Читать книгу Rum und Zigarren - Mit dem Fahrrad unterwegs in Kuba - Fritz Finkenzeller - Страница 4

1. Tag - Ankunft mit kleinen Hindernissen

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Samstag, 07.März 2015

In der Nacht von Freitag auf Samstag träume ich von unserer Anreise nach Kuba. Alles ist hektisch und kompliziert. Wir werden von Zollbeamten bei Ankunft festgehalten. Auf dem Gepäckband ziehen unsere Räder einsam Kreise, weil wir keine Erlaubnis zur Einreise erhalten. Dann werden wir von einer Alarmglocke im Flughafengebäude aufgeschreckt. Die Beamten fliehen und lassen uns alleine. Was machen wir nun? Sollen wir einfach unsere Räder schnappen und abhauen?

Unsere Entscheidung bekomme ich nicht mehr mit, weil ich aufwache. Und das zu einer für mich unüblichen Zeit. Es ist 5.30 Uhr. Die Alarmglocke, von der ich geträumt habe, ist unser Wecker. Und wir sind nicht in Kuba - noch nicht. Wir liegen zu Hause im Bett. In einer Stunde fährt die S-Bahn und bringt uns zum Flughafen. Nach einem Sparfrühstück und den letzten Aufräumarbeiten in der Wohnung marschieren wir mit unseren leicht gepackten Rucksäcken zum Bahnhof. Das Hauptgepäck haben wir bereits am Vortag mit dem Auto zum Flughafen gebracht und eingecheckt. 20 Kilo pro Person und zwei Fahrräder verpackt in Kartons sind einfach zu sperrig für eine Zugfahrt. Außerdem mussten wir noch ein kleines Problem lösen. Wir fliegen erst von München nach Frankfurt und ein paar Stunden später von Frankfurt weiter nach Varadero auf Kuba. Den Fahrradtransport mussten wir extra bezahlen. Es handelt sich normalerweise um einen Einheitspreis, gleich ob es Zwischenlandungen gibt oder nicht. Auf unserer Bestätigung war allerdings nur der Transport von Frankfurt nach Kuba deklariert. Wie kommen also unsere Räder nach Frankfurt? Dies ist uns erst eine Woche vor Abflug aufgefallen. Nach ein paar Telefonaten mit dem Reisebüro und der Airline konnten wir klären, dass die Räder garantiert mitgenommen werden. Wenn das erst am gestrigen Check-In aufgefallen wäre, hätten wir bereits dort die erste Blutdruckerhöhung dieser Reise erlebt. Und ein Trip nach Kuba könnte ja noch einige Komplikationen mit sich bringen. Immerhin reisen wir in ein sozialistisches Land. Man hört oft von anderen Leuten, welche Schwierigkeiten sie hatten. Man fürchtet insgeheim mit willkürlicher Behandlung durch Behörden und Offiziellen.

Deswegen prüfen wir vor dieser Reise doppelt, ob wir alle Unterlagen vollständig eingepackt haben. Es handelt sich um einen ansehnlichen Stapel Papier. Im Einzelnen sind dies: ein 30 Tage gültiges Touristenvisum, die Bestätigung einer privaten Auslandsreisekrankenversicherung in spanischer Sprache, natürlich der Reisepass sowie den gesamten Mailverkehr und die Anfahrtsskizzen für unsere Unterkünfte. Da man kein GPS-Gerät nach Kuba mitnehmen darf, sind wir wie früher auf Papier angewiesen. Deshalb habe ich auch von unseren Radetappen Tourenkarten ausgedruckt. Normalerweise würden diese auf unser Fahrrad-GPS geladen und auf dem kleinen Bildschirm während des Fahrens angezeigt. Da die Einfuhr eines solchen Gerätes eben nicht erlaubt ist, müssen jetzt eine klassische Landkarte und ein Kompass beim Navigieren helfen. Da ist man froh, dass man in den 70er Jahren geboren wurde. Da lernten wir noch mit diesen heute nostalgischen anmutenden Mitteln umzugehen.

