Читать книгу Lüge, Verrat und Liebe zwischen den Gipfeln: Heimatroman Doppelband 2 Romane - G. S. Friebel - Страница 11
4. Kapitel
ОглавлениеLisa übernahm sofort das Zepter. Sie hatte die blaue Kammer bezogen und schien sich um alles zu kümmern. Auf die verwunderten Fragen von Wilma, ob sie denn nicht wieder nach Schladming zurück müsse, hatte sie geantwortet: „Ich bleibe jetzt für immer hier. Du kannst wirklich froh sein, dass ich so gütig bin und dir ab jetzt beistehen werde. Josef ist tot und der Hof braucht eine starke Hand, sonst verlottert er noch ganz. Ich werde das jetzt in die Hand nehmen.“
Wilma hatte sie nur groß angeblickt, aber ihr Herz war noch so schwer und so dachte sie: Mag sie die erste Zeit sich um alles kümmern, wenn ich wieder auf der Höhe bin, dann übernehme ich wieder den Hof. Aber im Augenblick fühle ich mich wirklich noch zu schwach. Ich kann es einfach nicht.
Lisa blieb, und es brauchte nicht einmal eine Woche zu vergehen, da war alles wieder so wie früher, als sie hier noch gewirtschaftet hatte. Sämtliche Möbel hatte sie wieder an den alten Platz gerückt. Wilma wollte aufbegehren, aber gegen die herrische Lisa kam sie einfach nicht an. Außerdem besaß sie ein so empfindsames Herz, dass sie ihr nicht wehtun wollte.
Sie musste ihr wirklich dankbar sein; denn sie kümmerte sich in der Tat um alles. Dass sie sich wie die Bäuerin selbst aufspielte, das merkte Wilma gar nicht.
Wenn jetzt die Kinder zum Wochenende heimkamen, dann waren sie traurig und gedrückt. Zu Hause ging es nicht mehr so fröhlich und heiter zu. Die Mutter hatte immer Tränen in den Augen und hörte auch nie richtig zu, wenn man mit ihr sprach. Und die Tante schimpfte herum und die beiden wussten schon gar nicht mehr, wem sie nun gehorchen sollten. Außerdem hatten sie vor der Tante immer ein wenig Angst und fürchteten sich sehr. So waren sie immer froh, wenn sie am Montag mit dem Bus nach Schladming zurückfahren durften.
Und statt Wilma auf Schwung zu bringen, ihr immer wieder zu sagen, sie müssen sich jetzt aufraffen und wieder am Leben beteiligen, tat Lisa genau das Gegenteil. Wenn Wilma wirklich in der Wirtschaft anpacken wollte, sagte Lisa rasch: „Ruh dich nur aus. Das schaffe ich schon alleine. Du hast so viel gelitten und hast solch großen Kummer, geh in deine Kammer und ruh dich aus. Das bisschen schaffe ich schon allein. Ich bin ja Gott sei Dank stark und kräftig.“
Ja, musste sie da nicht annehmen, Lisa tat dies alles, ihr helfen, den Hof führen, aus lauter Gutheit? Sie brauchte wirklich nichts zu tun. Saß nun den ganzen Tag in ihrer Schlafstube am Fenster, hielt die Hände im Schoß gefaltet und dachte an den Toten. Und da blieb es natürlich auch nicht aus, dass dann wieder die Tränen zu fließen begannen. Und wenn sie sich dann so richtig im Herzeleid wähnte, dann vergaß sie ihre ganze Umgebung, und Hunger hatte sie auch nicht mehr. Immer dünner und schwächer wurde sie mit der Zeit.
In Torf merkte man die Veränderung auf dem Eignerhof sehr wohl. Und wenn man die Lisa fragte, warum denn die Bäuerin nicht mehr käme, so sagte sie mit sanfter Stimme: „Ach, sie trauert noch immer und kann ihren Josef nicht vergessen. Es ist wirklich schrecklich, sie so leiden zu sehen. Aber sie hat ja mich, derweil kümmere ich mich um alles.“
Und so glaubten auch die Dörfler an die gute Gesinnung von Lisa. Sie war ja solange fort gewesen und da erinnerte man sich kaum mehr daran, dass sie früher ein herrisches Wesen gehabt hatte und im Zorn den Hof des Bruders verlassen hatte, bloß weil dieser sich ein Weib genommen hatte.
Nur der Reni konnte sie nichts vormachen. Sie glaubte einfach nicht an die gute Gesinnung. Aber leider war sie ja auch nur eine Fremde in Torf, und so würde man sie für schlecht halten, wenn sie jetzt hinging und sagte, die Lisa wäre wirklich nicht so seelenvoll, wie sie vorgab.
Weil Wilma nicht mehr kam und weil sie sie auch nie allein sprechen konnte, wenn sie zum Eignerhof hinaufstieg – Lisa war immer in der Nähe – so konnte sie auch der Wilma nicht mehr ins Gewissen reden.
So ließ sie die Sache einfach treiben. Reni sagte sich, eines Tages wird Wilma selbst genug davon haben, nur immer in der Stube zu hocken und zu weinen. Auch der schlimmste Schmerz vergeht einmal.