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Die heilige Zeit

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Das Ritual hat nicht nur einen heiligen Ort, der den profanen Raum überschreitet. Auch die Zeit des Rituals ist heilige Zeit, die vom alltäglichen Zeitlauf abgegrenzt und von ihm qualitativ verschieden ist. Wie der heilige Ort zwischen den Welten, steht sie zwischen den Zeiten und vereinigt sie zu einer zeitlosen Gegenwart. Die Götter und Ahnen sind im Ritual nicht nur hier, sondern auch jetzt, und wir selbst treten aus dem linearen Zeitablauf und haben Teil an der Zeit des Mythos, von dem es heißt: „Er war nie, ist aber immer“.

So feiern wir in den Jahresfesten nicht nur die Wenden zwischen Frühling, Sommer, Herbst und Winter des aktuellen Jahres und die Segnungen, die uns die Götter in der endenden Jahreszeit gegeben haben und in der kommenden geben mögen. Wir treten, wie es der Religionsphilosoph Micea Eliade als wesentlich für das Ritual beschreibt, zugleich auch in die mythische Urzeit ein, in der die Götter die Welt und die Zeiten geordnet haben. Wir gedenken dieser Tat nicht nur. Wir vereinigen uns mit der zeitlosen Ewigkeit, in der sie immer wieder von Neuem getan wird. Auch jeder andere Mythos, den wir im Ritual zelebrieren, findet jedes Mal wirklich statt und wird aktuelle Gegenwart.

Damit ist aber auch der profane Zeitpunkt, an dem wir ein Ritual halten, nicht austauschbar. Wenn wir im Ostarafest feiern, wie der Frühling den Winter besiegt und die Welt neu geschaffen und mit Leben erfüllt wird, dann kann das rituelle Geschehen nur stattfinden, wenn das auch in der Welt um uns so ist.

Heidnische Feste sind jahreszeitlich gebunden, wobei schon in der Bronzezeit als entscheidender Faktor die relative Bewegung der Sonne erkannt wurde. Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen, bereits vor 3600 Jahren auf der in Sachsen-Anhalt gefundenen „Himmelsscheibe von Nebra“ exakt markiert, wurden gewissenhaft beobachtet und bildeten nicht nur die Grundlage des bäuerlichen Arbeitsjahrs, sondern auch des Festkalenders. Das hatte allerdings nicht immer und überall die gleichen Konsequenzen. Es gab je nach Volksstamm und Zeitalter verschiedene Festtermine und zum Teil auch verschiedene Feste. Nur Jul (Wintersonnenwende) war vermutlich immer allen Germanen gemeinsam.

Heute orientieren sich viele Heidengruppen wieder an den astronomischen Fixpunkten, von denen wir annehmen, dass sie von unseren frühesten Vorfahren ebenso exakt als Festtermine genutzt wie beobachtet wurden. Auch der VfGH feiert die vier großen Jahresfeste möglichst genau zu den astronomischen Jahreszeitdaten, obwohl das nicht in jedem Fall unbedingt der historischen Tradition entspricht. So zeigt der altfränkische Name ostarmanoth für den April, dass zumindest die Franken das Ostara-Fest nicht exakt zu Frühlingsbeginn, sondern einige Wochen später, vielleicht zum ersten Vollmond danach, feierten. Die astronomische Bindung macht aber trotzdem Sinn. Sie drückt aus, dass die Jahresfeste nicht nur „Vegetationsfeste“ sind, wie sie oft auf einen einzelnen Aspekt reduziert gedeutet werden, sondern die ganze große Ordnung des Kosmos feiern.

Zusätzlich kann jede regionale Gruppe, Familie oder Einzelperson natürlich weitere Feste feiern, und darüber hinaus gibt es auch Rituale, die an aktuelle Ereignisse, und solche, die an keine bestimmte Zeit gebunden sind. So dankt man für ein Kind, wenn es geboren ist, und kann ein Blót für eine Gottheit, die man das ganze Jahr über besonders verehrt, zu jeder Zeit im Jahr abhalten.

Das Heilige Fest

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