Читать книгу "...von dem müden Haupte nehm' die Krone ich herab" - Gabriele Praschl-Bichler - Страница 5

Vorwort

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Dieses Buch vom Privatleben der Kaiserin Elisabeth versteht sich als ergänzendes Gegenstück zu dem vor ein paar Monaten im Amalthea Verlag erschienenen Werk »Sie haben’s gut, Sie können ins Kaffeehaus gehen!« – Kaiser Franz Joseph ganz privat. Wie dieses basiert es auf der Arbeit zweier Autoren. Ein erstes, knapp hundertseitiges Manuskript (Archivmaterial verschiedener ehemaliger Hofdienststellen) stammt von Josef Korzer-Cachée, dem 1987 verstorbenen Verfasser der »Hofküche des Kaisers« (Amalthea Verlag 1985), der in seiner Tätigkeit als Beamter der österreichischen Schlösserverwaltung Material über die Habsburger zusammentrug.1)

Wegen der regen Nachfrage nach dem Buch über den privaten Kaiser Franz Joseph habe ich mich entschlossen, auch dieses – zwar wenig umfangreiche – aber interessante Manuskript zu verwerten. In mehrmonatiger Forschungsarbeit ist es gelungen, aus der Skizze ein plastisches Ganzes zu schaffen, wozu ich mich etlicher Notizen, Briefe und persönlicher Aufzeichnungen verschiedener Zeitgenossen Elisabeths bediente. In Gesprächen mit Nachkommen konnte ich noch einiges Unbekanntes in Erfahrung bringen, um das Werk abzurunden, denn das Thema schien reizvoll genug, ihm einen eigenen Band zu widmen. Wie aktuell es gerade in den letzten Monaten geworden ist, bestätigte vor kurzem eine Wiener Journalistin, die in einem Artikel über »Habsburg in Ewigkeit«2) über den gegenwärtigen Habsburg-Buchtrend räsonierte. Rechtfertigung lieferten ihr zwei verständliche Gründe: Daß nämlich, erstens, was in Großbritannien gut und teuer ist (die Leser mit Skandalgeschichten der Windsors zu versorgen), im deutschen Sprachraum mit der Aufarbeitung der Habsburger Geschichte recht und billig sein muß und daß, zweitens, die toten Mitglieder der österreichischen Herrscherfamilie aus der Kapuzinergruft etwas vermögen, was die Engländer erst zu beweisen hätten: auch »hundert Jahre später« noch aktuell zu sein.

Anlässe genug, das Werk über die »private Kaiserin von Österreich« zu veröffentlichen.

Eine besondere Attraktion stellt das Bildmaterial dar, das einem privaten Archiv entstammt. Absolut einmalig sind die erstmals ziemlich lückenlos wiedergegebenen Aufnahmen der auserwählten Damen um die Kaiserin, die nicht nur ihr offizielles Gefolge bildeten, sondern auch ihre besten Freundinnen waren. Es handelt sich um die von der Kaiserin über alles geschätzte

Ida von Ferenczy, ihre Vorleserin (mit der sie das Duwort tauschte, obwohl deren Familie dem niederen ungarischen Adel entstammte und daher nicht hoffähig war),

um Gräfin Marie Festetics (die in ihren Tagebucheintragungen wichtiges Material über das Leben der Kaiserin hinterließ),

um die sportliche Gräfin Sarolta Mailáth (die als eine der wenigen bei den »Spazierläufen« der Kaiserin das Schrittempo zu halten vermochte),

um Gräfin Irma Sztáray (die die Kaiserin auf ihrer letzten Reise begleitete und in deren Armen sie verstarb) und

endlich um die launenhafte und umworbene Leibfriseuse der Kaiserin, Franziska Feifalik, die mit der Erfindung der Kronenfrisur einen wesentlichen Beitrag zur Gesamterscheinung der Kaiserin leistete.

Was Kaiserin Elisabeth selbst betrifft, so ist es gar nicht so einfach, selten oder nie gezeigte Photos von ihr zu finden, da sie sich nur bis zu ihrem etwa vierzigsten Lebensjahr ablichten ließ und für die verbleibenden zwanzig Jahre nur einige mehr oder minder gute Gemälde, Lithographien oder Stiche existieren. Für die wenigen bestehenden Photos gilt, daß es sich bei dem Material beinahe ausnahmslos um Repräsentationsbilder handelt, daß die meisten von ihnen für Veröffentlichungen schon verwendet wurden und daß es von Elisabeth – im Unterschied zu anderen Mitgliedern des Kaiserhauses – keine Privataufnahmen gibt. Alles, was familiär gewesen sein könnte, wurde ausnahmslos mit dem Pinsel oder Zeichenstift mehr oder minder begabter Künstler festgehalten und stellt einen ebensolchen Dokumentationswert dar.

