Читать книгу Herd und Schwert - Fritz Skowronnek - Страница 4

Erster Teil
4. Kapitel

Оглавление

Schneller, als er selbst gedacht hatte, fand sich Kurt in die Rolle des Gutsherrn. Eine Stunde, nachdem ihn Grundmoser durch die Hälfte der Begüterung gefahren hatte, denn in den paar Stunden war es nicht möglich, das ganze Gut zu besichtigen, trat er wieder bei seinem Herrn ein, blieb an der Tür stehen und sagte in einem von der bisherigen derben Vertraulichkeit völlig abstechenden Ton:

»Wir haben heute mit zehn Gespannen auf den Schlag 4 nach der Keimkaller Grenze Dung gefahren. Sechs Gespanne haben Getreide zur Bahn gebracht, ein Gespann …«

Kurt drehte sich lachend in seinem Stuhl um:

»Aber lieber Herr Grundmoser, weshalb erzählen Sie mir das? Kommen Sie lieber her und setzen Sie sich zu mir. Ich habe, offen gestanden, immer um diese Zeit einen bescheidenen Dämmerschoppen eingenommen und wäre nicht unglücklich darüber, wenn die Beherrscherin der Küche ein paar Fläschchen Bier im Hause hätte.«

Grundmoser verbeugte sich schmunzelnd und trat näher, nachdem er durch einen Druck auf die elektrische Klingel Jons herbeigerufen hatte.

»Was befehlen der gnädige Herr. Pilsener Urquell oder Münchener Hofbräu? Es ist beides frisch angesteckt.«

Die Frage kam dem Gutsherrn so komisch vor, dass er den alten Diener erst einen Augenblick verdutzt ansah und dann laut auflachte.

»Frisch angesteckt?«

»Aber ja doch,« erwiderte Grundmoser. »Die Herrschaft braucht doch kein Flaschenbier zu trinken.«

Kurt kam die Sache so unbegreiflich vor, dass er aufstand und Jons folgte. Er fand im Korridor hinter der Diele eine Kammer und darin zwei in Eis gepackte Fässer, die an zwei Stahlflaschen mit Kohlensäure angeschlossen waren. Kopfschüttelnd kehrte er auf seinen Platz zurück. Das war eine angenehme Überraschung, aber sie bestätigte ihm nur die Tatsache, dass man sich auch hier an der russischen Grenze mit allen Annehmlichkeiten des Lebens umgeben kann, wenn man nur das nötige Kleingeld besitzt.

Bei dem Gedanken, wie sich sein Leben wohl in dem einsamen Gutshause gestalten werde, hatte er mit einem gelinden Schauer auch an die magere Beleuchtung mit Petroleum oder im besten Falle mit Spiritusglühlicht gedacht. Auch darin hatte er sich geirrt. Denn überall im Hause gab es elektrisches Licht.

Nach dem Abendbrot ließ er bei seiner Tante anfragen, ob er ihr gute Nacht wünschen dürfe. Sie empfing ihn für ein paar Minuten, bloß um ihn zu fragen, ob er sich schon etwas mit seinem Schicksal ausgesöhnt habe.

»Ach, Tante,« rief er aus, »mir kommt alles, wie ein schöner Traum vor.«

»Aus dem du jeden Morgen neu gestärkt zur Wirklichkeit erwachen wirst. Schlaf wohl, mein Junge.«

»Das wünsche ich dir auch, liebe Tante.«

»Ach, mein Junge, die Nacht ist für mich nicht der schönere Teil des Tages … Dann regen sich bei mir die Schmerzen, erst gegen Morgen pflege ich ein paar Stunden Schlaf zu finden … Vergiss nicht, was du heute Nacht träumst,« rief sie ihm nach, als er sich zur Tür wandte.

An einem der nächsten Abende nahm er seine geliebte Geige aus dem Kasten und spielte in seinem Arbeitszimmer auf und ab gehend im Dunkeln … Und er war ein Meister auf seinem Instrument, der zur Not mit dieser Kunst sich hätte sein Brot verdienen können. Ohne dass er es merkte, wurde die Tür zur Diele leise geöffnet. Er wusste nicht, dass die alte Dame auch die anderen Zimmertüren hatte öffnen lassen und mit stiller Freude seinem Spiel lauschte. In den ersten Jahren ihrer Ehe hatte sie viel musiziert, aber schon seit Jahren stand der prächtige Flügel im Musikzimmer unbenutzt.

