Читать книгу Revenge - Fritz Dominik Buri - Страница 5

Wir haben da etwas für Sie

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Herb schaute auf seine Armbanduhr, gleich würde der Bus kommen, er würde gleich beim Busfahrer ein Ticket lösen, die neuartigen Apparate waren ihm suspekt und da er selten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs war, kannte er sich damit nicht aus.

Die Angelegenheit mit der Arbeitslosenkasse war genau genommen eine reine Alibiübung, nicht mehr und nicht weniger.

Er war genau genommen bereits ausgesteuert und lebte von den Zuwendungen des Amtes, deshalb war er auch nicht mehr bei der Arbeitslosenkasse offiziell gemeldet, der einzige Grund warum er trotzdem noch zu den Terminen mit Herrn Saxer ging, war, dass sie ihn an kostenlose Kurse schickte.

Dank diesen Kursen sollte Herb die Chance gegeben werden, eine neue Stelle zu finden und auch, dass er beschäftigt war, mit anderen Worten, eine Struktur verpasst bekam und nicht ganz versauerte.

Gut gemeint hatte Herb über diese Massnahmen reflektiert, doch der gewünschte Erfolg war bisher ausgeblieben.

Und ausserdem, dies spielte nun auch keine Rolle mehr, war sozusagen Schnee von gestern, also wozu sich über etwas Gedanken machen dessen Mühe sich nicht lohnte.

Er drückte die Zigarettenkippe aus und warf sie in den dafür vorgesehenen Blechbehältern, der Kanton Luzern war in der Beziehung vorbildlich und hatte angefangen, an die Raucher zu denken, ein Umstand an den die Behörden sonst eher weniger dachten, abgesehen davon, dass gewisse Politiker die ganze Bevölkerung am liebsten entzigarettisieren würden.

So hatte die Verwaltung einen Plan gefasst, etwas gegen die Kippen zu tun und zu den Abfallbehältern einen separaten Blechbehälter zusätzlich einzubauen, wo die Raucher ihre Zigaretten entsorgen konnten, und zwar so, dass der Abfalleimer kein Feuer fing.

Das empfand Herb als eine sinnvolle Investition der öffentlichen Steuergelder, in vielen Dingen sah er es anders, doch in diesem Fall eben nicht.

Eine ältere Dame die ein paar Schritte neben ihm stand kramte umständlich in ihrer Handtasche herum und murmelte dabei etwas von einem Abo, Herb vermutete, dass sie ihr Bus Abo suchte und es nicht fand und deswegen mit sich selbst lästerte.

Wenn du den ganzen unnützen Kram aus deiner Tasche nehmen würdest, dann hättest du auch einen besseren Übersicht dachte Herb und schaute den vorbeifahrenden Autos zu.

Dann hörte Herb einen grunz artigen Laut neben sich wo die ältere Dame stand, mit einem strahlenden Lächeln hielt sie ihr Abo mit der linken Hand in die Höre als wollte sie es jedem zeigen der es sehen wollte, dass sie ihr Abo gefunden hatte.

Na Bravo, geht doch Mutti dachte Herb lächelnd, in Zukunft hältst du bessere Ordnung in deiner Handtasche, dann findest du in Zukunft dein Abo einfacher und schneller.

In diesem Moment traf der Linienbus ein, es war der 12er, mit diesem Bus würde er fast bis zum Zielort fahren können, ein paar Schritte zu Fuss gehen und dann in dieses graue mehrstöckige Gebäude eintreten.

Sein Berater hatte sein Büro im fünften Stock, jedes Mal, wenn Herb dort zum Termin erschien, was seine Pflicht von Amtes wegen war, lief er die Stufen bis zum fünften Stock hinauf, noch nie hatte er den Fahrstuhl benutzt.

Fahrstühle sind etwas für lahme Enten hatte ihm sein Vater schon als Kind immer gesagt, er hatte darüber kurz nachgedacht und dann beschlossen, wie sein Vater nie einen Fahrstuhl zu benützen.

Daran hatte er sich auch als Erwachsener gehalten.

Herb bestieg den Bus und kaufte beim Fahrer ein Ticket und setzte sich danach gleich hinter den Fahrer, dessen Sitzreihe frei war, die ältere Dame war weiter hinten eingestiegen, um diese Zeit hatte es nicht viele Fahrgäste, was ganz anders zur Rush Hour aussah, da waren die Linienbusse immer gerammelt voll mit Pendlern die in die Stadt zur Arbeit fuhren und am Abend wieder zurück, vertieft in ihre Smartphones.

Wie eine Herde Schafe die man am Abend wieder raus liess damit sie am anderen Morgen wiederkamen, erinnerte ihn dies jedes Mal.

Seit er seinen Wagen abgegeben hatte, resp. in der Garage stand, weil er die Versicherung nicht mehr bezahlen konnte und er so die Schilder abgeben musste, hatte er angefangen, ebenfalls auf die öffentlichen Verkehrsmittel umzusteigen.

Was blieb ihm auch anderes übrig.

Ruckartig setzte sich der Bus in Bewegung, Herb lächelte, wenn Fahrgäste im Bus gewesen wären die nicht so viel Glück hatten in der Rush Hour um einen Sitzplatz zu ergattern, wären bei diesem brüsken Anfahrmanöver bestimmt umgefallen oder hätten sich in letzter Sekunde hilfesuchend nach einem rettenden Griff umgesehen.

Einige hätten wohl gelästert und andere geschmunzelt und der Busfahrer hätte mit einem verstohlenen Lächeln in den Spiegel geschaut, auch Busfahrer wollten ihren Spass haben dachte Herb und grinste in sich hinein.

Nach mehreren Haltestellen kam der Bus planmässig an, herb stieg aus und wünschte dem Fahrer einen schönen Tag, dieser nickte und wünschte ihm ebenfalls einen schönen Tag, dann betrat Herb den Bürgersteig und unter das Vordach der Haltestelle, klemmte seine schwarze Mappe unter seine linke Schulter um sich eine Zigarette anzuzünden.

Es war ein sonniger aber kalter Oktobertag, Herb schlug den Kragen seiner Jacke hoch um sich besser gegen den Wind zu schützen und lief dann in abgehackten Schritten und der Zigarette im Mundwinkel zu dem mehrstöckigen Gebäude, wo ihn sein Berater bestimmt schon bald erwarten würde.

Vor der Treppe zum Eingang, einer doppeltürigen Glastür, stand ein Aschenbecher, ohne sie auszudrücken warf er die brennende Zigarette in den Aschenbecher, früher oder später würde sie erlöschen.

Hier im Innern war es merklich angenehmer als draussen dem kalten Wind ausgesetzt zu sein, sein Schritt entspannte sich und seine Schultern sackten herunter, ohne Hetze stieg er die Treppen hinauf bis in den fünften Stock hoch.

Im dritten Gang stand eine Frau vor dem Fahrstuhl mit einem Bündel Unterlagen unter dem Arm, sie hatte gerade die Tür des Fahrstuhles aufgemacht, als sie Herb bemerkte wie er die Treppe hochkam «wohin müssen Sie» fragte sie Herb.

«In den obersten Stock» gab Herb zur Antwort, «da will ich auch hin, stiegen Sie ein.»

«Danke ich laufe lieber» antwortete Herb und lächelte.

Die Frau sah ihn einen Moment lang an, schien zu überlegen «in Ordnung» sagte sie schliesslich und betrat den Lift.

Wenn er rennen würde, dann wäre er bestimmt noch vor der Frau im fünften Stock überlegte Herb, für einen Moment lang war er versucht, zu rennen und beschloss dann, es doch sein zu lassen, denn es gab keinen Grund zu rennen.

Im fünften Stock angelangt, trat Herb vor einen Schalter, der mit Rauchglas besetzt war, dessen Scheibe man zur Seite schieben konnte, dahinter brannten eine Reihe von Neonröhren.

Ein kleines Schild mit der Aufschrift «Bitte klingeln» neben einer eingefassten Klingel forderte den Besucher auf, zu klingeln.

Herb betätigte die Klingel, hinter der Rauchglasscheibe waren Stimmen und Schritte zu hören, dann wurde die Scheibe zur Seite gezogen und die Frau die Herb zuvor angeboten hatte Lift zu fahren, schaute ihn an.

Sie lächelte «sind wir wieder gleichweit.»

«Ja sind wir» Herb lächelte zurück, es war ein ehrliches Lächeln der dicklichen Frau mit einem Pickel auf der Nase «ich habe mit Herrn Saxer einen Termin!»

«Ah gut, einen kleinen Moment, ich rufe ihn gerade, nehmen Sie doch da drüben Platz» und dabei zeigte sie auf die drei Stühle die auf der gegenüberliegen Seite aufgestellt waren.

«Danke», die Frau lächelte wieder und schob das Rauchglasfenster wieder zu, Herb wollte sich nicht hinsetzen und blieb stehen.

«Hallo Herr Himmler» begrüsste ihn Herr Saxer «wie geht es Ihnen» wollte sein Berater von Herb wissen?

