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Als Gittli ins Freie kam, tat ihr der helle Glanz der Sonne in den Augen weh. Und so müde war sie, so zerschlagen an allen Gliedern, daß sie sich eine Weile an die Mauer lehnen mußte. Dann raffte sie sich auf, trocknete das nasse Gesicht mit den Armen und floh wie ein gescheuchtes Reh über den Marktplatz, den Klosterberg hinunter und dem Sudhaus entgegen. Hier blieb sie stehen und besann sich. Nein! Weshalb es dem Bruder jetzt schon sagen? Sie wollte ihm den Kummer ersparen bis zum Abend; er erfuhr noch immer früh genug, was ihm drohte.

Über die Brücke eilte sie zu einem Karrenweg, der bachaufwärts am Ufer der rauschenden Ache hinführte. Nach kurzer Weile gelangte sie zu einem umhegten Garten, in dessen Mitte, von kümmerlichen Obstbäumen umgeben, ein kleines, armseliges Haus stand. Zwei enge Stuben, ein schmaler Raum, welcher Flur und Küche zugleich war, und ein kleiner Schuppen – mehr hatte das bemooste Schindeldach vor Sturm und Regen nicht zu schützen. Das Haus mit dem Garten war Klostergut, das Wolfrat Polzer, der Sudmann, seit zehn Jahren zu Lehen hatte. Seine Heimat war ein niederbayrisches Dorf; als fünfzehnjähriger Bursche war er von Hause weggelaufen, der eisernen Haube zuliebe. Das Kriegshandwerk hatte ihn tüchtig umhergeworfen, von Burg zu Burg, von Stadt zu Stadt. Zuletzt hatte er bei der reisigen Schar des Erzbischofs von Salzburg gestanden und unter dem Heerbann Friedrichs des Schönen die Schlacht bei Ampfing10 mitgeschlagen. Dann war er des Hauens und Stechens müde geworden und in die Heimat zurückgekehrt. Einige Jahre später hatte er in einer verheerenden Seuche, die nach allem Brennen und Morden das Land heimsuchte, den Vater und die Mutter an einem Tag verloren; da führte ihm der Zufall einen Salzkärrner in den Weg, der im Auftrag des entlegenen Klosters gesunde und kräftige Leute für das Salzwerk zu werben hatte. Wolfrat ließ sich bereden, und auf dem Salzkarren traf er in Berchtesgaden ein; doch kam er nicht allein; er brachte die fünfjährige Schwester mit, und zumeist um dieses Kindes willen geschah es, daß Wolfrat das erste freie Lehen erhielt. Unter den Sacknäherinnen des Salzhauses fand er ein verwaistes Mädchen, das dem finsteren, verschlossenen Manne gut wurde; er hatte sie einmal vor Mißhandlung geschützt, als ihr ein fremder Fuhrmann das allzu schlagfertige Nein, das sie auf eine zudringliche Frage zur Antwort gegeben, mit der Peitsche vergelten wollte. Ein Jahr später wurden sie Mann und Weib. Sie fingen zu dreien an, Wolfrat, Sepha und Gittli, hielten fest zusammen und waren mit ihrem kargen Los zufrieden; erst kam ein Knabe, darauf ein Mädchen; und dann kamen Krankheit, Sorge und Not. In diesen schlimmen Zeiten wurde Gittli der gute Geist des kleinen Hauses; ihr sanftes Wesen milderte den verdrossenen Groll des Bruders, ihr herzlicher Frohsinn erheiterte das kranke Weib, und bei ihren fünfzehn Jahren schaffte sie wie eine Alte und betreute die beiden Kleinen mit sorgender Liebe, so daß die Kinder fast zärtlicher an ihr als an der Mutter hingen.

Von dem Gang, den sie ins Kloster getan, brachte sie ein schweres Herz mit heim. Doch als sie am geflochtenen Gartenhag das hölzerne Gatter öffnete, wurde der große Kummer, der sie bedrückte, gemildert und verdrängt durch die Sorge im kleinen. Forschend schaute sie umher; hier schien alles in Ordnung; die sieben Hennen stolzierten über den Rasen, scharrten glucksend in den Maulwurfshügeln und schüttelten das Gefieder in der Sonne; friedlich grasten die beiden Ziegen im Bogen um die Bäume, an die sie mit langen Stricken gebunden waren. Jetzt gewahrte Gittli im Gras ein ploderndes Hemdlein, aus dem zwei schlenkernde Beinchen hervorragten; ein fünfjähriger blonder Bub lag bäuchlings auf den Rasen gestreckt und grub und wühlte mit beiden Händen in der schwarzen Erde, als gält’ es, einen Schatz ans Tageslicht zu fördern.

