nicht verbessern, es machte alles nur noch schlimmer, doch auf der anderen Seite, wenn er in den Knast wandern würde, dann müsste er sich wenigstens keine Gedanken darübermachen, wie er seine Miete bezahlen konnte oder ob er Geld für Zigaretten und Essen hatte.
Die ganze Situation brachte seltsame Gedankenfrüchte zu Tage und sorgte mit jedem Tag für eine neue Aussaat an neuen überdrehten und teils seltsamen Gedanken mit sich.
Dort würde alles Frei Haus vom Staat geliefert, diese Sichtweise war jedoch ein grosser Pluspunkt beim Ganzen, doch er hatte sich entschieden, er würde es anders machen …. und er hatte auch schon eine Idee.
Sein Lächeln bekam ein teuflisches Leuchten und in seinen Augen trat ein dunkler harter Glanz hervor.
Ich werde gehen um dann wiederzukommen!
Das Telefon hatte ihm die Gesellschaft auch schon abgestellt und er hatte es geschafft, irgendwie das Geld aufzutreiben um die fälligen Rechnungen zu bezahlen, doch inzwischen waren die neuen Rechnungen auch bereits wieder aufgelaufen und auch hier würde es nur eine Frage der Zeit sein, bis er diese Linie ebenfalls überschritten hätte und nichts mehr ging.
Noch funktionierte das Internet, jedes Mal wenn er seinen Rechner hochfuhr hielt Herb die Luft an bis zu dem Zeitpunkt, wenn keine Mitteilung auf dem Bildschirm auftauchte, Probleme mit dem Internet.
Wenigstens hatte er noch sein Handy das er mit einer Prepaidkarte geladen hatte, für alle Fälle hatte er sich gedacht, es gab sowieso nicht viel zu telefonieren und er hatte auch keine Lust, jemanden anzurufen.
Es war trotzdem gut, wenigstens die Möglichkeit zum Telefonieren zu haben, auch wenn er niemanden anrufen musste und auch nicht angerufen werden wollte, immer konnte es eine Situation geben, wo er froh um eine Verbindung nach draussen war.
Und es gab ihm, wenn auch nur ein trügerisches subtiles Gefühl dafür, noch am Leben zu sein und verbunden zu sein mit seiner Umwelt.
Ein letztes Bindeglied sozusagen, noch!
Seine Freunde und Bekannten würden ihn nur wieder fragen wie es ihm ging und was sollte er dann sagen, danke beschissen wie immer, oder sollte er etwas vorgaukeln?
Also war es besser, erst gar nicht zu telefonieren, er wollte seine Ruhe, Herb Himmler wollte nur noch seine Ruhe haben, wenn man ihm schon fast alles genommen hatte, dann sollte man ihm wenigstens seine Ruhe lassen, Herrgott, das war doch nicht zu viel verlangt!
Er war es mit der Zeit auch leid gewesen, all ihre Fragen ertragen und über sich ergehen lassen zu müssen, warum es so weit kommen konnte und ob er alles versucht hatte und so weiter und so fort, jeder wollte ihm einen schlauen Ratschlag geben, doch, wenn einer nicht in einer solchen Situation jemals war, wie konnte er dann wissen, wie es einem geht?
Nichts mehr zum Essen zu haben, sich nicht mal die kleinsten Freuden des Lebens entsagen, weil dazu das Geld fehlte und man alles versuchte und doch nicht von der Stelle kam, wer also wollte einem denn da gute Ratschläge geben.
Dies konnte nur jemand tun, der das was er erlebt und bisher durchlebt hatte, selbst erlebt hatte, dann, doch erst dann würde man einen Schimmer davon mitbekommen, doch vorher nicht.
War es nicht immer einfacher, gescheite und schulmeisterliche Ratschläge geben zu wollen und damit herum zu schwadronieren, wenn man es niemals selbst erlebt hatte?
So etwas ging nicht und das wusste Herb.
Er war nicht die Einzige arme Sau in der Schweiz, das war ihm klar und dass viele Menschen in der ach so schönen reichen Schweiz kam genug zum Leben hatten, davon wollte die schönen Hochglanzprospekte nichts wissen, dafür interessierte sich auch niemand, für diese Gruppe vom Menschen gab es keine Interessenvertreter in der Regierung.
Scheiss Demokratie dachte Herb wütend während er sich eine Zigarette stopfte, das war doch alles so ungerecht, doch … er hielt inne und ein seltsames Lächeln umkreiste seine Lippen, es gab Hoffnung für den ganzen Schlamassel
Die Angelegenheit war riskant und er hoffte, dass seine Rechnung aufgehen würde, sie musste einfach aufgehen und er würde dafür sorgen, dass es so lief, wie er sich das vorgestellt hatte.
Lächelnd rauchte Herb eine Zigarette und lehnte sich zurück.
Herb Himmler musste per 1. Dezember seine Wohnung räumen, so stand es in der Kündigung, er hatte auf das Datum gestarrt, die mit einem amtlichen Formular des Kantons Luzern ausgestellt worden war, alles korrekt und ordentlich.
1. Dezember 2015 hatte dort in fetten schwarzen Buchstaben und Zahlen gestanden.
Er hatte den Brief nicht gleich am selben Tag geöffnet, etwas hatte ihn gehindert und so hatte er die Öffnung vor sich hingeschoben, unangenehme Dinge schiebt man eben gerne vor sich hin hatte er als Entschuldigung angeführt.