Wie soll es mir schon gehen dachte Herb, immer diese abgedroschenen Phrasen, den meisten Menschen würde gar nicht bewusst sein, wie oft und ohne Überlegung sie dies zu anderen Menschen sagten.

Würde es etwas ändern, wenn er zur Antwort beschissen sagen würde, würde er dies überhaupt registrieren, eher nein dachte Herb und gab stattdessen zur Antwort «Danke gut, und selbst?»

«Auch gut danke» nachdem sie sich zur Begrüssung die Hände gegeben hatten, ging Herr Saxer den Gang entlang wo links und rechts kleine Einzelbüros der Berater waren, einige Türen standen offen und der Berater im entsprechenden Büro schaute kurz von seinem Bildschirm auf.

Die Türen die verschlossen waren wurden wohl gerade Beratungsgespräche geführt dachte Herb und lief weiter hinter Herr Saxer her, bis sie sein Büro, das zweithinterste auf der rechten Seite erreicht hatten.

Da Herb nicht das erste Mal hier war, wusste er wo Menschen wie er, Arbeitslose Platz nahmen, legte seine schwarze Mappe auf den runden Tisch und zog seine Jacke aus, das Zimmer war gut beheizt und wenn er die Jacke anbehalten würde, würde er schon bald anfangen zu schwitzen.

Lieber schwitzen als frieren durchfuhr es Herb, wenn bei ihm demnächst auch der Strom abgestellt werden würde, dann würde er frieren!

Doch daran wollte er nicht denken, nicht jetzt in diesem Moment.

«Sie waren ja vor sechs Wochen das letzte Mal hier» begann Herr Saxer der sich inzwischen ebenfalls ihm gegenübergesetzt hatte, Herb nickte «hat sich in der Zwischenzeit etwas getan?»

«Nein» Herb schüttelte den Kopf «Sie kennen ja immer die alte Leier, wir danken Ihnen für Ihr Interesse an unserem Unternehmen, doch… dann kam das grosse DOCH leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass bla bla».

«Ja leider» Herr Saxer seufzte hörbar und schaute, für Herbs Empfinden, einen Moment ziemlich bescheuert aus der Wäsche, fing sich dann gleich wieder auf «ja die Lage ist zurzeit angespannt.»

Diese Erkenntnis war für Menschen wie Herb ein schwacher Trost, wie würden sich Eltern fühlen, wenn ihnen der Arzt, der zuvor ihr Kind untersucht hatte, mitteilte, dass ihr Kind an einer unheilbaren Krankheit leidet und es auf dem Markt ein neues Präparat gab, dessen Erfolgsaussichten jedoch noch zu wenig erforscht und bekannt waren!

Hiess das nicht so viel wie, tja es tut mir leid, aber…, dumm gelaufen, ihre Bemühungen in Ehren!

Also wäre es doch besser, einfach die Schnauze zu halten, würde sein Vater in solchen Situationen immer sagen, da hatte er recht.

Sein Vater hatte ihm einige gute Ratschläge mit auf den Weg gegeben, einige trafen nicht mehr ganz den Zeitgeist doch wieder andere hatten zu jeder Zeit ihre Gültigkeit.

Doch gegen die Schieflage in der er sich nun befand, würde sein Vater wohl auch ratlos gegenüberstehen hatte sich Herb gefragt, oder wäre ihm eine zündende Idee gekommen?

Herb bezweifelte es.

«Doch Sie dürfen die Hoffnung nicht aufgeben Herr Himmler» fuhr sein Berater fort und versuchte dabei, ihm einen positiven Eindruck rüberbringen zu wollen, gleich würde er ihm wohl auf die Schulter klopfen und sagen, hey alter Junge, das bringen wir schon auf die Reihe, keine Bange (doch er tat es nicht) «gerade letzte Woche hat ein Kollege von mir einen Kandidaten gehabt er mit 56 Jahren eine neue Anstellung gefunden hat.»

«Schön für ihn» entwich es Herb und fügte schnell hinzu «das mag ich dem Mann gönnen.» was der Wahrheit entsprach, auch diese gut gemeinte Floskel kannte Herb zur Genüge, Sie dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, ha ha ein guter Witz.

Jeder hat gut reden der nicht in dieser Situation ist, da ist es immer einfach ein paar schlaue Sprüche abzugeben, Sie dürfen die Hoffnung nicht aufgeben?

Und was wenn doch, hätte Herb Herrn Saxer gefragt, unterliess es dann jedoch, der arme Kerl versucht schliesslich nur sein Bestes.

«Mich hat es ebenfalls gefreut, wir freuen uns immer wenn unsere Kandidaten neue Jobs finden» Herr Saxer strahlte über das ganze Gesicht.

Kann ich mir denken, einer weniger der dem Staat auf dem Geldsäckel hängt, dachte Herb und lächelte nicht, auch er würde bald niemanden mehr auf dem Geldsäckel hängen, bald nicht mehr.

«Auch wir sprechen von Kandidaten» fügte der Berater noch schnell hinzu und lächelte dabei etwas unbeholfen, so als wollte er sich entschuldigen, für etwas wofür er sich bei Herb gar nicht zu entschuldigen brauchte, denn ihm war es egal, wenn ein anderer einen neuen Job dank des Amtes gefunden hatte.

Würde das seinen Plan ändern fragte sich Herb?

Nein.

«Ich habe mir überlegt, Sie an einen Weiterbildungskurs zu schicken» fuhr der Berater fort um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken «Sie sind ja erfahren im Verkauf und im Umgang mit Menschen, stimmt’s?

«Ja» antwortete Herb knapp während er noch den Worten des Beraters nachhing, so ein Kurs der das Ziel hat, seine Teilnehmer zu beschäftigen und dessen Erfolg zweifelhaft war.

Aha, wieder ein Kurs dachte Herb!

Wieder etwas Struktur in den Alltag bringen, das kenne ich und das Ergebnis ebenfalls, Herb schwieg und nickte und besann sich darauf, dass es Herr Saxer nur gut mit ihm meinte, und die erfreuliche Erkenntnis, dass sich jemand Gedanken über ihm machte.

Das war in der Tat selten geworden, dass sich Menschen Gedanken um Herb Himmler und dessen Existenz machten, geradezu eine Seltenheit.

Doch das machte er dem Mann nicht zum Vorwurf, er wusste, dass es Herr Saxer im Grunde nur gut mit ihm meinte und sich wohl gedacht hatte, dass er ihm damit eine Freude machen würde!

«Der Kurs dauert einen Moment und findet in der Stadt Luzern statt».

«Aha und wann fängt dieser Kurs an» hackte Herb nach und dachte dabei an seine Situation und daran, dass ihm die Wohnung gekündigt worden war, alles erschien ihm in diesem Moment so surreal und bizarr zugleich.

«Der Kursinhalt beschäftigt sich mit den Themen Kundenbindung, Kundenzufriedenheit und weiteren Themen im Zusammenhang mit Verkauf».

«Ich denke» fuhr Herr Saxer beschwingt fort, in seinen Augen schien er Herb damit einen Gefallen zu tun «dass dieser Kurs Ihnen viel nützen wird, nicht nur beruflich, sondern auch privat».

Das bezweifle ich dachte Herb und behielt seine Gedanken für sich.

War sie das denn nicht auch, bizarr und surreal zugleich und dem festen Plan, all dem ein Ende zu setzen?

«Moment» der Berater wühlte in seinem Stapel Unterlagen herum die er vor sich liegen hatte «anfangs November, genauer gesagt ab Montag, den 3. November bis zum Freitag, den 28. November.»

«Gut» antwortete Herb trocken während er in Gedanken ganz weit weg war «schreiben Sie mich dafür ein oder muss ich…»

«… das mache ich bereits getan und Sie bekommen dann die Bestätigung per Post Herr Himmler.»

«In Ordnung» jetzt sollte er diesen Kurs machen, die letzten zwei Monate hatte ihm Herr Saxer nie einen solchen Vorschlag unterbreitet, doch genau jetzt, jetzt wo er andere Gedanken und Vorhaben im Sinne hatte.

Vielleicht hatte sich Herr Saxer überlegt, dass es nach diesen zwei Monaten wieder an der Zeit für Herb war, etwas Ordnung und Struktur in seinen Alltag zu bringen, deshalb nun diese Kursanmeldung?

Nun gut, das bedeutete, dass er ein paar Anpassungen vornehmen musste, würde er sich weigern den Kurs zu besuchen, würden sie ihm das Geld streichen und mit weiteren Sanktionen drohen, also war es das Beste, er würde gute Miene zu bösem Spiel machen.

Damit war wohl alles gesagt dachte Herb und wartete ab, Herr Saxer hatte sich inzwischen an seinen Rechner gesetzt und war gerade dabei, etwas einzutippen währenddessen Herb schweigend dasass und wartete.

«So gemacht, ich habe Sie angemeldet» frohlockte Herr Saxer als er sich wieder neben Herb an den runden Tisch setzte «ich wünsche Ihnen schon jetzt viel Erfolg dabei und dass Sie viel davon profitieren.»

