Читать книгу Katharina Schratt - Georg Markus - Страница 10

»… WIE MICH IHRE MITTHEILUNGEN AUS IHRER
JUGEND INTERESSIRTEN« Die Kindheit der Schratt

Оглавление

Katharina Schratt, eines von drei Kindern einer bürgerlichen Familie aus dem Kurort Baden bei Wien, wurde also zur wichtigsten Vertrauten, vermutlich sogar zur Ehefrau des Kaisers von Österreich. Woher diese Frau kam, wie sie ihre Kindheit verbracht hatte, wer ihre Ahnen waren, das erfuhr der Monarch – genau wie Zehntausende seiner Untertanen – aus der Zeitung. Ein Tratschblatt der damaligen Zeit hatte die bereits populäre Schauspielerin am Hofburgtheater aufgefordert, ihren Lesern aus Kindheit und Jugend zu erzählen. Zu diesen Lesern zählte – dank Vermittlung durch seine Tochter Marie Valerie – auch der Kaiser. Gespannt nahm er die Zeitschrift zur Hand, um zu erfahren, was Katharina Schratt »vorher« erlebt hatte. Nachdem er das Illustrierte Magazin gelesen hatte, setzte er sich hin, um Frau Schratt nach Wien zu schreiben. Der Kaiser selbst weilte gerade auf Schloß Ofen, seinem Sitz als ungarischer König. Fünfzehn Jahre vorher waren Ofen (ungarisch: Buda) und die am anderen Donauufer liegende Stadt Pest vereinigt worden. Der Kaiser also an die Schratt:

»Ofen, den 21. März 1887

Meine gnädige Frau,

Vor einigen Tagen habe ich in der Presse im Inhaltsverzeichniß des 6. Heftes der ›Schönen blauen Donau‹ entdeckt, daß Sie Schriftstellerin sind. Ich habe mir sogleich durch Valerie das Heft verschafft und dasselbe Gestern erhalten. Zweimal las ich Ihren reizenden Aufsatz und Sie können sich denken, wie mich die Mittheilungen aus Ihrer frühen und allerfrühesten Jugend interessirten.«

Und das ist ein Auszug des Zeitungsartikels von Katharina Schratt, dem der Kaiser von Österreich einiges aus »Kathis« Kindheit entnehmen sollte:

»Ich war, als die Sehnsucht zum Theaterspielen in meinem Herzen erwachte, ein Fratz von sechs Jahren. Wir wohnten in Baden, woselbst mein Vater ein Haus besaß. In der Schule machte ich die Bekanntschaft einer Schauspielertochter, der ich von meinen Neigungen zum Theater sprach. Sie sagte mir einmal zu, mich in das von mir unbekannterweise, aber abgöttisch verehrte Theater mitzunehmen. Das Kindermädchen wurde von mir ins Vertrauen gezogen und eine Vorstellung von ›Deborah‹ in der Arena zu meinem Debut bestimmt. Während aber das Kindsmädchen in den Zuschauerraum gehen mußte, wurde ich von meiner Freundin hinter die Culissen gebracht, wo man mir in aller Eile einige Worte, die ich sagen sollte, einstudirte. Nachdem die Scene, in welcher ich auftreten sollte, gekommen war, wurde ich auf die Bühne geführt, und ich entledigte mich meiner ›Rolle‹ zur Zufriedenheit des gesamten Publikums – mit Ausnahme eines einzigen Herrn, der unmittelbar nach meinem Erscheinen ziemlich geräuschvoll den Zuschauerraum verließ. Dieser Herr war niemand anderer als mein Vater, der unglücklicherweise den Entschluß gefaßt hatte, das Theater zu besuchen und nun nicht wenig überrascht war, zu sehen, daß seine Tochter ohne sein Wissen eine Künstlerin geworden war. Das Kindsmädchen hatte entsetzt den unheilverkündenden ›Abgang‹ meines Vaters bemerkt und war auf die Bühne geeilt, um mich noch rasch in Sicherheit zu bringen. Sie kam zu spät, mein Vater hatte bereits seines Amtes gewaltet; diese Schicksalsschläge zählen zu den schmerzlichsten Erinnerungen meiner Jugendzeit.«

Wen wundert’s, daß den Kaiser – bei seinem Bedürfnis nach Tratsch und Anekdote – ein solcher Erlebnisbericht der angebeteten Frau interessieren mußte.

