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Anaxagoras

(*um 500 v. Chr. Klazomenai/Kleinasien,

† um 425 Lampsakos)

Empedokles

(um 485 v. Chr, Akragas [heute Agrigento], † um 425)

In Milet, wo seinerzeit allem Anschein nach eine erste Philosophenschule bestand, wurde auch der aus dem nahen Klazomenai stammende Anaxagoras stark durch die Lehren von Ana­ximandros und Anaximenes beeinflusst und kam dann um das Jahr 480 in das noch altgläubige Athen, wo er mit seinen die Welt entmythologisierenden aufklärerischen Lehren rasch bedeutende Männer wie Perikles und Euripides zu Freunden und Anhängern gewann. Um das Jahr 430 v. Chr. wurde er jedoch gerade wegen dieser Lehren der Gottlosigkeit (Götterleugnung) angeklagt – wie später Sokrates. Allein das Eingreifen von Perikles bewahrte ihn vor der Todesstrafe. Er musste allerdings Athen verlassen und begab sich nach Lampsakos am Hellespont, wo er nach wenigen Jahren hoch geachtet verstarb.

Empedokles, dessen Wanderleben als Redner, Arzt, Sühnepriester und ›Magier‹ ihn durch Sizilien und die Peloponnes führte, war wie Pythagoras eine jener frühen, offenbar vom Orient her beeinflussten mystischen Gestalten, die heilend, ordnend und schlichtend durch die Lande zogen, scheinbar mit übernatürlichen Kräften über die Elemente und Geister ausgerüstet – wie sich Empedokles durchaus auch selber sah – und von ihren Anhängern abgöttisch verehrt, weshalb sie schnell von vielen Legenden umrankt waren. Empedokles war die wohl profilierteste dieser widersprüchlichen Persönlichkeiten. Er bediente sich für die ›Verkündung‹ seiner Erkenntnisse und Lehren auch hexametrischer Lehrgedichte in der gebundenen Sprache des Epos, die auch wie Ilias und Odyssee von Rhapsoden vorgetragen und so verbreitet wurden. Aus umfangreichen Fragmenten sind noch zwei seiner großartigen Dichtungen in groben Umrissen bekannt, von denen die später ›Über die Natur‹ benannte seine Naturlehre enthielt.

Beide unternahmen gleichzeitig mit den Atomisten Leukippos und Demokritos die drei älteren Versuche, das allein erkennbare unveränderliche Sein der Ontologie des aus Elea stammenden Parmenides mit der von den milesischen Naturphilosophen erkannten Veränderlichkeit aller natürlichen Dinge in Einklang zu bringen, wonach, wie Herakleitos pointiert formulierte, ein Ding etwas ist (eine Eigenschaft hat: groß, bunt, hart usw.) und im nächsten Augenblick dies nicht (mehr) ist. Solches Loslösen der Kopula ›ist‹ aus dem Satzverband, das ihr ohne das Prädikativum den Sinn einer Aussage schon selber beimisst, so dass dasselbe ist und nicht ist, führte Parmenides zu einer strengen Scheidung von Sein und Nicht-Sein: Das Sein (oder das Seiende) selbst sei der gewohnten sinnlichen Erfahrbarkeit entrückt, sei nicht-gegenwärtig, anderswo als das sinnlich Erfahrbare; es sei als Nicht-Gegenwärtiges nur durch die Fähigkeit zu erfassen, die Fernes vergegenwärtigen kann, durch die Vorstellungskraft, das Denken. Da Gleiches Gleiches erkenne, seien erkennendes Subjekt und erkanntes Objekt, seien Denken und Sein identisch; und da es nicht unterschiedliches Denken gebe, sei auch das Sein (das Seiende) ein einheitliches und unterschiedsloses, das Eine, das keiner Veränderung (Bewegung), keinem Entstehen und Vergehen ausgesetzt sein könne. Das Nicht-Seiende wäre das Körperlose und Leere. Da das Sein sowohl das Volle als auch das Reale sei, könne ein Leeres nicht sein; das Sein sei dagegen das alles Ausfüllende und damit die alles umfassende (sphärische) Einheit. Allein diese Gemeinschaft alles Seienden sei denkbar, und damit auch erkennbar, nur von ihm ließen sich aufgrund seiner Unveränderlichkeit allgemein gültige, ›wahre‹ Aussagen treffen. Einzeldinge können nicht gedacht werden. Ihre sinnlich wahrnehmbare Vielheit und Gesondertheit rühre von der Trennung durch die nicht reale Leere her; folglich seien sowohl ihre Vielheit als auch ihre Bewegung und Veränderlichkeit nicht-seiend, und deren scheinbare Erfahrbarkeit beruhte auf bloßem Trug und Schein, man könne etwas über sie meinen, aber nicht denken und wissen. – Diese zwei ›Welten‹ bilden dann auch die Grundlage für die Ideenlehre eines Platon.

