Читать книгу Revenge - Fritz Dominik Buri - Страница 3

Auf Tauchstation

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Er hatte schon seit geraumer Zeit damit aufgehört, sein Handy abzunehmen, wenn es klingelte, ausser wenn es Bekannte waren, doch sobald auf seinem Display eine unbekannte Nummer auftauchte, liess er es einfach klingen.

Es war bestimmt wieder Jemand der von ihm etwas wollte, von ihm wissen wollte, wann er seinen Verpflichtungen und Versprechen nachkommen würde.

Herb würde seine Verpflichtungen gerne erfüllen, doch das wenige Geld das bei ihm noch reinkam, reichte knapp dafür aus, dass er sich etwas Essen kaufen konnte und Schnitttabak, Schnitttabak war günstiger als eine Schachtel Zigaretten und eine Dose Schnitttabak der Marke Brookfield reichte aus für ein paar Schachteln Zigaretten.

Er hatte gelernt zu verzichten, auf die ganz alltäglichen Dinge über die er sich früher nie Gedanken gemacht hatte, waren inzwischen zu einer Art Luxus geworden, ein Luxus den er sich nicht mehr leisten konnte.

Spontan in ein Restaurant zu gehen war so ein Luxus oder Freunde besuchen oder ein gutes Konzert, Dinge über die sich ein Mensch mit gutem Einkommen und Geld nie machte.

Ein Leben ohne Geld und ohne Arbeit war wertlos.

Herb hatte allmählich eine sehr gute Vorstellung davon bekommen, wie sich Menschen in der dritten Welt fühlen mussten, für die das Leben ein alltäglicher Kampf war, ein Teufelskreis aus dem es kaum Hoffnung gab, zu entkommen.

Würde er ein Konzert besuchen, würde er für ein Ticket je nach Art der Veranstaltung bis zu achtzig Franken bezahlen, mit diesem Geld konnte er sich wieder über eine Woche lang ernähren.

Er konnte sich kein Rinderfilet leisten, auch bei Aldi oder Lidl, deshalb bestanden seine Mahlzeiten hauptsächlich aus Spaghetti, die waren billig und machten satt und er redete sich ein, dass er dazu ein gebratenes Filetstück oder ein gutes Steak essen würde, ein Selbstbetrug zwar, doch immerhin eine Ablenkung darüber, wie seine momentane Situation war.

Und die war düster, sehr düster.

Doch irgendwann war schliesslich auch hier der Moment gekommen, an dem der Selbstbetrug nicht mehr seine gewünschte Wirkung hatte, so hatte er die gekochten Spaghetti einfach gegessen, damit sein Hunger gestillt war.

Kein Luxus, keine besonderen Kräuter oder Öle, auch nicht die kleinsten Details die Essen köstlich und schmackhaft machten, nein, nur der pure Überlebensdrang gekoppelt mit dem einfachsten Essen das er sich gerade noch leisten konnte.

Auch war es nur noch eine Frage der Zeit, bis ihm der Vermieter die Wohnung künden würde, er war schon seit drei Monaten im Rückstand und er hatte es bisher geschafft, den Vermieter hinzuhalten, doch lange würde sich auch dieser nicht mehr hinhalten lassen und würde von ihm Geld sehen wollen.

Herb konnte seine Gläubiger verstehen, sehr gut sogar und er würde allen gerne das geschuldete Geld geben, doch wo nichts vorhanden war, gab es auch nichts, was er geben konnte.

Egal wie er es auch drehte, es war alles Scheisse!

Und die Spirale drehte sich immer weiter und weiter, unaufhaltsam wie ein riesiger schwarzer Wirbel mit einem dunklen Loch in der Mitte und er, Herb stand noch am Rande dieses Wirbels, doch nicht mehr lange!

Der Wirbel hatte ihn bereits erfasst und zupfte an seinen Armen und Beinen, erfasste ihn immer mehr und wenn er erst einmal von diesem alles vernichtenden Wirbel erfasst sein würde, wäre es eine Frage der Zeit bis er das schwarze Loch in der Mitte erreicht haben würde.

Und dann………….

.. würde dies sein Ende bedeuten, unweigerlich und unwiderruflich!

Erst einmal erfasst würde es kein Entkommen mehr geben, dann war es vorbei.