Unsere Freunde halten wir normalerweise während unserer Reisen mit Berichten auf unserem Internetblog auf dem Laufenden. Wir schreiben dabei von den Erlebnissen des Tages und erklären Wissenswertes über das Land. Mangels verfügbarem Internet in Kuba fällt dies auf unserer Reise aus. Die Erlebnisse werden wie früher in ein kleines Notizbuch eingetragen. Es sieht so aus, als würden wir die Reise ganz „old school“, ohne technische Unterstützung machen. Das alleine hat bereits seinen Reiz. In der Zeit, in der wir jetzt leben, werden technische Hilfsmittel als selbstverständlich betrachtet. Aber wieder einmal, wie vor 20 Jahren zu reisen, das ist heute für so manchen bestimmt eine Herausforderung.

Das Handy schalte ich jetzt aus. Drei Wochen lang wird es kein Internet geben und aufgrund der hohen Minutenpreise auch keine - oder nur ganz wenige - Telefonate. So lange ohne Internet und keine Mails? Werden wir das überhaupt aushalten? Schon jetzt überkommt uns so etwas wie eine Entzugserscheinung. Aber das muss man verdrängen. Es geht auch ohne und früher gab es all den "Schnickschnack" gar nicht. Wir machen einen Urlaub in der Vergangenheit. Das tut doch gut. Alle wissen, dass wir nicht zu erreichen sind. Dann fragt auch keiner nach. Außerdem hat man mehr Zeit sich auf den Urlaub zu konzentrieren und starrt nicht dauernd auf irgendwelche Displays.

Nur mit unserem Handgepäck kommen wir entspannt am Flughafen an, passieren ohne Schwierigkeiten die Sicherheitskontrolle und können gemütlich auf den Abflug warten. Als sich an unserem Gate nichts tut, fragen wir nach. Das Gate wurde geändert. Wir kommen aber rechtzeitig zum richtigen und erreichen Frankfurt nach etwa einer Stunde Flugzeit. In Frankfurt müssen wir uns neue Bordkarten für den Weiterflug organisieren. Auch bei diesem Flug wurde das Gate abgeändert. Das Zeitfenster ist nicht allzu groß. Dazu kommt, dass wir erneut die Sicherheitskontrollen durchlaufen müssen. Während es in München keinerlei Probleme gab, pfeift es bei mir laut und ich werde genau abgetastet. Auch mein Rucksack wird ausgeräumt und genau inspiziert. Ich finde das voll in Ordnung und fühle mich gleich noch wohler. Sie sollen nur schnell machen. „Uns pressiert´s.“ denke ich auf bayrisch.

Am Gate werden wir aufgefordert in Busse einzusteigen, die uns zum Flugzeug bringen. Nach 10 Minuten müssen wir jedoch wieder aussteigen. Irgendwas ist an der Maschine noch zu machen. Ich habe deswegen keinerlei Bedenken. Sie werden die Maschine wohl nicht generalüberholen müssen. Aber ich grüble, wie sich eine Verspätung auf unsere Ankunft und das weitere Programm auswirkt. Planmäßig sollen wir um 20 Uhr Ortszeit auf Kuba landen. Für 21 Uhr habe ich das Auto bestellt. Um 22 Uhr wollten wir unsere erste Unterkunft in Matanzas, unweit des Flughafens, erreichen. Naja, es wird schon alles klappen. Nach 15 Minuten dürfen wir dann doch in die Busse steigen und der Flieger hebt mit etwas Verspätung ab. Ein wenig davon wird der Pilot noch gutmachen, wenn er etwas aufs Gas drückt.

