Читать книгу Der Schuh - Gabriela Bock - Страница 20

Kapitel 15

Оглавление

In den vergangenen Wochen und Monaten war mir bewusst geworden, was es heißt, eine Mutter von vier Kindern zu sein. Auch finanziell merkten wir, dass Henry der einzige Verdiener war und die Familie sich vergrößert hatte. Trotzdem hatten wir uns einen Urlaub mit Bus und Zelt an der französischen Mittelmeerküste geleistet. Wir mussten die Ferienzeit nutzen, denn Daniel wurde in diesem Jahr eingeschult. Niclas fand das saublöd, beneidete seinen Bruder und ging nicht mehr gern in den Kindergarten. Kim, die Frühstarterin, konnte schon längst laufen, während Linda, immer noch zaghaft, am liebsten auf allen vieren kroch. Henry brauste auf seinem Motorrad umher, tat aber sonst alles für die Familie, was er neben der Arbeit ermöglichen konnte. Und das war eine Menge. Er hatte mit Bernd für Eva den Umzug nach Berlin gemacht, bei dem ich zu gern dabei gewesen wäre, aber ich fand ausgerechnet an dem Tag niemanden für die Kinder.

Ab und zu kam Eva vorbei und wir fuhren zu Morgenstern. Eva sah hinreißend hübsch aus, war gut drauf und hatte mir bei ihrem letzten Besuch mitgeteilt, sie hätte jetzt einen Freund. Ich platzte fast vor Neugierde.

»Wer ist es? Wie sieht er aus?«

»Er sieht wahnsinnig gut aus«, schwärmte Eva, »er ist gebildet, lieb, interessant, witzig, einfach alles. Er hat wirklich alles, was ich mir nur wünsche, was ein Mann haben muss. Er ist großartig.«

»Hast du ein Foto von ihm?«

»Ich verspreche dir, du wirst ihn kennenlernen.«

Mit der Aussage gab ich mich nicht zufrieden, sondern bohrte immer weiter. Endlich hatte ich Eva weichgekocht.

»Mein Vater braucht nicht zu wissen, wer er ist, aber du kennst ihn schon. Du kannst dich doch noch an den süßen Justiziar erinnern, der vor ein paar Jahren bei Emmerich und Partner hospitiert hat. Weißt du noch, wie du für den geschwärmt hast? Weißt du, diesen Schönen, den du so geil gefunden hast.«

Ach, ich wusste…! »Du meinst doch nicht etwa Gerd Blusel, oder?«

»Blümel«, verbesserte Eva mich, »genau der.«

»Der ist doch verheiratet und hat Kinder.«

»Die Ehe ist längst kaputt. Ich traf ihn zufällig am Campus. Er hält ab und zu Vorlesungen an der Uni. Wir werden im Herbst zusammen nach Teneriffa fliegen. Ich freue mich schon wahnsinnig.«

Unser Tag begann relativ früh, dann war Kim wach. Linda musste meist geweckt werden, weil sie eine kleine Langschläferin war. Dann weckten wir gemeinsam die Jungs. Henry und ich machten die Kinder jeden Morgen zusammen fertig und wir frühstückten dann auch gemeinsam. Henry sagte, dass ihm etwas fehlen würde, wenn er nicht wenigstens die Mahlzeiten im Kreis seiner Familie einnehmen könnte. So was würde ihn fit machen für die ganzen stressigen Geschichten, die noch so im Laufe des Tages auf ihn zukämen. Mir fiel dazu nur ein, dass ich es ja meist war, die mittags das Essen kochte. So war es inzwischen. Für die Kinder nahmen wir uns immer Zeit, aber wir fanden kaum noch Zeit füreinander.

Es gibt Zufälle, die gibt es eigentlich gar nicht. Wie an jedem Tag nach dem Frühstück war ich losgezogen. Mit Kim und Linda in der Zwillingskarre, dem ständig knörenden Niclas und Daniel, dem Erstklässler. Die Hunde liefen ohne Leine nebenher oder vorweg, je nach Temperament. Erst gab ich Daniel in der Grundschule ab, dann brachte ich Niclas in den Kindergarten. Natürlich brüllte er und wollte nicht dableiben. Danach war mir meist nach einem Kaffee. Am Bahnhof war das einzige Café, wo man mit der Zwillingskarre und den Hunden …

Gerade hatte ich den Blick zur Seite schweifen lassen, als ich ihn sah. Dasselbe charmante Lächeln, denselben leicht frivolen Gesichtsausdruck wie damals, als ich als junger Teenie mal für ihn geschwärmt hatte: Gerd Blümel!

»Ist die Welt klein!«, rief ich. Er kam an meinen Tisch. »Ausgerechnet dich treffe ich heute hier.«

Offensichtlich freute er sich, mich zu sehen, verstand aber nicht so recht, warum ich mich ausgerechnet über ihn so freute. »Du gehörst doch jetzt bald zur Familie«, sagte ich und ärgerte mich augenblicklich. Wie konnte ich so was Blödes sagen?

»Wie, habe ich was verpasst?«, fragte Gerd.

Mir wurde heiß, und ich lief rot an.

»Na, du und Eva.«

»Wie geht es der Kleinen eigentlich? Dieser armen kleinen Piepmaus mit den exzentrischen Eltern.«

»Ihre Mutter ist tot und ich dachte, du hättest Eva…« Hastig verschluckte ich den Rest des Satzes. »Was… was… machst du so?«, stotterte ich verlegen.

»Wir sind jetzt von Hannover nach Kassel gezogen. Wir haben inzwischen auch zwei Kinder, so wie du. Ich bin ab und zu hier, weil ich meinen Vater in Schaumburg im Altenheim besuche. Meist fahre ich mit dem Auto, aber mit dem Zug ist es entspannter.« Er zeigte auf die Zwillingskarre. »Du weißt doch, wie es ist, mit so kleinen Nervensägen. Da sehnst du dich nach Augenblicken der Entspannung.« Er sah auf die Uhr und trank hastig seinen Kaffee aus. »Schön, dich mal gesehen zu haben, Emilia. Viel Glück für dich. Bist du verheiratet?«

Ich nickte.

»Na denn.«

Er eilte in Richtung Gleise. Nicht, dass ich unbedingt geschockt war, aber schon etwas irritiert. Warum log meine Cousine mich an? Ich nahm mir vor, Eva nicht direkt darauf anzusprechen. Abwarten, wie lange sie mir diese Geschichte noch auftischen würde.

Der Schuh

Подняться наверх