Und wenn nicht ein Wunder geschehen würde, ein schnelles Wunder würde es vorbei sein!

Wenn er erst aus den Wohnung geworfen würde, dann würde er keine Chance haben, eine neue Wohnung zu bekommen, wer würde als Vermieter schon einen Typen wie Herb Himmler haben wollen, der über keinerlei Geld verfügte – keiner!

Dann würde er wohl unter der Brücke oder in seinem Wagen schlafen müssen, wieder sehr düstere Aussichten.

Er hatte sich auf dem Sozialamt schlau gemacht, dort hatte ihm eine Frau mit mitleiderweckender Miene zugehört um ihm schliesslich mitzuteilen, dass sie seine Lage verstehen würde, doch dass ihre Mittel begrenzt sein würden.

Begrenzte Mittel hatte sich Herb gedacht, was sollte er dann sagen, wenn der Staat für seine Bürger nur begrenzte Mittel zur Verfügung hatte?

Das Amt hatte ihm schliesslich geholfen und das Existenzminimum überwiesen für das er dankbar gewesen war, doch dieser Betrag reichte bei weitem nicht aus, all die aufgelaufenen Rechnungen zu begleichen.

Eine Monatsmiete war bezahlt worden und der Vermieter hatte für einen kurzen Moment Ruhe gegeben, doch die Tatsache blieb weiterhin bestehen, dass er in der Klemme war und sich seine Lage nicht wesentlich verbessert hatte.

Es war das, was es für ihn war, ein kurzer Moment zum Durchatmen, doch mehr nicht.

Der Kampf, die Ängste und dunklen Gedanken blieben weiterhin

Und einen neuen Job zu finden war auch nicht einfach, er hatte sich bei vielen Firmen beworben und stets dieselbe, wenn auch nette Absage erhalten, dass er Herb, über einen interessanten Lebenslauf verfüge, doch dass die Firma Bewerbungen erhalten hatten, die ihren Anforderungen noch besser entsprachen.

Ja ja ja hatte Herb jeweils gedacht, immer dieselben abgedroschenen Floskeln und verfiel dabei erneut in eine erneute Depression und seine innere Stimme schien ihm zu bestätigen was er selbst schon lange wusste, du bist am Arsch!

Ja, er wusste selbst, dass er am Arsch war und er hatte auch stets gekämpft und war nicht das erste Mal, dass er Probleme hatte, doch diesmal schien alles zusammen zu kommen, kein Job, kein regelmässiges Einkommen, nichts woran er sich festhalten konnte, keine Sicherheiten, kein gar Nichts.

Er hatte schon mehrere Male aufgeben wollen, doch jedes Mal raffte er sich erneut auf, versuchte sich selbst einzureden, dass es Morgen besser werden würde, dass sich ab Morgen das Blatt zum Besseren wenden würde, er das Ende des Tunnels erreicht haben würde.

… dass er….., doch ein neuer Morgen kam und nichts änderte sich, das Gegenteil war der Fall, es wurde nur noch schlimmer.

Und mit jedem neuen Tag sank seine Motivation weiter nach unten, fragte er sich nach dem Sinn und Nutzen seiner Anstrengungen und fragte sich auch nach dem ganzen Sinn und Warum dahinter?

Er hatte mal gelesen, dass alles im Leben einen Sinn ergeben würde, oder einen Sinn hatte und nichts einfach so aus heiterem Himmel der Person widerfahren würde?

Herb hatte sich mit dieser Frage nach dem ganzen Sinn dahinter befasst, ausgiebig befasst und war schlussendlich zu keiner Erkenntnis gekommen!

Er war ein ehrbarer Bürger, immer hilfsbereit und hatte sich nie etwas zu Schulden kommen lassen, hatte niemanden betrogen oder bestohlen, was ihm als Antwort hätte herhalten können und einen Grund dafür geliefert hätte, dass er nun für seine früheren Taten büssen musste!

Oder sollte es sich um ein Zeichen handeln?

Ein Zeichen, dass er nur richtig zu interpretieren hatte damit es wieder aufwärtsgehen würde?

