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3. Tag - Revolution

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Montag, 09.März 2015

Eigentlich habe ich mir vorgestellt, dass wir die Stadt heute mit dem Fahrrad erkunden. Doch nachdem wir gestern gesehen haben, wie lebhaft die Stadt ist, beschließen wir heute wieder zu Fuß durch Havanna zu marschieren. Einige Bereiche der Altstadt haben wir noch zu entdecken. Gerade den nördlichen Teil hatten wir gestern ausgelassen. Hier befindet sich das Revolutionsmuseum, der "Plaza de Armas", die berühmte Kathedrale und noch vieles mehr. Mit dem Fahrrad lässt sich das alles nicht so einfach abklappern, wie per Pedes. Auch wenn wir schon ganz heiß auf das Radfahren sind, werden wir uns noch gedulden, bis wir in Viñales, dem nächsten Ziel unserer Reise, sind.

Unser Frühstück haben die Hausherren im großen Wohnzimmer auf einem kleinen Tisch vorbereitet. Neben unserem sind noch zwei weitere Tische gedeckt. Gleich werden wir nach Kaffee gefragt und bekommen einen Früchteteller serviert. Er ist nicht so üppig ausgestattet wie der in Matanzas gestern. Es wird Zwieback und Kuchen gereicht. Außerdem stellt man uns ein kleines Stück Butter und Guavenmarmelade hin. Das Stück Marmelade reicht zwar nur für ein halbes Brötchen, obwohl für jeden von uns vier kleine, getoastete Scheiben vorhanden sind. Den Rest müssen wir also ohne Belag essen. Eigentlich passt alles. Doch die Hausherren scheinen etwas sparsam zu sein. Der Kaffee läuft relativ dünn aus der Kanne und die Milch ist durchsichtig. Genauso schmeckt es. Die Milch wurde mit Wasser stark gestreckt. Der Kaffee schmeckt wie schon zum dritten Mal durch den Filter gejagt.

Nach dem spärlichen Frühstück gehen wir erst mal zum Einkaufen. Da wir gestern neidvoll auf unsere 1,5 Liter Wasserflasche angesprochen wurden, vermuten wir, dass es gar nicht so leicht sein wird, immer und an jeder Ecke Wasser kaufen zu können. Wasser ist für unsere Radtouren aber das Wichtigste. Deswegen wollen wir einen Großeinkauf machen.

Gestern haben wir in einem Laden gleich um die Ecke eingekauft. Es gibt aber sicher noch einen größeren Supermarkt. Ein großes Kaufhaus ist uns gestern in der Neptuno aufgefallen. Es ist mehrere Stockwerke hoch. Die müssen sicher eine große Auswahl an Produkten haben, denken wir uns.

Mit Rucksack kommen wir schon mal nicht rein. Wie an einer Theatergarderobe bekomme ich eine Marke und mein Rucksack verschwindet hinter dem Tresen. Am Eingang steht ein Wachmann. Um den zentralen Raum in der Mitte des Gebäudes ranken sich allerlei Geschäfte. Schuhverkäufer, Modegeschäfte, Drogerien und weitere Läden haben kleine Verkaufsflächen. Das Warenangebot ist übersichtlich. Hier kann man auch nur in CUC bezahlen. Im ersten Stock ergibt sich das gleiche Bild. Wir wollen hauptsächlich Wasser besorgen. Es interessiert uns aber, was es in Kubas Hauptstadt sonst noch alles zu kaufen gibt. Im Kellergeschoss befindet sich ein Lebensmittelladen. Die Regale sind wie in den kleinen Läden nicht vollständig gefüllt. Oft beansprucht ein Produkt einen Meter Platz. Dass wir in einem besonderen Geschäft sind, bemerken wir am Vorhandensein von internationalen Waren. Es gibt unter anderem amerikanisches Coca-Cola, Nudeln von Barilla aus Italien und Schokolade aus Deutschland. Die Preise sind hoch, auch für unsere Verhältnisse. Das liegt am enormen Importzoll, den die kubanische Regierung verhängt hat. Viele der angebotenen Produkte eignen sich für die Bewirtung von Touristen. Diese zahlen mit CUC. Die privaten Vermieter können dann hier mit CUC einkaufen. Uns wird noch mehr bewusst, dass die zwei Währungen in Kuba auch zwei Welten für die Menschen bedeuten.