«Vielen Dank, das hoffe ich auch» dabei versuchte Herb zu lächeln und hatte das Verlangen, aufzustehen und zu gehen.

«Ganz bestimmt» Herr Saxer sortierte die Unterlagen vor sich, ein Zeichen dafür, dass er ihre Besprechung als beendet betrachtete, er stand auf, Herb stand ebenfalls auf und gemeinsam verliessen sie sein Büro und gingen den Gang entlang wieder zurück zum Empfang.

«Sie werden natürlich in dieser Zeit wo Sie am Kurs sind, nicht erscheinen müssen Herr Himmler, ich denke wir sehen uns dieses Jahr nochmals vor Weihnachten?»

«Ist gut, wann ungefähr» wollte Herb wissen und in seinem Kopf drehten sich seine Gedanken und ihm wurde in diesem Moment bewusst, dass er diesen jungen und sympathischen Mann nie mehr wiedersehen würde.

Ein seltsames melancholisches Gefühl überkam ihn und er glaubte, ihm würde schwindlig.

«Oh geht es» der Berater hatte sein leichtes Schwanken bemerkt und fasste ihm vorsichtshalber am linken Oberarm «danke es geht schon» Herb lächelte und Herr Saxer liess seinen Oberarm wieder los.

«Wollen Sie einen Schluck Wasser» erkundigte sich der Berater und in seinen Augen konnte er den besorgten Blick sehen, der seinen Worten, dass alles in Ordnung sein würde, nicht so recht glaubte.

Nein ich will einfach hier raus verdammt noch mal, schrie es in seinem Kopf, Herb versuchte so ruhig und normal wie möglich zu wirken, «also dann bis zum nächsten Mal Herr Saxer» er schüttelte dem Berater die Hand und verschwand schnell durch die Glastür hinaus ins Treppenhaus, er musste hier raus, einfach raus und er musste jetzt seine Ruhe haben, er musste nachdenken und er hatte das Verlangen eine Zigarette zu rauchen.

Kaum draussen angelangt, fühlte sich Herb besser, vielleicht deshalb, weil ihm ein frischer Wind ins Gesicht wehte und frösteln liess, vielleicht wegen der Zigarette die er sich angesteckt hatte, vielleicht auch, weil er es plötzlich in dem Zimmer nicht mehr ausgehalten hatte, oder vielleicht als ein Zusammenspiel von allem?

Der Wind ging durch seine Kleider bis auf die Knochen, er stand hier mitten auf dem Gehsteig wo er gegen den Wind keinen Schutz hatte, mit hochgeschlagenen Kragen, die Zigarette im Mundwinkel und den Händen fest in den Manteltaschen vergraben, lief Herb zurück zur Bushaltestelle wo er vor gar nicht allzu langer Zeit ausgestiegen war.

Ein Gefühl von Schweremut und dumpfem Brabbeln im Unterleib hatte ihn überkommen, als er sich von Herrn Saxer verabschiedet hatte, es war der Teil seines Satzes gewesen, der in Herbs Bewusstsein dieses Rumoren verursacht hatte, also bis zum nächsten Mal.

Es würde kein nächstes Mal geben, doch das hatte der anständige Kerl nicht wissen können, woher auch, Herb war ruhig und gefasst wie immer gewesen und hatte sich nichts anmerken lassen, bis zu dem Moment wo ihm schwindlig gewesen worden war, einen flüchtigen Moment zwar, doch hatte dieser flüchtige Momente gereicht, um unnötige Besorgnis bei Herrn Saxer auszulösen.

Ok, doch das ist nun vorbei rechtfertigte Herb sein Verhalten, es galt nun nach vorne zu schauen und nicht zurück und darüber, was geschehen war und was nicht oder was alles hätte geschehen können.

Hätte könnte sollte wenn und aber …. als das spielte jetzt keine Rolle.

Sicher hatte es früher eine Rolle gespielt, doch früher war früher und damit hatte er abgeschlossen, eine neue Ära stand an, eine unbekannte neue Ära.

Dieser Gedanke hatte etwas tröstliches, geradezu herzerwärmendes und er fragte sich, ob dies normal war oder ob er dies so empfand, weil er in Vorbereitung war und es anderen Menschen genauso erging wie ihm?

Ob Terroristen oder Attentäter zum gleichen Schluss gelangten wie er selbst?

Herb wusste darauf keine Antwort, er hatte sein Ding vorzubereiten und vielleicht würde er die Antwort später erhalten, im Moment war es auch unwichtig, wenn es soweit sein würde, dann würde er es wissen oder besser gesagt, fühlen!

Der Bus kam und Herb stieg ein.

Die Bestätigung für den Kurs an den ihn sein Berater vom Arbeitsamt geschickt hatte, kaum zwei Tage später und beinhaltete alle wichtigen Informationen, wie lange die Kurszeiten dauerten, Themeninhalte usw.

Herb las die Mail doch war in Gedanken ganz wo anders, kilometerweit weg in einer anderen Dimension, eingeschlossen und gefangen in seinen Gedanken und Überlegungen, wie er sie schon die ganze Zeit hatte.

Er schloss den Account wieder und ging zurück an den Esstisch, dort waren noch sein Kaffee und seine Zigaretten, zwei Substanzen von denen er sich in letzter Zeit viel zu häufig ernährte, doch das spielte keine Rolle, andere Dinge hatten Priorität.

Er bereitete sich vor für seine Mission und war darin verhaftet, in Gedanken die sich anderswo abspielten und zu denen ihm niemand folgen konnte, an einen Ort wo er für sich sein würde, an einem Ort der weit weg war und jenseits der Schmerzen und Pein derer er sich ausgesetzt fühlte, schon viel zu lange ausgesetzt fühlte.

Anfangs hatten ihm diese Gedanken Angst gemacht, ihn gelähmt und er hatte sich dabei so klein und einsam gefühlt, doch nun plötzlich, je mehr er darüber nachgedacht hatte, je mehr wurden ihm diese Gedanken vertrauter und nahmen ihm seine Ängste.

Sie waren so etwas wie seine stillen Begleiter geworden, oft kicherte Herb in seiner Wohnung die nicht mehr lange seine Wohnung sein würde, während er mit seinen Gedanken beschäftigt und die ihm neuen Auftrieb verschafften.

War das so eine Art Übertritt fragte sich Herb gelegentlich, nämlich dann, wenn er wieder in der Gegenwart war und nicht kilometerweit weg und in seinen Gedanken verhaftet?

Zeiten ändern sich dachte er und begann zu kichern und für ihn würden sich die Zeiten gewaltig ändern und nie mehr so sein wie es einmal waren, er wusste nicht, was in «drüben» wie er es inzwischen nannte, erwarten würde, doch er hatte ein gutes und angenehmes Gefühl, wenn er an «drüben» dachte.

Auch war erfreulich, dass dieses Gefühl nicht nur einmal da war und dann verschwand, es war jeden Tag da und fühlte sich immer etwas besser als zuvor an.

Dieses Gefühl hatte sich von etwas unbekanntem Fremdartigem zu etwas vertrautem und Angenehmen entwickelt, das war gut und machte Mut und gab Hoffnung, er war auf den rechten Weg.

Herb rauchte eine Zigarette und machte sich dann daran, seine Sachen in der Wohnung in Kisten und Kartons zu verstauen, er hatte noch Zeit bis zu dem Zeitpunkt an dem er raus musste, doch würde er schon jetzt damit anfangen.

Dieser blöde Kurs hatte ihm einen Strich durch seine Planung gemacht und er wollte auch nicht, dass es deswegen Probleme geben würde, also würde er daran teilnehmen, ob es ihm nun in den Zeitplan passte oder nicht.

Er hatte noch keine Ahnung wo er seine Sachen unterstellen sollte, das war auch egal, ihm würde etwas einfallen!

Oder sollte er die Sachen einfach verpackt in der Wohnung stehen lassen, mitnehmen würde er sowieso nichts, er würde sozusagen mit leichtem Gepäck reisen, mit sehr leichtem Gepäck sogar.

Wieder kicherte Herb bei diesem letzten Gedanken und machte weiter, Gegenstände in Kisten und Kartons zu verstauen, gelegentlich hielt er inne um eine Zigarette zu rauchen und etwas zu trinken, dann machte er weiter.

«Wie geht es dir Herbert» fragte die Stimme des Bruders am anderen Ende der Leitung, sein Bruder nannte ihn stets Herbert und nie Herb, er hatte ihn schon oft darauf aufmerksam gemacht, dass er lieber mit Herb angesprochen werde, doch dafür schien sein Bruder Daniel kein Gehör zu haben.

Schliesslich, als sie noch Kinder gewesen waren, hatte es Herb schliesslich aufgegeben und so war sein Bruder Daniel und Tante Mathilde die Einzigen in seinen Familien und Freundeskreis die ihn Herbert nannten.

«Danke Dani, immer dieselbe Scheisse» antworte Herb trocken «ich mache jetzt dann einen Kurs, der mir dabei helfen soll, bessere Kundenbeziehungen aufzubauen.»