Am nächsten Tage sagte ihm die Tante, welchen Genuss und welche Freude er ihr durch sein Spiel bereitet habe. Seitdem spielte er in dem großen Speisezimmer, das näher an ihrem Schlafzimmer lag, und kein Abend verging, wo er nicht sein Instrument zur Hand genommen hätte. Ihm selbst bereitete es die größte Freude, dass er durch sein Spiel seiner Wohltäterin einen Genuss verschaffen konnte.

Allmählich entwickelten sich auch seine gesellschaftlichen Beziehungen zu den Nachbarn.

Er hatte auf den Rat der Tante auf den Nachbargütern Antrittsbesuche gemacht. Zuerst lernte er den Jugendfreund seines verstorbenen Onkels, den alten Herrn Braczko auf Keimkallen kennen, der ihm bereits am nächsten Tage einen Gegenbesuch machte, aber nicht zur Visitenzeit. Nein, der alte Herr kam nach dem Abendbrot, wie er es früher jeden zweiten Tag zu tun gewohnt war. Er hatte selbst den Platz vor dem Kamin auf der Diele dazu gewählt und erzählte ihm bei mehreren Flaschen Rotwein viel von seinem verstorbenen Freunde.

Als Kurt nach einigen Stunden seine Müdigkeit nicht unterdrücken konnte, hatte der alte Herr ihm freundlich zugenickt und ihm den Rat gegeben, sich hinzulegen, er selbst würde gerne noch ein Stündchen sich in die Erinnerungen an vergangene Tage vertiefen. Kurt wollte aber nicht so unhöflich sein, seinen Gast allein zu lassen und war schließlich in seinem Sessel sanft eingeschlafen. Er war jetzt immer abends so schrecklich müde und schlief fest und traumlos, bis Jons am Morgen zur festgesetzten Stunde mit der Meldung in sein Zimmer trat, dass das Bad gerüstet sei.

Dann hatte Kurt Braczkos Neffen, Paul, kennen gelernt, der ein Nebengut seines Onkels bewirtschaftete. Der junge Hüne hatte ihn mit offenen Armen aufgenommen und festgehalten, so dass er erst gegen Abend von seinem Besuch zurückkehrte.

Auf den Rat der Tante hatte er auch die verwitwete Frau Strawischke auf Schorellen besucht, deren Hauptreichtum in sechs hübschen Töchtern bestand, von denen die jüngste erst 16 und die älteste erst 21 war. Wie die Orgelpfeifen standen sie nebeneinander.

Und er hatte ein paar sehr angenehme Stunden verlebt, bei einem guten Frühstück, wie es auf dem Lande so üblich ist. Und die frischen Mädel hatten in ungezwungener Natürlichkeit mit ihm geplaudert, wie alte gute Bekannte.

Als im November das schlechte Wetter mit Wind und Regen einsetzte, bekam er die Tante tagelang nicht zu Gesicht. Sie lag, von Schmerzen geplagt, zu Bett und ließ ihm sagen, wenn er sich anmeldete, sie wollte sich ihm in dieser Verfassung nicht zeigen. Dann spielte er ihr jeden Abend etwas vor und länger, als er es sonst zu tun pflegte.

Und wieder eines Morgens stand Jons an seinem Bett und meldete mit bebender Stimme, während ihm die Tränen über die Backen liefen:

»Die gnädige Frau sind heute Nacht sanft entschlafen.«

Es war Kurt, als wenn ihm die Mutter zum zweiten Mal gestorben wäre. Noch nie hatte er sich so verlassen und einsam gefühlt, selbst nicht, als seine leibliche Mutter kurz nach dem Vater gestorben war.

Wieder wurde es ein großes Begräbnis.

Dies Mal kamen viele Menschen nicht bloß aus Neugier, sondern aus ehrlicher Teilnahme, um der Frau, die weit und breit Liebe und Achtung sich erworben, die letzte Ehre zu erweisen.

Und viele von denen, die ihrem Neffen und Erben auf dem Kirchhof die Hand drückten, fanden ein Wort der richtigen Anerkennung für die seltene Frau, ein Wort, das in seinem Herzen lauten Widerhall fand.