„Aber Lippele,“ rief Gittli, „was machst du denn da?“

„Mausi fangen!“ flüsterte der kleine Maulwurfsjäger geheimnisvoll und wollte sein Graben und Wühlen von neuem beginnen.

Gittli zankte: „Bist du denn gescheit? Da herliegen auf den kalten Boden! Gleich steh auf!“

Lippele erhob sich schmollend, und da schlug das Mädchen entsetzt die Hände ineinander.

„Lippele! Aber, aber! Wie schaust du denn aus! Da wird die Dittibas gleich weinen.“ Dittibas – diesen Namen hatte der lallende Kindermund erfunden, der es nicht fertig brachte, ‚Base Gittli‘ zu sagen.

Die Dittibas wird weinen! Das war für Lippele die wirksamste aller Drohungen. Er verzog den Schnabel zu einem Pfännlein, streckte die Ärmchen mit gespreizten Fingern auseinander und schaute mit steifen Augen an sich hinunter. Dem langen Hemdl, das sein ganzes Gewand war, hätte es der schärfste Blick nicht mehr angesehen, daß es die Dittibas am Morgen weiß und frisch aus der Truhe genommen hatte. Und diese Hände! Und ein Gesicht dazu, als hätte Lippele den Versuch gemacht, die Maus mit den Zähnen aus der Erde herauszubeißen.

„O mein, o mein Gott!“ jammerte Gittli. „Gelt? Jetzt schaust du! Jaaa! Und die Dittibas kann morgen wieder am Wasser stehen und Pfaidi11 waschen! Gleich sagst du jetzt: was bist du für ein Bubi?“

„Suggibubi!“ bekannte Lippele mit rühmenswerter Selbsterkenntnis, während seine Augen sich mit Tränen füllten.

„Gelt, ja!“ pflichtete Gittli bei, faßte das Bürschl am Ellbogen und ging der offenen Haustür zu, so rasch, daß Lippele mit Hopsen und Stolpern kaum nachkommen konnte.

Es war eine ärmliche Stube, die sie betrat, mit dem dürftigsten, bäuerlichen Hausrat bestellt, aber alles sauber in Stand gehalten, Tisch und Bänke blank gescheuert. Hinter dem weißgetünchten Lehmofen stand das große Doppelbett, und in dem Winkel zwischen Bett und Mauer ruhte Sepha, das Weib des Sudmanns, in einem aus Weidenruten geflochtenen Lehnstuhl. Sie schien zu frieren, ein dickes Tuch war um ihre Schultern geschlungen und eine Lodendecke über den Schoß gebreitet. Das blonde Haar war gelöst und hing in dünnen, mattschimmernden Strähnen um das bleiche, verkümmerte Gesicht mit den krankhaft glänzenden Augen. An ihrer Haltung sah man die Schwäche; ganz zerfallen lag sie zwischen den Lehnen des Stuhles, den ihr Wolfrat an einem freien Tag geflochten hatte, weil ihr das Liegen so schlecht bekam.

Eine Kranke als Krankenwärterin! In den mit grober Leinwand bezogenen Kissen des Bettes lag ein dreijähriges Mädchen; mit üppigen Ringeln floß das goldblonde Haar um das kleine Gesicht, dessen Wangen in fieberhafter Röte brannten. Die dünnen, zitternden Finger spielten über der Bettdecke mit den schon halb verwelkten Primeln und Veilchen, welche Gittli dem Kinde gebracht hatte, bevor sie das Haus verlassen.

Und als das Mädchen nun die Tür öffnete, leuchteten die Augen des Kindes freudig auf. „Dittibas!“ lispelte es und streckte die Ärmchen.

„Ja, mein Mimmidatzi, ich komm schon!“ sagte Gittli mit zärtlichem Lächeln und Nicken. Sie stellte den kleinen Verbrecher, den sie gefangen herbeigeführt, mitten in die Stube. „Schau nur, Schwährin, wie das Bürschl wieder ausschaut.“

Über Sephas Züge flog ein mattes Lächeln. Und als der kleine Schlingel gewahrte, daß sein Aussehen die Mutter nicht schelten, sondern lachen machte, schrie er jauchzend auf, als hätte er eine stolze Heldentat zu verkünden: „Lippele Suggibubi, Suggibubi!“ Und wie eine toll gewordene Hummel surrte er tanzend durch die Stube.

Gittli hatte sich auf das Bett gesetzt; sie hielt das Kind umfangen, das ihren Hals mit seinen dünnen Ärmchen umklammerte; so umschlungen, Wange an Wange gelehnt, wiegten sie sich hin und her, und die Kleine sang dazu in schmeichelnden Lauten.