Es war Mitte Oktober 2015, das hiess noch sechs Wochen bis zum Exodus oder Auszug aus Babylon, er musste über seine letzte Bemerkung lachen, Auszug aus Babylon.
Sein Gehirn war wie leergefegt gewesen, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, es drehte sich wieder einmal alles in seinem Kopf und die Gedanken schossen wirr und unkontrolliert durch seinen Kopf.
Doch egal, er hatte einen Plan und würde sich nun an diesen halten, was danach sein würde, das wäre dann eine ganz andere Sache, es war auch egal, er musste sich nun vorbereiten, seinen Entschluss den er gefasst hatte, umsetzen.
Und er wusste nun, wieviel Zeit ihm noch bleiben würde bis zur Realisierung, nämlich genau sechs Wochen.
Wenn er an seinen Plan dachte, das hatte er bereits mehrmals festgestellt, doch allmählich wurde es ihm immer bewusster, warum das so war konnte sich Herb nicht genau erklären, doch es schien so zu sein wie er es empfand.
Wenn er an seinen Plan dachte, wurde er zusehends ruhiger, genauso ruhig wie wenn man sich einer Sache sicher war und auch davon überzeugt, dass nichts schiefgehen würde.
Diese Überzeugung war es bestimmt, die ihn ruhig werden liess, diese innere Überzeugung liess ihn auch wieder klar denken, sorgte dafür, dass seine Gedanken klar und strukturiert waren, kein wirres Durcheinander.
Und das war gut, tat gut.
Heute war der Termin bei seinem Berater (Herr Saxer) von der Arbeitslosenkasse, ein junger netter Kerl war ihm als Sachberater zugeteilt worden, Herb mochte ihn, half ihm eine neue Stelle zu finden.
Doch auch er hatte gemerkt und war sich über die Lage auf dem Arbeitsmarkt bewusst, dass es für Leute wie ihn die in wenigen Jahren in Pension gingen, nicht einfach war eine neue Stelle zu finden.
Herb hatte selbst auch lange daran geglaubt und alles Mögliche unternommen, doch es hatte nie geklappt und das wenige Geld das er bekam, nun wie hiess der Spruch doch gleich nochmal, zum Überleben zu wenig und zum Sterben zu viel.
Doch bei ihm traf dieser Spruch nicht ganz zu, selbst für sein Überleben war dies immer noch viel zu wenig, und war im letzten halben Jahr immer weniger und weniger geworden.
So war er in die ganze Sache geschlittert, langsam und unaufhaltsam und als er es realisiert hatte, endlich realisiert hatte, war es schon viel zu spät gewesen.
Anfangs hatte er noch verzweifelt versucht Gegensteuer zu geben, doch seine Bemühungen zeigten keine grossen Auswirkungen bis er es schliesslich leid geworden war.
Eines Tages war er zur Einsicht und an den Punkt gelangt, wo er angefangen hatte, dagegen anzukämpfen und sich mit seinem Schicksal arrangiert hatte, zuerst hatte er noch einige Stiche in seiner Seele verspürt, doch mit der Zeit hatte er sich damit abgefunden, seine Lage akzeptiert.
Und von da an hatte er sich besser gefühlt, die Lage war nicht besser oder schlechter als vorher geworden, es hatte sich ab dem Zeitpunkt besser, entspannter angefühlt.
Das Treffen mit seinem Berater war im Grunde genommen nutzlos, jetzt sowieso doch das brauchte niemand zu wissen, die ganzen Treffen der letzten Monate waren eine reine Alibiübung gewesen die einzig und alleine dazu diente, dass er etwas machte und somit die Zahlungen von der Arbeitslosenkasse rechtfertigte.
Doch es gab noch einen weiteren Grund, diese Treffen waren die wenigen Augenblicke wo er sich noch mit Menschen traf, mit neutralen Menschen und keinen Freunden und wo er unter Leute kam.
Sonst lebte er seit Monaten sehr zurückgezogen, was er bewusst so wollte, doch die Treffen die einmal alle fünf bis sechs Wochen stattfanden, kamen ihm gelegen.
Sie hatten um halb drei Uhr nachmittags abgemacht, er hatte sich bei einigen Firmen beworben, doch dies auch mehr halbherzig und weil er es von Amtes wegen tun musste, diese Unterlagen hatte er fein säuberlich bereitgelegt und in seiner schwarzen Mappe verstaut, konnte sie nur aufmachen und die Unterlagen hervornehmen und überreichen.
Mit dem Bus hatte er ungefähr eine halbe Stunde Fahrt und von der Bushaltestelle waren es nochmals gut fünf Minuten zu Fuss.
Der Bus, das wusste er, weil er nicht das erste Mal damit fuhr, fuhr um 13:42 von hier weg, so hatte er auch genug Zeit um pünktlich zu erscheinen.
Pünktlichkeit war ihm wichtig, eines der wenigen Dinge die ihm noch wichtig waren in seinem Leben, ebenso seine Spaziergänge, sie gaben ihm ein Gefühl von Struktur und einer gewissen Ordnung in seinem Tagesablauf.
Ganz aufgeben wollte sich Herb nie, und würde er auch nicht, jetzt sowieso wo es darum ging, seinen Plan voranzutreiben und alles in die richtigen Bahnen zu lenken.
Er schaute auf die kleine Tisch Uhr an seinem Schreibtisch, kurz vor elf Uhr, also hatte er noch genug Zeit, und jetzt eine Zigarette und einen Kaffee.