Читать книгу Die Freundin des neuen Königs: Redlight Street 163 - G. S. Friebel - Страница 8
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ОглавлениеDer Kaiserhof ist das größte und vornehmste Hotel im Ort. Die Geschäftsleitung ist nicht gerade begeistert von diesem Auftrag. An einem gewöhnlichen Tag die ganze obere Etage zu vermieten, bringt schönes Geld ein. Und das ist auch der Grund, warum sie mit gemischten Gefühlen zusagte. Clemens wollte alles vom Besten. Er hatte ihnen eine lange Liste am Telefon diktiert.
Der Hoteldirektor ist der Ansicht, dass nach dem Leichenschmaus die obere Etage reparaturbedürftig sein dürfte. So viele Zuhälter und Dirnen in einem Raum, das konnte einfach nicht gutgehen. Zur Vorsorge hat er die besten Vasen und Bilder wegräumen lassen. Auch die Stühle sind ausgewechselt worden. Denen kam es doch nur auf Essen und Trinken an. In der Küche ist Hochbetrieb.
Als Lydia am Arm von Clemens in die Hotelhalle schreitet, denkt sie: Niemand ahnt, dass ich hier geboren bin. Hochmütig blickt sie die starrenden Kellner an. Ihre Blicke können vernichtend sein. Sofort erröten sie und schlagen die Augen nieder.
Clemens sieht fabelhaft aus, stellt Lydia fest. Er ist groß gewachsen. Seine breiten Schultern stecken in einem eleganten Anzug. Das teure weiße Hemd hat bestimmt über hundert Mark gekostet.
»Wir sind da«, sagt er.
Der Direktor lässt sich vom Geschäftsführer vertreten. Er hält es für unter seiner Würde, mit solchen Leuten zu sprechen. Clemens weiß das sehr wohl.
Geld regiert die Welt. Nach diesem Motto tritt er auch in dieser Kleinstadt auf.
»Würden Sie mir bitte folgen, es ist alles angerichtet«, sagt der Mann hüstelnd.
»Mach keinen Ärger«, flüstert Lydia ihm zu.
Er tätschelt ihr die Hand. »Aber mein Liebling, es ist doch nur in deinem Interesse. Hallo, Sie, würden Sie wohl so freundlich sein und den Direktor rufen?«
Sie stehen auf der Schwelle des Frühstückssaales. Die andern Trauergäste drängen sich hinter ihnen herein.
»Einen Augenblick, liebe Freunde«, sagt Clemens und hebt die Hand.
Elli und Lotti kichern leise. Clemens ist so richtig in Fahrt.
Der Geschäftsführer wird grün und blass. »Äh«, murmelt er, »ist etwas nicht in Ordnung?«
»Eine ganze Menge nicht. Aber ich verhandele nur mit den Direktoren, niemals mit Untergebenen. Natürlich können Sie das nicht wissen«, setzt er nachsichtig hinzu. Es ist wie ein Schlag ins Gesicht.
Der arme Mann, völlig aus dem Gleichgewicht geraten, rennt den Flur entlang und verschwindet in einem Zimmer.
»Musstest du das unbedingt tun, Clemens?«, fragt nun auch Fred Münzberg.
»Frag nicht so dumm! Was verstehst du denn schon von feinen Leuten? Sie wollen unser Geld, jawohl. Gierig strecken sie ihre Hände danach aus. Aber dann will ich auch so behandelt werden wie alle andern. Kapiert?«
Wenige Augenblicke später taucht tatsächlich der Direktor auf. Sehr rot im Gesicht, starrt er den Zuhälter ärgerlich an.
»Ich bin sehr beschäftigt, mein Herr. So ein großes Haus erfordert all meine Kräfte.«
»Wem sagen Sie das?«, seufzt Clemens auf. »Ich hab eine Menge großer Häuser und kann somit Ihre Sorgen teilen.«
Ein vernichtender Blick soll ihn am Sprechen hindern. Clemens nimmt es mit diesem kleinen Stadtmenschen gelassen auf.
»Die Tafel ist sehr hübsch, wirklich, alles nach meinen Anweisungen gemacht. Aber dürfte ich Sie jetzt wohl höflich bitten, uns andere Stühle zu bringen. Bestimmt war es nur ein Versehen, dass man sie umtauschte. Und auch die hübschen Bilder und anderen Sachen, die man entfernte. Sie glauben gar nicht, wie sehr wir für Kultur schwärmen.« Seine Stimme ist unerbittlich.
Dem Direktor verschlägt es die Sprache.
»Dalli. Dalli!«
»Aber, was glauben Sie denn?«, keucht er.
»Ich weiß, Sie haben es nicht gewusst. Aber darf ich Ihnen versichern, dass wir genauso gerne auf einer weichen Unterlage sitzen wie die Herrschaften, die sonst hier vielleicht den Raum benutzen? Und sollten Sie Angst haben, wir würden etwas fortnehmen, so darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass wir das ganz und gar nicht nötig haben.«
Der Direktor schwankt hin und her. So etwas war ihm noch nicht passiert. Sein erster Impuls ist, diesen Frechling und seine ganze Bande aus dem Haus jagen zu lassen. Aber dann fallen ihm noch rechtzeitig die Unkosten ein. Er hat ja noch nicht bezahlt, der Herr Zuhälter.
