Читать книгу Social-Media-Content - Gabriele Goderbauer-Marchner - Страница 28
3.1 Typologie und Motivation von Social-Media-Nutzern
ОглавлениеEine BITKOM-Studie aus dem Jahr 2013 beleuchtet die Nutzung sozialer Netzwerke im Internet und macht deutlich: Mehr als drei Viertel (78 %) aller Internetnutzer in Deutschland besitzen bei mindestens einer Social-Media-Plattform einen Account. Nicht von allen Angemeldeten werden die Angebote auf FACEBOOK und Co. auch genutzt, aktiv tätig sind von den Usern dennoch zwei Drittel (67 %), der Rest kann als »stille Accounts« bezeichnet werden. An der Spitze der meistgenutzten Plattformen behauptet sich nach wie vor FACEBOOK: Von 56 Prozent aller Internetnutzer wird es verwendet, der Durchdringungsgrad bei den 14- bis 29-Jährigen liegt sogar bei 83 Prozent (vgl. BITKOM, 2013, S. 13).
Die VivaKi-Social-Minds-Erhebung (vgl. Abb. 3.A) befasst sich mit Personen, die täglich auf FACEBOOK aktiv sind, und zeigt: User, die diese Plattform jeden Tag besuchen, nutzen kaum andere soziale Netzwerke im selben Ausmaß, denn gegenüber anderen Social-Media-Plattformen kann FACEBOOK einen Vorsprung von mindestens 92 Prozent verzeichnen. So sind die nächsten konkurrierenden Plattformen TWITTER und GOOGLE+, die mit einer Nutzungsintensität von acht bzw. sieben Prozent (vgl. Vivaki, 2014, S. 10) weit hinter der von FACEBOOK liegen.
Abb. 3: Social-Media-Nutzungsgewohnheiten von »Heavy Usern« auf FACEBOOK
Genutzt werden die sozialen Netzwerke hauptsächlich privat, XING und LINKEDIN erfahren jedoch auch – und vor allem – im beruflichen Kontext Bedeutung (vgl. BITKOM, 2013, S. 22).
Bezüglich der Nutzung von Social-Media-Angeboten stellt sich folgende Frage: Wieso verbringen so viele Menschen einen großen Teil ihrer Freizeit im Social Web? Wieso ist es verlockend, einem sozialen Netzwerk anzugehören? Wie es der Name verrät, ist es wenig verwunderlich, dass soziale Aspekte eine wesentliche Motivation darstellen. In erster Linie werden die sozialen Medien genutzt, um Teil einer Gemeinschaft zu werden oder zu bleiben. Beispielsweise indem man mit den Freunden und der Familie den Kontakt hält und sich austauscht (vgl. ebd., S. 26), vor allem wenn das vertraute soziale Umfeld teilweise auf dem gesamten Erdball verstreut lebt. Aufgrund der fortschreitenden Globalisierung und der damit einhergehenden örtlichen Mobilität werden die sozialen Medien für das Aufrechterhalten von sozialen Kontakten also immer wichtiger.
Die sozialen Netzwerke werden zwar auch dazu genutzt, sich über das aktuelle Geschehen, Marken und Prominente zu informieren. Doch wie die BITKOM-Studie zeigt (vgl. Abb. 3.B), stellt die Triebfeder für das Agieren im sozialen Netz tatsächlich der Kontakt mit anderen Nutzern dar sowie das Aufrechterhalten und Ausbauen sozialer Strukturen, vorrangig im privaten Bereich.
Abb. 4: Motivation für die Nutzung von sozialen Medien
Neben den genannten und den in Abbildung 3.B aufgelisteten Beweggründen gibt es noch eine Reihe weiterer, sich in sozialen Netzwerken zu bewegen: Sie bieten die Möglichkeit, nach Produktinformationen und Erfahrungsberichten anderer Nutzer zu recherchieren, die als Grundlage bei Kaufentscheidungen dienen sollen – insbesondere da von Privatpersonen geteilte Informationen unabhängiger und glaubwürdiger erscheinen als Herstellerinformationen auf den markeneigenen Websites.
Mit den sozialen Aspekten der Social-Media-Nutzung geht der Wunsch einher, durch Beiträge auf den Plattformen Anerkennung und Beachtung zu erlangen. Beispielsweise durch politisches Engagement und die Teilhabe an sozialen Bewegungen, was gleichzeitig das Gefühl hervorruft, sich in der Gesellschaft einbringen und etwas bewirken zu können. Ein weiteres Bedürfnis, das die sozialen Medien erfüllen können, ist das Ausleben von Kreativität und der Wunsch, neue Inhalte zu schaffen, beispielsweise in Form von Wikis und Blogbeiträgen (vgl. Ebersbach et al., 2011, S. 204, zitiert nach Abhishek, 2006, sowie Kollock, 1999).