Wasser ist aus. Dafür gibt es jede Menge Softdrinks aus aller Welt. Damit wir nicht umsonst hier sind, wollen wir für die nächsten Tage noch Kekse einkaufen. Wir entscheiden uns für ein paar kubanische Produkte. Einfach aus dem Regal nehmen geht nicht. In einem Schaukasten unter dem Tresen liegen nur die Muster. Eine Angestellte fischt uns die gewünschten Artikel aus den Regalen hinter ihr heraus.

Beim Verlassen des Kaufhauses wird der Inhalt unserer Einkaufstüte akribisch mit dem Kassenzettel verglichen. Das wird bei jedem gemacht, der das Gebäude verlassen will. Ganz schön personalintensiv so ein Kaufhaus. Da es sich um staatliches Unternehmen handelt, werden die Angestellten allerdings nur mit einer Handvoll kubanischer Peso entlohnt.

Das war ja nichts mit dem Wassereinkauf. Wir suchen noch drei weitere, kleine Läden auf. Aber nirgendwo gibt es Wasser in 1,5-Liter-Flaschen. Also gehen wir zurück in das Geschäft, in dem wir gestern eingekauft haben. Der Bestand an großen Wasserflaschen ist schon sehr viel weniger geworden. Deswegen kaufen drei Sechserpacks. Sie sind ganz schön schwer, aber die 500 Meter zu unserer Unterkunft kann ich zwei Packen schon tragen. Elke nimmt den dritten „Sixpack“.

Die Kassiererin fragt uns, ob wir ein Auto vor der Tür stehen haben und winkt einen Angestellten herbei, der uns helfen soll, die 27 Kilo Wasser nach draußen zu bringen. Unser Auto steht aber nicht vor der Ladentüre. Alle schauen uns unverständlich an. Sie denken sicher: "Was machen diese Touristen bloß mit dem ganzen Wasser". Zum Kochen läuft es doch aus der Leitung und zum Trinken gibt es Bier, Cola, Limonaden und Fruchtsäfte.

Kaum sind wir auf der Straße werden wir alle 10 Meter von den Fahrern der Bici-Taxis angesprochen. Diese lauern immer auf Kunden, wenn sie gerade keine Gäste haben. Wir scheinen mit unserer Last die perfekte Kundschaft zu sein. Trotzdem lehnen wir alle Angebote dankend ab. Es ist wie ein Spießroutenlauf.

Die Bici-Taxis sind so etwas wie Asiens Rikschas. Sie haben ein bis zwei Fahrgastplätze und dürfen eigentlich laut Gesetz nur Kubaner befördern. Doch wo kein Kläger, da ist auch kein Richter. Touristen zahlen eben in CUC und das ist viel besser, als einen Einheimischen für ein paar lausige Pesos zu transportieren. Als Radfahrer habe ich schon gestern die Bici-Taxis bewundert. Statt Lenker haben sie meistens Lenkräder von Autos montiert. Die Ketten sind oft stark gelängt und hängen wie ein Seil durch. Die Sitzposition ist extrem. Der Sattel des Chauffeurs ist viel weiter hinten montiert, als bei einem normalen Fahrrad. Die Knie bewegen sich beim Fahren oft weit nach oben. Ich denke, denen muss es doch beim Treten die Kniescheibe sprengen. Tatsächlich haben wir gehört, dass einige, besonders langgediente Rad-Taxifahrer Probleme mit ihren Gelenken haben. Sollte man den Service der Radltaxis beanspruchen, ist es ratsam den Preis vor Antritt der Fahrt auszuhandeln. Touristen werden gerne Opfer überhöhter Rechnungen. Für einen Kilometer sollte es maximal ein CUC sein. Wir brauchen kein Taxi. Ein wenig Frühsport tut gut. Auch wenn die Bizepse ganz schön brennen, als wir die Haustür unserer Unterkunft erreichen. Die 18 Wasserflaschen landen gleich im Kofferraum unseres Mietwagens.

Nach der Arbeit kommt bekanntlich das Vergnügen. Wir können uns der Stadtbesichtigung widmen. Nur Geld müssen wir noch tauschen. Wieder streifen wir durch die Gassen des Stadtteils „Centro“ in Richtung Altstadt. Hier sieht man viel mehr vom wirklichen Leben in Havanna, als in der teils restaurierten Altstadt. Dort kommt man sich ein wenig vor wie in "Disney Land" für Kubaurlauber. Denn überall dort, wo schön renoviert ist, werden Busladungen von Touristen abgesetzt um Klischeebilder von Oldtimern und alten Gebäuden aus der spanischen Kolonialzeit zu knipsen. Wer vom Badeort Varadero nur einen Tagesausflug bucht, hat am Ende des Urlaubs sicher nicht das authentische Kuba gesehen.