«Ist doch gut, oder» an der Stimme seines Bruders konnte Herb erkennen, dass er den Missmut aus Herbs Stimme gehört hatte «ich hätte lieber mal wieder einen anständigen Job als so ein blöder Kurs, verstehst du?»

«Ja» Daniel antwortete leise weil er die Situation von Herb kannte und weil er sich schon immer in die Gefühlswelt seines jüngeren Bruders hatte hineinversetzen können «es kommen wieder bessere Zeit Herbert, du wirst sehen.»

Wenn sein Bruder die Absicht gehabt hatte, ihn damit aufzumuntern, dann war ihm dies gründlich misslungen, Herb wusste, dass er genauso wie sein netter Berater vom Amt, Herr Saxer es nur gut meinten.

Doch sie befanden sich nicht in seiner Situation, ihnen stand das Wasser nicht bis zum Hals und bereits darüber, sie zuckten nicht zusammen, wenn morgens die Türklingel ging und der Postbote mit einem neuen, einem weiteren Einschreiben oder einer gerichtlichen Androhung vor ihm stand, nein, so etwas kennt nur, wer es selbst erlebt und durchlebt hat.

Nein, so etwas konnte man auch schwer nachvollziehen, wenn man es nie selbst mitgemacht und erlebt hatte, warum, weil es schwer vorstellbar ist.

Deshalb machte es für Herb keinen Sinn, lange und breit darüber mit einem Menschen zu sprechen, sie würden dann sagen, ach das kommt schon, genauso wie sein Bruder es machte und jeder wüsste es natürlich besser, wie er, Herb seine Probleme in den Griff bekommen würde, jeder aus der betroffenen Person selbst.

«Ja, das sage ich mir auch immer, dass bessere Zeiten kommen» klar hatte sich Herb diese lange genug eingeredet und es hatte auch eine Zeit gegeben, da hatte er es auch tatsächlich geglaubt, inzwischen wusste er es besser «ich weiss deine Anteilnahme zu schätzen Daniel.»

«Ich bin dein Bruder, schon vergessen?»

Nein, das hatte Herb nicht vergessen «ja weiss.» antwortete er nachdenklich und versuchte dabei, gedanklich nicht abzuschweifen «warum hast du mich angerufen?»

«Ich wollte wissen wie es dir geht und weil ich schon länger nichts mehr von dir gehört habe!»

Herb wusste, dass sein Bruder zu ihm ehrlich war und dass seine Aussage auch so gemeint war, in der Aussage war nichts Gespieltes oder Geheucheltes, es war eine aufrichtige Feststellung die Geschwister einander machen.

Herb seufzte «ich danke dir, du weisst ja, es ist alles beim Alten und wenn sich etwas Neues ergibt, bist du der Erste der es erfährt.»

«Das hoffe ich doch sehr Herbert Bruderherz» ein gequältes Lächeln war zu vernehmen und Herb hatte einen Moment lang überlegt, seinem Bruder vom bevorstehenden Rauswurf zu erzählen, doch er liess es sein, das war eine Sache die nur ihn etwas anging und er wollte seinen Bruder damit auch nicht belasten.

Eine Pause entstand, eine Pause die bei Herb eine gewisse innere Anspannung auslöste, das war nicht gut, das war gar nicht gut und Brüder, Geschwister im Allgemeinen haben einen engeren Draht zueinander, würde er etwas vermuten, etwas ahnen?

«Nein Daniel, mach dir um mich keine Sorge, du weisst ja, Unkraut vergeht nicht und was mich nicht umbringt, macht mich stärker.»

Es hätte als Auflockerung rüberkommen sollen, doch Herb war seinen Tränen nahe und musste sich zusammenreissen, er wollte seinen Bruder da nicht mit hineinziehen.

«Das ist wohl so, doch als Bruder mache ich mir trotzdem gewisse Sorgen, würdest du ja an meiner Stelle auch tun, stimmt’s?»

«Oh ja stimmt.»

«Siehst du Herbert, dass meine ich damit.»

«Ich weiss» Herb versuchte so normal wie möglich zu sein, doch das Gespräch mit seinem Bruder setzte ihm seelisch zu, er wusste es und auch sein Bruder würde eine gewisse Vermutung, eine Empfindung haben, bleib mir fern dachte Herb und rang dabei mit den Tränen.

Das Gespräch vernahm eine für Herb ungünstige Richtung und er wollte das Telefonat so rasch wie möglich beenden, sonst würde er doch noch zu heulen anfangen, etwas, das er unbedingt vermeiden wollte.

«Doch nun zu dir, wie geht es dir und deiner Familie?»

«Bei uns gibt es auch nichts Neues, Rita ist in ihrem Unternehmen zur Bereichsleiterin befördert worden, das heisst auch mehr Verantwortung und auch mal Überstunden, dafür ist der Lohn auch entsprechend» Daniel lächelte hörbar «und die beiden Kinder sind immer noch in der Schule, doch die kommen mit den Aufgaben und dem Schulstoff ganz gut klar.»

«Das ist doch erfreulich, sag Rita liebe Grüsse von mir und dass ich ihr zu ihrer Beförderung ganz herzlich gratuliere.»

«Vielen Dank Herbert, mache ich gerne und darüber wird sie sich freuen.»

«Spitze» Herb sah vor seinem geistigen Auge Daniels Frau Rita und wie sie vor versammelter Belegschaft befördert wird und wie die Anwesenden klatschten und ihr gleichzeitig gratulierten, er mochte es Rita von Herzen gönnen und schätzte Rita als Mensch sehr.

«Und wir wollten dich noch fragen, wann du wieder einmal zu uns kommst, also besser gesagt, würden wir dich gerne einladen Herbert.»

«Mich einladen, das ist nett.»

«Aber hallo» Daniel schnaubte hörbar am anderen Ende der Leitung «was habe ich vorhin gesagt, du bist mein Bruder und Rita deine Schwägerin und von Robin und Janine bist du der Onkel.»

«Ich weiss, sie ist auch meine Lieblingsschwägerin» beide lachten «an welches Datum hattet ihr denn gedacht?»

«Weihnachten ganz bestimmt, doch das dauert noch ein paar Monate und so haben wir an den übernächsten Samstagabend gedacht.»

Weihnachten schoss es Herb durch den Kopf, warum hatte er dieses Wort sagen müssen, warum hatte er ihn darauf ansprechen müssen, seine Kehle schien sich auf einmal zu verengen, er musste sich setzen und darauf achten, nicht die Beherrschung zu verlieren, nicht jetzt und nicht vor Daniel.

«Das ist eine gute Idee» seine Stimme klang heiser und belegt «ich gebe dir noch Bescheid Bruderherz, einverstanden?»

«In Ordnung Bruderherz» antwortete Daniel «wir freuen uns auf dich.»

«Ich freue mich ebenfalls.», Herb hatte sich wieder etwas gefangen.

«Und du wirst auch bei uns schlafen, so musst du nicht auf die Uhr schauen und kannst in Ruhe eins trinken.»

«Das ist ein Wort» Herb lächelte und auch sein Bruder Daniel lächelte nun.

«Nun gut, also bis in zwei Wochen und dir noch einen schönen Tag».

«Ja danke, bis bald» Herb war froh, dass das Telefonat zu Ende war, es war belastend und anstrengend « … und danke für deinen Anruf.»

«Keine Ursache Bruderherz, also bis bald.»

«Bis bald», dann war die Leitung stumm und Herb hielt sein I Phone noch minutenlang in der Hand während in seinem Kopf die Gedanken durcheinanderwirbelten, Daniel liebte ihn und auch seine Schwägerin und die Kinder, es war schön zu wissen, dass ihn noch nicht alle Menschen abgeschrieben hatten, doch auch schmerzlich.

Weihnachten dachte Herb während im die Tränen über die Wange liefen, dann wenn dieses Datum näherrücken würde, würde er an einem anderen Ort sein, auch sein Bruder und Schwägerin samt ihren beiden tollen Kindern würden es nicht verhindern können.

Warum in aller Welt hatte ihn Daniel auch angerufen, er brauchte erneut Ruhe und er brauchte auch eine Zigarette, Zigaretten halfen ihm dabei, nachzudenken und herunterzufahren, das hatte er im Augenblick ziemlich nötig.

Er wollte doch nur, dass man ihn in Ruhe liess, damit er Zeit hatte an seinem Plan zu arbeiten.

War das zu viel verlangt?

Irgendwie wohl schon, ok Dani war sein Bruder und er mochte ihn, doch plötzlich sollte er nun einen Kurs belegen, was in seinen Augen nutzlos war, da er andere Pläne gefasst hatte und nun meldete sich sein Bruder um ihn zum Essen zu sich nach Hause einzuladen.

Dabei wollte Herb doch nur seine Ruhe haben, als er sich Kontakt und Aktivitäten gewünscht hatte, war er anscheinend allen egal gewesen und jetzt plötzlich wollten alle etwas von ihm, eine verkehrte Welt.

Nein und es schien Herb, je mehr er versucht war, seine Ruhe zu haben, je mehr wurde er von seinem Vorhaben abgehalten, so war es mit dem Kurs den er nun besuchen musste, die Besuche bei seinem Bruder zum Essen.

