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Der Nachmittag verging, und mit dem Feierabend kam Wolfrat nach Hause. Es war der Sudmann, den Haymo unter dem Tor des Salzhauses gesehen; nun trug er zu der Leinenhose noch ein grobes Hemd und einen mürben Janker. Vor der Tür legte er die Holzschuhe ab und trat barfüßig in die Stube, in der es schon dunkel war.

„Bist du’s, Polzer?“ klang die leise Stimme des Weibes.

„Ja, Seph!“ erwiderte er, seine Stimme zum Flüstern dämpfend; dann trat er zu Sepha und strich ihr mit der schweren Hand über den Scheitel. „Wie geht’s denn, Hascherl?“

„Es muß halt gehen!“

„Bist in der Sonnzeit ein lützel draußen gesessen?“

„Wohl.“

Er beugte sich über das Bett. „Schlaft ’s Kindl schon?“ Sie nickte nur. Sachte ließ er sich auf den Bettrand nieder und fühlte mit dem Rücken der Hand an die Wange des schlummernden Kindes. „Völlig brennen tut’s!“ Noch tiefer neigte er sich und trank den heißen Atem, der ihm entgegenströmte. Dann richtete er sich auf und fragte: „Wo schafft die Dirn?“

„Sie feuert.“

Er erhob sich und verließ die Stube. Draußen in der Küche fand er Gittli beim flackernden Herdfeuer.

„Warst du bei ihm?“ fragte er.

Gittli nickte, und die Tränen kamen ihr in die Augen.

„So red doch! Will er mir Zeit lassen?“

Sie schüttelte den Kopf; sprechen konnte sie nicht. Und ihr Schweigen sagte ihm mehr, als er aus hundert Worten hätte hören können. Er wurde bleich, griff nach einem dürren Ast und stocherte im Feuer umher. „Der Fitzmeier,“ sagte er nach einer Weile mit schwankender Stimme, „der hat an Michaeli das Lehent auch nit zahlen können, und am andern Tag haben sie ihn ausgekehrt aus der Stub.“

„Geh, wie magst du dich auf gleich stellen mit so einem!“ sagte Gittli fast zornig. „So ein schlechter Mensch!“

„Gut oder schlecht, nur scheppern muß es, scheppern!“ Er stieß mit heiserem Lachen die Fäuste in die Hosensäcke und beutelte die leeren Taschen. „Jetzt hat der Simmerauer dem Fitzmeier sein Lehen. Und der Sutter-Franzl wartet auch schon, bis eins ledig wird.“ Er wandte sich ab und verließ die Küche. Auf der Schwelle fragte er über die Schulter zurück: „Wo ist der Bub?“

Im gleichen Augenblick kam Lippele zur Haustür hereingestürmt. Mit beiden Armen griff Wolfrat zu und riß das Bürschl an seine Brust empor. Lippele sträubte sich greinend gegen diese rauhe Zärtlichkeit; er hatte auch eine wichtige Botschaft zu bringen: der Eggebauer hätt’ nach dem Vater gefragt, und der Vater soll heut noch hinüberkommen.

„Der auch?“ murmelte Wolfrat. „Freilich, einschichtig ist noch nie eine Sorg gekommen. Schockweis, schockweis! So wird’s wohl sein müssen.“ Er stellte den Knaben auf die Erde, schob ihn zur Stubentür hinein und verließ das Haus.

Wolfrat brauchte sich nur über den Gartenhag zu schwingen; denn der Eggebauer war sein Nachbar, und ein schwerer dazu: er hatte volle Truhen und Kasten, vier Rosse im Stall und über die zwanzig Kühe. Freilich, für den Klostervogt war das noch lang keine Ursach zum Respekt; das hatte Herr Schluttemann heut bewiesen.

Der Bauer schien den Sudmann schon erwartet zu haben; er stand unter der Haustür, die Daumen in den breiten Ledergurt eingehängt.

„Grüß Gott, Eggebauer!“

„Grüß Gott auch, Polzer!“

„Mußt nit harb sein, Bauer,“ sagte Wolfrat, jedes Wort hervorwürgend, „es ist unrecht von mir, daß ich mich erst hab rufen lassen. Ich hätt von selber kommen sollen, denn ich weiß, ich hab dir in die Hand versprochen, das Geld in der Palmwoch heimzuzahlen.“

„Was willst?“ brummte der Bauer. „Hab ich drum gefragt?“

Wolfrat schaute freudig betroffen auf.