Bei unserem Marsch entdecken wir eine Menge Baustellen. Wenn die Straßen aufgerissen sind, landet schnell Müll in den Gräben. Vermutlich denkt jeder, dass man so den Abfall auf einfache Weise entsorgen kann.

Eine Bank finden wir auch auf unserem Weg. Am Eingang werden wir von einem Wachmann angehalten und dürfen erst in den Schalterraum treten, als andere Kunden die Bank wieder verlassen. Wir bekommen einen Zettel mit einer Nummer in die Hand gedrückt und dürfen es uns auf großen Ledersesseln in der Halle gemütlich machen. Als unsere Zahl aufgerufen wird, zeigt die Anzeigetafel die Nummer des Schalters an. Eine Frau bedient uns. Der Wechsel läuft routiniert und korrekt ab. Wieder tauschen wir mitgebrachtes Bargeld um. Bisher haben wir unsere gesamte Urlaubskasse immer am Mann. Einen Teil in einem Hüftgürtel, der Rest in zwei verschiedenen Geldbeutel im Rucksack. Wir haben zwar Vertrauen in die Vermieter aber in einem fremden Land ist man anfangs einfach noch vorsichtig. Vielleicht müsste man gar nicht so aufpassen. Die Verbrechensrate ist in Kuba im Vergleich zu anderen mittel- oder südamerikanischen Ländern sehr gering. Trotzdem ist man nicht gefeit vor Eigentumsdelikten, gerade in Gegenden, in denen sich viele Touristen aufhalten. Auch das Auswärtige Amt empfiehlt die Mitnahme des gesamten Bargeldes auf verschiedene Stellen verteilt. Außerdem haben wir Ausweiskopien in unserem Gepäck im Zimmer. Den Originalpass haben wir im Rucksack. Diesen brauchen wir auch bei der Abhebung. Ausweisnummer und persönliche Daten werden beim Tausch registriert.

In der Bank kühlt die Klimaanlage wie wild. Und vor der Tür ist es heiß! Vorbei am Parque Central gehen wir als erstes zum Revolutionsmuseum. Es wird in Havanna das einzige Museum bleiben, das wir besuchen. Trotzdem und gerade weil Kuba so mit seiner bewegten Geschichte in Verbindung gebracht wird, wollen wir sehen, wie die kubanische Regierung ihre Revolution darstellt. Wir sind gespannt.

Das Museum ist in einem Prachtbau untergebracht. Das 1920 erbaute Gebäude war als Regierungssitz errichtet worden und hat bewegte Zeiten erlebt. Die Möblierung stammt zum Teil von Tiffany aus New York. Der Marmorböden und die Treppen sind aus Carrara in Italien importiert worden. Hier residierte auch der vor dem Castro-Regime amtierende Präsident und Diktator Fulgencio Batista. Nachdem dem Sieg der Revolution diente das Gebäude noch etwa ein Jahr als Regierungsgebäude, bis es von Raul Castro per Dekret zum Museum der Revolution erklärt wurde. Hier wurden später noch bekannte Persönlichkeiten empfangen. Erst 1974 gab man es für die Öffentlichkeit frei. Für 6 CUC Eintritt kann man heute tausende Ausstellungsstücke aus der Zeit der Revolution besichtigten. Es liegt eine Menge Propaganda in der Luft. Vor uns betritt eine Schulklasse das Museum. Sicherlich ist das ein Pflichtbesuch für den Geschichtsunterricht. Die Regierung ist stolz auf den Sieg über das Vorgängerregime und das, was sie in den letzten Jahrzehnten geleistet hat.

In einigen Räumen findet man genaue Karten von wichtigen Kampfhandlungen. Getragene Hemden und Stiefel sind ebenso ausgestellt, wie Fotos der Helden der Revolution. Wir glauben beinah, dass alle Gegenstände, welche die Kämpfe überlebt haben, hier ausgestellt sind. Nur die Unterwäsche der Protagonisten fehlen noch in der Sammlung! Was uns wundert, sogar ins Ministerzimmer und den Besprechungsraum können wir ohne Absperrung eintreten. Wir befinden uns auf geschichtsträchtigem Terrain. Bilder zeigen, wie an dem Tisch, an dem wir stehen, Staatsverträge unterschrieben wurden. Sogar an den Ministertisch von Che Guevara könnte ich mich in diesem Moment setzen, traue mich aber dann doch nicht.

An dieser Stelle muss ich den Leser ein wenig in die Geschichte Kubas der letzten gut 100 Jahre einweihen. Ich versuche es kurz und lebhaft zusammenzufassen. Keine Angst, bald werden wir von unseren Radtouren berichten.

