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Kapitel 3

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Nicht zuletzt aufgrund der ausgezeichneten einheimischen Küche verlief das Abendessen trotz der vorangegangenen Enttäuschung dann doch in erwartungsvoller und ausgelassener Stimmung. Wie in Padang Sitte, wurde den Gästen alles angeboten, was die Köche an diesem Tag zubereitet hatten, sodass sie direkt am Tisch aus vielfältigsten Speisen frei wählen konnten. Da gab es Fisch und Meeresfrüchte, gebratenes Huhn, Sate genannte Fleischspieße sowie als Beilage Reis, Maniok und Yamswurzel. Dazu verschiedene Soßen, wie das aus fermentierten Garnelen hergestellte Terasi, oder die besonders scharfe Chilisoße Sambal. Letztere bildete auch den Grund dafür, dass man dem indonesischen Bintang-Bier kräftig zusprach.

Der Einzige, der etwas bedrückt schien, war Bud Waters. Einerseits belastete ihn, dass die Expedition aufgrund seines Vorschlages, Eko Rimba aufzusuchen, einen Tag verloren hatte, andererseits entmutigte ihn, dass Ellen Sindar ihm permanent die kalte Schulter zeigte. Und das, obwohl er es einrichten konnte, neben ihr zu sitzen, und schon während des ganzen Abends ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen versuchte. Zwar lächelte sie jeweils höflich angesichts seiner Avancen, interessierte sich ansonsten aber eindeutig mehr für die Tischgespräche der Anderen. Deborah lächelte hin und wieder still in sich hinein, während sie insgeheim seine erfolglosen Versuche beobachtete.

Als die Expeditionsmitglieder sich schließlich überaus gesättigt zurücklehnten, während der Service die Nachspeisenteller abtrug, erhob sich Dr. van Houten, ergriff sein Glas und setzte zu einem Toast an. Bevor es jedoch dazu kam, trat ein Indonesier in khakifarbener Uniform zu ihm und stellte in nahezu akzentfreien Englisch eine Frage: »Entschuldigen Sie bitte vielmals die Störung, aber sind Sie Dr. van Houten?«

»Ja, allerdings«, erwiderte der Gefragte ein wenig irritiert.

»Und Sie sind Dr. Deborah Lindsey?«, wandte sich der Uniformierte an die Zoologin.

»Ja, die bin ich. Was können wir für Sie tun?«

»Ich komme im Auftrag der Forstverwaltung. Mein Vorgesetzter bittet Sie höflichst, ihm die Ehre Ihres Besuches zu erweisen.«

Die beiden Angesprochenen wechselten einen erstaunten Blick und Dr. van Houten fragte: »Wir fühlen uns sehr geehrt, aber könnten Sie mir den Grund dieser Einladung nennen?«

Der Bote wirkte sichtlich verlegen. »Tut mir leid, ich erhielt lediglich den Auftrag, Sie abzuholen. Man teilte mir nicht mit, dass Sie nicht darüber informiert sind.«

»Der Forstverwaltung unterstehen auch alle Nationalparks in Indonesien«, erklärte Deborah an den Doktor gewandt. »Es wäre wahrscheinlich klug, die Einladung anzunehmen, wir können jede Unterstützung brauchen.«

»Na gut, wie Sie meinen, Sie sind die Expertin.« Van Houten wandte sich an den höflich abwartenden Uniformträger: »In Ordnung, wir kommen gerne mit Ihnen, aber bitte gewähren Sie uns noch eine Viertelstunde, um uns umzuziehen und frisch zu machen. Wir treffen uns dann in der Lobby, ok?«

Erleichtert nickte der Beamte und schritt aus dem Speisesaal.

»Seltsam, dass man sich so für uns interessiert«, bemerkte Deborah. »Aber ich glaube nicht, dass man uns Steine in den Weg legen will. Normalerweise benötigt man keine besondere Genehmigung für einen solchen Trip, wie wir ihn planen. Wir stellen ganz normale Nationalparkbesucher dar, die halt speziellere Ziele verfolgen. Aber schon interessant, woher die überhaupt davon wissen …«

Kurze Zeit später verließen Alex van Houten und Deborah in Begleitung des Überbringers der Einladung das Hotel in Richtung eines bereitstehenden Wagens, auf dessen Fahrertür das Emblem der Forstverwaltung prangte: ein stilisierter Baum auf kreisrundem rotem Hintergrund. Während der Indonesier sich ans Steuer setzte, nahm das Paar auf der Rückbank Platz. Im Verlauf der Fahrt durch das nächtliche Padang redeten sie kaum miteinander, und auch der Fahrer hüllte sich in Schweigen. Schließlich stoppte das Fahrzeug vor einem schmucklosen Bürogebäude in einem Randbezirk der Stadt.

