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Liebe, das wunderbare Gefühl

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„Die Liebe allein versteht das Geheimnis,

andere zu beschenken und dabei selbst

reich zu werden.“

Clemens Brentano

Was ist Liebe und woran erkennen wir sie?

Ein Großteil aller Songs, Romane und Gedichte handelt von der Liebe, ohne dass klar wird, was dieses Gefühl genau bedeutet. Es geht in diesen Werken immer um die Auswirkungen der Liebe, um das, was sie mit uns anstellt, wie glücklich oder unglücklich sie uns macht, wie wir uns in ihren Fängen fühlen. Fragt man zwei frisch Verliebte, was sie jeweils am anderen finden, können sie es oft nicht genau benennen: Das gewisse Etwas kann „sein/ihr Lächeln“ sein, „eine Geste, die mich verzaubert hat“, „die Art, wie sie ihr Haar trägt“, „sein entschlossener Gesichtsausdruck“ – lauter Kleinigkeiten, die den starken Sog, den man in der Verliebtheitsphase spürt, eigentlich nicht erklären. Und später, wenn die Partner sich besser kennengelernt haben und mit den nicht so tollen Seiten des anderen zurechtkommen müssen, kann durch die gegenseitige Anziehung eine so starke Verbindung entstehen, dass das Paar allen Unverträglichkeiten zum Trotz zusammenbleiben möchte.

Was Liebe ist, lässt sich also nicht definieren. Denn Liebe umfasst – neben rationalen Erkenntnissen wie „auf ihn/sie kann ich mich verlassen“, „ich fühle mich in seiner/ihrer Nähe wohl“, „er/sie liebt mich offensichtlich“, „ich kann mir sie/ihn als gute Mutter/guten Vater vorstellen“ etc. – auch irrationale Aspekte, die nicht logisch erscheinen. Aber man kann beschreiben, worin Liebe sich zeigt und wie sie sich entwickelt. Wir lieben, wenn wir unseren Partner als Ganzes akzeptieren, also auch mit seinen unangenehmen Seiten klarkommen. Wir lieben, wenn wir seine oder ihre Handlungen unterstützen und würdigen, selbst wenn sie nicht immer unseren persönlichen Zielen entsprechen. Wir lieben, wenn wir mit unserem Partner oder unserer Partnerin respektvoll umgehen. Wenn wir ein starkes Wohlgefühl verspüren, sobald er oder sie uns zärtlich berührt. Wenn wir sie oder ihn sehr stark begehren. Wenn wir einander Sätze wie „Ich kann dich gut riechen!“ oder „Ich hab dich zum Fressen gern!“ sagen. Wenn wir ein unerschütter­liches Zusammengehörigkeitsgefühl verspüren und genau wissen, dass wir unser Leben mit genau diesem Partner teilen wollen.

Liebe ist also ein sehr komplexes Phänomen, das sowohl die freundschaftlichen Aspekte als auch die Erotik eines Paares, aber auch eine zutiefst menschliche Sehnsucht nach absoluter Akzeptanz und Geborgenheit beim Geliebten umfasst. Sie ist ein Sammelsurium aus Zuneigung, Freundschaft, Sinnlichkeit, Verantwortung und gemeinsamer Problembewältigung. Vereinfacht könnte man sagen: Liebe = Freundschaft + Erotik. In dieser Gleichung sind aber die irrationalen psychischen Anteile ausgespart, die ihr etwas Geheimnisvolles, ja sogar Absurdes verleihen. Warum lieben wir gerade diesen einen Menschen unter Hunderttausenden, die wir auch hätten lieben können und die unserem oder unserer Geliebten gar nicht so unähnlich sind? Die vielleicht sogar besser zu uns passen würden, da sie vielleicht in höherem Maße die gleichen Ziele verfolgen wie wir? Mit ihnen müssten wir uns nicht – wie mit unserem Partner – ständig um Kompromisse bemühen, die an unseren Kräften zehren. Und trotzdem wollen wir genau diesen und nicht jenen potenziell vielleicht „brauchbareren“ Partner. Wir entscheiden uns immer wieder für die ganze Unbill mit unserem Geliebten. Wir spüren einfach, dass wir bei ihm oder bei ihr sein sollen.