Auch auf die Gefahr hin, dass Geschichte etwas trocken erscheinen mag, soll sie doch zeigen, wie und vor allem warum manches so gekommen ist, wie es heute ist. Als die Kolonialmacht Spanien 1899 die Insel verlies, übergab sie formell die Hoheit an die USA. Kuba hatte dabei eigentlich nichts gewonnen. Sie war von einem Besatzer unter die Herrschaft des nächsten gekommen. 1902 wurde zwar die unabhängige Republik Kuba ausgerufen, trotzdem war sie der Gnade der Vereinigten Staaten ausgeliefert. In der Verfassung gab es Zusatzartikel, die den USA Interventionsrechte einräumte, wenn sie ihre Interessen bedroht sahen. Es war mehr oder weniger eine Pseudorepublik, bei der die wichtigsten Entscheidungen im Ausland getroffen wurden.

Ab den 20er Jahren, die Prohibition hatte in den USA gerade begonnen, wurde Kuba zum Spielerparadies und zur "Kneipe um die Ecke" für die Amerikaner. Der damalige, kubanische Präsident Machado verfolgte einen nationalistischen Kurs. Schnell ließ er politische Gegner verfolgen und ermorden. Er trieb es auf Dauer wohl zu bunt. Außerdem begann die Weltwirtschaftskrise. 1933 ging er ins Exil. Der nächste Präsident führte vernünftige Reformen wie zum Beispiel das Frauenwahlrecht und den Acht-Stunden-Tag ein. Er verteilte Boden an landlose Bauern und förderte das Bildungswesen. Außerdem beendete er mit der Aufhebung der Interventionsrechte die Dominanz der USA. Das war denen wiederum ein Dorn im Auge. Die diplomatische Anerkennung wurde Kuba entzogen, was zur Folge hatte, dass zum Beispiel Zuckerrohr nicht mehr in die Staaten verkauft werden konnte. Immerhin war das eine der wichtigsten Einnahmequellen Kubas. Ja, die USA konnte auch einen Krieg ohne Waffen führen.

Die Verschlimmerung der Lage Kubas hatte das Emporkommen des Oberbefehlshabers der Armee, Fulgencio Batista zur Folge. Er drohte mit einem Militärputsch und schon dankte der Präsident nach nur 105 Tagen ab. Die nächste Zeit war recht bewegt. Nach einigen Neuwahlen waren manche Präsidenten nur wenige Tage oder sogar nur wenige Stunden im Amt - eine Kuriosität.

7 Jahre später, im Jahr 1940, wurde Batista letztendlich Präsident. Ich kürze hier etwas ab, denn Batista hielt bis ans Ende der 50er Jahre die Zügel in der Hand, auch wenn er in diesen Zeiten nicht immer Präsident war. 1952 gab es wieder Wahlen, bei denen ein Mitglied der Opposition aussichtsreich im Rennen lag. Einen Wahlsieg verhinderte Batista mit einem Staatsstreich und brachte sich endgültig an die Macht. Er setzte die Verfassung außer Kraft. Demonstrationen und Streiks wurden verboten, die Opposition nach und nach eliminiert. Je nach Quelle spricht man von 2.000 bis 20.000 Menschen, die nach teilweise schweren Folterungen ermordet wurden. Oft wurden die Leichen einfach aus fahrenden Autos geworfen, um die Bevölkerung einzuschüchtern.

Batista unterhielt enge Kontakte zur US-amerikanischen Mafia und der US-Regierung. Beide nutzten ihn für die jeweiligen Interessen und der Präsident selbst hatte auch keinen Schaden. Es herrschte Vetternwirtschaft. Das Gefälle zwischen Arm und Reich wurde immer größer. Profiteure waren nur die Oberschicht der Kubaner, die US-Zuckerbarone und die US-Industrie. Die Bevölkerung bekam nichts davon ab.

Ein Mann, der 1952 bei den Wahlen ebenfalls für die Opposition angetreten war und zumindest gute Chancen auf einen Sitz im Parlament hatte, war der Jurist Fidel Castro Ruiz. Hier kommt der Mann ins Spiel, den man unweigerlich mit dem Kuba der letzten 60 Jahre verbindet. Als Jurist klagte er vor dem Obersten Gerichtshof den Staatspräsidenten Batista wegen seines Putsches an. Natürlich blieb dies ohne Erfolg. Frustriert, dass er mit seinen, als Jurist erlernten Mitteln, nicht Recht bekam, ließ ihn andere Mittel wählen.