All diese Fragen hatten in ihm ein Gefühl der Verwirrung ausgelöst und ihn keinen Schritt näher zur Lösung seines Zieles gebracht, er war verwirrt und sein Geist gefangen aus einem Gewebe von grauen düsteren Gedanken und Vorahnungen.

Und mit der Zeit war er es leid geworden, sich Gedanken zu machen, lange genug hatte er sich dagegen gewehrt, sollte es denn eine Fügung sein, dann wäre die letzte Konsequenz der Freitod.

Es wäre eine billige Lösung und wie würde es im Jenseits sein?

Würde er einfach alles vergessen, war mit dem Tod alles vorbei hatte sich Herb schon oft gefragt, oder würde er in der Hölle schmoren, weil er seine Hausaufgaben nicht gemacht hatte und diese Art gewählt hatte, aus dem Leben zu scheiden?

Niemand konnte ihm darauf eine Antwort geben, doch, wenn er den Freitod wählen würde, er dem Mut dazu hatte – und dazu gehörte Mut, sagte er sich – dann würde er zurückkehren und es seinen Peinigern heimzahlen.

Ihm kamen die Namen einiger Personen in den Sinn die ihn besonders heftig piesackt hatten, denen es gut ging und die nicht durch die Hölle mussten wie er, die in einem schönen Heim wohnten und genug Geld und einen guten Job hatten, die sich nicht Sorgen zu machen brauchten, wie und ob sie nächste Woche noch zu essen haben würden!

Er musste lächeln bei dem Gedanken, es war ein haifischähnliches Lächeln auf Herb Himmlers Mundwinkeln als er daran dachte, ich bin dann zwar tot, doch ich kann euch aus dem Jenseits besuchen, als ruheloser Geist umherwandeln und dann, wenn seine Peiniger nicht damit rechneten, zuschlagen.

Mal sehen, wie die Herren und Damen dann reagieren und ob sie immer noch von ihrem hohen Ross herab lächeln würden, sie wie sie es bisher immer getan hatten und in ihren Augen hatte er ihre Abscheu gegen ihn deutlich erkannt.

Für sie war er ein Loser höchsten Grades und wenn Menschen wie Herb Himmler das Zeitliche segneten, dann war dies eine Erlösung für den Rest der Gemeinde, Menschen wie Herb Himmler vermisste niemand.

NIEMAND.

Je länger diese Fantasie durch die Windungen seiner Vorstellung huschten, je mehr Gefallen fand er daran und als Toter würde er sich auch keine Gedanken mehr machen müssen, ob er genug Geld haben würde, um seine Rechnungen zu bezahlen.

Als Toter hatte man sich um wesentlich weniger Dinge zu kümmern weder als Lebender.

Es kann so schnell vorbei sein Herb, dann brauchst du dich nicht mehr weiter zu quälen und du willst dich nicht weiter und noch länger quälen, ist es so fragte ihn die Stimme in seinem Kopf erneut?

Sie klang einladend und verführerisch, sie schien ihn geradezu ermutigen zu wollen, Schluss zu machen, warum … weil es so einfach war und weil …. weil, es so schnell gehen konnte!

Oder ob er sich etwas gönnen wollte und dafür im Gegenzug nichts zu essen hatte, Tote brauchen nichts zu essen, weil sie tot sind.

All seine irdischen Probleme mit denen er sich hier Tag für Tag herumschlug, würden vorbei sein, vergeben und vergessen?

Oder vielleicht doch nicht?

Dieser Gedanke bereitete ihm Unbehagen, dabei versuchte er sich vorzustellen, dass er in den Himmel kommen würde, an einen friedlichen Ort ohne Neid und Missgunst, an einen Ort wo Menschen wie er hinkamen, die im Leben zwar gescheitert waren, doch die sich nichts zu Schulden hatten kommen lassen, nie kriminell waren und ihre Mitmenschen geachtet hatten, Zeit ihres Lebens.

Das wäre eine ausgleichende Gerechtigkeit dachte Herb und seine Gesichtszüge hellten sich wieder ein wenig auf, tröstlich zu wissen, dass es einen Ort gab wo man heimkehren konnte.

Herb war der festen Ansicht, dass er es verdient hatte, nach dem Tod an so einen Ort zu kommen, wenn es eine Gerechtigkeit gab auf der Welt, dann würde er an so einen Ort kommen.