Ist Liebe unvernünftig?

Die oftmals unerklärlichen Aspekte der Liebe (wir dürfen nicht vergessen, dass die rationalen Anteile auch da sind) stehen scheinbar – oder auch tatsächlich, Spekulationen wollen wir hier nicht nachgehen – außerhalb jeder Vernunft. In der Phase der Verliebtheit kommen sie am offensichtlichsten zutage. Aber gerade sie ermöglichen jene extrem positiven Gefühle der Dankbarkeit, Demut und Hoffnung, die eine Partnerschaft auch durch schwere Zeiten tragen können. Wer liebt, handelt nicht nur nach rationalen Prinzipien. Rational sind aber die eingesetzten Mittel, um die Liebesbeziehung zu stärken und ihr ein stabiles Fundament zu verleihen.

Eine Partnerschaft, die möglichst lange halten soll, braucht Liebe. Statistisch gesehen ist Liebe heutzutage auch der häufigste Grund, eine Partnerschaft anzustreben. Aber Partnerschaft braucht noch mehr: einen ähnlichen Lebensplan und gemeinsame Ziele. In früheren Zeiten war die optimale „Zusammenarbeit“ des Paares sogar der Hauptgrund für eine Ehe (die meistens das ganze Leben hielt, weil Trennung gar keine Alternative war); das moderne Pendant dazu ist eine Beziehung, deren Grundlage ein gemeinsames Lebensziel darstellt. Ein Beispiel: Manche Frauen, aber oft auch Männer, wollen Kinder, haben aber in ihren bisherigen Liebesbeziehungen den passenden Partner für das „Projekt“ Elternschaft nicht gefunden. Ergo entscheiden sie sich für eine Partnerschaft mit einem Menschen, der genau dieses Lebensskript verfolgt. In einer solchen Beziehung sind die Ingredienzen der klassischen Liebesbeziehung in gewissem Maße durchaus vonnöten, damit sie funktionieren kann: Ohne Sympathie, Zuneigung und ausreichende erotische Anziehung würde sie nicht funktionieren. Was fehlen „darf“, ist das Leidenschaftliche, Geheimnisvolle, Unerklärliche, das in der klassischen Liebesbeziehung eine tragende Rolle spielt.

Unabhängig davon, welche Art der Partnerschaft wir bevor­zugen, kann man behaupten, dass alle Menschen die Liebe suchen; dass es zum Wesen des Menschen gehört, lieben und geliebt werden zu wollen. Wir wünschen sie uns unser ganzes Leben lang, trotz unzähliger erlebter Enttäuschungen. Und wenn wir sie finden, hoffen wir immer wieder aufs Neue, dass uns der (Liebes-)Kummer erspart bleibt und die Liebe ewig anhält.

Wozu brauchen wir die Liebe?

Diese Frage hat sich wohl jeder von uns schon einmal gestellt – meistens in einer Phase des Liebeskummers, der so schlimm sein kann, dass wir uns vielleicht sagen: „Das will ich nie wieder erleben!“ Ganz deutlich erkennen wir dann die Vorteile des Singledaseins sowie die Nachteile, die jede Partnerschaft naturgemäß mit sich bringt: sich anpassen zu müssen, Verpflichtungen zu haben, nicht ganz frei zu sein. Und dennoch – nach einer Weile scheint etwas in unserem neuen, unabhängigen Leben zu fehlen: das wunderbare Gefühl der tiefen Verbundenheit mit einem anderen Menschen, der uns ein emotionales Zuhause gibt, der uns versteht wie kein anderer, dem wir uns zugehörig fühlen. Und wir machen uns wieder auf die Suche nach einem Menschen, der in uns diese durch nichts zu ersetzenden Empfindungen weckt.