Das Gebäude schien völlig verlassen, aber ihr Chauffeur zückte einen Schlüssel, sperrte das gläserne Portal auf und bedeutete ihnen, ihm in die dunkle Eingangshalle zu folgen, wo im nächsten Augenblick automatisch die Deckenbeleuchtung aufflammte. Vor den Fahrstühlen angelangt, drückte ihr Begleiter den Knopf, um eine Kabine zu aktivieren. Verwundert wandte sich Deborah ihm zu.

»Machen Sie und Ihr Chef oft derart lange Überstunden?«

»Kommt schon mal vor«, kommentierte der Mann mit einem Achselzucken. »Als sein persönlicher Assistent bin ich Kummer gewohnt. Mein Vorgesetzter nimmt seine Pflichten sehr ernst, und das Gleiche verlangt er auch von seinen Leuten.« Im Aufzug drückte der Assistent neben dem Logo der Forstverwaltung die Taste für den vierten Stock. Oben angekommen durchquerten sie einen kahlen Korridor und gelangten schließlich zu einer Tür, an die der Beamte klopfte.

»Herein!«, ertönte eine Stimme, worauf ihr Begleiter die Tür öffnete und zur Seite trat, um Dr. van Houten und Deborah Einlass zu gewähren. Das sich ihnen nun präsentierende geräumige Büro unterschied sich angenehm von der nüchtern sterilen Atmosphäre des restlichen Gebäudes: Den Parkettboden bedeckten hier dicke, farbenfrohe Teppiche, die den Besuchern das Gefühl gaben, über weiches Moos zu schreiten. Die mit Bambus verkleideten Wände schmückten überdies alle möglichen Gegenstände, die einem Volkskundemuseum alle Ehre gemacht hätten. Ein gewaltiges Bücherregal nahm die gesamte Wand hinter dem riesigen Schreibtisch ein.

»Ah, Dr. Lindsey und Dr. van Houten! Ich freue mich außerordentlich, Sie im Namen der Nationalparkverwaltung willkommen zu heißen!« Der Mann, der bislang hinter dem Schreibtisch saß, stand auf und umrundete das ausladende Möbelstück, um seine Gäste zu begrüßen. Er war klein, aber von massigem Körperbau und entblößte ein beeindruckendes Gebiss, als er lächelnd näher trat, um zuerst Deborah und dann dem Doktor herzlich die Hand zu schütteln.

»Mein Name ist Bima Setiawan, und ich bin sowohl für die Nationalparks hier in Sumatra, als auch in Kalimantan verantwortlich.«

»Sehr erfreut!«, antwortete Dr. van Houten. »Allerdings erstaunt es uns sehr, dass Sie von unserer kleinen Expedition wissen. Wie kommt das?«

»Ach wissen Sie, wir verzeichnen zwar fast eine Million Einwohner im Großraum Padang, aber die Innenstadt entspricht manchmal noch immer einem Dorf. Die Ankunft eines bekannten Anthropologen, dem auf einer Nachbarinsel der in den letzten Jahren vielleicht wichtigste Fund eines Frühmenschen gelang, spricht sich eben herum. Und wenn er zudem in Begleitung der reizenden Dr. Lindsey auftritt, einer Expertin für unsere Tigerpopulation im hiesigen Nationalpark – und bekanntermaßen auf der Jagd nach dem Orang Pendek – dann lässt sich ja leicht eins und eins zusammenreimen. Wollen wir uns nicht setzen?«

»Sie haben Kenntnis von den Begegnungen mit Urwaldmenschen? Was halten Sie persönlich davon?«, erkundigte sich der Doktor.

Bima Setiawan geleitete seine Gäste zu einer niedrigen Rattan-Sitzgruppe in einer Ecke des Raumes, wo er ihnen bedeutete, Platz zu nehmen.