Es war Zeit für einen Kaffee und eine Zigarette, Herb stand auf und ging in die Küche um sich Kaffee zu kochen, dann, wenn er den ersten Schluck Kaffee getrunken hatte und in der Zwischenzeit eine Zigarette gestopft hatte, würde er Kaffee trinken und rauchen.

Für den Tag hatte er keinen festen Plan, er würde spazieren gehen, eine Methode um den Kopf frei zu bekommen und frische Luft zu atmen.

Spazieren half ihm dabei, klare Gedanken zu bekommen und diese Gedanken gaben ihm wieder Aufwind und vielleicht war ja heute eine gute Idee dabei und durch diese Idee würde er vielleicht wieder neuen Mut fassen, wer weiss.

Herb erreichte die Holzbank am Waldrand, die Stelle an der er sich immer hinsetzte und einen guten Überblick über die Landschaft hatte und dabei rauchte, während er dasass und seinen Blick schweifen liess.

Spazieren war eines sein weniges Vergnügen geworden, nebst dem Fernsehen, es lenkte von den Sorgen ab und kostete nichts und er tat erst noch was für seine Gesundheit.

Doch dorthin wo er gehen würde, der Schritt der letzten Konsequenz würde es keine Rolle spielen, in welcher körperlichen und gesundheitlichen Verfassung er sein würde, es war der Punkt wo alles aufhörte zu existieren im irdischen Dasein.

Schliesslich sahen es krebskranke Menschen als Erlösung an, sterben zu dürfen um endlich die Schmerzen los zu sein und sich keine Gedanken mehr darüber machen zu müssen, wie es weiterging und man dem Sensenmann ein Schnippchen geschlagen hatte und ihm zuvorgekommen war.

Irgendwann tritt doch jeder diese letzte Reise an, die einen freiwillig und früher als geplant und die anderen schoben es vor sich hin, bis ihnen schliesslich der Sensenmann auf die Schulter klopfte und ihm zu verstehen gab, dass die Zeit nun gekommen war.

Bei ihm würde der Sensenmann nicht erst auf seine Schulter klopfen müssen, Herb würde wissen, wann der Zeitpunkt gekommen sein würde.

Bei all diesen Gedanken fragte sich Herb, ob er Todessehnsüchte hatte, das bedeutete, dass sich Menschen den Tod herbeisehnten und ihn nicht als etwas Schreckliches, sondern als etwas Erlösendes ansahen?

Für ihn hatte der Tod in letzter Zeit auch etwas Erlösendes bekommen, noch vor ein zwei Jahren wäre er über solche Gedanken bei sich selbst erschrocken und erschüttert zugleich gewesen, jetzt waren sie seine Begleiter, die darauf bedacht waren, ihm bei seiner Reise zu helfen.

.. und es würde hoffentlich schnell und schmerzlos gehen?

Plötzlich musste Herb lachen, es war ein herzhaftes Lachen, vor einiger Zeit hatte er einen Film gesehen, in deren Anfangsszene ein Auto von der Strasse abkommt und den Hang hinunterstürzt.

Ein paar Camper die ihr Nachtlager in der Nähe aufgeschlagen hatten, bekamen den Unfall mit und während sie noch darüber beraten, was sie tun sollen, werden sie plötzlich von einem Rascheln im nahegelegenen Gebüsch aufgeschreckt.

Ein Mann tritt hervor und hält sich dabei mit der rechten Hand seine blutende Schläfe und murmelt dabei mehr zu sich selbst als zu den Campern, «ich bin noch zu blöde um mich selbst umzubringen, nicht mal dazu bin ich im Stande!»

Der Kerl im Film hatte also tatsächlich die Absicht gehabt, sich das Leben zu nehmen indem er mit seinem Wagen über einen Abhang hinausdonnert, der Wagen zerschellt weiter unten und geht in Flammen auf und was ist mit dem Fahrer?

Der Kerl überlebt den Freiflug!

Ein paar Schrammen und Abschürfungen und sonst nichts, keine gebrochenen Knochen, keinen Genickbruch, Nada – nichts!

Herrgott, man stelle sich das einmal vor, da will sich einer umbringen und schafft es nicht, und ein anderer kommt aus Versehen von der Fahrbahn ab und stürzte die Böschung hinunter und stirbt.