Unter dem Einfluss dieser Ontologie musste die Veränderlichkeit der wahrnehmbaren natürlichen Welt relativiert werden, um ihr ›Sein‹ im Sinne von ›Existenz‹ zu wahren, und dazu bedurfte es einer Vervielfältigung dieses parmenideischen Seienden, um die Veränderlichkeit dieser Welt im Sinne des Parmedides als scheinbar erklären zu können: Es gebe keine Veränderung, kein Entstehen oder Vergehen; was so erscheint, sei bloße Mischung und Trennung von unveränderlichem Seienden in Form von notwendig gleichartigen Partikeln.

Empedokles legte vier unveränderliche ›Wurzelkräfte‹, die späteren Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer, als materielles Sein zugrunde, ergänzt durch die verbindende ›Liebe‹ und den trennenden ›Streit‹ als bewegende Kräfte. Diese ließen aus der ursprünglich gleichmäßigen Verteilung der Elemente innerhalb des ›Sphairos‹ (wie bei Parmenides) den Kosmos entstehen und bewirkten an den Grenzen zwischen Erdscheibe und Luft/Feuer-Reich ein ständiges vermeintliches ›Entstehen‹ und ›Vergehen‹. Die einzelnen Partikel mischten sich mechanisch, wenn sie in ihren äußeren Formen zu- und ineinander passten, doch weitgehend zufällig und ohne Plan. Eine Teleologie fehlt noch gänzlich: In der stufenweisen Entwicklung der Lebewesen seien vielmehr die anfänglichen, zufällig zusammengekommenen Miss- und Mischgestalten im Kampf ums Dasein den tauglicheren Formen der Lebewesen mit zueinander passenden Organen unterlegen gewesen.

Diese erste Elementenlehre, die auf die Folgezeit besonders mit ihrer Vierzahl unterschiedlicher Partikel starken Einfluss ausübte, ist verbunden mit einer umfassenden naturphilosophischen Theo­rie, der Porenlehre, mit deren Hilfe es Empedokles gelang, zahlreiche Erscheinungen und Wirkungen einheitlich zu erklären: Alle Partikel besäßen Poren, die ineinander passten oder nicht, die Gänge offen ließen (Durchsichtigkeit) usw. Die fünf Wahrnehmungsarten konnten so erstmals auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden: Wie beim Tasten und Schmecken müsste auch für die anderen Sinne ein Kontakt zwischen Wahrgenommenem und den Sinnen stattfinden. Er denkt dabei an feine Ausflüsse der wahrgenommenen Dinge, die genau in die Poren der entsprechenden Sinnesorgane passen. Treffe Passendes aufeinander, so werde wahrgenommen. Das Blut bilde die harmonischste Mischung und reflektiere die Wahrnehmungen als Denkorgan.