Als Titel dieses Bandes wurde ein Vers gewählt, der dem von der Kaiserin geführten poetischen Tagebuch entstammt. Den Anlaß zu dem Gedicht bildete der alljährlich im Winter stattfindende Hofball, dem die Kaiserin ohnehin meist fernblieb. Wenn sie aber doch einmal erschien, dann fand sie das Fest verdrießlich, was sie in dem angesprochenen Gedicht deutlich zum Ausdruck bringt: Der Ball war anstrengend, eben hat er sein Ende genommen. Eine »Alltagsgeste« – das Abnehmen der Krone – beschließt den Abend, so wie jeder andere Mensch nach durchtanzter Ballnacht beim Nachhausekommen die Schuhe abstreift.

Dieses Buch hat aber gar nicht das repräsentative Leben der Kaiserin zum Inhalt, sondern das der privaten Elisabeth Habsburg-Wittelsbach: wie sie ihr Dasein gestaltete, welche Personen es mit ihr teilen durften, welchen Lieblingsbeschäftigungen sie nachging, welchen Verpflichtungen sie floh und wohin sie sich auf die Flucht begab. Es soll vorsichtig ihre typischen Charaktereigenschaften aufdecken, von denen viele ihre Persönlichkeit seit Kindertagen prägten.

Von den zahlreichen Werken, die bis jetzt über die Kaiserin erschienen sind, hat sich noch keines ausschließlich ihrem Privatleben gewidmet, was hiermit – beinahe hundert Jahre nach ihrem Tod – geschehen soll. Das vorliegende Buch hat den Alltag der Elisabeth Habsburg zum Inhalt, die zum Beispiel viel Sorgfalt auf ihre Toilette und die Körperpflege aufwendete. Zu den besonderen Allüren zählte die Haarpflege, die nur von einer – zur engen Vertrauten gewordenen – Friseuse ausgeführt werden durfte und die einem Ritual gleich gehandhabt wurde. Ein großer Kult wurde auch mit der Figur getrieben, der zuliebe die Kaiserin immer wieder strenge Fasten- und Hungerkuren einlegte und die sie durch Ausüben zahlreicher Sportarten in Form hielt. Verschiedene Leiden durchtrieben dieses Figurenprogramm, weshalb oft noch härtere Maßnahmen gesetzt und langwierige Heilkuren unternommen werden mußten, um die Eitelkeit halbwegs befriedigen zu können. Ihr wurden die meisten Opfer gebracht: Wegen der schlechten Zähne, die die Kaiserin seit Kindheit hatte, sprach und lächelte sie mit beinahe geschlossenem Mund, wenn sie leichte allergische Ausschläge hatte, die mitunter auch Teile des Gesichts befielen, vermied sie jede Gesellschaft, und wegen zunehmender Alterserscheinungen ließ sie sich ab dem vierten/fünften Lebensjahrzehnt nicht mehr porträtieren oder fotografieren.

Künstlerisch betätigte sich die Kaiserin als Zitherspielerin und als Dichterin. In Nachahmung ihres großen Vorbilds Heinrich Heine verfaßte sie seit Kindertagen kleine Gedichte. Außerdem ließ sie sich in mehreren Sprachen unterrichten und Literatur vortragen. Sie war extrem abergläubisch, nahm an spiritistischen Sitzungen teil und interessierte sich für die Unterbringung und Pflege von geistig Abnormen sowie über Heilmethoden dieser Krankheiten, da sie wegen der zahlreichen psychisch labilen Wittelsbacher Verwandten ständig befürchtete, selbst dem Wahnsinn zu verfallen. Trotz der vielen und verschiedenartigen Beschäftigungen plagte Elisabeth ein Leben lang der Unruhegeist, dem sie gerne nachgab, um ausgiebige Reisen zu unternehmen, und es ist beinahe typisch, daß ihr Leben auf einer Reise endete, tragisch und knapp, so wie sie es vorausgeahnt hatte.

Wien, im Februar 1995 Gabriele Praschl-Bichler

1) Der Ordnung halber sei hinzugefügt, daß wie bei dem früheren Werk über den privaten Kaiser Franz Joseph einige Quellenangaben und Dokumente verlorengegangen waren.

2) Anita Pollak im Kurier, 26. November 1994.



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