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3. Kapitel

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Dann war der Tag der Beerdigung da. Vorher hatte die ganze Zeit die Sonne geschienen, heute aber war der Himmel verhangen, und es regnete schon seit Mitternacht. Reni dachte, es sieht so aus, als trauere der Himmel um den Toten. Aber ich kann das nicht glauben, ich glaube überhaupt nichts mehr.

Schluchzend klammerten sich die Kinder an die Tante Reni. Peter kümmerte sich um die gebrochene Wilma. Ganz in Schwarz, nur noch ein Schatten ihres früheren Lebens, so schleppte sie sich dahin. Und als sie vor dem offenen Grab standen und der Pfarrer bewegte Worte sagte, und als man dann den Sarg hinunterließ, da dachte Reni: Alles ist so schrecklich, grausam. Das kann doch nur eine Pferdenatur ertragen, dieses Fortgehen. Ansehen müssen, wie man den Liebsten in die Erde versenkt.

Und dann saßen sie alle beim Leichenschmaus. Reni sprach ununterbrochen mit der Schwester. „Das Leben geht weiter, Wilma. Deine Kinder brauchen dich, du musst ihnen jetzt Vater und Mutter sein, hörst du mich?“

„Warum bin ich nicht auch gestorben? Das Leben hat für mich keinen Sinn mehr. Alles ist in mir tot und leer. Und weinen kann, ich auch nicht mehr.“

Von den Kindern litt Annelie am meisten. Sie war alt genug, um wirkt ich zu fühlen, wie die Mutter litt. In ihrer lieben, stillen Art wollte sie ihr helfen. Aber die Mutter merkte es gar nicht.

„Lass mich bei dir bleiben, Mutter. Ich geh nicht mehr auf die Schule, ich will dir helfen, bitte Mutter.“

Da saß nun dieses grüblerische junge Mädchen, verstört und sehr einsam, plötzlich war ihr, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen fortgerissen.

„Ach Kind“, sagte die Mutter schwach.

Annelie war für ihr Alter sehr verständig und arbeitete viel lieber daheim auf dem Hof als für die Schule. Auch jetzt bemühte sie sich rührend um die kleine Schwester, die nun wirklich nicht wusste, was das alles zu bedeuten hatte. Mit ihren vier Jahren wusste sie noch nicht, dass der Tod etwas Endgültiges war und der Vater nie mehr da sein würde, um mit ihr Späße zu machen, sie in die Luft zu werfen, wie er das so gerne getan hatte. Und auch Florenz mit seinen zwölf Jahren fühlte wohl die Trauer im Herzen, aber Annelie litt wirklich und sie konnte die Mutter nicht weinen sehen.

„Ich geh nicht mehr zur Schule“, sagte sie bestimmt.

„Ach was“, sagte Lisa zu ihrer rechten Seite. „Ich bin ja auch noch da. Du machst die Schule fertig, derweil kümmere ich mich um deine Mutter. Man macht nichts Halbes, man beendet alles und damit basta.“

Annelie zuckte zusammen und fühlte, wie die Tränen wieder in ihr hochzusteigen begannen, da fühlte sie einen Blick auf sich ruhen. Es war Tobias, der sie anblickte, und das schon eine ganze Zeit. Bis jetzt war sie für ihn immer noch das Schulmädel gewesen, aber jetzt bemerkte er zu seiner größten Verwunderung, dass sie schon erwachsen war.

Reni, die die Bestürzung bei Annelie bemerkte, sagte sanft: „Es ist wirklich besser, Annelie, es dauert ja nicht mehr lang. Und mit einem guten Zeugnis machst du deiner Mutter viel mehr Freude. Der Vater hat es sich doch so gewünscht.“

„Ja“, sagte sie schwach. „Aber ich möcht doch der Mutter so gern beistehen.“

Wilma sagte: „Ich werde nie mehr lachen können, nie mehr. Man hat mein Herz mit begraben.“

„Sprich doch nicht so, Wilma“, bat die Schwester. „Eines Tages wirst du alles überwunden haben. Das Leben geht weiter, hörst du? Du darfst dich jetzt nicht hängen lassen, die Kinder brauchen dich. Und der Hof braucht dich auch, du musst ihn für deine Kinder weiter bewirtschaften, das Erbe Josefs.“

Sie seufzte schwer.

„Du hast recht, Reni, ich will mich jetzt auch zusammennehmen. Josef würde es mir nie verzeihen, wenn ich mich nicht um unsere Kinder kümmere.“

„So ist es recht, Wilma. Und du schaffst es auch, ganz bestimmt.“

Sie lächelte wehmütig. Die Schwester konnte wirklich gut reden, aber mit der Einsamkeit musste sie allein zurechtkommen. Und es graute ihr davor, zurückzugehen. Alles würde sie an den Toten erinnern. Ihr würde sein, als wäre er gar nicht gestorben, aber ihr Herz wusste, er würde nie mehr die Tür öffnen und in die Stube treten. Nie mehr würde sie sein fröhliches Lachen hören.

Lüge, Verrat und Liebe zwischen den Gipfeln: Heimatroman Doppelband 2 Romane

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