Es hilft, ein Gegenüber zu haben, dem wir unser Innerstes zeigen können und das uns bei der Weiterentwicklung unterstützt. Sich weiterentwickeln heißt, das Potenzial zu entdecken und auszuschöpfen, das in uns steckt. Jeder Mensch will sich verwirklichen, d. h., all seine Fähigkeiten nutzen. Die Liebe kann ihm dabei behilflich sein, denn sie stärkt und gibt Sicherheit. Genauso, wie wir fähig sind, das Beste in unserem Partner zu sehen, ist unser liebendes Gegenüber jener Mensch, der das Beste in uns gesehen hat, als er sich in uns verliebte. Im Idealfall zeigt uns unser Partner oder unsere Partnerin, wozu wir fähig sind, vertraut uns auf unserem Weg und schenkt uns seine oder ihre volle Unterstützung. Wir spiegeln uns selbst im liebevollen, wohlwollenden Blick unseres Partners – und können uns so ein bisschen mehr auch selbst lieben. Ein gewaltiger Input, der uns buchstäblich Flügel verleiht und uns hilft, uns auch mehr zuzutrauen.

Aber auch im negativen Sinne werden wir durch die Liebe an unsere Grenzen geführt: Auf den Partner ist nicht immer Verlass, sein oder ihr Weg muss nicht immer mit unserem identisch sein. Verletzungen sind unumgänglich, Kränkungen – unbewusste oder bewusste – treue Begleiter jeder Beziehung. Für die Liebe müssen wir ein gewisses Maß an Leidensfähigkeit „mitbringen“ und bereit sein, Konflikte auszutragen. Wenn wir diese Herausforderungen annehmen und uns den schmerzhaften Erfahrungen der Liebe stellen, ohne unser Gegenüber dabei zu verteufeln, wachsen wir über uns hinaus. Das kann ein belastender Prozess sein, dessen Ausgang von unserer individuellen Schmerzgrenze sowie unseren Erfahrungen abhängt. Immer wieder müssen wir uns neu entscheiden, ob wir für die Liebe mitsamt ihren negativen Begleiterscheinungen stimmen oder ob wir sie aufgeben, um uns neuen Lebenschancen zuzuwenden.

Warum hält Liebe (meistens) nicht?

So wunderbar die Liebe in Romanen und Liedern auch erscheint – leidenschaftlich und belastbar, langlebig und er­füllend: Die meisten von uns, die ein gewisses Alter erreicht haben, wissen, dass es in der Realität oft anders ausschaut. Die Liebe ist zerbrechlich, neigt zu Launenhaftigkeit, ist unberechenbar, enttäuscht uns und lässt uns oft verzweifeln. Zwei Gründe spielen dabei eine große Rolle:

 Grund Nr. 1: Wir stellen zu hohe Ansprüche an die Liebe selbst.

Das ist immer dann der Fall, wenn wir unseren Selbstwert durch andere beziehen, vor allem aus dem Gefühl, von jemandem geliebt zu werden. Die Liebe unseres Partners gibt uns die Gewissheit, so, wie wir sind, wertvoll und unersetzlich zu sein. Bei mangelndem Selbstwertgefühl sind wir selbst nicht in der Lage, unseren gesamten „Wert“ zu erkennen; hier hilft oft die liebevolle Anwesenheit eines Partners, für den wir wichtig sind. Ist er aber über längere Zeit nicht bei uns, vermissen wir dieses Gefühl der Bestätigung. In extremen Fällen geht es uns schon schlecht damit, dass er oder sie abends öfter mit dem Freundeskreis unterwegs ist; dann melden sich frustrierende und eifersüchtige Gedanken à la: Wieso kommt er/sie ohne mich so gut zurecht? Liebt er/sie mich überhaupt? Braucht er/sie mich wirklich? Bin ich vielleicht gar nicht unersetzlich? Hat mein Leben überhaupt einen Sinn?