Am 26. Juli 1953 griff er mit 131 Männern und Frauen die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba an. Sie wollten dort Waffen erbeuten, um den Widerstand zu stärken. Das Unterfangen scheiterte kläglich. 32 entkamen, unter anderem Fidel Castro und sein Bruder Raul. Der Rest wurde erschossen. Die Flüchtenden wurden schließlich in den folgenden Tagen geschnappt und gefangengenommen. Wegen des mittlerweile großen öffentlichen Drucks und dem Eingreifen des Erzbischofs von Santiago konnte zumindest eine ordentliche Gerichtsverhandlung erreicht werden. Fidels Helfer wurden zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt, Raul zu 13 Jahren. Fidel selbst sollte hingerichtet werden. Er war sich des Ausgangs der Verhandlung bewusst und prangerte in seinem dreistündigen Schlussplädoyer die katastrophalen Verhältnisse in Kuba an. Er bezeichnete den Diktator Batista als den schlimmsten Tyrannen der Geschichte des Landes. Er endete mit den berühmten Worten "Verurteilt mich, das ist bedeutungslos. Die Geschichte wird mich freisprechen."

Fidel Castro wurde zum Tode verurteilt und nur aufgrund des öffentlichen Drucks konnte die Todesstrafe in eine 15jährige Haftstrafe umgewandelt werden. 1955 kamen die "Moncadas" inklusive der Castros aufgrund einer Amnestie frei. Sie gingen ins Exil nach Mexico. Hier planten sie mit anderen Exil-Kubanern den nächsten Versuch, Batista zu stürzen. Hier stieß auch Ernesto Guevara zu ihnen, der Argentinier, den heute alle unter dem Namen "Che" kennen. Im Dezember 1956 brachen 82 Revolutionäre mit der Motoryacht "Granma" von Mexiko auf. Sie landeten an der Südküste Kubas, in der Nähe von Santiago. Hier wurden sie aber bereits von Regierungstruppen erwartet. Irgendwie hatte der kubanische Geheimdienst von den Plänen Wind bekommen. Im Kugelhagel starben 66 Rebellen. 16 überlebten, unter ihnen die Castros, Ernesto Guevara und Camilo Cienfuegos. Sie flüchteten und verschanzten sich in der Sierra Maestra, dem Gebirge im Süden Kubas. Nachdem sie Mitstreiter gefunden hatten, die unter dem Joch der Diktatur litten, wurden nach und nach kleine militärische Erfolge eingefahren. Diese wurden immer größer. Als sich nach über einem Jahr sogar die USA von ihrem Verbündeten Batista abwandte und keine Waffen mehr lieferte, war es eigentlich schon um Batista geschehen. Er schickte zwar noch einmal 12.000 Regierungssoldaten gegen die Castros. Diese desertieren aber mehrheitlich. Am Ende wurde das letzte Aufgebot des Diktators im legendären Gefecht von Santa Clara unter dem Kommando von Che Guevara besiegt. Es war inzwischen Ende Dezember 1958. Am 31.Dezember floh Batista und verließ das Land, allerdings nicht ohne die Staatskasse zu plündern.

Die Revolution hatte gesiegt. Jetzt war es an der Zeit eine neue Regierung zu bilden. Nach ein paar Wochen übernahm Fidel Castro das Amt des Ministerpräsidenten und leitete radikale Reformen ein. Bessere Arbeitsbedingungen, höherer Mindestlohn, niedrigere Mieten, Preisreduzierungen für Strom und Telefon. Dazu ein Ausbau eines kostenfreien Gesundheitswesens, das einen Anstieg der Ärzte um das 10-fache brachte. Auch das Schulsystem wurde auf neue Beine gestellt. Bildung wurde umsonst und flächendeckend angeboten. So haben die Kubaner für mittel - und südamerikanische Verhältnisse die geringste Quote an Analphabeten und eine der höchsten Lebenserwartungen durch die gute medizinische Versorgung. Die Slums in den Randbezirken Havannas wichen Plattenbauten nach osteuropäischen Vorbild. So gut wie jeder hatte bald ein festes Dach über dem Kopf. Großgrundbesitzer und ausländischer Besitz wurde enteignet und dem kleinen Mann für seine Bedürfnisse überlassen.

So gesehen, hat sich für die Bevölkerung in dieser Zeit vieles zum Positiven gewendet. Die USA war über diese Entwicklung nicht erfreut und strafte Kuba mit einem Handelsembargo. Kuba wandte sich Russland zu, dem ein Verbündeter direkt vor der Haustür der Vereinigten Staaten natürlich sehr gelegen kam.

