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Transmedia Storytelling – viele Kanäle und eine Geschichte

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Transmedia Storytelling versteht sich als Prozess, der integrale Elemente einer Fiktion auf mehrere Medienkanäle verteilt, um dem Rezipienten ein einheitliches und koordiniertes Unterhaltungserlebnis zu vermitteln. Idealerweise leistet jedes involvierte Medium einen für die Story unabdingbaren Beitrag (Jenkins, 2007).

Diese Art der Medienkombination bietet neue Möglichkeiten, Content interessant zu gestalten. Zugleich kann Transmedia Storytelling die Zugriffszahlen auf Homepages oder Blogs erhöhen, wenn das Publikum bereit ist, über verschiedene Medien hinweg die erzählte Geschichte zu verfolgen.

Ein weiteres wichtiges Kriterium für transmediales Erzählen ist das Vorhandensein sogenannter »Rabbit Holes« (vgl. Coelle et al., 2011; wörtlich »Kaninchenlöcher« oder »Kaninchenbau«). Diese Anspielung auf die Geschichte von Alice im Wunderland bezeichnet den Umstand, dass transmediale Geschichten unterschiedliche Zugangswege für den Rezipienten aufweisen, um in die Erzählwelt zu gelangen. Der traditionell verfügbare Angang zur Geschichte über einen einzigen Weg (beispielsweise Fernsehen) oder über voneinander getrennte Wege (beispielsweise Film und Buch) wird im transmedialen Storytelling zugunsten eines mehrkanaligen, frei wählbaren Zugangs transzendiert.

Transmedia Storytelling kann auch ohne Zutun professioneller Content-Ersteller stattfinden. Als Beispiele hierfür lassen sich etwa Fan-Fiction-Homepages nennen, auf denen Fans bestehende Geschichten aus Comics, Büchern, Filmen und Spielen online in Form schriftlicher Erzählungen weiter ausbauen. Die zweifellos größte Fan-Fiction-Seite ist FANFICTION.COM mit zwei Mio. Mitgliedern und geschätzten acht Mio. Seiten Geschichten (vgl. Kowalczyk, 2014).

Ein bekanntes Beispiel professionellen Transmedia Storytellings ist die Serie »Lost«, die die Geschichte um die Passagiere eines auf einer geheimnisvollen Insel gestrandeten Flugzeugs auf unterschiedliche Medien verteilt erzählte. Deutlich erkennbar ist die transmediale Struktur der Serie beispielsweise an den unterschiedlichen »Rabbit Holes«: Die Rezipienten konnten sich mithilfe von Fernseh-Episoden, Webisoden, Blogs, Landkarten und einem Videospiel in die Erzählwelt begeben.

QR-Codes: Ein Mittel für die einfache Einbindung von transmedialen Erzählkonzepten sind sogenannte »Quick Response«(QR)-Codes. Diese Codes sind zweidimensionale, quadratisch angeordnete schwarze und weiße Punkte, die Daten verschlüsselt binär darstellen. Spezielle Softwarelösungen, beispielsweise Handy-Apps, verschlüsseln und dechiffrieren Texte als QR-Codes. Für transmediales Storytelling wird oft ein Link als QR-Code verschlüsselt und an prominenter Stelle aufgebracht, beispielsweise auf Plakaten oder in Zeitungsanzeigen. Richtet der Leser eine Handykamera darauf und hat geeignete Software aktiviert, leitet ihn der Internetbrowser des Handys auf Wunsch auf die verlinkte Homepage. Dort wird ein weiterer Teil der Geschichte erzählt oder ergänzende Informationen gegeben.

Wir könnten QR-Codes als Link von der Realwelt in den Cyberspace bezeichnen. Während jedoch Marktforschungsunternehmen noch 2011 QR-Codes innerhalb von höchstens fünf Jahren im Mainstream angekommen sahen1, können heute 55,5 Prozent mit dem Begriff nichts anfangen; weitere 14,1 Prozent haben den Begriff QR-Code zwar schon mal gehört, wissen aber nicht, was er bedeutet.2 In Deutschland haben 14 Prozent der Handynutzer bisher mindestens einen QR-Code gescannt (vgl. Pitney-Bowes, 2012, S. 3). Trotz dieser relativ geringen Nutzerzahlen lässt sich der Code einfach für transmediales Storytelling einsetzen und gewährt dem Verfasser die Kontrolle über die Vernetzung der eingesetzten Medien.

Zum Einsatz kommen QR-Codes beispielsweise in diversen deutschen und internationalen Städten. Dabei werden die Codes bei Sehenswürdigkeiten oder historischen Stätten angebracht und leiten Interessierte auf dem Smartphone an Webseiten mit zusätzlichen Informationen in Text-, Bild- und Videoformat weiter. Ein Beispiel für derartige virtuelle Inhalteergänzung ist die sogenannte »O-Tour« (vgl. Enge, 2012) in Berlin. An zehn verschiedenen Orten auf der Oranienstraße haben die Betreiber des Internetportals ZOOM BERLIN QR-Codes angebracht, die nach dem Einscannen »interessante Fakten und spannende Geschichten von dem Ort«3 anzeigen.

Auch namhafte Reiseführer integrieren QR-Codes in das gedruckte Buch, beispielsweise ADAC und Baedeker. Auch hier dienen die Codes zur Weiterleitung des Lesers auf zusätzliche Informationen online. Welche Informationen das sind, wird nicht durch den QR-Code bestimmt: Er dient lediglich als Verlinkung vom Druckprodukt zum Internet. Die Inhalte selbst sind annähernd beliebig flexibel gestaltbar. Im Reiseführer »Zürich – Welcome Home« finden sich beispielsweise

»die Ausstellungsagenda eines Museums […], ein Währungskursrechner, das Video eines Helikopterflugs über die Stadt, aber auch der Live-Mitschnitt von Bachs E-Dur-Präludium auf der Orgel des Grossmünster, ein kleines Verzeichnis von ›Züritüütsch‹-Mundart-Begriffen oder direkte Links zu Webcams an unterschiedlichen Standorten. Unter den ›Notizen zu Namen‹, bei denen der Dr. med. Maximilian Bircher-Benner nicht fehlen darf, liefert der QR-Code sogar ein Rezept für hausgemachtes Birchermüsli«.4

Immer häufiger finden sich beispielsweise auch in Kochbüchern QR-Codes, die beim Scannen die gesamte Einkaufsliste eines Rezeptes auf das Smartphone holen. Auch in manchen Kinderbüchern leiten abgedruckte QR-Codes auf Homepages weiter, die die erzählten Geschichten durch Videos oder Tonspuren ergänzen. Durch den Einsatz der QR-Codes verteilen diese Bücher Story-Bestandteile auf mehrere Medien und werden so zu transmedialen Produkten.


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