„Behalt das Geld, solang du willst. Ich brauch’s nit. Bist ein armer Teufel, aber eine ehrliche Haut. Bei dir ist’s gut aufgehoben. Und ich bin eine mitleidige Seel und hab mich gefreut, daß ich dir helfen hab können.“

Eine Hoffnung schoß in Wolfrat heiß empor. „Bauer, wenn du so mit mir redest,“ sagte er, „nachher möcht ich gleich statt einem Vergeltsgott ein ‚Bitt schön‘ sagen. Eggebauer! Ich kann das Lehent nit zahlen. Wenn du mir helfen möchtest?“

Der Eggebauer spitzte die Ohren; was er hörte, schien er nicht ungern zu vernehmen. „Ich könnt schon, wenn ich möcht,“ sagte er schmunzelnd, „und wer weiß, vielleicht mag ich.“

„Bauer!“ Wolfrat hatte mit zitterndem Druck des Bauern Hände gefaßt.

„Laß aus! Laß aus!“ wehrte der Bauer lachend. „Wir reden noch drüber. Damit du aber siehst, was ich für einer bin und wie gut ich dir’s mein’: ich weiß ein paar schöne Heller zu verdienen, und da bist gleich du mir eingefallen.“

„Verdienen! Mein Gott, Bauer, ich möcht ja schaffen wie ein Narr. Aber ich muß von früh bis auf den Abend im Sudhaus werken.“

„Was ich mein’, das kannst du schaffen in der Nacht. Es ist sternscheinige Zeit. Nach Feierabend packst du es an, zehn Stund brauchst du dazu und kannst fertig sein, vor das Glöckl im Sudhaus läutet. Und wenn du’s machst in der Samstagnacht, da kannst du auch länger brauchen. Am Ostersonntag brennt kein Feuer im Sudhaus.“

„Und was wär das, was ich schaffen soll?“

„Zenza!“ rief der Bauer in den Flur zurück. „Bring die Latern!“

Nach einer Weile erschien die Tochter des Bauern unter der Haustür, in der Hand die Laterne mit brennendem Licht. Der Bauer nahm sie. „Komm!“ sagte er und ging dem Sudmann voran einer Scheune zu.

In dem großen, fensterlosen Raum herrschte schon tiefes Dunkel. Wolfrat staunte: so spät im Frühjahr, und die Scheune strotzte noch von Heu und Garben.

„Da schau!“ sagte der Bauer und hob die Laterne.

Wolfrat stand betroffen; scheu griff er nach dem Hut und entblößte den Kopf. Über einem Haufen Heu lag ein lebensgroßes Schnitzwerk: das Bild des Erlösers mit ausgebreiteten Armen. Es fehlte nur das Kreuz. Das Schnitzwerk war mit frischen Farben bemalt: die Locken braun, die Augen blau, die Glieder bleich wie Schnee, und aus allen Wunden, unter jedem Stachel der Dornenkrone, rannen die roten Tropfen. Der flackernde Schein der Kerze warf über das Bildnis ein Gezitter von Licht und Schatten, daß es zu leben und sich zu bewegen schien.

„Den sollst du hinauftragen auf meine Alm in der Röt und sollst ihn ans Kreuz schlagen!“ sagte der Bauer. „Ich hab ihn bei mir überwintert, damit er nit zugrund geht im Schnee. Aber jetzt fangt das Gras zu wachsen an, jetzt muß er hinauf und auf mein Sach schauen. Schwer tragen mußt du freilich an ihm, aber schau, ich hab dir da eine Krax hergestellt, die liegt dir gut auf dem Buckel. Da spürst du ihn nur halber. Und jetzt red! – Willst du?“

„Ja, Bauer, in der Samstagnacht,“ sagte Wolfrat, „und aufpacken will ich ihn gleich.“

„Brav, brav!“ nickte der Eggebauer.