Bricht sich das Genick oder wird eingeklemmt oder sonst etwas, auch egal, doch er stirbt und der andere Idiot der dies macht um zu sterben, überlebt.

Eine verrückte Welt oder besser, verrückte Lebensumstände.

Herb erinnerte sich an die gezeigte Szene des Filmes und daran, wie er gelacht hatte, es war einfach zum Todlachen gewesen, der Kerl war wirklich noch zu blöde gewesen, sich selbst ins Jenseits zu befördern.

Die Quintessenz des ganzen war wohl jene Botschaft, Sterben will gelernt sein.

Nachdem er sich von seinem Lachen wieder erholt hatte, schwor sich Herb, dass ihn dies nicht passieren würde, er war ein Loser, doch welche Schmach würde es für ihn sein, einen Abgang machen zu wollen und dabei zu überleben.

Das war doch krank, oder?

Dann wäre er vielleicht ein Krüppel, was noch schlimmer war und er würde jeden Tag daran erinnert werden, dass er sich hatte das Leben nehmen wollen, doch nicht einmal dazu im Stande gewesen war, diese Vorstellung war sehr bitter.

Nein schwor sich Herb, ihm würde das nicht passieren, er würde abtreten und das richtig, ohne Rückfahrkarte ins Leben.

Ohne Ausstiegsmöglichkeiten.

Er rauchte eine weitere Zigarette und liess dabei seinen Blick erneut über die Landschaft schweifen und sah dabei zu, wie der Rauch aus seinem Mund entwich und verschwand.

Die frische Luft tat gut, seine Gedanken waren wieder viel geordneter und klarer, seine Aussichten standen nun wieder etwas besser, es sah nicht mehr alles so grau und trostlos aus, frische Luft und Bewegung wirkten eben Wunder.

Auch wenn die frische Luft guttat, so änderte das nichts an seiner momentanen Situation, sie lenkte einen Moment lang ab, doch, wenn er wieder zuhause sein würde, dann würden auch die Gedanken und Gefühle kommen, sie holten ihn immer wieder ein, er konnte vor ihnen nicht davonlaufen.

Ein kühler Wind frischte auf, Herb schlug den Kragen seiner Jacke nach oben und beschloss, noch ein wenig zu laufen, wenn er hier sitzen bleiben würde, würde er kalt bekommen.

Herb stand auf und überlegte kurz, ob er dem Weg in den Wald hinein folgen sollte, oder ob er sich wieder auf den Rückweg machen wollte?

Nein, er wollte noch keinen Rückweg antreten, noch nicht!

Er wandte sich dem Weg zu der weiter in den Wald hineinführte und setzte sich in Bewegung, schon nach wenigen Metern im Wald liess der Wind merklich nach, der eben noch aufgefrischt hatte.

Herb entspannte sich, ein Spaziergang tat immer gut, er atmete die Luft bis tief in die Lungen und lief nun etwas langsamer, dabei versuchte er die Stimmen der Vögel ihrer Gattung zuzuordnen.

Stammt das Hämmern das er aus der Ferne hören konnte von einem Specht, der gerade dabei war, die Spitze seines Schnabels immer und immer wieder in den Baumstamm zu rammen?

Fast so wie er Tage zuvor, als mit beiden Fäusten sich gegen die Schläfen gedroschen hatte?

Würde der Specht bald aufhören, so wie Herb aufgehört hatte als sein Schädel angefangen hatte zu schmerzen und die feinen Äderchen aufgeplatzt waren?

Herb wusste es nicht und schenkte dem Specht keine weitere Aufmerksamkeit, sondern lauschte den anderen Vogelstimmen im Wald.

Es ging gegen anfangs Oktober, es war ein schöner und heisser Sommer gewesen der nun sehr forsch von den kälteren Temperaturen des Herbstes verscheucht worden war.

In den höheren Berglagen hatten sie schon vom ersten Schnee gefaselt und ein paar Meteorologen hatten schon einen strengen kalten Winter prophezeit, doch das hatte Herb nicht weiter interessiert.

Er hatte aufgehört in langen Zeitspannen zu planen und nahm jeden Tag wie er kam.