Um 20:15 Uhr Ortszeit befinden wir uns im Landeanflug auf Varadero. Da sich hier in der Nähe die bekanntesten Strände und die meisten Hotels befinden, ist der Flughafen der zweit wichtigste auf Kuba nach dem Airport Havanna. Während der Pilot unseren Flieger über die Landebahn bringt, sehen wir die Lichtanlagen des Flughafens. Die schwachen Scheinwerfer leuchten schwächer als das Flutlicht auf dem Fußballplatz unserer kleinen Heimatgemeinde. Auch die in der Ferne erkennbaren Orte sind nicht lichtstark. Das ist schon das erste, was uns auffällt. Kuba – ein Schwachstromland?

Wir haben nur eine viertel Stunde Verspätung. Nach dem Aussteigen geht es durch lange Gänge bis wir eine Halle mit knapp 20 Schalter für die Immigration erreichen. Die Miniaturbüros sind durch Milchglasscheiben sichtgeschützt, damit man die Beamten von der Halle aus nicht sehen kann. Der große Raum ist schon zu Hälfte gefüllt und nur die Hälfte der Schalter scheint besetzt zu sein. Wir wählen die kürzeste Schlange aus und stellen uns an. Es ist 20:30 Uhr. Immer mehr Touristen drängen in die Halle. Bald ist sie fast vollständig gefüllt. Wer jetzt hinten steht, muss sich wohl auf einen langen Abend gefasst machen.

Wir haben die langsamste Schlange erwischt, scheint mir. Leute, die sich gerade noch auf gleicher Höhe mit uns in einer anderen Schlage befanden, stehen jetzt schon einige Meter weiter vorne. Langsam macht sich Müdigkeit in uns breit. Für uns ist es jetzt 3 Uhr nachts deutscher Zeit. Wir sind schon 21 Stunden auf den Beinen. Eine halbe Stunde später wird unsere Müdigkeit bleiern. Wir haben das vordere Ende der Schlange immer noch nicht erreicht. Es ist 21 Uhr. Der Autovermieter würde uns jetzt erwarten. Das Zittern beginnt. Hoffentlich wartet er auf uns....

Eine weitere halbe Stunde dauert es, bis wir an die Reihe kommen. Als ich an den Schalter trete, sehe ich in das Gesicht einer lustlosen, kaugummikauenden Beamtin, die sich nach hinten hängend auf ihrem Stuhl fläzt und meine Papiere begutachtet. Mit einem gelangweilten Gesichtsausdruck sieht sie sich in aller Ruhe die Unterlagen an. Dann fordert sie mich mit einem Kopfschwenken auf, in die installierte Kamera zu blicken. Sie machen also ein Foto von uns bei der Einreise. Nach einer gefühlten Ewigkeit knallen zwei Stempel auf meinen Reisepass sowie mein Visum und ich bekomme meine Papiere zurück. Die Bestätigung für die Auslandsreise-Krankenversicherung wollte sie gar nicht sehen. Jetzt bin ich wirklich in Kuba. Aber das heißt ja nicht, dass wir schon alle Hürden genommen haben. Nun wird unser Handgepäck noch einmal durchleuchtet. Bei der Einreise in ein Land habe ich das noch nie erlebt.

Weiter geht es zu den Gepäckbändern. Von weitem sehen wir schon einen Haufen von Gepäckstücken neben dem Gepäckband liegen. Da wir über eine Stunde für die Immigration benötigt haben, wurde das Band schon für den nächsten ankommenden Flieger gebraucht. Unsere Radkartons sehen wir sofort. Nur die Suche nach den Taschen benötigt etwas mehr Zeit. Ein engagierter Flughafenmitarbeiter ist Elke behilflich, während ich auf die Räder aufpasse.

Aber wir sind immer noch nicht durch. Ein weiteres Hindernis sind drei weibliche Beamte in adretten Uniformen, die ich jetzt nicht genauer begutachten kann. Sie kontrollieren stichprobenartig die Ankömmlinge und ihr Gepäck beim Verlassen des Flughafens. Während Elke die Toilette aufsucht warte ich. Dabei beobachte ich, wie ein Mann mit einem Karton mit ähnlicher Größe der unseren auf die Kontrolleurinnen zusteuert. Er sieht südländisch aus und wird aufgehalten. Es wird sogar nach einem Spezialbeamten gerufen und er muss seinen Karton öffnen. Es wird eine sehr genaue Inspizierung durchgeführt. Ich denke mir „Super, wir haben jetzt aber keine Zeit für so etwas“. Wie lange wird die Autovermietung wohl auf uns warten?