Die Frage, was uns dazu verleitet, unsere Zeit in sozialen Netzwerken zu verbringen, kann – kritisch betrachtet – auch so lauten: »Was treibt Menschen an, sich selbst im Internet darzustellen und ihr Privat- und Innenleben zu offenbaren?« (Mönkeberg, 2013, o. S.). Eine so formulierte Frage zielt nicht auf Antworten wie »sich mit Freunden austauschen« oder »Angebote für Produkte oder Dienstleistungen finden« ab. Hier stehen vielmehr die psychologisch tiefer liegenden Beweggründe im Fokus der Betrachtung. Selbst die berufliche Kontaktpflege mag zwar ein Motivator sein, täuscht jedoch über die eigentliche Funktion der sozialen Netzwerke hinweg. Sie sind mehr als ein Kommunikationstool – sie befriedigen als »Spiegel und Bühne« (ebd.) zwei grundlegende Bedürfnisse: Das Bedürfnis nach Selbstdarstellung und das nach Be- und Verarbeitung von Unsicherheiten bezüglich der eigenen Identität. Ähnlich wie bei der Beichte oder der Psychoanalyse, wo es darum geht, sich selbst zum Thema zu machen, bieten auch die sozialen Netzwerke die Möglichkeit, vor einem Publikum die eigene Lebensgeschichte zu erzählen. Wer »Selfies« (inszenierte Selbstportraits) ins Netz stellt, Links zu Themen teilt, die ihn interessieren, und zeigt, bei welchen Veranstaltungen er teilnimmt, gewährt einen Einblick in seine Identität. Sobald Follower oder Freunde ein Feedback dazu geben, kann der eigene Identitätsentwurf auf dessen Gesellschaftstauglichkeit getestet und abgeglichen werden: In der Darstellung und Diskussion des eigenen Ichs im sozialen Netz und »in der wechselseitigen Offenbarung findet sich (…) die Möglichkeit, sich seiner selbst zu versichern und Maßstäbe von ›richtig‹ und ›falsch‹ und dessen, was als wünschenswert gilt, aushandeln zu können« (ebd.). Abb. 3.C zeigt als Beispiel einen Ausschnitt von FACEBOOK-Seiten, die von einem User mit »gefällt mir« markiert wurden. Die Auswahl lässt vermuten, dass der User bei seiner Außendarstellung auf einen ökologisch verantwortungsbewussten Auftritt Wert legt.
Neben der Chance, die eigene Identität im Social Web zu offenbaren, kann sie auch neu kreiert werden. Im virtuellen Raum ist es nämlich einfacher als in der Face-to-Face-Kommunikation zu kontrollieren, welche Informationen über die eigene Person preisgegeben werden sollen. Die virtuellen Identitäten stimmen folglich nicht immer mit dem realen Selbst überein (vgl. Ebersbach et al., 2011, S. 200). Eine neue Identität zu schaffen und sich auf diese Weise neu zu erfinden, kann somit ebenso zur Nutzung von sozialen Medien motivieren.
Abb. 5: Ausschnitt von mit »gefällt mir« markierten FACEBOOK-Seiten eines Nutzers
Wenn die genannten Motivationen zusammengefasst und kategorisiert werden, zeigt sich, dass die sozialen Medien mit ihren Möglichkeiten verschiedene Ebenen der Maslowschen Bedürfnispyramide (vgl. Maslow, 1943, S. 394) abdecken können. Ausgenommen sind lediglich die physiologischen Bedürfnisse (z. B. Nahrung) – wären die sozialen Medien kein virtueller Raum, würden sie vermutlich diese Ebene auch bedienen können:
• Sicherheitsbedürfnis: Behandeln von Unsicherheiten bezüglich der eigenen Identität durch das Feedback von Followern und Freunden auf Blogeinträge, geteilte Links etc.
• soziale Bedürfnisse: Pflegen von Freundschaften, Zusammenschließen zu virtuellen Gruppen, die sich zum Teil auch im physischen Raum treffen
• Individualbedürfnisse: Erlangen von Ansehen durch bestimmte Aktivitäten oder Beiträge, etwa durch ein Statement zu aktuellen Krisengeschehen
• Selbstverwirklichung: Ausleben von Kreativität durch den Blog als frei gestaltbaren Raum