»Tatsächlich ist das einer der beiden Gründe, weshalb ich Sie eingeladen habe. Ohne Ihnen nahe treten zu wollen, Dr. Lindsey, aber meine Ranger sind im Nationalpark tagaus, tagein mit den vielfältigsten Aufgaben unterwegs: Verhinderung illegaler Rodungen, Auffinden und Verhaftung von Wilderern oder oft auch nur Einsammeln verirrter Touristen. Keiner von ihnen – und ich betone: wirklich kein Einziger – ist bis zum jetzigen Zeitpunkt jemals über einen Affenmenschen gestolpert! Was auch immer Ihnen damals vor Augen kam, ich bin davon überzeugt, dass es in diesem Gebiet nicht mehr existiert. Ich sage Ihnen das nur, um Ihnen von vornherein eine Enttäuschung – und unnötige Kosten – zu ersparen.«

»Diese Argumente habe ich mit Dr. Lindsey auch schon erörtert, aber wir sind uns durchaus bewusst, dass solch eine Suche natürlich immer auch die Möglichkeit des Scheiterns beinhaltet. Trotzdem würde es im Falle eines Erfolges eine derart großartige Entdeckung für die Wissenschaft darstellen, dass es das Risiko einfach wert ist.«

Bima Setiawan seufzte. »Ich erwartete, ehrlich gesagt, keine andere Antwort von Ihnen. Daher bleibt mir nichts anders übrig, als Ihnen auch meinen zweiten Vorbehalt gegenüber Ihrem Unterfangen mitzuteilen.« Vorgebeugt verschränkte er die Finger auf dem kleinen Tisch, während sein Gesicht einen sorgenvollen Ausdruck annahm. Offensichtlich schien er zu überlegen, wie er beginnen sollte. »Wie Sie sicherlich wissen, ist Indonesien ein vorwiegend muslimisch geprägtes Land, wobei wir jahrelang in der Welt nahezu als Musterbeispiel für ein aufgeklärtes, modernes Verhältnis zum Islam galten. Trotzdem gibt es starke Unterschiede im Religionsverständnis der Bevölkerung. Auf der bevölkerungsreichsten Insel Java zum Beispiel wird eine striktere Form des Islam praktiziert, während auf Sumatra eher tolerantere Ansichten üblich sind. Trotzdem haben wir selbst hier Gebiete, wo man nach der Scharia lebt. Beispielsweise wurde in der Provinz Aceh vor einigen Jahren das islamische Strafrecht eingeführt, das unter anderem Steinigung im Fall von Ehebruch vorsieht. Der radikale Islam findet also auch hier immer mehr Anhänger.«

»Auch diese Tatsache ist uns bekannt, Mister Setiawan, aber … was hat das mit unserer geplanten Expedition zu tun?«

»Leider sehr viel. Radikale Muslime lehnen – wie übrigens auch manche christlichen Strömungen – die Evolutionslehre strikt ab. Und Sie, Dr. van Houten, gedenken sich auf den Weg zu machen, um einen lebendigen Beweis der Abstammung des Menschen zu finden und der Öffentlichkeit zu präsentieren. Das wäre ganz und gar nicht im Sinne dieser islamistischen Gruppierungen, die dadurch einen Verlust ihrer Glaubwürdigkeit zu befürchten hätten.«

»Und Sie argwöhnen, dass wir mit diesen Leuten Schwierigkeiten bekommen könnten?«

»Es ist nicht nur eine Befürchtung. Wie schon gesagt, in Padang verbreiten sich Neuigkeiten sehr schnell. Mir liegen Informationen vor, dass sich bereits eine der unzähligen islamistischen Splittergruppen die Sabotage ihrer Expedition zum Ziel gesetzt hat.«

»Und jetzt erwarten Sie, dass wir das Ganze aufgrund eines Gerüchtes abblasen?«

Bima Setiawan lehnte sich zurück und hob abwehrend seine Hände. »Es liegt mir fern, Ihnen vorzuschreiben, was Sie tun oder lassen sollen, aber ich vermag Ihnen selbst im Nationalpark Schutz weder zu bieten noch zu versprechen. Ich verfüge sowieso schon selbst für die regulären Aufgaben über zu wenig Personal, da stellt es schier eine Unmöglichkeit dar, Ihnen auch noch eine Leibwache von Rangern zuzuteilen.«

»Das würde ich selbstverständlich von Ihnen auch nicht erwarten. Aber ich glaube, wir sind in der Lage, ganz gut auf uns selbst aufzupassen!«

»Dann sind Sie also fest entschlossen?«

Dr. van Houten wechselte einen Blick mit Deborah, die schweigend zustimmend nickte, obwohl ihre Miene nachdenklich wirkte.