Sehr weiß im Gesicht, geht er davon. Lydia schreitet in den Raum und bleibt stehen. Sie will etwas sagen, aber da kommen schon die Kellner und tauschen die Sitzgelegenheiten aus. Jetzt stehen weiße Stühle mit rotem Samtpolster zu ihrer Verfügung.
»Na, ist das nicht eine Wucht?«, lächelt Clemens.
»Eines Tages werden sie dich auch noch umbringen.«
»Aber, aber«, tut er geschmeichelt, »bin ich wirklich so berühmt?«
Sie lachen. Schnatternd suchen sich alle einen Platz. Auch die Bilder und die anderen Gegenstände tauchen auf. Dann endlich können sie mit dem Frühstück beginnen. Der Direktor steht in der Tür.
Clemens Held steht noch einmal auf und geht zu ihm. »Ich habe noch etwas vergessen. Noch eine kleine Order. Die müssen Sie aber strikt einhalten.«
Der Direktor sagt nichts mehr. Schlimmer kann es nicht mehr kommen. Schweigend blickt er den Zuhälter an.
»Ich bitte Sie keinen Alkohol ausschenken zu lassen. Zur Begrüßung bekommt jeder ein Glas Sekt. Verstanden? Aber dann nichts mehr, keinen Tropfen. Egal, was bestellt wird. Sollten Sie nicht zu Rande kommen, lassen Sie es mich wissen.«
Der Hotelier seufzt erleichtert auf. Nun, wenn seine Gäste nüchtern bleiben, wird es wohl nicht so schlimm werden. Er nickt und gibt den Befehl weiter. Clemens nimmt seine Serviette und geht zum Tisch zurück.
Hübsche Serviermädchen bringen den Kaffee. Die Gesellschaft hat sehr großen Hunger. Viele sind schon sehr früh aufgestanden. Und das will etwas heißen.
Clemens nimmt sein Glas Sekt in die Hand. Dann steht er auf.
»Freunde!«, ruft er laut.
Alle blicken auf.
»Was ist denn jetzt los?«, kichert Mary.
»Lasst uns ein Glas zum Andenken auf Albert trinken. Ihm verdanken wir es schließlich, dass wir hier in so gemütlicher Runde vereint sind. Oft kommt es ja nicht vor.«
Sie stehen auf, rufen einen Toast aus und trinken das Glas leer.
»Mann, darauf hab’ ich schon die ganze Zeit gewartet«, sagt Clüten-Otto, »bin richtig ausgebrannt.«
»Lasst es euch gut schmecken«, lächelt Clemens, der wie üblich den Vorsitz führt.
»He, Kellner, bringen Sie mal die ganze Flasche«, ruft Klunker-Ede.
»Bedaure«, sagt dieser mit der Achsel zuckend.
Klunker-Ede sperrt Mund und Nase auf. »He, glaubst du vielleicht, ich könne sie nicht bezahlen?«
Der Kellner fühlt sich nicht sehr wohl in seiner Haut. »Natürlich«, sagt er rasch, »aber wir dürfen keinen Alkohol ausgeben.«
»Das ist ja die Höhe!«, kreischt Ede empört. »Ich brauche ihn. Los, hol' mir jetzt sofort eine Pulle Schnaps.«
Clemens kommt näher. »Hier kriegst du keinen Tropfen, Ede.«
»Du bist ja verrückt. So einen Saftladen hast du ausgesucht? Mann, ich bin trocken, verstehste?«
»Ich habe es angeordnet. So lange ich mich hier in diesem Raum befinde, wird kein Alkohol getrunken, verstanden?«
Das ist ein sehr deutliches Wort. Schlagartig legen alle Luden das Besteck nieder. Einige machen eine Geste, als wollten sie aufspringen.
Clemens dreht sich herum. »Keiner trinkt einen Tropfen. Wir sind eine anständige Gesellschaft. Ich habe euch schon oft genug eingebläut, dass wir uns anständig benehmen müssen, wenn wir im Blickpunkt stehen. Und jetzt ist wieder so ein Augenblick. Und außerdem müssen wir zusammen reden. Ich kann mit Schnapsbolden nicht verhandeln. Wer glaubt, ohne den Fusel nicht auskommen zu können, der soll gehen, aber sofort.«
Kuno und Fred sehen sich vielsagend an. Sollen sie sich das gefallen lassen? Albert ist tot, noch nicht mal ganz eingebuddelt, und der spielt sich schon als Ludenvater auf. Sie haben ihn noch nicht mal gewählt.
Aber dann bleiben sie doch alle. Auf einmal ist die Lage sehr gespannt. Lydia sieht Clemens von der Seite an. Merkt er nichts? Er soll sie nicht reizen, das ist nie gut.
»Na schön«, sagt Otto langsam. »Hören wir uns erst einmal an, was der Clemens zu sagen hat. Dann können wir noch immer sehen, ob wir mitmachen.«