Katharina Schratt kam am 11. September 1853 als Tochter des Anton und der Katharina Schratt zur Welt. Sie war das einzige Mädchen – ein Bruder, Heinrich, war älter, Rudolf kam als »Nachzügler« einige Jahre später. Interessant ist, daß ihr Geburtsdatum in fast allen Lexika mit »1855« angegeben wird; man muß vermuten, daß sie sich als junge Schauspielerin irgendwann um zwei Jahre jünger »gemacht« hat und ihr dieses falsche Geburtsdatum ihr Leben lang anhing. Aufgrund von Dokumenten lassen sich die echten Geburtsdaten aber eindeutig nachweisen, auch auf ihrem Grabstein sind sie richtig angegeben.

Katharina Schratts Vater betrieb in der Badener Theresiengasse ein gutgehendes Schnittwarengeschäft, verkaufte also Papier- und Bürowaren, besaß aber auch eine Fuhrwerkskonzession, und zählte zu den angesehensten Bürgern der blühenden Kleinstadt im Süden Wiens. Entsprechend seiner Stellung als erfolgreicher und wohlhabender Kaufmann waren ihm zahlreiche Ehrenämter zuteil geworden. So wurde er in den Gemeinderat gewählt und als Stadthauptmann unterstand ihm auch die städtische Polizei. 42 Jahre alt, heiratete Anton Schratt die 21jährige Vollwaise Katharina Wallner. Ihr Vater Leopold Wallner war fünf Jahre zuvor als Kommandant der Badener Feuerwehr bei Löscharbeiten ums Leben gekommen.

Antons Vater war die wohl interessanteste Erscheinung unter den Ahnen der Katharina Schratt: Johann Chrysostomus Schratt, der »Sohn vornehmer Eltern«, wie es in seinem Taufschein ausdrücklich erwähnt wird, erlernte zunächst das Barbiershandwerk und verließ 1793, als 20jähriger, seine Vaterstadt Konstanz am Bodensee, um an der Universität Wien die medizinischen Vorlesungen zu besuchen. Er absolvierte »das wundärztlich (chyrurgische) Examen und das der Geburtshilfe« und ließ sich in Baden als »Chyrurgus, Landschafts- und bürgerl. Wundarzt« nieder. Da er es durch Heirat mit der Tochter des überaus wohlhabenden Wiener k. k. priv. Buchhändlers und Antiquars Johann Georg Binz zu großem Reichtum gebracht hatte, widmete er seine Tätigkeit fast ausschließlich der uneigennützigen Pflege und Betreuung der Armen von Baden und Umgebung. Seine Hilfe dürfte aber weit über die medizinische Behandlung hinausgegangen sein, denn er war – wie die Badener Stadtgeschichtlichen Blätter (Jahrgang 1914) vermelden – »den Armen nicht nur Arzt sondern auch vielfach Retter in der bittersten Not geworden.« Als solcher von Kaiser Franz I. hochdekoriert, spielte der Großvater der Katharina Schratt eine für die Geschichte Badens nicht unbedeutende Rolle. Da die sanitären Verhältnisse Alt-Badens zu seiner Zeit kaum noch erträglich gewesen waren, entschloß er sich zur Tat: Er setzte die Beseitigung der Hofausflüsse auf die Straße durch. Ebenso war es seiner Initiative zu danken, daß die Stadttore und Mauern Badens geschleift wurden, »wodurch Schmutz und Unrath zur Abtragung kamen«. Dazu die Stadtgeschichtlichen Blätter: »Den Ruf, als reinste Stadt des Landes zu gelten, verdankt Baden ganz gewiß nur dem alten Schratt.«

Als in den Jahren 1810 und 1813 in Baden das Nervenfieber grassierte, wurde Kreißwundarzt Johann Chrysostomus Schratt selbst von der bösen Krankheit angesteckt, wodurch er für den Rest seines Lebens fast taub blieb. Zwei Jahre nach seinem Tod kam Enkelin »Kathi« zur Welt.

Der Stammbaum der Familie Schratt

(soweit feststellbar)


Katharina Schratt

Подняться наверх