Читать книгу Die ganz Großen - Georg Markus - Страница 11
ОглавлениеMan verwendet das Wort »unersetzlich« vielleicht allzu leichtfertig. Einige Jahre nach dem Ableben eines großen Künstlers stellt sich dann oft heraus, dass auch er zu »ersetzen« ist. Nicht als Mensch und Persönlichkeit, aber doch in seinem Beruf. Selbst die Darsteller der klassischen Rollen haben ihre Nachfolger gefunden. Wenn die Erinnerung an die ganz Großen auch noch so wehmütig stimmen mag – andere spielen ihre Rollen, müssen ihre Rollen spielen.
Aber wer ist Hans Mosers Nachfolger?
Auch nach so vielen Jahren scheint das Wort »unersetzlich« für ihn keineswegs übertrieben. Es wird keinen geben, der sein »Fach« übernimmt. Ein Fach, das in keine der üblichen Kategorien des Theaters und des Films einzustufen ist. Sein Fach ist nicht das des Komikers oder Charakterdarstellers. Sein Fach heißt »Moser«. Und es konnte im Film nur einmal, ein einziges Mal, besetzt werden. Oder wäre eine Neuverfilmung des Dienstmanns mit einem anderen denkbar?
Könnte irgend jemand sonst seinen Tanzlehrer Hofeneder in Wir bitten zum Tanz spielen? Oder die tragikomische Figur des Dieners in Herrn Josefs letzte Liebe?
Meinen Zugang zu Hans Moser fand ich über Paul Hörbiger, der mir viel von ihm erzählte, von den Extempores, mit denen die beiden ihre Rollen bis fast zur Unkenntlichkeit verändert hatten, aber auch von der tiefen Menschlichkeit, die Moser außerhalb des Studios zeigte. Geliebt hab’ ich ihn schon früher, wenn er in seinen Filmen, sich mehrmals um die eigene Achse drehend, über den Bildschirm huschte.
Als im Herbst 1989 – also ein Vierteljahrhundert nach Mosers Tod – der künstlerische Nachlass des Volksschauspielers freigegeben wurde, wurde mir die Ehre zuteil, mit der Veröffentlichung betraut zu werden. Der Moser-Schatz war bis dahin in Kisten und Kartons verpackt. Tausende Fotos und Erinnerungsstücke lagerten jahrzehntelang in einer leer stehenden Wohnung aus Mosers Besitz, ohne dass irgendjemand davon Kenntnis hatte. Mehr als sechzig Jahre hatte seine Ehefrau Blanca alles gesammelt: jedes einzelne Bühnen- und Filmfoto der langen Karriere ihres Mannes, Kinoplakate und Theaterzettel, Hunderte handgeschriebene Rollenhefte, Kritiken und Zeitungsausschnitte. Aber auch Kurioses wie das »Polizeiliche Führungszeugnis für Herrn Hans Moser-Julier«, Bahn- und Flugbilletts seiner Reisen und ein Arztrezept aus dem Jahre 1928. Oder den Kaufvertrag seiner Villa, Mosers Burgtheatervertrag (öS 17 000,- brutto pro Monat) und sämtliche Honorarnoten seiner Filmengagements (für Hallo Dienstmann, 1951 gedreht, erhielt er als Gage 200 000 Schilling).
Da lagen sie also vor mir, die riesigen, prall gefüllten schwarzen Kartons, und ich konnte nicht fassen, was Österreichs großer Volksschauspieler neben seinen Filmen noch alles hinterlassen hatte. »Wie nehm’ ma’n denn«, stand da in verwinkelter Kurrentschrift auf einem vergilbten Blatt Papier – zwischen Filmplakaten und alten Rechnungen steckte Mosers eigenhändig verfasstes Manuskript des Dienstmanns, der berühmten Szene, die er sich 1923 auf den Leib geschrieben hatte.
In einer anderen Kiste fand ich einen dramatischen Brief an Hitler, in dem er in verzweifelten Worten für seine jüdische Frau interveniert und den »Führer« anfleht, »die für Juden geltenden Sonderbestimmungen gnadenweise zu erlassen«.