Wolfrat hob zur Probe die Kraxe auf den Rücken, um abzumessen, wie hoch er das Schnitzwerk hinaufschnüren müsse, damit es ihn mit den Füßen nicht im Gehen behindere. Dann legte er die Stricke zurecht und kleine Heubüschel, mit denen er das Schnitzwerk unterlegen mußte, damit die frische Farbe von den Kanten der Kraxe nicht abgeschürft würde.

„Gelt,“ sagte der Eggebauer, „hast ein rechtes Kreuz bei dir daheim?“

Wolfrat nickte nur.

„Mein Gott, mein Gott, schaut bei mir auch nit besser aus!“

„Wie geht’s der Bäuerin?“

Der Bauer seufzte. „Schlecht, schlecht! Wär mir schon lieb, wenn sie bald wieder gesunden tät! Das Weib ist so viel ungut und zuwider. Und jagt mir die Seel aus dem Leib.“

„Ist halt ein Krankes, Bauer, da muß man Geduld haben.“

„Ja, ja, metzenweis! Aber jeden Wehdam von ihr, den krieg ich zehnfach zu spüren. Und Salben! Und Trankln! Und Geschichten! Mein Gott, ja, mir wär doch alles recht, wenn’s nur was helfen tät. Und jetzt meint der Bader, daß gar nichts anders mehr die Bäuerin auf die Füß bringt als nur ein Herzkreuzl von einem Steinbock. Aber wo soll ich’s denn hernehmen? Jetzt war ich heut beim Klostervogt, hab geglaubt, er verkauft mir eins. Aber der hat mich schön gestampert. So was wär nur für die Herrenleut, sagt er. Als ob eine Bäuerin nit grad so gern leben tät wie eine Ritterin! Und das Weib zieht mir schiergar die Haut vom Leib. Gleich zehn Schilling tät ich zahlen für ein Herzkreuzl! Aber wo soll ich denn eins hernehmen?“

Wolfrat schaute auf, und die Blicke der beiden trafen sich. Nun wußte der Sudmann, wie es der Bauer meinte. Schweigend machte er sich wieder an seine Arbeit; die Hände zitterten ihm. Zehn Schilling. Und mit acht Schilling wäre das Lehent bezahlt. Und dazu noch ein paar Flaschen roten Tiroler für die Seph und Fleisch zur Suppe, und vom feinsten Kälbernen einen tüchtigen Schnitz, der ausgab auf fünf Mahlzeiten für das Kind. Und ein paar Heller blieben immer noch übrig für eine weitere Woche. Ach du lieber Gott, was hatte der Teufel, der den Wolfrat zu versuchen kam, ein gutes, gutes Herz!

Aus dem Hause klang die fröhlich singende Stimme der Zenza. „Hehehehe!“ lachte der Eggebauer. „Die kann’s auch schier nimmer erwarten, bis Sonntag ist. Die spürt den Feiertag heut schon in den Füßen. Gehst du auch zum Ostertanz, Polzer?“

„So eine Frag, Bauer! Wenn einmal getanzt wird an vierzehn Nothelfer, dann geh ich vielleicht.“

„Hehehehe! Das Mädel ist völlig närrisch vor Freud. Meintwegen! Soll sich einen aussuchen unter den jungen Mannsleuten! Hehehehe! Vielleicht taugt ihr der neue Klosterjäger. Der kommt auch. Grad jetzt, wie er draußen vorbeigegangen ist, hat er es ihr versprochen: daß er ganz gewiß kommt am Sonntag, in aller Früh schon!“ Es schien dem Eggebauer viel daran gelegen, daß seiner Zenza zum mindesten dieser eine Tänzer sicher war; jedem Wort, das er sprach, gab er einen Druck, als wär’s ein Schilling, den man auf den Tisch zählt. Und genau so, wie man die letzten Münzen, um seiner Sache sicher zu sein, noch einmal nachzählt, so wiederholte er die letzten Worte: „Ja! In aller Früh schon!“

Wolfrat hatte sich aufgerichtet und sah den Bauer, der ihm lustig zuzwinkerte, mit funkelnden Augen an; dann wischte er sich den kalten Schweiß von der Stirn und schaffte weiter. Mit beiden Armen hob er das schwere Christusbild empor, um es auf die mit weichen Heubüscheln gepolsterte Kraxe zu legen. Aber wie unsicher seine Hände waren! Fast wäre das schwere Schnitzwerk seinen Armen entglitten; dabei riß ihm ein Stachel der Dornenkrone eine blutige Schrunde in die Wange. Er wischte das Blut weg und besah seine Hand. Und da war ihm, als hätte jemand zu ihm gesprochen, ganz leise und dicht am Ohr – nicht der Eggebauer, sondern ein dritter. Aber sie waren doch nur zu zweien! Er schüttelte den Kopf und griff nach den Stricken, aber durch das Herz ging es ihm wie ein kalter Schauer.