Und die immer wiederkehrenden Gedanken über seinen Abgang, der, so wie er hoffte, schnell und schmerzlos sein würde, liessen auch keine langen Zeitspannen mehr zu.

Einen flüchtigen Moment lang hatte er sich auch schon gefragt, ob er Weihnachten dieses Jahr noch erleben würde?

Er wusste es nicht!

Und es war ihm auch egal hatte er sich eingestanden, Weihnachten und all die anderen Feiertage hatten für ihn ihren Glanz verloren, vieles was früher für ihn wichtig und erstrebenswert gewesen war, hatte in den letzten Wochen seinen Glanz verloren.

Ihn beschäftigten andere Fragen mehr als die Frage nach Feiertagen und Familienfeiern.

Diese Dinge waren für ihn nicht mehr wichtig, waren zu Nebenschauplätzen in einem trostlosen Leben geworden um die es sich nicht mehr lohnte, Gedanken zu verschwenden.

Er wusste es innerlich, dass er abgeschlossen hatte und er hatte sich auch damit arrangiert, dass er der Nachwelt als Loser in Erinnerung bleiben würde.

Er hatte sich damit arrangiert, zum Bodensatz der Gesellschaft zu werden, er war es noch nicht ganz und er würde, bevor es soweit kommen würde, einen Absprung machen.

In Herbs Augen gab es keinen Grund, die Umstände zu beschönigen, wie oft hatte er sich zusammengerissen, wie oft hatte er sich aufs Neue motiviert und gehofft!

Doch all seine Hoffnungen war enttäuscht worden, schliesslich hatte er sich eingestehen müssen, dass er ein Loser war, lange hatte sich Herb alles schöngeredet, die Tatsachen und Lebensumstände immer wieder beiseitegeschoben, hatte sie nicht sehen wollen, nicht wahrhaben wollen.

Sie können dir alles nehmen, doch, wenn sie dir die Würde nehmen, dann ist es aus und du bist wirklich ein Loser und Versager und wenn es erst einmal so weit kommen würde, dass er aus seiner Wohnung geschmissen würde, dann war’s das!

Wo sollte er hin, er hatte kein Geld, er hatte schon alle Wertsachen die sich zu Geld hatten machen lassen, verkauft?

Und Freunden auf der Bude hocken, nein, dieser Gedanke war für Herb unerträglich, wie ein Bittsteller dahinvegetieren, nein, dazu würde es nicht kommen, nicht mit ihm.

Niemals.

An seinem Grab würden sie dann weinen können und er stellte sich schon ihre entsetzten Gesichter vor, wie sie von Ratlosigkeit gezeichnet waren und wie sie sich fragen würden, wie er, Herb Himmler es soweit hatte kommen lassen und warum er niemandem etwas davon gesagt hatte.

Er hatte doch mit uns reden können, es gibt immer einen Ausweg würden sie debattieren und dabei nach Antworten suchen, Antworten die dann unsinnig wären und sie würden heulen können so viel sie wollten, er war dann einfach weg.

Sicher würde es ein paar Freunde geben die die eine oder andere Träne wegen ihm vergeuden würde, doch das würde nur eine Momentaufnahme sein, nach der Beerdigung oder dem Besuch am Grab würde das Leben für sie wieder weitergehen wie bisher.

Sie würden ihn vergessen und schon bald würde der Namen Herb Himmler ganz in Vergessenheit geraten, warum, weil die Menschen doch viel zu viel mit sich selbst beschäftigt waren.

Das war eine Tatsache die sogar Studien bewiesen haben.

Jeder schaut doch nur für sich, was kümmert mich mein Nachbar, oder nicht?

Wie lassen sich die Fälle erklären, in denen Menschen tot in ihrer Wohnung aufgefunden wurden, nachdem sie bereits seit einiger Zeit tot waren und man auch nur auf diese vergammelten Seelen aufmerksam geworden war, weil der Verwesungsgestank immer penetranter geworden war.

Also waren dies doch eindeutige Beweise dafür, dass den Menschen andere Menschen egal waren, weil sie mit ihrem Kram selbst zu beschäftigt waren, um sich um andere zu kümmern.