Der neue Gutsherr kannte die wenigsten seiner Gäste, hatte aber für jeden ein freundliches Wort, hoffte mit jedem in guter, freundlicher Nachbarschaft zu leben und gewann sich die Anerkennung aller durch sein liebenswürdiges Wesen. Namentlich waren es die Damen, die sich schon am Kaffeetisch sehr anerkennend über ihn aussprachen, und unter ihnen waren es insbesondere die Mütter heranwachsender und herangewachsener Töchter, die mit Befriedigung wahrgenommen hatten, dass an des jungen Gutsherrn Hand kein Verlobungsring, geschweige denn ein Ehering steckte. In jedem Falle aber hoffte und vermutete man, dass jetzt eine neue Zeit für Berschkallen beginnen würde, eine Zeit solider Festlichkeiten und regen Verkehrs, wobei man seine Tochter herausstellen konnte.

Namentlich Frau Strawischke malte sich in Anbetracht dessen, dass sie gleich sechs ganz wunderhübsche Töchter ins Treffen führen konnte, die Zukunft sehr rosig aus, und sie konnte es wahrhaftig brauchen, denn auf Strawischken war es an allem schon recht knapp geworden, vor allem aber am Gelde.

Natürlich hatte Kurt von Berg keine Ahnung von den Plänen, die für und gegen ihn da geschmiedet wurden, und er musste laut auflachen, als der alte Braczko ihm auf die Schulter klopfte und in seiner angeheitert vertraulichen Art sagte:

»Nachbar, nehmen Sie sich in Acht. Es wird, wenn nicht alle Zeichen trügen, schon gegen Sie mobil gemacht und alle unsere Gluckhennen da« – und er zeigte auf die Damen hinüber – »sind schon drauf und dran, ihre Küchlein auf Sie loszulassen.«

»Glauben Sie?« hatte Herr von Berg gefragt, und lächelnd zu den Damen hinübergesehen. »Aber wenn auch, mich bringt’s in keine Gefahr, denn ich bin ein eingefleischter Junggeselle.«

Da aber hatte Braczko mit einem Auge gezwinkert und gesagt:

»Nein, nein, glaube ich nicht: die eingefleischtesten Junggesellen sind immer wir verheirateten Leute«, und damit war er gegangen und hatte zu den vielen anderen, die er schon hinter die Binde gegossen hatte, noch einen genommen.

Sein Neffe aber, der Paul, hatte ihm zugedroht und gesagt:

»Onkel Braczko, gib Acht, dass du deinen Lötkolben nicht zu tief in das Glas steckst, sonst zischt es, so glüht er schon wieder.«

»Du verdammter, nichtsnutziger Bengel du!« drohte ihm der Alte, stieß aber gleich darauf mit ihm an und leerte wieder sein Glas.

Der neue Gutsherr unterhielt sich indessen in recht ernstem Gespräche mit dem Herrn Pastor, erkundigte sich eingehend nach den Beziehungen zwischen Gutsherrschaft und Kirche und zeigte namentlich ein reges Interesse für die Schulverhältnisse.

Dadurch gewann er sich natürlich auch die rückhaltlose Anerkennung dieses echten Seelsorgers der Gemeinde.

Am eingehendsten aber sprach er mit dem alten Gutsinspektor von Keimkallen, der nicht genug hervorheben konnte, was für Verdienste sich die eben Verstorbene um Hebung und Vergrößerung und Abrundung des Gutes erworben hatte.

»So einen Mann, wie die Frau, bekommen wir im Leben nicht wieder,« sagte er. »Freilich ist aber noch immer sehr viel zu tun und viel zu verbessern. Vor allem aber steckt ein verdammter, ekliger Dorn noch im Fleisch Ihres Gutes.«

»Und der ist?« fragte der Gutsherr.

»Der Mertinatsche Besitz. Na, Sie werden das ja selbst schon gesehen haben, wie Sie auf dem Gute hier Umschau hielten. Viel hat Frau von Rosen ja schon an sich gebracht, denn die Mertinat hat vieles, nur das Wirtschaften, das hat sie gar nicht verstanden. Die drei Margellen aber, die jetzt darauf sitzen, die halten an dem bisschen fest und lassen nicht locker, so wie mein Hund nicht locker lässt, wenn er einen Schinkenknochen im Maule hat.«

»Und Sie halten das Einverleiben des Mertinatschen Besitzes in Berschkallen für wünschenswert?«

»Für eine Notwendigkeit, Herr von Berg. Für eine Lebensfrage für Sie. Aber Sie haben ja selbst Ihre Augen, Sie werden ja sehen.«

Er sah es auch wirklich.

So überraschend gut ihm das, unter der Leitung seiner Tante zu einem Mustergute gewordene Berschkallen, in allen seinen Teilen gefiel, so wenig entzückt war er von dem ganz unmotivierten Hineintragen fremden Besitzes in den seinen.