Es ist kurz nach 22 Uhr als wir das Flughafengebäude verlassen. Auf den ersten Blick kann ich das Büro der Mietwagenfirma nicht sehen. Bis ich jemanden finde, den ich fragen kann, werde ich von mindesten fünf Leuten mit einem fragenden „Taxi?“ angesprochen. Ich frage einen Mann nach den Autovermietern und erhalte die Auskunft, dass wir zweihundert Meter weitermüssen. Mein Spanisch ist für solche Situationen ausreichend. Notfalls wird es auf Englisch probiert. Sollte das nicht reichen, kann Elke mit fließenden Italienisch nachlegen. Diese Sprache ist dem Spanischen sehr ähnlich. Außerdem kann sie viel besser Englisch als ich. Sprachlich haben wir auf der Reise sicher keine Schwierigkeiten.

Abseits der Ankunftshalle gibt es mehrere Autovermieter. Nachdem ich nicht gleich erkenne, welches für uns zuständig ist, frage ich mich wieder durch. Auf jeden Fall brennt überall noch Licht. Das beruhigt mich. Vorgedrungen zu meiner Ansprechpartnerin, lege ich meine Unterlagen vor. Sie ist sehr freundlich und hat extra auf uns gewartet. Sie dachte schon, dass wir uns verspäten. Was folgt ist ein Schwall an Verhaltenstipps für das Autofahren auf Kuba. Das Fahren im Dunkeln ist zu vermeiden, da die meisten Verkehrsteilnehmer nicht beleuchtet sind. Das gilt für Pferdefuhrwerke, Radfahrer, Reiter und Fußgänger. Als Fahrzeugunterlagen bekommen wir die Kopie des Vermietungsvertrages. Es ist ein kaum leserlicher Durchschlag in rosa Farbe. Der ist sehr wichtig. Wir dürfen ihn nicht verlieren. Sollten wir einen Strafzettel von der Polizei bekommen, dürfen wir diesen nicht in bar an die Polizisten zahlen. Sie würden das Geld selbst einstecken. Die Strafe muss von der Polizei auf dem rosa Zettel notiert werden und wird am Ende bei Rückgabe an die Mietfirma bezahlt. Sollten wir den rosa Zettel verlieren, wird eine saftige Gebühr fällig. Man könnte ja allerhand Strafen kassiert haben und den rosa Zettel „zufällig verlieren“. Falls wir eine Reifenpanne haben, ist das Ersatzrad zu montieren. Hört sich logisch an. Allerdings stutze ich, als mir erklärt wird, dass die Chance für eine Reifenpanne sehr groß ist. Die gute Frau vom Vermietbüro schätzt die Wahrscheinlichkeit als gering ein, dass wir die 3 Wochen ohne Panne überstehen. Im Schadensfall soll der defekte Reifen bei der nächsten Tankstelle repariert werden. Die Kosten liegen um die 10 Euro. Außerdem gibt es eine Menge Kleinunternehmer, die ausschließlich nur Reifen und Schläuche flicken. Das Geschäft scheint wirklich zu brummen, wenn ein eigener Geschäftszweig davon leben kann. Die Straßenverhältnisse werden als sehr schlecht beschrieben. Es gibt eine Menge Schlaglöcher und viele Straßen sind nicht geteert. Umsichtige Fahrweise ist angebracht. Aufpassen muss man auf die vielen Verkehrsteilnehmer unterschiedlichster Geschwindigkeiten. Da kann es schon mal vorkommen, dass man für ein langsames Pferdefuhrwerk auf einer großen „Bundesstraße“ stark bremsen muss. Für den Fall einer größeren Panne bekomme ich eine Notfallrufnummer. Es kann aber schon ein paar Stunden dauern, bis dann Hilfe vor Ort ist. Bei einem Unfall ist immer die Polizei zu rufen und ein Protokoll anzufertigen.