Doch nichts würde ihn von seinem gefassten Plan abbringen, dazu war die Sache zu fix und fühlte sich zu gut an, um jetzt noch eine Kehrtwendung zu vollziehen.

Dies war zwar schön und zeigte ihm auch, dass Menschen an ihn dachten, doch sie schienen erst jetzt an ihn zu denken oder sich wieder an ihn zu erinnern, die ganzen letzten Monate war es Herb vorgekommen, als würde sich keine Menschenseele für ihn interessieren.

Jetzt schien sich plötzlich die ganze Welt an ihn zu erinnern, und daran, dass er ja auch noch da war!

Genau jetzt wo er sich wünschte, dass es andersrum wäre!

In Herb stiegen Gefühle des Zweifels zu denen sich auch Gefühle des Zorns gesellten und in ihm ein Gefühlschaos auslöste, das er nur schwer kontrollieren konnte, er konnte sich keine Gefühlsschwankungen erlauben, nicht jetzt noch später.

Er musste raus, an die frische Luft, das würde ihm dabei helfen, seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen und klar denken zu können, er schnappte sich seine Zigaretten, zog Schuhe an und schnappte sich auf dem Weg zur Türe seine Jacke die am Kleiderhacken nahe der Wohnungstüre stand.

Draussen war es ein sonniger Oktobertag, trotz der Sonne war es kalt, an den Bäumen und Sträuchern konnte man die Veränderung sehen, Laub lag auf der Strasse und einige Bäume hatten schon die meisten ihrer Blätter verloren, deren kahle Äste ihn an dürres Gerippe erinnerte.

Herb hatte sich die Jacke zugeknüpft und den Kragen hochgeschlagen, die Schultern eingezogen und seine Hände in den Manteltaschen vergraben während er mit gesenkten Kopf rasch lief, schnelle Bewegungen hielten warm sagte sich Herb, also lief er in einem entsprechenden Tempo.

Und er war alleine unterwegs und musste auch auf niemanden Rücksicht nehmen, weil ihm sein eingeschlagenes Tempo vielleicht zu schnell war, die frische kalte Luft tat gut und liess ihn fühlen, dass er lebte, noch lebte.

Werde ich noch was fühlen im Jenseits fragte sich Herb während er in Gedanken versunken und nach vorne gebeugt in seinem schnellen Schritt dahinlief, sicher werde ich noch was fühlen, einfach anders?

Wie genau anders konnte Herb sich nicht beantworten, es wäre einfach anders, es musste anders sein, sonst wäre die ganze Sache ja nicht interessant oder spannend genug, diesen Schritt zu wagen.

Er hatte eine Mission zu erfüllen, ja sowas gab es, wenn man stirbt ist nicht alles aus und vorbei und Tote hatten ebenfalls wie die Lebenden ihre Missionen denen sie nachkommen musste.

Daran führt kein Weg vorbei, ihm war es recht.

Bei diesen Gedanken lächelte Herb und seine Augen hatten einen seltsamen Glanz angenommen, ein Glanz der nicht mehr viel Menschliches an sich hatte, ein Glanz wie aus einer anderen Dimension, ja so war es.

Das irdische Leben verlor allmählich seine Anziehungskraft auf Herb, ein schleichender Prozess der eingesetzt hatte und ihm nicht bewusst war, vielleicht unbewusst und vielleicht deshalb, weil er eine Entscheidung gefällt hätte und ihn diese Entscheidung gefiel.

Anfangs waren es dunkle düstere Gedanken gewesen die seinen Geist heimsuchten, dann hatten sie ihn immer öfters heimgesucht und schliessen waren diese Gedanken zu seinen vorherrschenden alles dominierenden Gedanken geworden.

Und dabei hatten sie auch angefangen, ihre anfängliche Düsternis abzulegen, aus dem was vorher noch ungewiss gewesen war, entstieg nun eine verwobene weisse Wahrheit in seinem Bewusstsein.

Dieses Bewusstsein wurde immer klarer, die Schleier fingen an sich aufzulösen, alles ergab für Herb auf eine seltsame surreale Art und Weise einen Sinn, einen neuen Sinn für die Sicht der Dinge.

Seit einigen Tagen waren Zweifel oder Ängste verschwunden und dieses neue helle Licht in seinem Kopf und Empfinden hatte angefangen, immer stärker zu werden, es entwickelte sich eine regelrechte Sogwirkung die alles umschlang und fest umschloss.

Herb blieb plötzlich stehen, abrupt stehen!

Er schaute auf um zu sehen, wo er sich befand, doch das war im Grunde auch unwichtig wo er sich befand, vieles war unwichtig geworden.

Es war etwas Anderes, etwas völlig Neues.

Genau konnte er es sich selbst nicht erklären, etwas hatte sich eben verändert an oder in ihm, vielleicht auch schon vorher, doch nun war es in sein Bewusstsein gedrungen, dieses undefinierbare unbekannte Etwas.

War es sein Empfinden?

Das auch, doch es war noch etwas Anderes, etwas das Macht und Grösse hatte, etwas das viel mächtiger war als alles bisher Gekannte, was ging hier vor, was passierte mit ihm gerade jetzt?

Dann geschah es, es geschah so unerwartet, dass Herb zu perplex war, um etwas dagegen unternehmen zu können, es war einmalig und es geschah tatsächlich.

Er stieg auf!

Herb sah sich aufsteigen, sein Bewusstsein stieg in die Höhe, erst langsam sah er wie sein irdischer Körper an der Stelle zurückblieb während er weiter in die Höhe schwebte, erst waren es ein Meter über der Stelle wo sein Körper sich befand, dann stieg er weiter auf.

Was geschah nun, was waren das für Geräusche?

Herb versuchte zu sprechen, doch es gelang ihm nicht, er hörte Stimmen und konnte nicht zuordnen, wer oder was mit ihm sprach, er drehte sich um und schaute auf die Umgebung herunter, seinen Körper konnte er aus einer Entfernung von ungefähr zehn Metern aus der Höhe betrachten.

Es sind Gedanken dachte Herb, es sind keine Stimmen, sondern Gedanken.

Doch wessen Gedanken konnte er hören, es war mehr ein gedämpftes Brabbeln als klare Worte oder Sätze.

Aus der Ferne hörte er ein Geräusch das sich wie Flattern anhörte, Herb drehte sich in die Richtung um aus der er die Flattergeräusche zu vernehmen glaubte und sah dann eine Krähe die in einiger Entfernung gerade dabei war, auf dem Dach eines Hauses zu landen.

Er konnte ganz viele unterschiedliche Geräusche hören, einige waren ihm vertraut und andere waren ihm unbekannt, er konnte sogar das Rauschen des Windes in den Baumkronen hören, weitere Vögel die herumflogen und immer wieder dieses dumpfe verhaltene Brabbeln die sich wie Stimmen anhörten, doch es waren keine Stimmen, es waren Gedanken von Menschen.

Herb fing an zu lachen, es war ein schrilles hohes Lachen und er fragte sich, ob ihn jemand hören würde?

Er schaute wieder hinunter auf seinen leiblichen Körper und beobachtete dabei, wie gerade eine ältere Dame an ihm vorbeilief und ihn dabei grüsste.

Herbs irdischer Körper, dessen Kopf nickte freundlich und grüsste zurück.

Verrückt, er lachte noch lauter und schriller, doch die ältere Dame die eben an ihm vorbeigelaufen war und ihm gegrüsst hatte, machte keine Anstalten, sich umzudrehen um nachzusehen, ob er es war, der so schrill und laut lachte.

Sie konnte ihn nicht hören und sein Körper der immer noch an derselben Stelle stand, von wo sein Bewusstsein den Körper verlassen hatte, reagierte wie ein Roboter, er grüsste und nickte.

Dann schoss sein Bewusstsein in seinen Körper zurück, das Lachen verstummte und er, sein irdischer Körper fiel hin und schlug auf dem Gehsteig auf, als sein Bewusstsein in rasendem Tempo wieder in seinen Körper schlüpfte, so heftig, dass er sein Gleichgewicht verloren hatte, und hinfiel.

Herb schüttelte seinen Kopf wie ein Hund sein nasses Fell ausschüttelt, dann stand er auf und suchte Halt an eine in der Nähe in den Boden eingeschlagenen Eisenstange.

Ihm war schwindelig und er hatte für einen Moment seinen Orientierungssinn verloren.

Langsam normalisierte sich das Ganze wieder, er räusperte sich und stiess sich von der Eisenstange ab und suchte in seinen Jackentaschen nach seinen Zigaretten.

Hatte er das alles eben erlebt oder bildete er sich das alles nur ein?

Was war mit ihm geschehen, er spürte einen leichten Schmerz an der Stelle seines Gesässes, mit der er auf dem Boden aufgeschlagen hatte und einen leichten Druck im Hinterkopf, ungefähr so wie an föhnigen Tagen sich sein Hinterkopf anfühlte.