Einige Bekannte hatten ihm auch geholfen, so war es nicht und auch das Amt hatte ihm geholfen, doch seine Lage war aussichtslos, egal von welcher Seite er es anschaute, das waren einfach Fakten.

PUNKT.

Als Herb aus seinen Gedanken in die Gegenwart zurückkehrte, er war dem Waldweg unbewusst gefolgt und dabei ganz in seinen Gedanken versunken gewesen, fand er sich schliesslich auf einer Kreuzung wieder.

Er hatte keine Ahnung wo er sich gerade befand, die Gegend war ihm fremd.

Doch er wusste, wenn er den Weg zurückging, dem er bisher gefolgt war, dann würde er wieder an seinen Ausgangspunkt kommen, nämlich von dort, wo er den Wald betreten hatte.

Irritiert schaute er sich um, drehte sich nach hinten von wo er gekommen war und überlegte, wie weit er gelaufen war ohne dass es ihm bewusstgeworden war, er war einfach losgelaufen, ohne zu wissen oder zu planen, wohin er lief und wie lange..

An der Stelle wo er gerade stand, war er noch nie gewesen.

Durch die Baumwipfel konnte er den Wolken verhangenen Himmel sehen und versuchte so still wie möglich zu sein, damit er die Geräusche seiner Umgebung hören konnte.

Irgendwo hörte er Vogelgeräusche und aus der Ferne Motorengeräusche, also musste weiter vorne eine Strasse sein, er vermutete, wenn er dem Weg vor ihm weiter geradeaus folgen würde, würde er zu der Strasse gelangen von wo die Geräusche herkamen.

Doch er wollte keine Autos und Menschen sehen, er wollte seine Ruhe haben, Ruhe tat gut und half ihm beim Nachdenken.

Er konnte wieder zurückgehen oder den Weg nehmen der nach links abbog, dieser Weg war etwas schmaler was darauf hindeutete, dass diesen Weg nur Fussgänger oder Biker benutzten, für Autos war er zu schmal.

Schliesslich, nachdem er sich eine neue Zigarette angezündet hatte nahm Herb den schmaleren Weg der links von dem breiteren Waldweg wegführte.

Schon bald stellte Herb fest, dass der Weg schmaler wurde und immer wieder lagen Steine im Weg und fragte sich dabei, ob diese Steine jemand absichtlich mitten in den Radweg gelegt oder geworfen hatte, so dass die Biker einen Zickzack Kurs fahren mussten.

Einige der Steine kickte er aus dem Weg als er an ihnen vorbeilief, andere liess er einfach liegen wo sie waren, sollten die Biker doch selbst schauen wie sie die Steine umfuhren.

Oder dabei so dumm mit ihren Bikes hinfielen und sich dabei das Genick brachen!

Hallo und willkommen im Club alter Kumpel, Herb musste über diese Gedanken lachen, es war ein bitteres und ernstes Lachen.

Hier in diesem Teil des Waldes war das Unterholz verdichteter und er erkannte einige grosse Gesteinsbrocken die Moosbewachsen waren, viel Farn und Gestrüpp im Unterholz, unweit des Weges entfernt.

Der Wald hatte hier eine ganz andere Erscheinungsform, fast etwas gespenstisch dachte Herb während er stehen geblieben war und sich näher umsah, er konnte es nicht verhindern, dass ihm ein Schauer über den Rücken lief.

Manchmal hat man das Gefühl des Beobachtet werden dachte Herb und schaute sich nach allen Richtungen um, doch da war niemand ausser ihm, oder vielleicht doch und er wurde in diesem Moment beobachtet, ohne selbst jemanden zu sehen.

Oder vielleicht ist ein Geist hier der mich beobachtet versuchte sich Herb dieses seltsame Gefühl zu erklären, ihm schien es als würde er beobachtet und dieses Gefühl hatte etwas Beklemmendes an sich, ein erneuter Schauer schoss seinen Rücken entlang.

Was wäre, wenn ihm hier etwas zustossen würde, wenn sich irgendwo ein Verrückter mit einem Gewehr samt Zielfernrohr auf die Lauer gelegt hatte und ihn in diesem Moment im Fadenkreuz hatte?