Durch das niedere Fenster fiel ein leuchtender Sonnenstrahl, der in dem trüben Raume tausend fliegende Stäubchen flimmern machte. Wollte nach hartem Winter der Frühling nun auch Einkehr halten unter diesem Dach? An der Zeit wär’ es gewesen!

Gittli machte sich an die Arbeit. In ihrer kleinen Kammer vertauschte sie das ‚gute‘ Gewand mit ihrem abgetragenen roten Röckl. Erst las sie draußen im Garten die den Hühnern ausgefallenen Federn zusammen, damit das kranke Kind neue Kurzweil hätte. Dann kam Lippele in die Kur. Gittli kniete auf den Dielen, neben sich eine kleine Holzwanne mit kaltem Bachwasser; mit einem linnenen Lappen bearbeitete sie dem kleinen Burschen Gesicht und Hände, daß ihm die Haut zu glühen begann. Ließ er nur einen Muckser hören, dann hieß es gleich: „Schön brav sein, Lippele, oder die Dittibas tut weinen!“

Sepha schaute ihr eine Weile schweigend zu; dann fragte sie: „Hast du den Vogt daheim gefunden?“

„Ja freilich.“

„Ist er gut mit dir gewesen? Und hat er eine Freud gehabt mit den Röserln?“

„Das glaub ich!“ sagte Gittli, während sie sich tief über die Wanne beugte, um den Lappen auszuringen. „Ah, ah, hat er gesagt, die sind aber schön! Ja, du – so schöne hab ich schon bald nit gesehen, hat er gesagt. Komm her, Lippele!“

„So? So? Und was hast du sonst noch mit ihm geredt?“

„So halt, wie man redet, von allerhand, ja! Aber weißt du, gar lang hab ich mich nit verhalten dürfen. Du! Was da die Leut warten, eins am andern!“

Eine Weile war Stille. Dann sagte Sepha mit scheuem Klang in der Stimme: „Geh, sag mir’s, Gittli!“

„Was denn?“

Sepha atmete schwer. „Sag mir’s! Hat der Polzer das Lehent schon beisammen?“

„Aber freilich!“ lachte Gittli, doch mit abgewandtem Gesicht, denn sie fühlte, daß sie rot wurde bis über die Stirn.

„Gott sei Dank!“ Ein befreiender Seufzer löste sich aus Sephas Brust.

Lippeles Kur war beendigt. Er wurde noch in sein starrendes Lederhösl gesteckt, wie die Grille in ihr Häuschen. Und dann hieß es: „So, Lippele, brav, jetzt bist du wieder schön!“ Er bekam einen Kuß, als Draufgabe noch einen Klaps, und sprang zur Tür hinaus, um die Verwandlung in den bei ihm natürlichen Suggizustand mit frischem Eifer zu zu beginnen.

Gittli trug die Wanne aus der Stube. Draußen blieb sie schwer atmend stehen und schüttelte in ratloser Sorge den Kopf.

Nun mußte sie die bescheidene Mahlzeit richten. Hinter dem Haus lag ein mächtiger Stoß dürren Holzes; den hatte Gittli während des Winters zusammengetragen; hier stand sie und zerbrach über dem Knie die morschen Äste; immer wieder ließ sie die Hände sinken und starrte vor sich hin. Wie sollte sie es dem Bruder sagen, wenn er heimkam nach Feierabend? Und wenn er es wußte – wo sollte er Hilfe finden? Da schoß ihr eine heiße Welle zum Herzen. Einen wußte sie. Der würde helfen, das hätte sie beschwören mögen. Haymo, der Klosterjäger! Weshalb ihr gerade dieser Eine in den Sinn kam? Sie wußte keine Antwort auf diese Frage. Aber das Herz war ihr leicht geworden. Und wie glatt und einfach dieser Weg war! Ein einziges Wort zu Haymo, und Haymo sprach ein paar Worte mit Herrn Heinrich. Und Herr Heinrich konnte doch dem Haymo nichts abschlagen. Ihr war, als sähe sie den Jäger schon daherkommen, lachend: „Gittli! Ich hab mit ihm geredet, und er hat gesagt, dein Bruder soll sich Zeit lassen mit dem Lehent und soll zahlen, wann er kann. Sorg dich nimmer! Ich hab alles gerichtet. Gelt, du weißt schon, ich laß dir nichts geschehen!“

Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen. War sie denn wach oder träumte sie? Nur gedacht hatte sie an ihn. Und dort kam er schon! Als hätten ihre Gedanken ihn gerufen! Raschen Ganges wanderte er den Karrenweg einher, der am Hag vorüberführte. Wohl verschwand er immer wieder zwischen Büschen und hinter Bäumen. Aber sie hatte ihn von weitem schon erkannt. Jetzt trat er auf den freien Weg heraus, und nun mußte das Wort gesprochen werden. Sie preßte die Hände auf die beklommene Brust, faßte sich ein Herz und versteckte sich hinter dem Holzstoß. Hier stand sie, zitternd an allen Gliedern, lugte nur ein wenig zwischen den Ästen hindurch und sah, wie Haymo langsam den Hag entlang ging; jetzt blieb er stehen und spähte nach jedem Fenster, in alle Winkel des Gartens. Und da kam es Gittli vor, als wäre sein Gesicht bekümmert und ernst. Sie sah noch, wie er verdrossen den Kopf schüttelte; dann kehrte er sich ab, schulterte den Bergstock und wanderte weiter. Hinter den Stämmen der Linden und Ulmen, welche die Straße geleiteten, verschwand er.

Zögernd trat Gittli hinter dem Holzstoß hervor. Ihr war, sie wußte nicht wie – ähnlich vielleicht, wie dem Lippele zu Mut gewesen war, als Gittli zu ihm gesagt hatte: ‚Lippele, wie schaust du aus!‘ Was hatte sie nur getan! Den Bruder verkauft und verraten, wo es sie nur ein Wort gekostet hätte, ihn zu retten! Sie hatte die gute Stunde verpaßt. Weshalb nur, weshalb? Der Atem versagte ihr, und sie meinte fast zu ersticken. Wer sollte dem Bruder jetzt noch helfen? Haymo stieg zu Berge. Wann würde sie ihn wieder sehen? Lange, lange nicht! Es sei denn, daß sie selbst zu ihm hinaufstiege in die Röt. Am Ostersonntag! Weshalb aber so lange warten? Jetzt gleich! Haymo war noch nicht gar so weit, sie hätte ihn bald mit ihren flinken Füßen eingeholt! Ein paar Schritte flog sie dahin, dann wieder blieb sie stehen, zitternd, schlug die Hände vor das Gesicht und warf sich schluchzend über das dürre Holz.

Gar weit konnte Haymo noch nicht sein; so hatte Gittli gedacht. Wie nah er war, das ahnte sie doch nicht. Denn als er am Hag des benachbarten Gartens vorüberschritt, mit sinnenden Augen vor sich hinblickend, flog ihm ein kleiner Strauß von Primeln mitten auf die Brust. Betroffen blieb er stehen, schaute verdutzt auf die zur Erde gefallenen Blumen nieder und sandte einen spähenden Blick in die Hecke, aus der sie hervorgeflogen waren. Hinter den mit zarten, blaßgrünen Blättern bedeckten Zweigen schimmerte es rot und ein leises Kichern schlug an das Ohr des Jägers.

Haymos Augen blitzten freudig auf, rasch hob er den Strauß von der Erde, steckte ihn neben der Adlerfeder auf die Kappe, sprang auf die Hecke zu und teilte lachend mit beiden Armen das Gezweig.

Vor ihm auf der Erde kauerte ein junges, dralles Mädel, das hübsche, aber ländlich derbe Gesicht umrahmt von dicken, blonden Flechten. Kichernd und mit zutunlichen Augen blickte sie zu Haymo auf, streckte aber abwehrend die Hände gegen ihn, als wäre sie eines lustigen Überfalles gewärtig.

Haymo schien für die Gunst der Gelegenheit kein Auge zu haben. Die Wahrnehmung, daß der rote Schimmer von einem mit silbernem Kettchen umschnürten Mieder herrühre und nicht von einem gewissen Röckl, mochte ihm nicht sonderlich willkommen sein. Die ratlose Miene, die er zeigte, schien das Mädel halb zu ärgern, halb zu ergötzen. Sie richtete sich auf, verschränkte die Arme und lachte ihm ins Gesicht.

„Hast du den Buschen geworfen?“ fragte er.

Sie lachte nur und zeigte die weißen Zähne; doch als er sich ohne Gruß von ihr wenden wollte, sagte sie hastig: „So eine Frag! Wenn der Buschen nit fliegen kann von selber, wird ihn wohl eine geworfen haben, die nit weit ist.“

„So weit vielleicht, wie du von mir?“

Sie zuckte die Schultern und trat dicht an die Hecke heran.