„Sei so gut! Und laß mir den Herrgott fallen!“ lachte der Eggebauer. „Der tät mir kein Halmerl Gras nimmer wachsen lassen auf meiner Alm! Hehehehe!“

Wolfrat gab keine Antwort. In fester Spannung schnürte er die Stricke über das hölzerne Bild, daß es auf der Kraxe keinen Ruck mehr tat.

Der Eggebauer schaute nicht auf Wolfrats Hände, nur immer in sein Gesicht. „Deinem Weib geht’s besser, wie ich von der Zenza hör?“ sagte er nach einer Weile. „Ja, ja, gut Essen und Trinken mußt du ihr geben, nachher klaubt sie sich schon wieder zusammen, wenn das Frühjahr wärmer wird. Aber was macht denn das kleine Katzerl, das liebe? Da schaut’s schlecht aus, hör ich!“

Wolfrat nickte nur; seine Brust hob sich, als wollte sie springen.

„So ein festes und gesundes Kind! Wie über so ein Kind nur so was kommen kann?“ sagte der Eggebauer und schüttelte den Kopf. „Wie hat’s denn angefangen?“

Mit stockenden Worten schilderte Wolfrat den Beginn und die Zeichen der Krankheit.

„Du, Polzer, das ist heilig dieselbige Krankheit, an der im vorigen Winter das Jüngste vom Klostervogt schier draufgegangen wär. Der Totengraber hat schon gewartet, ja!“

„Ich bin fertig, Bauer!“ unterbrach Wolfrat mit heiserer Stimme.

„Brav, brav!“ Der Eggebauer ging auf die Kraxe zu, rüttelte an dem Schnitzwerk und fühlte überall hin, wo es auflag. „Ich mein’, es tut’s. Aber hohl liegen tut er, schau! Geh, nimm einen festen Buschen Heu und stopf drunter hinein, was geht! Ja, Polzer, völlig im Verlöschen war das Kindl schon, und kein Mensch hätt sich mehr gedacht, daß der arme Wurm noch einmal aufkommt! – Was hast du denn?“

Wolfrat war auf den Heuhaufen zugegangen, um aufzunehmen, was seine Arme fassen konnten. Da hatte er etwas Hartes im Heu gegriffen und hervorgezogen. Eine Armbrust! Über Wolfrats Züge flog ein irres Lächeln.

„Bauer? Wie kommt das Schießzeug da her?“

„Wie wird’s herkommen?“ lächelte der andere. „Füß hat’s keine. So wird’s wohl einer hergelegt haben. Ja, Polzer, daß ich sag – und wie die Leut schon geglaubt haben, jetzt und jetzt hat das letzte Stündl geschlagen für das arme Kind, da haben sie ihm zur Letzt noch was eingegeben. Und geholfen hat’s! Wie ein Wunder! Ja! Und heut springt das Kindl wieder umeinander, frisch und fest wie ein Huiserl!12 Wär schad drum gewesen, wenn es hätt verfaulen müssen!“

Wolfrat stand mit aschfahlem Gesicht und hielt die Armbrust umklammert, als wollte er ihren Schaft zerquetschen unter seinen eisernen Fingern.

„Und was war’s, Bauer, was dem Kind geholfen hat?“

„Schweißbluh von einem Steinbock.“

Wolfrat wandte sich ab. Mit ruhiger Hand prüfte er die Sehne und das Schloß der Armbrust, nickte befriedigt, umwickelte die Waffe dicht mit Heu und schob sie auf der Kraxe in den hohlen Raum unter dem Schnitzwerk. Nun erhob er sich, schüttelte die Heufäden von seinem Gewand und sagte: „In der Samstagnacht, Bauer! Um Feierabend komm ich und hol den Herrgott.“

„Brav, lieber Polzer, hilf mir, und du hilfst dir selber!“

„Und wenn ich komm – und bring’s?“

„Was ich gesagt hab! Ich bin der Eggebauer.“ Er streckte die Hand, und Wolfrat schlug ein mit festem Druck.