Grundmoser war natürlich derselben Ansicht, die sich übrigens jedem von selbst aufdrängte.

»Über kurz oder lang müssen die ollen Margellen die Sache ja doch hergeben. Lange können sie ja nicht mehr machen. Das Gut trägt ja nichts, sondern es frisst. Dass sie raus müssen, ist also, so traurig es für sie ja auch sein mag, nur eine Frage der Zeit. Uns kann es aber nicht gleichgültig sein, in wessen Hände es fällt. Wir müssen’s bekommen. Jeder Dritte würde horrende Preise verlangen, oder womöglich, uns zum Possen, eine Fabrik oder eine Schneidemühle mit rauchendem Schlot hinsetzen, mitten in unser eigenes Herz.«

»Das darf natürlich in gar keinem Falle geschehen. Der ganze Besitz würde ja dadurch entwertet. Was ist aber dabei zu tun? Kann man ihnen denn nicht einen vernünftigen Preis dafür anbieten?«

»Sie nehmen keinen, nicht wenn man ihnen das Zehnfache bietet, und so bleibt nur ein Mittel: ausräuchern.«

»Wie meinen Sie das?«

»Na, einfach unter der Hand weg die Hypotheken zusammenkaufen und warten, bis sie fällig werden, oder die Zinsen nicht mehr gezahlt werden können.«

»Steht es denn wirklich so schlecht um die drei Damen?«

»Schlecht ist gar kein Wort mehr dafür, und darum hat sich ja die selige, gnädige Frau auch so geärgert.«

Natürlich befolgte Herr von Berg den Rat seines alten, erfahrenen Inspektors. Die Hypotheken waren bald alle in seiner Hand, die erste sowohl wie die zweite und dritte.

Wenn er aber darauf gerechnet hatte, dass die Damen, wie er sie nannte, mit der Bezahlung der Zinsen im Rückstande blieben, so irrte er sich sehr. Mit einer ganz regelmäßigen Pünktlichkeit ging das Geld ein, und er rechnete es sich schon aus, dass, wenn es so weiterging, die Mertinats weiter zahlen würden, so lange auch nur ein Atemzug in ihrem Leibe und die letzte Faser Fleisch an ihren Knochen war.

Ganz gegen seinen Willen rang ihm diese geradezu verzweifelte Hartnäckigkeit, mit der sie sich durchkämpften, ein Gefühl der Bewunderung ab, und eines Tages sagte er auch seinem Inspektor: »Die alten Damen flößen mir tatsächlich Respekt ein, Grundmoser, Ihnen nicht?«

»Welche alten Damen?« fragte der, wie aus den Wolken gefallen.

»Na, die ollen Margellen, wie Sie sie nennen, die Mertinats.«

Da lachte aber der Inspektor hellauf, trotz seines Respekts vor dem Herrn.

»Alte Damen?« rief er. »Wenn Sie sie nur sehen würden! Ganz junge Dinger sind’s, aber sie schlagen sich durch wie alte Kriegsveteranen, und namentlich die eine, die ficht und kämpft wie eine Katze.«

»Jung also sind sie, Grundmoser?« fragte Herr von Berg, der maßlos erstaunt war, denn das gab jeder Sache ein ganz anderes Gesicht.

»Ganz jung. Die älteste wird, na was wird sie sein? Wenn’s hoch kommt, ihre vierundzwanzig oder fünfundzwanzig Jahr, und die jüngste und gerade die ärgste ist noch nicht einmal flügge, mit ihren sechzehn oder siebzehn Jahren. Unser Förster aber, glaub’ ich, kennt die Jüngste am besten.«

»Wie ist das zu verstehen? Wie meinen Sie das?«

»Na, man redet nicht gern davon, aber schließlich muss es Ihnen ja doch endlich gesagt werden, wenn Sie auch noch kein Interesse an der Jagd haben. Die Jüngste, – ein Racker! Na, wenn Sie die einmal kennen lernen! – Die treibt’s doch schon ein bisschen zu arg. Die hat nämlich die Forstmeisterei drüben unter sich, wie sie’s nennt. Stolziert in ihrem Forstanzug herum und ist ohne Flinte überhaupt im Wald nicht zu treffen. Schießt übrigens wie der Deuwel. Aber … hm … wie soll ich’s sagen? Sie beschränkt sich nicht auf das Wild aus dem eigenen Grund und Boden, sondern hat auch schon manch einen unserer Hasen und unserer Fasanen abgeschossen.«

»Seht mal an,« sagte Kurt von Berg, um nur etwas zu sagen.