Das waren viele Informationen. Aber bis auf die hohe Wahrscheinlichkeit für einen platten Reifen nichts Ungewöhnliches, wie ich meine. Den Mietwagen haben wir mit Ausnahme der Vollkaskoversicherung von zu Hause aus bereits bezahlt. Nur die Versicherung wird jetzt vor Ort mit der Kreditkarte beglichen.

Der Tank ist voll. Den Sprit muss ich aber bar zahlen. Da wir vom Einwanderungsschalter und der Gepäckausgabe direkt hierhergekommen sind, hatten wir noch keine Möglichkeit Geld zu tauschen. Mir ist nur in Erinnerung, dass ich vor dem Flughafengebäude einen Schalter aus dem Augenwinkel gesehen habe, an dem sich eine elend lange Menschenschlange gebildet hat. Das muss die Wechselstube gewesen sein. „Ach du liebe Zeit, das fehlt uns gerade noch, dass ich jetzt eine Stunde am Bankschalter anstehen muss. Wann werden wir heute wohl im Bett liegen? Und wenn wir noch länger brauchen, bekommen wir heute überhaupt noch ein Bett?“ denke ich. Unsere Vermieterin wird dann schon in den Träumen liegen und ich sehe uns im Auto in einer dunklen Gasse übernachten. Ich muss meine Phantasie aber nicht mehr weiter strapazieren. Die nette Autovermieterin gibt mir den Tipp, dass es in der Halle für die Abflüge noch einen zweiten Schalter gibt. Dort stehen in der Regel weniger an, weil er nicht so bekannt ist. Es ist schon nach halb elf. Langsam pressiert es wirklich.

Während meines Aufenthaltes im Vermietbüro passt Elke draußen auf unsere Sachen auf. Dabei wird sie von dem Besitzer des Restaurants nebenan dauernd angesprochen. Ob sie nicht ein Bier will, ob wir noch etwas essen wollen und so weiter.... Sie hält der Belagerung stand. Immerhin waren wir schon in Ägypten, da ist man bezüglich aggressiver Verkäufer abgehärtet. Ich rufe ihr kurz zu, dass ich zum Geld tauschen muss und suche den Schalter in der Abflughalle. Die Schlange an der Wechselstube draußen ist immer noch gut 50 Meter lang. Die Leute stehen schon auf dem Gehsteig, an dem die Taxis warten. Da würde ich sicher eine weitere Stunde brauchen, bis ich dran bin. Derweil bekäme Elke Plattfüße. Ich drücke mich durch die Menschenmenge und bahne mir den Weg zur Abflughalle am anderen Ende des Flughafengebäudes.

Zu so später Stunde fliegen nicht mehr allzu viele Maschinen ab. Daher befinden sich nur wenig Menschen in dem Gebäude. Den besagten Wechselschalter sehe ich sofort. Es ist nur eine Person vor mir. Eine Minute später bin ich an der Reihe. Ich lege 250 Euro auf den Tisch. Es folgt die Umrechnung in CUC. CUC bedeutet: „Peso Cubano Convertible“ und ist seit 1994 neben dem einheimischen „Peso“ die zweite Währung in Kuba. Dieses "künstliche Geld" ist im Verhältnis 1:1 an den US-Dollar gebunden. Nachdem der Wechselkurs des Euro zum Dollar derzeit auch circa 1:1 beträgt, ist das Umrechnen für uns sehr leicht.