Wo war die ältere Dame geblieben die noch eben an ihm vorbeigelaufen war und die ihn gegrüsst hatte und er dabei freundlich genickt und zurückgegrüsst hatte.

Sie war nirgends zu sehen?

War sie überhaupt da gewesen, oder hatte er sich das alles eingebildet oder war die Frau dagewesen, genauso wie er ungefähr zehn Meter über seinen Körper geschwebt hatte und dabei all die Geräusche hatte hören können?

Konnte er jetzt auch noch diese brabbelnden Worte hören?

Nein, nichts!

Und die Vögel und das flattern ihrer Flügel, wenn sie wie er durch die Luft folgen?

Er sah sich um und tatsächlich, die Krähe sass immer noch auf dem Dach auf dem sie gelandet war und schien zu ihm rüber zu starren.

Doch er konnte nichts hören, all diese feinen Laute die er noch nie zuvor in seinem Leben gehört hatte, sie waren weg.

Hatte die Krähe gesehen was mit ihm geschehen war, ein Indiz dafür, dass sie zum ihm rüber starrte, war sonst noch jemand in der Nähe wollte Herb wissen, gab es jemanden, abgesehen von der Krähe vielleicht, die gesehen hatte, was mit ihm geschehen war?

Doch es war niemand in seiner unmittelbaren Umgebung, von der älteren Dame fehlte auch jede Spur.

War das alles auch tatsächlich geschehen fragte sich Herb, nachdem er geraucht hatte und die Zigarette weggeschnippt hatte, er fühlte einen Druck im Kopf und er hatte Durst, grossen Durst sogar und irgendwie fühlte er sich seltsam berührt.

War das nicht verständlich nach einem solchen Erlebnis, klar doch?

Weiter oben, wenn er der Strasse folgen würde, käme er bei einer Kirche mit angrenzendem Friedhof vorbei und dort neben der Kirche und zwischen den Gräbern stand ein kleiner Brunner, Herb hatte ihn bei seinen nächtlichen Spaziergängen gesehen.

Dort würde er Wasser trinken, sein Hals schmerzte und war so trocken, dass er sich immer wieder räuspern musste, was ihn im Hals schmerzte und seinen Hals und Gaumen noch weiter auszutrocknen schien.

Herb lief los während er in Gedanken da war und doch wieder nicht, die Umgebung schien plötzlich eigenartig verändert zu sein, was genau anders war als noch zuvor konnte Herb nicht näher umschreiben, doch es hatte sich etwas verändert, vielleicht war es nur seine Wahrnehmung oder sein Blick auf die Dinge.

Er wusste es nicht, es interessierte ihn im Moment nicht weiter, es gab andere Fragen die ihn wesentlich mehr interessierten und in seinem Kopf herumrasten wie Neutronen die von einer Ecke in die andere geschleudert wurden und dann verschwanden.

Eben hatte er noch einen Gedanken und kaum wollte er diesem Gedanken nachgehen und Antworten darauf finden, verschwand der Gedanke wieder und andere Gedanken tauchten auf, ganz andere Gedanken und er konnte sich nicht mehr an den letzten Gedanken erinnern, alles spielte sich rasend schnell in seinem Kopf ab.

In Gedanken sah er wie sein Geist oder was immer es war, in der Höhe schwebte und auf seinen Körper hinunterschauen und wie dieser wie eine Marionette dort gestanden hatte, ungefähr so musste ein Computer funktionieren, wenn ihm der Chip entnommen worden war, die leere Hülle die einfach nur noch da war, jedoch ausser Stande, selbständig zu denken und zu reagieren.

Herb erreichte den Brunnen und liess das kalte Wasser in seine beiden zu einem Kelch gefalteten Hände fliessen, er schlürfte das Wasser aus seinen Händen, es tut gut und er glaubte, das beste Wasser in seinem Leben gerade zu trinken.

Bestimmt war es nicht so, doch die Umstände, dass er sich wie ein Verdurstender fühlte, liessen in ihm den Glauben aufkommen als würde er gerade das beste Wasser der Welt trinken.

Immer wieder hielt er seine beiden Hände in Trichterform unter das Metallrohr aus dem das Wasser drang, um zu trinken.

Er musste einen gefühlten Liter Wasser getrunken haben, Herb rülpste, sein Hals und Gaumen fühlten sich wieder normal an und auch das Räuspern und Kratzen im Hals waren verschwunden.

Er schüttelte den Rest Wasser von seinen Händen und strich sie dann an seinen Jeans trocken, dann streckte er sie wieder tief in seinen Manteltaschen, durch das kalte Wasser waren sie ganz beklommen geworden, in seinen Manteltaschen würden sie schnell wieder warm werden, so dass die Zirkulation wieder fliessen konnte.

Der Wind frischte auf und es begann zu dämmern, Herb machte sich auf den Heimweg.

Nach seinem Spaziergang, bei dem er leicht gefroren hatte, würde ihm nun ein Kaffee mit Whisky schnell warm werden, Herb hatte seine Jacke ausgezogen und brühte nun in einem Wasserkocher heisses Wasser auf, das er zusammen mit etwas löslichem Sofortkaffee, Zucker und Scotch Whisky vermengen würde.

Genau das Richtige um sich zu wärmen und auch um sich Gedanken zu machen, was ihm heute Nachmittag widerfahren war!

Eine logische Erklärung für all das was er erlebt hatte, gab es nicht, nicht in seinen Augen, bestimmt würden ihm Forscher erklären können, was er erlebt hatte.

Noch funktioniere sein Internet, es war noch nicht abgestellt worden, doch das wäre auch nur noch eine Frage von Tagen, dann war er aufgeschmissen, etwas mehr das ihm genommen werden würde.

Etwas mehr das ihm genommen werden würde, seinen Kontakt zu Aussenwelt, im Grunde den einzigen Kontakt den er zur Aussenwelt wollte im Moment, im Internet stellte niemand dumme Fragen und er musste keine Rechenschaft ablegen über seine Lage, ein Trost für Herb.

Deshalb er wollte keine Zeit verlieren, um bei Google mehr herauszufinden, was es mit seinem Erlebnis auf sich hatte, doch, so überlegte er sich, bezeichnete man das, was er erlebt hatte?

Das Wasser im Kocher sprudelte und heisser Dampf strömte durch die Öffnung der Klappe, Herb nahm eine grosse Henkeltasche aus dem Schrank über sich, gab in einem Teelöffel etwas löslichen Kaffee und zwei volle Löffel Zucker hinein.

Dann goss er das heisse Wasser des Kochers hinein und rührte einige Male, der Kaffeelöffel erzeugte ein hohes Geräusch während er umrührte.

Der Kaffee tat gut, brauchte seine Lebensgeister zurück, er lächelte bei dieser Feststellung, als er über dem Boden geschwebt hatte, hatte er dabei gefroren?

Herb versuchte sich zurück zu erinnern und ihm schien, dass er nicht gefroren hatte, im Gegenteil er hatte sich frei und unbeschwert gefühlt, und er hatte seinen leiblichen Körper unter sich auf der Strasse stehen gesehen, dabei hatte er sich keineswegs unwohl gefühlt.

Es war einfach unglaublich gewesen, er hatte so viele Stimmen und Geräusche gehört, Geräusche die weit entfernt waren und ihm doch so nahe schienen, seine ganze Wahrnehmung war anders gewesen, anders als wie man sich im eigenen Körper fühlt.

Neuartig!

Dann tauchte eine andere, eine weitaus interessantere Frage in seinen Überlegungen auf?

Wie war das geschehen, einerseits und ob er dies wiederholen konnte auf der anderen Seite?

Würde er sich so im Jenseits fühlen, war das was Menschen von Nahtoderfahrungen berichteten, dann, wenn sie ihren Körper unter sich sahen und wenn sie sich dessen bewusstwurden.

Würde es ihm gelingen, dies bewusst und willentlich zu verursachen, fragte sich Herb während er an seinem Kaffee mit Whisky schlürfte und dabei eine Zigarette rauchte, dass er so unbewusst tat, dass es ihm nicht auffiel.

Vielleicht würde er Antworten im Internet finden, dann überkam ihn ein unkontrolliertes Zucken, so wie einem der Körper befällt, wenn man sich einer sonderbaren Erkenntnis bewusstwird, etwas das ausserhalb der Norm lag und dass man selbst erlebt hatte, einem widerfahren war!

Herb setzte sich an seinen Computer und während er darauf wartete, bis dieser hochgefahren war, ging er zurück in die Küche, der Spaziergang und die Kälte draussen hatten ihn hungrig gemacht.

Er würde wieder Spaghetti essen, er wusste bereits wie sie schmecken würden, er ass fast nur noch Spaghetti die letzte Zeit, nicht, weil er zu faul zum Kochen wäre, sondern weil er nichts anders zum Essen hatte.

Halt, nichts Anderes zum Essen hatte war falsch, kein Geld um sich etwas Anderes zu kaufen traf es besser und entsprach der Wahrheit.

Gelegentlich konnte er sich bei Aldi ein Hähnchen kaufen, dies war für Herb ein richtiges Festessen, dabei schlang er das weisse Fleisch in sich hinein und ass dazu Brot, doch meistens, so wie jetzt, gab es nur Spaghetti.