Doch Hitler kannte keine Gnade – Blanca Moser musste emigrieren, lebte viele Jahre von ihrem Mann getrennt.
Im »Polizeilichen Führungszeugnis« aus dem Jahre 1948 ist eingetragen, dass Moser »weder als Bettler (!) noch als Mitglied der NSDAP« eingestuft wurde. 1960 ersuchte der als sparsam bekannte Schauspieler die Erzdiözese Wien in einem Brief um »Erlass der Kirchensteuer«, weil er – wie er schreibt – »seit zwei Jahren nichts verdiente, weder beim Film noch am Theater«.
Dabei hatte er in diesen beiden Jahren sieben Filme gedreht …
Hans Mosers Leben stellte sich mir nun in den vielen Dokumenten und Aufzeichnungen seines Nachlasses dar. Zuallererst erstaunt, wie lange es dauern sollte, bis man die wahre Größe dieses Mannes erkannt hatte. Es war ein schmerzlicher Weg, der ihn erst in reifen Jahren zum Erfolg und damit zu den Rollen führte, die er so unnachahmlich spielte.
Er wurde am 6. August 1880 als Sohn des Franz und der Serafina Julier in Wien geboren. Die Mutter war Wienerin und betrieb am Naschmarkt ein kleines Milchgeschäft. Den Vater, einen gebürtigen Ungarn, hatte es als jungen Mann in die Haupt- und Residenzstadt verschlagen, wo er als Maler und Bildhauer arbeitete. Dem Umstand, dass seine Vorfahren ursprünglich aus Frankreich stammten, verdankte Hans Moser – der wienerischste aller Schauspieler – seinen so unwienerischen Namen Julier.
»Schauspieler willst werden? Mit der Stimm’ und der Figur?« Das war die erste Reaktion des Vaters, als er erfuhr, dass sein Sohn nach Abschluss der Handelsschule zur Bühne wollte. Auch die Aussage von Direktor Gutmayer – dem Leiter der privaten Theaterschule Otto – war alles andere als ermutigend: »Talent haben S’ keines, junger Mann, aber wenn S’ wollen, können S’ bleiben!« Diese »Gnade« wurde Johann Julier zuteil, weil sich die Theaterschule in einer finanziellen Notlage befand und das monatliche Schulgeld in Höhe von fünfzehn Gulden dazu beitrug, das künstlerische Lehrinstitut über Wasser zu halten. Den tatsächlichen Schauspielunterricht erhielt er dann von einem entfernten Verwandten, dem Hofschauspieler Josef Moser, der als Episodist am Burgtheater engagiert war. Ihm zu Ehren sollte sich Johann Julier später Hans Moser nennen.
Mit siebzehn Jahren war er also ein mehr oder weniger ausgebildeter Schauspieler und verließ seinen Posten in der Buchhaltung eines Lederwarengeschäfts, um zum Theater zu gehen. Damals, knapp vor der Jahrhundertwende, existierten drei Kategorien von Bühnenhäusern: die großen Theater in Berlin, Wien und Prag, von denen ein Anfänger nur träumen konnte, sowie hervorragende deutschsprachige Bühnen in der sogenannten »Provinz«: Reichenberg, Aussig, Czernowitz, Pilsen, Graz, Linz. Doch auch dort hatte kein Prinzipal Interesse an dem 1,58 Meter kleinen, ambitionierten Schauspieler aus Wien.
Blieb nur die »Schmiere«, die unterste Stufe des Theaterbetriebs. Schmutzige Gasthaussäle in Friedek-Mistek, Guben, Namslau, Neutitschein. Hans Moser war dazu verdammt, dort aufzutreten. Jahre vergingen, und er kehrte immer wieder – mit kurzen Unterbrechungen durch etwas bessere Engagements in der »Provinz« – zurück zur »Schmiere«. Er spielte die jugendlichen Liebhaber, für deren Darstellung er wirklich nicht geschaffen war, hatte aber auch Chor- und Statisterieverpflichtung, musste Kulissen schieben und Theaterzettel austragen.
