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Christian HEMELMAYER: Windstille

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Hochsommer. Heute. Jetzt… – Einsteigenbiddee, Tssuuugferdapp!

U4, Margaretengürtel, Temperatur 38 Grad im Schatten.

Drei Stationen bis Karlsplatz.

Aussteigen.

Selbst die sonst so klimaausgleichende, unterirdische Passage ächzt

Unter den sommerlichen Mördertemperaturen.

„He, Oeda! Leiwande Panier! Schaustd’ g’stopft aus!

Heastd´, geh, reib auf med r aan Packl Tschick oda r aan Sixpäck!“

Heute wird bereits in anderen Dimensionen geschnorrt. Nein.

„Na, daunn hoed ned! Notiga r Hund, deppata!“

Weiter in Richtung Ausgang

„Iche oarmes Frau aus Kosovo.

Nixe Gelden.

Viele Kinder.

Mann tote is, weil er zu schnelles Mercedes in Heimat. Geeeben biteeedankeee!“

An nahezu jeder Ecke der Passage ein ähnliches Bild.

Offene Hände die routiniert zu nehmen wissen.

Ich gebe nicht mehr. Nein.

„Du verfluchte! Ich schicken Krebsen und Stinkenhirn fauliges auf dir!“

Der Aufgang „Staatsoper/Ring“ wird zur schweißtreibenden Hürde.

Eine Glutwand trifft mich, während ich die Rolltreppe hinauffahre.

Wo ich denn überhaupt hin will, werden Sie vielleicht fragen…

Naschmarkt.

Frischer Einkauf für’s Wochenende

Wieso ich denn über den Karlsplatz fahre, obwohl ich doch schon

Bei der Kettenbrückengasse hätte aussteigen können,

Werden Sie vielleicht auch noch fragen…

Nun, der Wind aus dem Wiental weht zumeist stadteinwärts,

Und so habe ich

Beim Hingehen und Eintauchen in den Naschmarkt

Stets ein Angenehmes Lüfterl im Gesicht und nicht im Rücken. Logisch, oder?!

Das „Lüfterl“ hat schon was für sich, wenn es da so vom Wienerwald daherrauscht,

Die Sammelbecken bei Auhof überfliegt,

Sich über Hietzing und Schönbrunn in Richtung Stadt bewegt,

Sich zwischen Margareten und Mariahilf bei der Pilgramgasse

Vom städtebaulichen Druck befreit,

Um endlich – noch immer schön kühl – zärtlich

In die Marketendergassen des Naschmarkts zu fließen…

Da wenden – wie auf Kommando – auf einmal

Alle Einkäufer ihre Gesichter und Leiber dem Westen zu,

Heben ihre schwerbepackten Arme und empfangen das „Lüfterl“

Mit einem geradezu lustvoll-un-glaublichen Unicremissimo in „Aaaah!“

In solchen Momenten haben die Taschendiebe Hochsaison.

Du allerdings befindest dich erst am Ostende des Marktes.

Die Tausend Düfte des Orients treiben auf dich zu,

Getragen von einem bereits verebbenden Lüfterl aus dem Wiental.

„Na geh, des geht jetzt åber net! Gerade wollt’ ich reintauchen…“

Das tust du dann auch.

Mit zwei oder drei tapferen Schritten trittst du in die Sonne,

Und die versengt dir dein Gehirn.

Postwendend.

Du hast zwar eine Einkaufsliste, doch kannst du sie nicht mehr lesen,

Denn innerhalb von Sekundenbruchteilen findest du dich

In einer gallertartigen Masse wieder,

Die sich anfühlt

Wie transparenter,

Sehr klebriger

Türkischer Honig.

Und je schneller du dich bewegen willst,

Umso langsamer kommst du voran und stets dorthin,

Wo du gerade nicht hin willst.

Der Türkische Honig verklebt deine Orientierung,

Die Sonne brennt nach wie vor gnadenlos auf dich herab,

Du bewegst dich zwar, doch schafft deine Bewegung nichts

An relativer Luftbewegung, die deinen Körper kühlen könnte.

Deine subjektive Optik wird zum Vertigo.

Selbst der Fahrzeuglärm link- und rechterseits des Marktes scheint mit einem Male

Wie in Zuckerwatte gepackt.

Dann taumelst du, doch – der Honig lässt dich los, und du fängst dich

An der Umzäunung eines Schanigartens.

Dort gibt dir irgendein Kellner die Möglichkeit,

Dich im Schatten eines gut dimensionierten Schirmes

Wieder zu erholen bevor du entweder völlig kollabierst

Oder zumindest nicht vorher irgendetwas Kaltes zu Trinken bestellst

(und auch sofort bezahlst).

Nach einem Mineralwasser mit Unmengen an Eiswürfeln

Entzuckerwatten sich Linke und Rechte Wienzeile langsam wieder…

Ich höre sogar Türkisch, Rumänisch und Polnisch, auch Deutsch,

und – ich kann all diese Sprachen jetzt auch wieder auseinanderhalten.

Die Hitze allerdings reicht mir jetzt.

Somit beschließe ich spontan, beim großen Würstelstand

Den einzig unversperrten, großen Kanaldeckel zum Untergrund zu öffnen,

Die verdreckte, eiserne Leiter hinunterzusteigen,

Bis ich auf die Wege des „Dritten Mannes“ stoße.

Ich folge seinen Spuren in angenehmem Dunkel und wohltuender, belebender Kühle,

Bis ich im Stadtpark wieder an’s Tageslicht komme.

Dort ist es gut. Vom „Hübner“ hör’ ich Operette.

Die Einkaufsliste ist weg. Egal. Ich geh’ zum Billa. Pfeif drauf.

Und – ein Entschluss steht fest:

Naschmarkt – Ja. Doch nie mehr wieder bei 38 Grad und absoluter Wind-Stille...

Hundstage

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