Ihm reichte das Geld nicht mal aus, um sich eine Fleischsauce zu machen, bei diesem Gedanken lief ihm das Wasser im Gaumen zusammen während er einen Topf mit Wasser aufsetzte, um die Spaghetti zu kochen, dann ging er zurück an seinen Computer, der würde in der Zwischenzeit hochgefahren sein.

Als erstes gab der den Begriff Nahtoderfahrungen ein, dann schaute sich Herb die Suchergebnisse an, an dritter Stelle las er etwas sehr Interessantes:

«Ein irrsinnig schönes Gefühl» in der NZZ, also der neuen Züricher Zeitung.

Er klickte darauf und begann den dazugehörigen Artikel zu Lesen, in dem es sich um eine junge Frau handelte, die mit 17 Jahren einen allergischen Schock erlitten hatte, aufgrund der Medikamente die ihr verschrieben worden waren.

Darin beschrieb die junge Frau, wie sie sich plötzlich über ihrem Körper schweben gesehen hatte, sie hatte auch ein helles Licht gesehen, alles war gemäss ihrer Aussage, ein irrsinnig schönes Gefühl, ein Ankommen in der Einheit?

«Ein Ankommen in der Einheit» murmelte Herb den letzten Satz, aha, meinte sie damit dasselbe was er erlebt hatte, als er all die vielen Stimmen und Geräusche hatte wahrnehmen können, wozu er vorher noch nie in der Lage gewesen war?

Bestimmt würde die Dame das gemeint haben, dann hatte er ein Nahtoderlebnis gehabt heute Nachmittag auf seinem Spaziergang fragte sich Herb verwundert?

Nein, er überlegte, er hatte ja keinen allergischen Schock oder etwas Ähnliches erlebt und niemand musste ihn wieder reanimieren, so wie Ärzte und Rettungsleute das machen, wenn jemand dabei ist, den Absprung zu machen und sich ins Jenseits zu verabschieden!

Doch egal, was die Frau in dem Artikel angetönt und geschildert hatte, kam seinem Erlebnis sehr nahe.

Und vielleicht musste man ja nicht erst einen Sprung oder Blick ins Jenseits zu erhaschen hoffen, um solche Erfahrungen zu machen, bei ihm jedenfalls war nichts davon die Rede gewesen.

Oder, er zuckte zusammen als ihm ein Gedanke aus seinen Untiefen seines Bewusstseins erwischte, eine Art Gedankenblitz der einem wie einen leichten Stromstoss trifft, oder vielleicht hatte es damit zu tun, dass er einen Plan hatte und dieser Plan zielte genau in diese Richtung?

Sollte ihm irgendein Wesen, ein Geist oder sonst wer einen Wink gegeben haben, damit er sehen konnte, sozusagen einen ersten Einblick nach drüben zu erhalten, um ihm klar zu machen, dass er nichts zu befürchten hatte?

Möglich, wieder zuckte sein Körper unkontrolliert und ein Schauer lief ihm über den Rücken.

Scheisse das Wasser dachte Herb und sprang wie eine Sprungfeder von seinem Stuhl auf, auf dem er eben noch gedankenverloren und nach hinten gelehnt, gesessen hatte.

Die Dampfabzugshaube in der Küche war in einen weissen Dampfnebel verhüllt durch das kochende Wasser, er liess die Abzugshaube laufen und nach wenigen Sekunden hatte sich der Dampf verzogen.

Herb gab die Spaghetti in das kochende Wasser und schaltete die Herdplatte etwas runter, das kochende Wasser aus dem Topf schwappte über und verdampfte unter zischenden Geräuschen auf und neben der Herdplatte.

Er beschloss in der Küche zu bleiben und seine Gedanken weiter zu verfolgen während er ein Auge auf die kochenden Spaghetti hielt, andernfalls würde er es riskieren, dass sie verkochten und das wollte Herb unter allen Umständen vermeiden.

Was er also erlebt hatte, waren ähnliche oder zumindest gleiche Erlebnisse wie die von Personen die Nahtoderfahrungen gemacht hatten!

Weiter unten im Artikel wurde die ganze Thematik beschrieben und dass die Ärzte Wissenschaftler und Forscher die sich diesem Phänomen verschrieben hatten, noch immer darüber rätselten, was es damit auf sich hatte, oder ob Menschen dies von ihren sterbenden Gehirnen nur vorgegaukelt wurde!

«Ich habe keine Nahtoderfahrung gemacht und habe es ebenfalls erlebt» stiess Herb in einem gereizten Tonfall heraus «und die junge Dame hat Recht gehabt, es war ein geiles, ein ganz besonderes Gefühl gewesen.»

Und ausserdem sinnierte Herb weiter, glaubten und glauben noch heute wie damals viele Naturvölker an Wiedergeburt und das ewige Leben nach dem Tod, auf alle Fälle musste etwas an der ganzen Sache sein.

Doch das alles brachte Herb in einer Frage nicht weiter, konnte er so etwas wie er heute erlebt hatte, willentlich erzeugen?

Darauf würde er bei Google wohl keine Antwort finden, auch egal, er hatte heute einen ersten kleinen Vorgeschmack erhalten und dieser hatte ihm sehr gut gefallen, er hatte einen Plan und nach diesem Vorfall war Herb nun zuversichtlicher, ruhiger was seinen Plan anging.

Viel ruhiger ……. viel …was genau war es was sich in ihm auszubreiten schien…!

Gewissheit.

Ja genau, das war das richtige Wort nach dem er gesucht hatte, er war viel ruhiger aufgrund dieser Gewissheit des Vorfalles von heute Nachmittag, es machte Mut und gab Auftrieb und gab ihm noch etwas Anderes.

Etwas das genauso wichtig für ihn und seinen Plan war, nämlich, dass er auf dem richtigen Weg war und sein Entschluss allmählich, noch nicht ganz aber doch allmählich eine gewisse Vorstellung davon, wie es sein könnte!

Die Spaghetti!

Herb durchdrang der Gedanke an seine Spaghetti wie ein Blitzlicht die Dunkelheit aufblitzen lässt, vor ihm sprudelte der Topf mit Spaghetti auf dem Herd, mit einer Holzkelle griff er hinein und zog eine Spaghetti aus dem Wasser und ass sie.

Sie waren etwas mehr als al dente und höchste Zeit, das Wasser abzuschütten, danach machte Herb seine Spaghetti fertig und setzte sich an den Platz wo er immer sass und begann zu essen.

Die ganze Zeit schweiften seine Gedanken ab, er sponn den Faden weiter und weiter und er war sich sicher, etwas im Netz zu finden, er fühlte es und das Gefühl der Gewissheit das ihn befallen hatte, war präsent, mehr noch als zuvor hatte Herb das Gefühl, war sich allerdings nicht sicher, doch versuchte es zumindest zu glauben, dass es so war.

Nach dem Essen setzte sich Herb wieder vor einen Computer, angestachelt noch weitere Informationen zu finden und er war sich dabei sehr sicher, dass er noch weitere interessante Informationen finden würde.

Und er fand weitere Informationen.

Herb fand Wege, die ihm dabei helfen sollten, solche Erlebnisse wie er sie heute erlebt hatte, wiederholen konnte, nicht aus einer Laune der Natur heraus, sondern ganz bewusst.

Das war eine strake Information, Herb lächelte siegesgewiss und fleckte seine Zähne, was er zu lesen bekam gefiel ihm ausserordentlich, er spürte wie er förmlich in eine Art Sog von Interesse und Neugier gezogen wurde, der Countdown hatte angefangen.

Es ging los, seine Augen sogen jedes Wort das er las gierig in sein Bewusstsein, ein seltsames Kribbeln hatte ihn erfasst während er weiterlas und sich eifrig Notizen machte.

Er sollte sich in eine Art Trance und Entspannung versetzen, dann sollte er mit geschlossenen Augen sich den Raum vorstellen und sich dabei nach einer gewissen Zeit, wenn er ruhig und entspannt dalag, den Befehl geben, nun seinen Körper willentlich zu verlassen!

War das alles fragte sich Herb, brauchte es nicht mehr dazu?

Theoretisches Wissen ist eine Sache, die praktische Anwendung die andere rief er sich in Erinnerung und beschloss, diese Übung gleich selbst an sich auszuprobieren, sehen, ob es klappte und so einfach war?

Er las nochmals die verschiedenen Schritte durch, dann ging Herb ins Schlafzimmer um sich auf sein Bett zu legen und die Übung genauso zu machen, wie er eben gelesen hatte.

Wichtig war sich zu entspannen schoss es ihm durch den Kopf, doch seine Gedanken jagten unkontrolliert in seinem Bewusstsein hin und her, ganz ruhig bleiben riet er sich und mit der Zeit gelang es ihm, tatsächlich ruhiger zu werden und sich zu entspannen.

Dann versuchte er weiter, seinen Kopf frei zu bekommen und sich ganz darauf zu konzentrieren, entspannt zu sein.