Haymo maß das Mädel mit verwunderten Augen. „Du mußt aber nit viel Arbeit haben!“

„Warum?“

„Ich mein’ halt, daß du den ganzen Tag dazu brauchen mußt, bis du so viel Blümlen findest, daß du jedem, der da vorbeigeht, einen Buschen an den Kopf werfen kannst.“

„An den Kopf?“ lächelte sie. „Ich mein’, er wär ein bißl tiefer geflogen. Und es könnt auch sein, daß ich nit für jeden einen Buschen hab.“

„So?“

„Ja!“ Sie streckte den Arm über die Hecke und faßte wie in Neugier den Kolben der Armbrust. „Ein schönes Schießzeug hast du! Bist wohl auch ein guter Schütz?“

„Kann schon sein!“ meinte er und trat einen Schritt zurück.

„Aber manchmal trifft auch eine Dirn mitten hin auf den richtigen Fleck und braucht keinen Bolzen dazu.“

„So?“

„Sooo? Sooo?“ spottete sie, während unverhehlter Ärger um ihre Brauen zuckte. „Sind bei dir die Wörtlen allweil so kostspielig?“

Jetzt mußte Haymo lachen. „Gott bewahr! Nur in der Karwoch, weißt, in der größten Fasten.“

„Sparst sie dir halt auf für den Feiertag, gelt? Freilich, beim Ostertanz kann sie einer brauchen, die vielen Wörtlen. Und die lang aufgehobenen, das sind die besten.“ Sie blitzte ihn mit ihren kecken Augen an. „Kommst du auch gewiß zum Tanz?“

„Wenn ich wissen tät, daß die richtige Tänzerin kommt.“ Haymos Blicke spähten seitwärts durch die Bäume.

„Sie kommt schon, brauchst dich nit sorgen drum!“

„Meinst?“ fragte Haymo rasch; dann schüttelte er den Kopf. „Wie kannst du denn wissen – “

„Sie hat mir’s selber gesagt,“ erwiderte das Mädel mit scherzender Wichtigkeit, „sie hat ja nit gar so weit zu mir!“

Das stimmte; denn wenn ihn der Bub, den er auf der Achenbrücke mit der Frage nach dem Haus des Sudmanns angehalten, nicht irrgewiesen hatte, dann wohnte Gittli dort drüben unter dem nachbarlichen Dach.

In freudiger Bewegung faßte Haymo die Hand des Mädels. „Sie hat es dir selber gesagt? Dann sag ihr wieder, daß ich komm! Ganz gewiß! Und dank schön für die Botschaft!“

„Zenza! Zenza!“ rief von dem stattlichen Bauernhause her eine ungeduldige Stimme.

„Ich komm schon!“ Und flüsternd wandte sich das Mädel wieder zu Haymo. „Mußt ihr aber auch einen Buschen bringen zum Feiertag!“

„Den schönsten, den ich find. Schneerosen!“

Sie schüttelte lachend den Kopf. „Die mag ich nit. Die sind mir alles zu kalt. Mußt schon wärmere suchen für mich! Und steck mir den Buschen vor Tag an das Kammerfenster! Dann trag ich ihn auf dem Kirchgang. Schau hinüber, das zweite Fenster neben der Tür!“

„Zenza! Zenza!“ rief’s wieder vom Hause her.

„Ich komm schon!“ Kichernd sprang sie davon, auf halbem Wege noch einmal zurückwinkend mit der Hand.

Haymo machte ein paar Augen, als wäre das Blaue vom Himmel gefallen und ihm gerade auf den Kopf. „So? So meinst du’s?“ brummte er. Dann lachte er auf und ging mit eiligen Schritten seines Weges weiter. Als die Straße zwischen Bäumen und Strauchwerk an das Ufer der Ache lenkte, hörte Haymo hinter sich die singende Stimme des Mädels:

„Ich weiß mir ein’ hübschen grünen Wald,

Dort laufen drei Hirschlen wohlgestalt,

Dort laufen drei Hirschlen hübsch und fein,

Die freuen dem Jäger sein Herzelein.“


Lauschend blieb Haymo stehen, und die Stimme sang weiter:

„Ich weiß mir ein’ hübschen grünen Wald,

Dort laufen drei Rehlen wohlgestalt,

Eins schwarz und eins braun, eins geel wie Gold,

Möcht wissen, welches der Jäger wollt!“


„Ich könnt’s dir schon sagen. Wenn ich nur möcht!“ lachte Haymo vor sich hin und wollte sich zum Gehen wenden. „Jetzt hätt ich aber bald vergessen – “

Er nahm die Kappe vom Kopf, riß den Primelnstrauß herunter und warf ihn flink in den Seebach, dessen tanzende Wellen ihn verschlangen, wie ein springender Ferch die schillernde Mücke schnappt.

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28. September 1322.

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Hemdchen.

Der Klosterjaeger

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