Die besseren Lebensumstände der Menschen mussten allerdings auch finanziert werden. Russland, Venezuela und noch ein paar weitere Staaten waren viele Jahre wichtige Geldgeber Kubas. Als der Ostblock nach 1989 zerbrach, fielen auch die Geldmittel, zum Beispiel aus Russland, weg. Nach und nach wurde die Wirtschaftslage immer schlechter. Devisen mussten her, um den Sozialismus zu finanzieren. Man kann darüber streiten, ob ohne Embargo und mit anderen Mitteln das System zu retten gewesen wäre. Doch wie war es in den ehemaligen Ostblockstaaten zu jener Zeit? Auch hier hätte sich das System nicht mehr lange getragen, weil der Fortschritt ausblieb. Genauso war es in Kuba. Falsch, es ist immer noch so. Sie haben es bloß länger hinauszögern können. Eigentlich schade, wenn man an die guten Dinge denkt, die aus der Revolution entstanden sind. Doch selbst Fidel Castro gab vor einigen Jahren zu, dass das System nicht funktioniert. Er stellt sich damit hinter seinen Bruder Raul, der seit 2008 das Präsidentenamt des Staats- und Ministerrates von Fidel übernommen hat. Dieser öffnet langsam das Land mit verschiedenen Reformen. Er lockert die staatliche Kontrolle der Wirtschaft und lässt privates Unternehmertum in immer mehr Berufen zu. Die großen Betriebe bleiben derzeit allerdings noch in staatlicher Hand. Die Belegschaft in Staatsbetrieben wurde verkleinert und privatwirtschaftliche Unternehmungen gefördert. Sogar der Erwerb von Land durch Ausländer ist in bestimmten Fällen möglich. Es wird spannend wie sich Kuba weiterentwickeln wird.

Ich hoffe, ich habe mich kurz genug gehalten. Wir kommen wieder zurück auf unsere Erlebnisse. Das Museum übt eine gewisse Faszination auf uns aus. Wenn man Geschichte so hautnah präsentiert bekommt und nicht nur in Büchern liest, bekommt man schon eine Gänsehaut. Wir sind selbst hier an Ort und Stelle, wo Fidel, Raul und Che ein- und ausgingen.

Ich habe gelesen, dass das Museum 1988 generalsaniert wurde. Die Vitrinen und Schränke scheinen manchmal, als wäre seit jener Zeit nicht mehr richtig saubergemacht worden. Das wundert uns sehr, ist es doch das Vorzeigeobjekt für die Heldentaten und Errungenschaften der aktuellen Regierung, die seit 55 Jahren den Staat lenkt.

Neben dem alten Regierungspalast mit seinem Museum befindet sich ein Park mit einer Halle. In ihr ist die Yacht "Granma" ausgestellt mit der seinerzeit die 82 Revolutionäre von Mexico nach Kuba übersetzten.

Nach dem politischen Vormittag spazieren wir durch die Altstadt in Ecken, die wir gestern noch nicht gesehen haben. Am Plaza de Armas befindet sich der größte Büchermarkt der Stadt. Es werden zwar fast ausschließlich Schriften von Marx, Engels, Fidel Castro und Che Guevara verkauft, aber die Atmosphäre ist einmalig. Es liegt ein "Hauch von Revolution" in der Luft. Oder hat der Museumsbesuch Spuren bei uns hinterlassen?

Wir besichtigen die "Catedral de San Cristobal", die ursprünglich von den Jesuiten der Jungfrau Maria geweiht wurde. Das mächtige Gebäude mit seinen zwei ungleich großen Türmen beherrscht den wohl schönsten Platz der Altstadt. Von 1796 bis 1898 waren hier angeblich die Gebeine von Christoph Columbus verwahrt. Allerdings weiß man das nicht so ganz genau. Auch wenn sozialistische Regierungen den Glauben nicht besonders hochhalten, so konnte Papst Johannes Paul II bei seinem Besuch im Jahr 1998 erwirken, dass der 25.Dezember wieder ein Feiertag geworden ist.

Die Häuser rund um den Plaza de la Catedral sind stattliche, spanische Kolonialhäuser mit dem Flair der spanischen Kolonialherren aus früherer Zeit.