»Ja. Wir werden morgen aufbrechen.«

Der hohe Beamte nickte ernst. »Dann habe ich getan, was in meiner Macht stand. Der Rest … liegt somit allein in Allahs Hand.« Er stand auf, verbeugte sich tief vor seinen Besuchern, begleitete sie zur Tür, und reichte dort beiden die Hand. »Mein Sekretär bringt Sie wieder ins Hotel, aber danach sind Sie auf sich allein gestellt. Bitte seien Sie achtsam, denn es handelt sich um Leute, die zu allem fähig sind. Ich wünsche Ihnen alles Gute!«

»Ich danke Ihnen vielmals für die Zeit, die Sie sich genommen haben, um uns zu warnen«, antwortete ihm Dr. van Houten. »Wir werden auf der Hut sein, das verspreche ich Ihnen!«

Die Rückfahrt zum Hotel verlief wiederum schweigsam. Jeder schien tief in eigene Gedanken versunken. Nachdem der Sekretär sie vor ihrem Quartier abgesetzt hatte, schauten van Houten und Deborah nach, ob der Rest des Teams möglicherweise noch im Restaurant des Hotels beisammen saß. Sie fanden jedoch nur mehr Bud vor – an der Hotelbar. Und außerdem nicht in bester Verfassung.

»Hallo Bud!«, begrüßte ihn Deborah. »Sind die anderen schon zu Bett gegangen?« Mit trübem Blick schaute Bud von seinem Glas auf. Als er die beiden Rückkehrer sah, versuchte er sich zusammenzureißen.

»Jaaa, sozusagen … Karim ist gleich verschwunden, nachdem Sie beide abgeholt wurden … hat mich ehrlich gesagt nicht weiter gestört … hab’ dann Ellen den Vorschlag gemacht, an der Bar noch einen zu trinken … oder auch zwei.«

»Oje, was ist dann passiert?«

»Gar nix. Wir haben uns prächtig amüsiert und sind dann mit einer attraktiven Journalistin ins Gespräch gekommen. Die Drinks waren ausgezeichnet und wir … hatten viel Spaß … zu dritt.«

»Warum gucken Sie dann jetzt so deprimiert?«

»Na ja, als ich mich ernsthaft zu fragen begann, wer von den beiden Hübschen mir eigentlich besser gefiel, überkam mich … ein menschliches Bedürfnis. Daher entschuldigte ich mich bei den Damen, um kurz die Toilette aufzusuchen …« Bud starrte jetzt wieder in sein fast leeres Glas und schien den Faden verloren zu haben. Deborah stieß ihn an. »Ja und? Was war dann? Sie kamen zurück und …?«

»Ich … kam zurück … als Ellen sich samt Journalistin gerade über die Treppe nach oben in deren Zimmer verzog. Von der Galerie aus warf sie mir sogar noch … eine Kusshand zu …«, lallte Bud mit tieftraurigem Gesicht.

»Böse Ellen!«, kommentierte Deborah mitfühlend, aber in ihrem Gesicht zuckte es verdächtig. Dr. van Houten, der sich das Lachen kaum mehr verbeißen konnte, hatte sich vorsichtshalber abgewandt.

»Warum immer ich …? Muss jetzt … pennen …« Bud kippte vom Barhocker. Mühsam einen prustenden Heiterkeitsausbruch unterdrückend, hievten Deborah und Dr. van Houten den Abgestürzten wieder auf die Beine und nahmen ihn in ihre Mitte.

»Er kann in meinem Zimmer auf dem Sofa schlafen, seine Sachen hat er schon heute Vormittag hergebracht. Wir können also morgen pünktlich starten«, bemerkte der Doktor pragmatisch.

»Tja, ich gehe ja nicht davon aus, dass er morgen sehr fit sein wird«, zweifelte Deborah breit grinsend, »aber wir werden ja sehen. Was meinen Sie, erzählen wir den anderen von der Warnung Mr. Setiawans?«

»Ich meine, wir lassen es vorläufig. Wer weiß, ob seine Informationen überhaupt den Tatsachen entsprechen. Kannten Sie ihn eigentlich vorher schon?«

»Nur seinen Namen, bin ihm nie persönlich begegnet. Aber er steht in dem Ruf, äußerst korrekt und pflichtbewusst zu sein – hier keine Selbstverständlichkeit. Er gilt als unerbittlicher Feind der Wilderer, außerdem kämpft er vehement gegen die Abholzung des Regenwaldes, auch mit politischen Mitteln. Ich glaube schon, dass wir seinem Rat folgen sollten und sehr vorsichtig sein müssen.«

»Da bin ich ganz Ihrer Meinung.«

Als sie den nahezu bewusstlosen Bud endlich auf das Zimmer geschafft hatten, wandte sich Dr. van Houten an Deborah. »Danke für Ihre Hilfe, soll ich Sie heimbringen?«

»Nein danke, ich nehme einen der beiden Wagen und bin damit morgen pünktlich wieder zur Stelle.«

»Gut, wie Sie meinen. Aber passen Sie auf sich auf!«

»Ja, mach’ ich ganz sicher. Dann bis Morgen!«

»Bis Morgen!«

Ebu Gogo

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