Anaxagoras erklärt die Veränderlichkeit der Natur mit der Annahme, dass alle Dinge und Stoffe bereits in allem vorhanden seien, so dass nichts neu ›entstehe‹: Wachse ein Lebewesen nach Aufnahme von Nahrung, bildeten sich also aus dieser organische Stoffe wie Fleisch und Knochen, so müssten solche Knochen- und Fleischteilchen, da Veränderungen nicht möglich wären, bereits in der Nahrung enthalten gewesen sein. Auch diese Idee wird konsequent zu Ende gedacht: Alle Stoffe seien in unendlich kleinen gleichartigen Teilchen von unendlicher Anzahl, die Aristoteles später ›Homoiomerien‹ nannte, in jedem noch so kleinen Stückchen Materie enthalten. Welche Teilchenart überwiege, als das erscheine uns ein Ding oder Stoff. Entstehen und Vergehen werden als Zusammen- und Auseinandertreten vorwiegend gleichartiger Teilchen gedeutet. Ursprünglich seien sämtliche Teilchen, zu einer notwendig qualitätslosen Masse gemischt, gleichmäßig verteilt gewesen. Von dem neben dem Stoff bestehenden ›Geist‹ in Bewegung gesetzt, sei es allmählich zu einer Scheidung gekommen. Verwandtes strebte zueinander und vergrößerte, selbst bewegt, den allgemeinen Wirbel, in dessen Mitte sich schließlich die flache Erdscheibe aussonderte, wie ein Deckel von der Luft getragen. Der Wirbel der feurig-ätherischen Luft habe der festen Erde dann Felsmassen entrissen, emporgetragen und teilweise zum Glühen gebracht. Dies seien die leuchtenden Gestirne, während andere, dunkle Massen in den unteren Himmelsregio­nen herumwirbelten, uns mit Ausnahme des Mondes, der das Sonnenlicht reflektiere, unsichtbar – Anaxagoras erkannte erstmals die Bedeutung der Stellung des Mondes zur Sonne für die Phasenbildung und deutete die Helligkeitsunterschiede als Berge und Täler auf dem bewohnten Mond; auch das Entstehen von Sonnen- und Mondfinsternissen erklärte er richtig. Das Entstehen einer Leere sei gar nicht möglich, weil Winde als Wärme und Volumen ausgleichende Luftströmungen fungierten, und dass die Sonnenwärme die Luft ständig in Bewegung halte, zeigten ja die sogenannten Sonnenstäubchen. Sie habe auch die Feuchtigkeit der Erde auf die jetzigen Meere reduziert, und die Intensität ihrer Rückstrahlung von der Erde bewirke die verschiedenen Wolkenhöhen: Der Niederschlag besonders hoher Wolken, die aufgrund starker Rückstrahlung in kalte Regionen gehoben würden, gefriere dort zu Hagel. Den Regenbogen erklärte er als Reflex des Sonnenlichtes an einer Wolke, und die Nilschwelle führte er auf sommerliche Schneeschmelzen im Quellgebiet zurück. Das erste Leben auf der Erde sei aus in der Luft enthaltenen Keimen entstanden. Nachdem die Erde belebt worden sei, habe der ganze Kosmos sich nach Süden geneigt, so dass der Himmelsäquator jetzt schräg zum Horizont stehe.

Noch stärkeren Einfluss als dieses uns heute als eigenartige Mischung von richtigen Ahnungen und falschen Vorstellungen erscheinende physikalische Weltbild übte der erstmals streng durchgeführte Dualismus von Geist und Stoff auf die großen attischen Philosophen Platon und Aristoteles und damit auf die Folgezeit aus: Die Materie sei selbst unbewegt, der unabhängig neben ihr bestehende Geist der Welt (und der Lebewesen) verursache erst die Bewegung und das daraus resultierende Entstehen und Vergehen. Hiermit war die spätere Antinomie Kraft–Stoff vorbereitet, und Platon und Aristoteles warfen Anaxagoras nur vor, nicht die von ihnen gezogenen Konsequenzen aus diesem weltbewegenden Geist gezogen zu haben, insofern er ihm nur den ersten Anstoß zur Bewegung ausführen ließ, um das natürliche Geschehen dann ›mechanisch‹ ablaufen zu lassen.

Die wichtigsten Naturwissenschaftler im Porträt

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