Jetzt, am Nachmittag, wäre ein guter Kaffee recht. Am östlichen Ende des Platzes entdecken wir ein unscheinbares Geschäft mit Cafebetrieb. Der Name verheißt Gutes: "Casa del Café" Im Erdgeschoss können Kaffeebohnen und Rum erworben werden. Im Obergeschoss befindet sich eine kleine Cafébar. Im Laden riecht es sehr gut nach Kaffee. Wir bestellen einen Cafe con leche, den klassischen Milchkaffee. Er schmeckt herrlich. Im Hintergrund läuft kubanische Sonmusik. Das gefällt uns, weil es zum Ambiente passt. Beim Genuss des Kaffees können wir den Eindrücken nachhängen, die wir in den letzten Stunden förmlich aufgesaugt haben. Obwohl wir erst ein paar Tage auf Kuba verbracht haben, denken wir, dass wir schon recht viel von diesem Land wissen. Doch sicherlich werden die Erlebnisse der nächsten zweieinhalb Wochen unser Wissen und das Verständnis für Kuba und deren Menschen noch viel stärker erweitern.

Am Treppenaufgang des Cafés hängt ein Bild von Che Guevara mit einer Kaffeetasse in der Hand. Er war schon ein stattlicher und charismatischer Mann. Ich frage den Barmann, ob ich das Bild fotografieren darf. Ich bin nicht sicher, ob das Bild im Internet oder in Büchern zu finden ist. Er stimmt zu. Ich bin begeistert. Vielleicht kommt ein Abzug neben unsere Kaffeemaschine.

Nachdem wir das Café verlassen, machen wir uns auf den Weg zurück zum Parque Central. Elke wird spontan von einem Kubaner auf ihre Goldkrone angesprochen, als sie lacht und der Mund die weißen Zähne freigibt. Weiß bis eben auf die Goldkrone. Auch er hat eine. Es scheint ein Zeichen von Luxus zu sein.

In der Calle Obispo (Obispostraße) befindet sich das "Casa del Ron y del Tabaco Cubano". Wenn wir schon in Kuba sind, müssen wir ein paar Zigarren rauchen. Gedacht, getan, wir gehen rein und sehen uns die Auswahl an. Sie ist beträchtlich. Im Gegensatz zu einem Supermarkt, der nur ein paar Produkte aufweist, sind hier viele verschiedene Zigarren im Angebot. Wir kaufen einen mittelgroße "Cohiba Explendidos". Obwohl wir sie hier im Land kaufen, kostet sie umgerechnet etwa acht Euro. Fidel Castros Lieblingszigarre war unter anderem eine "Cohiba Exquisitos". Sie ist etwas dicker und länger als unsere und kostet schon zwanzig Euro. Da wir keine Raucher sind und nur mal ausprobieren wollen, ist uns das den Preis nicht wert. Außerdem kaufen wir noch eine etwas dünnere Cohiba und einen Zigarrenschneider.

Draußen auf den Straßen werden wir schon wieder auf unsere Wasserflasche angesprochen, die außen an meinem Rucksack angebracht ist. Wir werden an die Tatsache erinnert, dass bestimmte Dinge nicht in Hülle und Fülle in jedem Geschäft zu kaufen sind. Wir beschließen, morgen noch weitere Wasserflaschen zu kaufen! Im Auto fahren sie leicht mit.

Zurück in unserer Unterkunft fragen wir unsere Hausherren, ob es heute mit dem Abendessen klappt, das wir gestern angefragt haben. Sie verneinen, da sie keine Waren besorgt haben. Macht uns auch nichts aus. Wir hätten ihnen das Geschäft aber gerne gegönnt. So machen wir uns auf, um hier im Stadtteil Centro eine gute Adresse zu finden. Wir werden auf das Lokal "Flor de Loto" aufmerksam. Das Restaurant soll der Renner sein. Es befindet sich 5 Blocks weiter in Chinatown. Hier kommen nicht nur Touristen her. Auch viele Kubaner essen hier. Das ist für uns ein Indiz, dass es gut sein muss. Die Portionen sollen satt machen und die Preise sind moderat. Wir gehen selbstverständlich zu Fuß und finden das Gasthaus auf Anhieb. Langsam kommen wir zurecht mit der Orientierung in der großen Stadt.

Wir bestellen Hühnchen mit Knoblauch. Dazu gibt es frittierte Bananen und einen Mojito. Es schmeckt wirklich sehr gut. Die Bude ist rappelvoll und das fast ausschließlich mit Kubanern.

Als wir fertig gegessen haben, sehen wir am Eingang ein Pärchen, welches auch in unserer Unterkunft wohnt. Wir winken sie gleich an unseren Tisch. Der Platz reicht auf jeden Fall. Außerdem hat der Wirt dann noch einen weiteren Tisch zu vergeben, da sich vor der Türe schon eine kleine Schlange an Gästen gebildet hat, die auf freie Tische warten.