Und dieser Jemand ihn bewusst nicht gleich mit dem ersten Schuss töten würde, sondern nur anschiessen und verwunden, dass er nicht wegrennen konnte, sich an ihm dann einen Spass erlauben-

«Komm und erschiess mich, dann habe ich es hinter mir» rief Herb ins Unterholz hinein und drehte sich um seine eigene Achse, irrigerweise darauf gefasst, in die Mündung eines Gewehres zu starren, um im nächsten Augenblick einen Schmerz zu spüren und auf den kalten Waldboden geworfen zu werden.

«Mach schon, beende es» rief Herb erneut und schaute dabei ins Unterholz, doch das war absurd gestand er sich, wenn schon, dann würde der Schütze hinter einem Baum oder einem der Felsbrocken in Stellung liegen.

Er drehte sich immer noch um seine eigene Achse und hörte dabei, wie sein Atmen rasselnd und keuchend ging, sah nirgends ein Mündungsfeuer aufblitzen und er wurde auch nicht zu Boden geworfen, nachdem ihn eine Kugel getroffen hatte.

Nichts geschah, er hörte sein keuchendes rasselndes Atmen und fühlte, wie sich ein kalter Film aus Schweiss auf seiner Stirn gebildet hatte, er musste hier weg, und zwar jetzt auf der Stelle!

Er lief zurück bis zu der Stelle wo er vom breiten Waldweg links abgebogen war, erst als er diese Stelle erreicht hatte, getraute sich Herb umzudrehen, er war schnell gelaufen, teilweise sogar gerannt ohne sich dabei umzusehen, vielleicht war der Heckenschütze noch in der Nähe und hatte ihm dabei zugesehen, wie er Fersengeld gegeben hatte.

Und vielleicht hatte er dabei kalt gelächelt und entschieden, ihm noch eine Chance zu geben und am Leben zu lassen?

Erst auf dem breiten Waldweg fühlte sich Herb wieder einigermassen sicher, hier war auch kein Unterholz oder grosse Gesteinsbrocken hinter denen sich jemand wunderbar verstecken konnte, ohne entdeckt zu werden.

Doch sein Herz hämmerte immer noch und sein Atmen hatte sich durch den schnellen Lauf zu einem singenden Dampfkessel entwickelt, sein Atmen pfiff bei jedem ein und ausatmen.

Hatte er sich das alles nur eingebildet fragte er sich während er den Waldweg in Richtung der Holzbank zurücklief und mit zittrigen Händen eine Zigarette anzündete.

Eine knappe halbe Stunde später erreichte Herb die Holzbank auf die er sich immer setzte, er war erstaunt darüber, dass er so lange in Gedanken verloren unterwegs gewesen war.

Sein Atem hatte sich wieder gelegt und der kalte Schweiss auf seiner Stirn verschwunden, er redete sich ein, dass ihm seine Vorstellungskraft einen Streich gespielt hatte, nicht mehr und nicht weniger.

Vielleicht lag es auch daran, dass sein überstrapaziertes Gehirn dafür gesorgt hatte, dass er diese Erfahrung im Wald gemacht hatte, schliesslich wollte er von der Erde abtreten und hier hätte sich eine gute Möglichkeit ergeben.

Ich will nicht so sterben, ich will sterben, ich glaube es zumindest überlegte sich Herb, doch nicht auf diese Art und Weise.

Nein, er bestimmte Art und Zeitpunkt selbst und kein fremdes Element!

Oder sollte ihm dies ein Denkzettel gewesen sein, ein Denkzettel für den Augenblick, wenn er sich wirklich dazu entschliessen würde, zu sterben?

Würde sein Herz dann auch rasen, würde seine Hände zittern und sich kalter Schweiss auf seiner Stirn bilden, in dem Moment bevor er abtreten würde, oder würde er ganz ruhig und entspannt sein?

Er hatte gelesen, dass Selbstmörder im Augenblick der Wahrheit sich ganz ruhig verhalten würden, weil sie sich ein klares Ziel gefasst hatten und ihr Vorhaben immer und immer wieder durchgespielt hatten.

Einen genauen Plan hatte Herb noch nicht, und er hatte auch noch Zeit und wenn es soweit sein würde, dann würde er wissen wie und vor allem, er würde den Zeitpunkt selbst bestimmen und kein Aussenstehender!

Revenge

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