»Wir hatten’s natürlich der Seligen seinerzeit vermeldet und die hatte mit den Achseln gezuckt und gesagt: ‘Lasst sie nur machen. Viel Schaden tut sie uns doch nicht, so lange sie’s nur für die eigene Küche braucht, und ich glaube fest, unser Wild richtet mehr Unheil auf ihren Äckern an, als sie uns schadet.’«

»Da könnten die jungen Damen ja den Schaden anmelden,« sagte Herr von Berg.

»Ja, das könnten sie wohl, aber da kennen Sie die Mertinatschen Mädels schlecht. Eh’ die einen Heller genommen hätten, eher wären sie verhungert. Nun handelt es sich nur darum, wie wir die Geschichte jetzt handhaben sollen.«

»Wir lassen es natürlich beim Alten, also ganz so wie es zu Tante Christinens Zeiten gewesen ist.«

»Das ist ja ganz schön und ganz gut,« sagte der Gutsinspektor, »aber die Sache hat einen neuen Haken bekommen. In Goldap ist nämlich seit einer Weile Wild auf dem Markt, das ganz sicher kein anderer hingeliefert hat, als die kleine Mertinat. Einmal hat unser Förster sie ja dabei erwischt, wie sie sich gerade einen Rehbock bei uns herausgeholt hatte, na und da hatte er, um ein Exempel zu statuieren, nicht viel Federlesens gemacht, hatte ihr ihre Büchse abgenommen, mit der sie den Bock geschossen hatte, und hatte sie bei der Gutsherrin zur Anzeige gebracht. Die aber hatte wieder nur gelächelt und gesagt: ‘Lassen Sie’s gut sein, Fröhlich, die Angst wird schon als Lektion gefruchtet haben. Geben Sie ihr die Büchse nur ruhig wieder. Sie soll sich’s aber gesagt sein lassen, dass so was nicht länger geht.’«

»Na und?« fragte der Gutsherr, den die Sache sichtlich zu interessieren schien.

»Unser Förster wollte die Kleine nicht vor ihren Schwestern blamieren. Er wartete also ab, bis er sie allein fand. ‘Ich habe Ihnen hier etwas zu geben, Fräulein Georginchen’, sagte er, ‘hier Ihr Gewehr, und Frau von Rosen lässt Ihnen sagen, sie sähe von einer Bestrafung noch ab und sie gäbe Ihnen sogar Ihr Gewehr zurück.’ Da aber hätten Sie die Kleine sehen sollen. ‘So? Tut sie das?’ rief sie. ‘Na, dann erzählen Sie ihr auch, wie ich ihr Geschenk aufgenommen habe und was ich daraus mache.’ Mit diesen Worten nahm sie das Gewehr und wollte es einfach über ihrem Knie zerbrechen. Als das aber nicht ging, da nahm sie’s, wirbelte es ein paarmal herum und schlug es mit solcher Gewalt gegen einen Baum, dass es in tausend Splitter ging. Die warf sie dem Kittler vor die Füße. ‘So, und das können Sie ihr auch mit zurücktragen.’«

»Das muss ja ein ganz gefährliches Mädel sein«, rief Kurt von Berg.

»Ist sie auch und wenn die so bleibt, dann Gnad’ Gott dem, der die einmal heimführt! Ich weiß aber immer noch nicht, was wir mit der kleinen Grünröckin tun sollen, wenn wir sie wieder einmal auf Wildfrevel erwischen.«

»Ja, wenn Sie wirklich den Markt damit beschickt, dann ist das eine ganz verteufelte Sache«, erwiderte Herr von Berg. »Aber wissen Sie was, das Beste ist, Sie schreiben der Ältesten, wie die Sache steht und bitten sie, doch ein bisschen besser auf ihre jüngere Schwester zu achten und sie ein klein wenig mehr an der Kandare zu halten, damit sie ihre tollen Seitensprünge nicht mehr macht, die ihr teuer zu steh’n kommen könnten. Halten Sie aber das Schreiben in einem recht versöhnlichen Tone, aus dem sich sofort herauslesen lässt, dass wir die Sache nicht tragisch nehmen, denn das tun wir doch nicht, was? Solange sich der kleine Wilddieb in mäßigen Grenzen hält.«

»Das zu beurteilen ist ganz Ihre Sache, Herr von Berg,« sagte der Inspektor, und der Brief ging ab.

Herd und Schwert

Подняться наверх