Warum gibt es diese zweite Währung? Das hat geschichtliche Gründe. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, die ein wichtiger Partner der Kubaner bis Ende der 80er Jahre war, ging es mit Kubas Wirtschaft stark bergab. 1993 legalisierte die kubanische Regierung den US-Dollar als Zahlungsmittel, welcher schon vorher die eigentlich verbotene Schwarzmarktwährung war. Anfangs war der CUC ein Mittel, mit dem Touristen Luxuswaren in speziellen Läden einkaufen konnten. Kuba hatte jetzt Devisen mit denen es wiederum Importware aus dem Ausland bezahlen konnte. Später wurde es jedem Bürger Kubas erlaubt in diesen Geschäften einzukaufen. Das System ähnelt den Intershop-Läden in der ehemaligen DDR. 2004 hat Kuba das Zahlen mit US-Dollar untersagt. Seitdem müssen alle Besucher und Handelspartner die Devisen, egal ob Dollar, Euro oder andere Währungen bei staatlichen Banken oder Wechselstuben, in CUC tauschen. Die Transaktionsgebühren fließen ausschließlich an kubanische Banken und damit dem Staat zu. Das ist schlau.

An so einer staatlichen Wechselstube stehe ich nun. In letzter Sekunde überlege ich, ob ich eine höhere Summe umtauschen soll. Als ich den Wunsch äußere sehe ich in einen nicht begeisterten Gesichtsausdruck. Ich drücke das jetzt wohlwollend harmlos aus. Gleich ziehe ich meinen Antrag zurück. Den Gesichtsausdruck kenne ich irgendwo her? Ach ja, am Einwanderungsschalter hat mich die Beamtin auch so angesehen. Einen staatlichen Job zu haben macht anscheinend nicht glücklich. Aber ich will das nach einer Stunde in Kuba nicht behaupten und warte die nächsten drei Wochen ab, ob sich diese These bestätigt.

Mit meinen Peso Convertible mache ich mich auf den Weg zurück zum Vermietbüro. Ich habe nur 10 Minuten benötigt. Schritt für Schritt nähern wir uns dem ersehnten Bett. Für die Tankfüllung berappen wir 78 CUC. Das sind 60 Liter Tankinhalt multipliziert mit 1,30 CUC pro Liter Superbenzin. Das mit dem Benzin ist auch ein „bauernschlaues“,… äh „kubaschlaues“ System. Die Mietwagenfirma oder dessen Angestellte können den Sprit für etwa 1,00 CUC kaufen. Das ergibt einen Gewinn von 30 %. Deswegen muss ich auch in bar bezahlen. Außerdem sagt mir die Dame, ich kann den Wagen ohne vollzutanken wieder abgeben. Das ist zwar recht praktisch, aber die Firmen rechnen damit, dass man nicht mit dem letzten Tropfen zurückkommt. Der Rest im Tank ist quasi geschenkt. Macht nichts, ich habe das im Vorfeld bereits gelesen und weiß, dass ich mich darauf einlassen muss.

Jetzt gehen wir nach draußen, um den Wagen zu inspizieren. Es handelt sich um einen Renault Fluence, ein Fahrzeug, welches ich bei uns in Deutschland so noch nicht gesehen habe. Es ist ein geräumiger Mittelklassewagen mit Stufenheck. Das hatte ich befürchtet. Es erschwert ein wenig das Verladen unserer Räder und der Kartons. Mit der Angestellten gehen wir die Schäden am Auto durch. Er hat 65.000 Kilometer auf dem Buckel. Ein paar große Schrammen werden im Bericht eingetragen. Auf den Hinweis, dass er ringsherum kleinere Schrammen aufweist, markiert sie das gesamte Auto auf dem Formblatt. Nach der Zeichnung müssten wir praktisch einen Totalschaden produzieren, um bei Rückgabe eine Reklamation zu bekommen. Beruhigt erhalte ich den wichtigen rosa Durchschlag des Dokumentes ausgehändigt. Zwei Minuten später ist das Büro verschlossen und die Dame braust vom Parkplatz. Sie hat tatsächlich extra auf uns gewartet und ihren Feierabend verschoben.