Solche Zweifel sind eindeutige Zeichen dafür, dass unser Selbstwertgefühl schwächelt und wir mit Minderwertigkeitskomplexen zu kämpfen haben. Wir sollten uns darüber klar werden, dass solche extrem hohen Ansprüche an die Liebe – und indirekt an den Partner – unsere Beziehung nach und nach ruinieren. Unser Selbstwert sollte so ausgeprägt sein, dass er durch eine Beziehung zwar gestärkt wird, aber auch ohne sie ausreichend vorhanden ist. Der Schnelltest in Sachen Selbstwertgefühl: Lebe ich mit meinem Partner, weil ich ihn brauche? Oder weil ich mit ihm leben will? Ein Ja als Antwort auf die erste Frage bedeutet: Ich sollte etwas tun, um mein Selbstwertgefühl zu stärken. Wenn ich mit meinem Partner aber gerne zusammenlebe, obwohl ich es auch ohne ihn könnte, hat diese Beziehung ein viel stabileres Fundament.

 Grund Nr. 2: In der Partnerschaft werden unsere Bedürfnisse nur unzureichend gestillt.

Hier ist die Crux, dass der eine den anderen nicht braucht, um seiner Existenz einen Sinn zu geben, sondern als Unterstützung für die Realisierung all jener Dinge, die er gerne tun möchte oder die zu zweit einfach schöner sind.

Ein Beispiel: Der eine Partner möchte nicht gerne alleine ausgehen, der andere bevorzugt seinen eigenen Bekanntenkreis. Ersterer wird unzufrieden sein, wenn sein Gegenüber nie Lust auf gemeinsames Ausgehen hat; Zweiterer kann sein Bedürfnis, solo etwas unternehmen zu dürfen, auch nur dann stillen, wenn der andere mitspielt. Jeder müsste dem anderen entgegen­kommen, damit dessen Wunsch erfüllt wird.

Noch ein Beispiel: Ab und zu Zeit für sich genießen und die Seele baumeln lassen, ist für jeden Elternteil nur möglich, wenn der Partner das unterstützt und beispielsweise für ein paar Stunden die kleinen Kinder anderweitig beschäftigt. Oder – noch besser – wenn er mithilft, für diese Zeit einen Babysitter zu finden und das Paar so eine gemeinsame Auszeit bekommt, in der Gespräche möglich sind, die sich nicht auf Windeln, Speiseplan und Stromrechnung beschränken.

Den Partner dazu zu bringen, unseren Wünschen nachzukommen, ohne dass die Beziehung überstrapaziert wird, ist eine Gratwanderung zwischen Sprechen, Mitteilen und Kompromissen. Das Effizientere ist immer das Sprechen; ansonsten braucht es einen sehr empathiebegabten Partner, also einen mit enorm viel Einfühlungsvermögen. Den gibt es leider ungefähr so häufig wie einen Lottosechser. Deshalb gilt: Wir sollten unserem Partner oder unserer Partnerin unmissverständlich mitteilen, was wir wollen. Wenn wir das nicht können, fehlt uns eine ganz entscheidende kommunikative Fertigkeit, die für eine funktionierende Beziehung aber extrem wichtig wäre. Be­sitzen wir die Fertigkeit, das geradeheraus zu sagen, was wir uns wünschen, ist aber auch erst die halbe Miete gewonnen; unsere Bereitschaft, Kompromisse einzugehen, ist nämlich ebenso gefragt. Wenn all diese Fähigkeiten vorhanden sind und es trotzdem kein Entgegenkommen des Partners gibt, setzt man sich am besten damit auseinander, was an der Kommunikation und der Kompromissbereitschaft innerhalb der Partnerschaft verbessert werden kann. Denn wenn man nichts tut, wird man mit seinem Le­ben immer unzufriedener werden. Eine „Grundzufriedenheit“ muss aber da sein, wenn die Beziehung Bestand haben soll.

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