Die zwei Zimmernachbarn, Heike und Martin, kommen aus der Nähe von Hamburg. Sie sind uns gleich sympathisch. Das liegt daran, dass auch sie gerne von ihren Reisen berichten. Sie sind wie wir auch keine Pauschalurlauber und lieben es durch Länder zu reisen und Land und Leute kennenzulernen. Sie machen das zwar nicht mit dem Rad, sondern mit dem Auto, im Wesentlichen sind wir aber auf der gleichen Wellenlänge. Sie bestellen ihr essen, wir ordern einen zweiten Mojito und plaudern über die bisherigen Eindrücke auf Kuba. Sie erzählen uns von der letzten Nacht, in der ein LKW am Haus vorbeifuhr und so etwas wie Nebel versprühte. Sie haben das Zimmer zur Straße. Kurze Zeit später begann es komisch zu riechen. Deswegen schlossen sie sofort das Fenster. Wir finden die Erzählung interessant, können uns aber keinen Reim darauf machen. Vielleicht handelte es sich um ein Ungeziefervernichtungsmittel, dass versprüht wurde. Für so eine große Stadt haben wir noch wenig Kakerlaken gesehen. Nein, stimmt nicht. Gestern Abend war tatsächlich eine im Schlafzimmer. Sie war jedoch nicht so schnell wie Elkes Schuh....

Nach dem Essen machen wir einen Abendspaziergang zu viert auf den Malecón, entlang der Küste in Havanna-Stadt. Malecón ist ein spanisches Wort und heißt so viel wie Uferstraße. In Havanna befindet sich wahrscheinlich "der Malecón". 1907 erbaut war er immer die Prachtstraße Havannas und verbindet die Altstadt mit dem moderneren Regierungsviertel Vedado. Hier wurden schon viele Paraden der verschiedenen Regierungen abgehalten. Zum Karneval oder für Musikveranstaltungen wird die Straße für den Verkehr gesperrt und gehört ganz den Einwohnern der Stadt.

Die Wellen donnern an die Felsen neben der Straße. Gischt spritzt viele Meter nach oben, so dass der Bürgersteig an manchen Stellen eine gehörige Ladung abbekommt. Angler versuchen in der Abenddämmerung Fische zu fangen. Wir beobachten eine Zeit lang die Szenerie, bevor wir wieder in die Häuserreihen eintauchen und nach Hause gehen.

Martin hat sich heute mit ein paar kleinen Fläschchen Rum eingedeckt. Auf dem Balkon unserer Unterkunft sitzen wir noch lange und genießen die guten Tropfen. Dabei tauschen wir so viele Reisegeschichten aus, dass ich Fernweh bekomme, noch bevor wir diese Reise beendet haben. Erst spät am Abend verziehen wir uns auf die Zimmer und freuen uns auf die Erlebnisse der nächsten Tage.

Eigentlich habe ich bei der Organisation der Reise einen Tag mehr für Havanna eingeplant. Doch mit all den Radtouren, die ich mir überlegt habe, gab es ein Problem. Es fehlte am Ende ein Tag. Ich bezog Elke mit ein und stellte ihr den Plan vor. Am Ende fragte ich, wo wir den einen Tag sparen könnten. Sie meinte, in Havanna ging es am leichtesten. Wir sind ja keine Stadtmenschen. Hier würde es uns am wenigsten ausmachen. Und ich muss sagen, die Entscheidung war richtig. Uns haben knapp zwei Tage Havanna gereicht. Klar gäbe es noch viel zu sehen. Wer in Havanna alles Sehenswerte kennenlernen will, wird mit einer Woche nicht auskommen. Wir sind jetzt aber froh aufs Land zu fahren und mehr von der Natur und dem Leben abseits der Hauptstadt kennenzulernen. Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich mich hier in Havanna sehr beobachtet gefühlt habe. Wir wurden wirklich als die sprichwörtlichen "Devisen auf zwei Beinen" gesehen. Dabei wollen wir das gar nicht. Wir wünschen keine besondere Behandlung und auch keine aufdringlichen Verkäufer. Lieber sitzen wir beide auf dem Rad und fahren durchs Land. Mit dem Fahrrad reisend wird man meist als etwas „ärmer“ angesehen und anders behandelt. Wir sind gespannt, ob es in Kuba auf dem Land dann wirklich so ist. Gerade diese Vorfreude und die Spannung lässt mich gut einschlafen und von neuen Erlebnissen träumen.

Rum und Zigarren - Mit dem Fahrrad unterwegs in Kuba

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