Ich hole mein Mulitfunktionstaschenmesser aus dem Gepäck und schneide die Kartonagen der Räder auf. Immer noch redet der Besitzer des Restaurants von nebenan auf uns ein, ob wir nicht doch noch etwas trinken wollen. Wir ignorieren ihn einfach. Trotzdem versetzt er uns in eine leichte Hektik. Und wir wollen zumindest noch vor Mitternacht bei unserer Unterkunft ankommen. Es ist schon 23 Uhr. Um 22 Uhr wollten wir bereits dort sein. Das treibt uns zur Eile an. Die Rückbank ist umklappbar und wir schlichten die Räder aufeinander in den Kofferraum. Es funktioniert. Dann noch die Reisetaschen und die gefalteten Kartonagen der Räder irgendwie in das Auto gestopft und los kann es gehen.

Mit Bedacht fahren wir die ersten Kilometer vom Flughafen Richtung Matanzas. Was haben wir gelernt? Eigentlich soll man als Tourist in der Nacht nicht Autofahren. Die ersten Kilometer lenken wir durch dunkle Einsamkeit auf einer guten Straße. Trotzdem halten wir immer Ausschau nach wilden Schlaglöchern. Vorsicht ist die Mutter der Reifenpannen und der Schutzengel der unbeleuchteten Fußgänger und Radler!

Als wir die Stadtgrenze von Matanzas erreichen, wird es spannend. Werden wir die Adresse unserer Unterkunft gleich auf Anhieb finden? Immerhin ist Matanzas Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und hat über 150.000 Einwohner. In Google Maps habe ich versucht die Adresse zu lokalisieren und einen Ausdruck erstellt. Ob der amerikanische Informationsdienst aber so genaue Daten vom "Feindesland" hat, um eine Adresse mit Straße und Hausnummer einer exakten Stelle zuzuordnen? Wir müssen zum „Hostal Alma". Die Unterkunft wird von einer Dame geführt, die privat ein paar Zimmer vermietet.

Die Stadt besteht aus vielen engen Straßen. Da zwei Fahrspuren recht knapp wären, gibt es viele Einbahnstraßen. Elke hat die selbst erstellte Karte in der Hand und lotst mich ins Zentrum. Man muss sehr gut aufpassen und vorsichtig fahren. Die vielen unbeleuchteten Verkehrsteilnehmer und Fußgänger wären wirklich leicht zu übersehen. Autos fahren so gut wie keine um diese Uhrzeit. Als wir der markierten Stelle ganz nahe sind, ist kein Hinweis auf unsere Unterkunft zu sehen. Die Häuser sind alle aneinandergebaut. Ein Straßenzug ist wie eine lange Mauer. Alle paar Meter sind schmale, hohe Türen. Straßenschilder und Hausnummern sind nicht zu erkennen oder wir können sie im schwachen Licht nicht lesen. Bald ist es Mitternacht. Wir wollen schon aus Höflichkeit nicht noch später kommen. Die Frau will ja auch einmal schlafen gehen. Hoffentlich ist sie es nicht schon….

Nachdem wir einen Block zweimal umrundet haben, wird es mir zu dumm. Ich halte den Wagen an und steige aus. Mit meinen Unterlagen gehe auf eine paar junge, dunkelhäutige Typen zu. Sie stehen gerade vor einem Laden, an dem noch Getränke verkauft werden. Ich frage auf Spanisch, wo sich die Adresse befindet. Gleich prescht einer von ihnen aus der Gruppe heraus, um mir zu helfen. Er schaut sich kurz meinen Zettel an und gibt zu verstehen, dass unser Ziel gleich dort vorne sei. Er zeigt auf die nächste Straßenecke. Er will mitgehen. Natürlich sehe ich in seiner Hilfsbereitschaft auch die Möglichkeit, dass er einem Trinkgeld nicht abgeneigt ist. Er hätte es auch redlich verdient, wenn er uns hilft, endlich ins Bett zu kommen.