Als der Sudmann sein Haus erreichte, stand Gittli wartend in der finsteren Tür.

„Aber geh, wie kannst du so lang ausbleiben?“ schmollte sie. „Die Seph hat sich schon gelegt. Komm! Ich hab dein Essen heraußen auf dem Herd stehen, weißt, drin in der Stub könnt das Kindl wieder wach werden.“

Er ging in die Küche und setzte sich an den Herd, auf dem die letzten Kohlen schon zu erlöschen begannen; nur noch ein roter Schimmer füllte den Raum. Gittli wollte sich an seine Seite setzen; er schob sie von sich und sagte: „Geh schlafen.“

Sie schüttelte den Kopf, denn sie wollte mit ihm von der Hilfe sprechen, die sie sich ausgesonnen. Aber kaum begann sie vom Lehent zu reden, da sagte er: „Sorg dich nimmer! Ich hab das Lehent. Der Eggebauer leiht mir das Geld.“

Gittli war sprachlos vor Freude; nur die Hände schlug sie ineinander; dann rannte sie davon, huschte in die Stube, tappte zum Bett und fiel der Seph um den Hals. „Er hat’s! Er hat’s!“

Das Weib verstand sofort, was Gittli meinte. „Gelt, daß er’s noch nit gehabt hat?“

„Ich hab dir nur die Sorg ersparen wollen!“

„Woher hat er’s denn?“

„Der Eggebauer hat’s ihm geliehen.“

„Ist das ein guter Mensch!“ weinte Seph und faltete die Hände. So kräftig ist für den Eggebauer wohl noch nie gebetet worden, außer von ihm selbst vielleicht.

Gittli hauchte einen Kuß auf die heiße Stirn des schlummernden Kindes und schlüpfte in ihre Kammer. Als sie in den Kissen lag, weinte und kicherte sie, immer eins ums andere. Dazu sprach sie das Vaterunser, und noch ein zweites als Dreingabe; das hatte der liebe Herrgott heut verdient, der diese zwei guten, guten Menschen erschaffen hatte, den Eggebauer und den Haymo. Und von den beiden war Haymo gewiß noch der bessere; daß es bei ihm gar nicht zum Helfen kam, das war nicht seine Schuld. Sie wollte dem Eggebauer gewiß nichts abzwacken von seinen Verdiensten. Aber der Haymo! Der hätte dem Bruder das Geld nicht nur geliehen, nein, geschenkt! Hätt er’s denn aber auch gehabt?

Gittli mußte lachen, als sie in ihrer Gedankenreihe zu diesem Ende kam. Sie streckte sich vergnügt, verschränkte die Hände unter dem Nacken und summte das Lied von der Schneerose vor sich hin:

„Auf steiler Höh,

Tief unterm Schnee – “


Als sie zu der Stelle kam, an der es heißt:

„Im Herzen tief

Ein Blüml schlief,

Gar lieblich und an Schönheit reich – “


da verstummte sie. Was für ein Blüml war das? Sie hatte das nur immer so hingesungen. Jetzt zum erstenmal kam diese Frage. Was für ein Blüml war das?

So lag sie mit offenen Augen und träumte in die Nacht hinein.

Und draußen in der Küche saß Wolfrat beim neu entfachten Feuer und schnitzte aus einem Birnbaumzweig den Bolzen für die Armbrust.

Vergangene Zeiten erwachten bei dieser Arbeit: das war nicht der erste Bolz, der aus seinen Händen kam. Die Bilder und Abenteuer seiner Jugend und seiner Kriegsjahre zogen an ihm vorüber. Einmal hob er den Kopf und blickte langsam gegen die Wand, hinter welcher Gittlis Kammer lag. Dabei spielte ein seltsam verlorenes Lächeln um seinen bärtigen Mund.

Neben dem Herde sah er Federn liegen; mit ihnen fiederte er den Pfeil. Es waren die Federn, mit denen das ‚Mimmidatzi‘ gespielt hatte, bevor es entschlummert war.

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Füllen

Der Klosterjaeger

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