Es gelang bereits etwas besser und, das wusste Herb, brauchte eine solche Übung eine gewisse Routine und diese fehlte ihm.

Doch er beschloss an diesem Abend im Oktober, es heute erst einmal zu versuchen, es war noch kein Meister vom Himmel gefallen, deshalb würde er die nötige Routine erlernen müssen.

Und er würde sie schnell erlernen müssen, je schneller je besser.

Während er seine Augen geschlossen hielt und sich weiter darauf beschränkte, ruhig und entspannt zu sein, fühlte er plötzlich eine innere Gelassenheit, sein Körper fühlte sich mit einem Mal entspannt und gelöst an.

Gut dachte Herb und freute sich über diese Erkenntnis, jetzt einfach weitermachen und dranbleiben, als nächstes würde er sich selbst befehlen, seinen Körper ruhen zu lassen und seinen Geist auffordern, seinen Körper zu verlassen.

Fühlte er sich immer noch entspannt, Herb fühlte in sich hinein, seine Arme und Hände fühlten sich so an, als lägen sie fest verwurzelt auf der Matratze auf der er lag, sein Gehirn schien leer zu sein, das zumindest dachte Herb, all die unkontrollierten Gedanken waren verschwunden, in seinen Ohren konnte er ein leises Pfeifen hören, doch das störte ihn nicht.

Im Geiste stieg Herb nun an die Zimmerdecke hoch und schaute dabei auf seinen Körper unter sich auf der Matratze liegen, diese Vorstellung konnte er leicht erzeugen, doch er wusste, nein er fühlte, dass er sich noch immer in seinem Körper befand und lediglich gedanklich an der Zimmerdecke schwebte.

Es war auch nicht dasselbe Empfinden wie er es heute Nachmittag wahrgenommen hatte, dieses Gefühl oder diese Vorstellung hatte nichts mit einer willentlichen Ausserhalb des Körpers Erfahrung zu tun.

Dann begann sein linkes Knie unkontrolliert zu zucken an, instinktiv fasste Herb an die Stelle und fühlte an der Stelle, wie ein Nerv spürbar pochte, ganz deutlich konnte er ein leichtes Pochen mit seinem Finger spüren an der Stelle, wo er seinen Fuss durch den Stoff seiner Jeans spürte.

Sollte er abbrachen oder weitermachen fragte sich Herb in diesem Augenblick und überlegte einen kurzen Augenblick, nachdem das Pochen schlagartig aufgehört hatte und er seine Hand wieder an ihre ursprüngliche Position brachte.

Mach weiter sagte er sich selbst und so versuchte er, sich erneut zu entspannen.

Schliesslich, nach einigen Minuten in denen er ganz ruhig auf seinem Bett gelegen hatte, fühlte er wieder dieses leichte Kribbeln an seinem ganzen Körper, es erinnerte ihn daran, als würde sein ganzer Körper einem leichten Stromstoss ausgesetzt sein der seinen ganzen Körper von dem Scheitel bis zur Sohle durchströmte.

Es war ein angenehmes Gefühl und er war nun schon bedeutend schneller in diesen Zustand gelangt als noch beim ersten Mal, du machst Fortschritte sagte er sich anerkennend und mahnte sich im nächsten Augenblick selbst daran, ruhig zu bleiben und sich nicht irgendwelchen Gedanken oder Überlegungen hinzugeben.

Doch auch diesmal kam er nicht über die reine geistige Vorstellung hinweg.

Schliesslich, er wusste nicht mehr genau wie lange er in diesem reglosen Zustand in seinem Bett gelegen hatte, überkam ihn das Verlangen nach einer Zigarette und einem Kaffee.

Er öffnete seine Augen und starrte zur Decke, blieb noch ein paar Sekunden so liegen ehe er aufstand und zuerst ins Badezimmer ging um zu pinkeln.

«Du brauchst noch mehr Übung» sagte sich Herb während er eine Zigarette rauchte und er war sich sicher, dass es ihm gelingen würde, seinen Körper willentlich verlassen zu können.

Und wenn er erst an diesem Punkt angelangt wäre, würde der Rest ein leichtes sein.

Doch wie würde es als Toter sein, wenn sein Körper reglos unter der Erde lag, zugedeckt in einem Sarg mit einem halben Kubikmeter Erde über sich aufgeschüttet?

Dann würde sein Geist dort verweilen, in der Nähe seines Körpers überlegte Herb, dieser Gedanke war ihm etwas unangenehm und furchteinflössend, doch sehr real.

Das war der Preis den er zu bezahlen hatte und dies musste ihm klar sein.

Es wäre eine Reise ohne Rückfahrkarte und dann, wenn er seine Reise erst einmal angetreten hatte, würde er versuchen seinen Plan durchzuführen, der Grund warum er das alles machte und auf sich nahm.

Auf der anderen Seite würde er Ruhe haben, all die irdischen Probleme mit denen er sich im Moment noch rumschlagen musste und mit denen er sich in den letzten Monaten rumgeschlagen hatte, wären hinfällig.

Er hatte sich zu diesem Schritt entschlossen, sein Entschluss fühlte sich immer noch sehr beängstigend an, so würde es jedem anderen auch ergehen und bestimmt war es all den Leuten genauso ergangen, die diesen Weg schon vor ihm bewusst gewählt hatten.

Was würde sein, wenn er seinen Plan zu Ende gebracht hatte, seine Aufgabe somit erfüllt sein würde?

Darauf hatte Herb keine Erklärung und er bezweifelte, dass er im Internet eine schlüssige Antwort auf diese Frage bekommen würde!

Wieder ein Gedanke auf den er wohl keine Antwort bekommen würde, er würde es wissen, wenn es soweit sein würde, doch erst dann und nicht vorher.

Auf einmal fühlte sich Herb müde, müde bestimmt von all den Gedanken und Fragen die er sich stellte in seinem eigenen Universum, es waren so viele Gedanken und Überlegungen die dafür sorgten, dass er sich müde fühlte.

Er rauchte eine weitere Zigarette und beschloss, sich durch Fernsehen abzulenken, ein Film würde ihn auf andere Gedanken bringen.

Der Besuch bei seiner Schwägerin Rita und seinem Bruder Daniel stand an.

Normalerweise, oder besser gesagt, früher hatte er sich immer über solche Einladungen gefreut, Rita war eine tolle Frau und er bewunderte Daniel dafür, dass er ein solch tolle Frau gefunden hatte und nun, Herb musste kurz überlegen, seit mehr als zehn Jahren glücklich verheiratet waren.

Ein wahrer Glückspilz, ihm, so fand Herb war ein solches Glück vergönnt geblieben, auch er hatte Freundinnen gehabt, doch die grosse Liebe wie sie zwischen Daniel und Rita war, war ihm nie untergekommen.

Eine Freundin hatte ihm mal vorgehalten, nicht bindungsfähig zu sein, damit hatte sie nicht seine Zuneigung die er den Frauen gegenüber zeigte gemeint, sie meinte damit, dass er für eine Ehe nicht bindungsfähig genug sein würde.

Er hatte lange über diese Aussage nachgedacht, war er für die Ehe nicht geschaffen, oder hatte ihm seine damalige Freundin, Daniela Moser hiess sie, recht gehabt mit dem was sie sagte?

In gewisser Weise hatte Daniela recht gehabt, doch nur in gewisser Weise aus seiner Sicht, vielleicht suchte er etwas, was es nicht gab, die Frau, die erst noch geboren werden musste.

Doch er sah es eher so, dass ihm die Richtige noch nicht über den Weg gelaufen war.

Egal schloss Herb dieses Thema ab, dies spielte jetzt keine Rolle mehr, er hatte andere Pläne und dafür brauchte er niemanden, seine Pläne waren eine Ein Mann Angelegenheit.

Partner oder eine Frau würde dies nur behindern oder erschweren, das brauchte Herb nicht.

Gewisse Dinge sind müssig sich den Kopf zu zerbrechen dachte sich Herb und rauchte erneut eine Zigarette, und er sollte sich weniger Sorgen wegen seiner bevorstehenden Reise machen, er hatte noch immer einen Weg gefunden, und auch für diese Sache würde er einen Weg finden.

Sein ganz persönliches Ding mit dem er allen auf die Birne scheissen würde, vielleicht würden sie es merken, dass er ihnen von ausserhalb auf die Birne scheissen würde, doch, wenn schon?

Herb begann zu lachen, und wenn schon dachte er erneut und lachte noch lauter, das sind die Spielregeln nach denen gespielt wurde und die er aufstellte, sein anfängliches Lachen weitete sich zu einem Lachanfall aus und es dauerte einige Minuten, bis Herb sich wieder erholt hatte.

Er hatte zu husten anfangen müssen, so heftig war sein Lachanfall gewesen und er hatte gespürt, wie sein Rachen zu schmerzen angefangen hatte und seine Adern am Hals angeschwollen waren über diese heftige Körperreaktion.

Hatte er noch Bier im Haus, fragte sich Herb und überlegte, er sollte noch ein oder zwei Dosen Karlskrone im Kühlschrank haben.

Revenge

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