An der nächsten Seitenstraße hält er inne und sieht sich fragend um. „Aha, er weiß also doch nicht genau, wo er hin muss“, denke ich mir. Gleich spricht er ein paar andere Passanten an und fragt nach der Adresse. In deren Gestik sehe ich, dass es doch weiter entfernt ist. Elke habe ich einfach alleine gelassen. Hoffentlich macht sie sich keine Sorgen, weil ich so lange nicht zurückkomme. Zum Absprechen war keine Zeit mehr. Ich dachte schließlich, es wären nur 50 Meter....

Nach einer weiteren Abzweigung erreiche ich mit meinem Helfer eine Tür mit einem kleinen Schild. Es trägt die Aufschrift „Hostal Alma“. Wir läuten. Es wird spannend. Nach einer halben Minute meldet sich jemand. Ich sage, dass ich der deutsche Urlauber bin. Kurz darauf summt der Türöffner und ich betrete das alte Kolonialhaus. Der Flur ist eng und mit alten, bunten Fließen verkleidet. Die Treppe besteht aus massiven Steinplatten. Sie führt ein Stockwerk nach oben. Dort empfängt mich eine Dame um die 60 Jahre mit einem freundlichen Lächeln. Der Tag, beziehungsweise die Nacht ist gerettet. Ich mache klar, dass ich mit dem Auto etwas weiter weg stehe und gleich zum Ausladen des Gepäcks komme. Sie weist mich noch an, anschließend das Fahrzeug auf einem nahegelegenen Platz abzustellen. Vor dem Haus ist in der Nacht das Parken verboten.

Meinem Helfer drücke ich ein Trinkgeld in die Hand. Er würde mir auch beim Gepäck helfen, aber ich mache ihm klar, dass wir es alleine schaffen. Etwas unzufrieden sucht er das Weite. Er hätte sich gerne ein zweites Trinkgeld verdient. Ich laufe den Weg zum Auto zurück. Es sind ungefähr 500 Meter. Dabei merke ich mir, wie ich zu Alma fahren muss, um keine Einbahnstraßenregelung zu missachten. Elke berichte ich vom Geschehenen. Ein paar Minuten später haben wir das Gepäck ins Haus getragen, genauer gesagt in das Wohnzimmer unserer Vermieterin.

Die Hauswirtin ist sehr nett. Alles ist sehr sauber. Sie geht mit uns auf die Terrasse in den Innenhof. An der Seite befinden sich die Gästezimmer sowie die dazugehörigen, benachbarten Badezimmer. Die schön bepflanzte Terrasse lockt mit zahlreichen Sitzgelegenheiten und morgen gibt es hier Frühstück. Unsere Zimmer und das Badezimmer sind einfach und alt, aber picobello sauber. Es gibt sogar heißes Wasser betont die alte Dame und sieht uns durch ihre dicken Brillengläser freundlich an.

Unsere Vermieterin fragt noch, wann wir frühstücken wollen und macht uns auf die in dieser Nacht beginnende Sommerzeit aufmerksam. Normalerweise beträgt der Zeitunterschied zwischen Deutschland und Kuba 6 Stunden. Die Sommerzeit beginnt hier aber schon in den ersten Märzwochen. Dann ist der Zeitunterschied zur Heimat nur 5 Stunden. Wir sagen, dass wir es in der Früh nicht eilig haben. Wir wollen nur noch ins Bett. Räder zusammenbauen und das Gepäck sortieren kann bis morgen warten. Nur für eine heiße Dusche nehmen wir uns die Zeit. Es ist knapp 1 Uhr nachts. Zusammen mit der Zeitverschiebung von 6 Stunden sind wir jetzt 26 Stunden auf den Beinen. Deswegen dauert es nur Sekunden bis wir eingeschlafen sind. Vielleicht träume ich wieder von unserer ereignisreichen Anreise nach Kuba.

Rum und Zigarren - Mit dem Fahrrad unterwegs in Kuba

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