Einmal sah er eine Chance, dieser Tätigkeit zu entkommen. Josef Jarno war im Jahre 1902 auf ihn aufmerksam geworden und engagierte den damals 22-Jährigen an das Wiener Theater in der Josefstadt. Doch selbst der große Theatermann erkannte Mosers Genie nicht, bemerkte nicht die komödiantische Begabung dieses Mannes, ließ ihn fünf Jahre lang in winzigen Episodenrollen auftreten.
Enttäuscht und verzweifelt verließ Moser seine Heimatstadt und bereiste wieder »Provinz« und »Schmiere«, wo man ihm wenigstens etwas größere Rollen anvertraute. Keiner wollte an ihn glauben, nur er selbst wusste von seinem Talent, wie er viel später – 1926, bereits als berühmter Mann – in einem Zeitungsinterview feststellte, das ich in einer der Kisten fand. »Eines möchte ich schon sagen: Das, was ich heute kann, habe ich vor zwanzig Jahren schon gekonnt. Um kein Haar war ich damals anders als heute, ganz gewiss nicht.«
1910 lernte er die Frau kennen, die sich sowohl für sein Privatleben als auch für sein berufliches Fortkommen als Glücksfall erweisen sollte. Blanca Hirschler, zehn Jahre jünger als er, nahm seine Karriere in die Hand. Gemeinsam klapperten sie Kabaretts, Varietés und Nachtlokale ab, sie studierte mit ihm neue Rollen ein, handelte Verträge aus, kümmerte sich um Engagements. Vor allem aber machte sie ihm Mut und half, seine Depressionen zu überwinden.
Nach zahlreichen Absagen durch einschlägige Etablissements sprach er im Jahre 1912 im Kabarett »Max und Moritz« in der Wiener Annagasse vor – und wurde aufgenommen. Für kleine Rollen zwar, aber er konnte endlich als Komiker auf sich aufmerksam machen. Das Kabarett sollte sich als ideales Sprungbrett erweisen. Noch im selben Jahr holte ihn der berühmte Kabarettist Heinrich Eisenbach an sein »Budapester Orpheum« in der Taborstraße in Wiens Leopoldstadt. Moser stand jetzt mit den großen Komikern seiner Zeit auf der Bühne, und sein Weg schien gesichert.
Doch das Glück blieb nur ganz kurz auf seiner Seite. Der Erste Weltkrieg bricht aus, der 34-Jährige wird eingezogen, verbringt vier Jahre im Feld. Endlich heimgekehrt – und stolzer Vater geworden –, muss er wieder ganz von vorn beginnen.
Während des Krieges träumte er davon, das zu spielen, womit seine berühmten Kollegen im Eisenbach-Ensemble ihre Erfolge feierten: Solonummern.
1922 tritt er im Varieté »Reklame« auf der Praterstraße in einer kleinen Rolle in dem Einakter Nachtasyl auf. Im Ensemble des Varietés befindet sich eine junge Soubrette namens Friedl Weiss, die jeden Abend nach der Vorstellung, wie Moser bemerkte, vom berühmten Librettisten Fritz Löhner-Beda – der für Franz Lehár den Text zur Operette Das Land des Lächelns schrieb – abgeholt wurde. Wie sich bald herausstellte, war die Schauspielerin mit dem angesehenen Schriftsteller verlobt.
Hans Moser witterte seine Chance, wie mir Friedl Weiss viele Jahre später erzählte. »Eines Tages klopfte Herr Moser an meine Garderobentür, trat ein und sagte: ›Frau Weiss, ich bin ein armer kleiner Schauspieler, Sie sind doch immer in Begleitung des Herrn Löhner-Beda. Ich hätte eine Bitte an den Herrn Doktor. Vielleicht könnte er mir eine Soloszene schreiben, das wäre sehr wichtig für mich.‹ «
Wie zu erwarten, explodierte der stets unter Zeitdruck stehende Löhner-Beda, als er durch seine Verlobte vom Wunsch des unbekannten Schauspielers erfuhr: »Immer kümmerst du dich um die anderen, ich komm’ nicht einmal dazu, dir eine neue Nummer zu schreiben, und das wäre viel wichtiger.«
Moser ließ nicht locker und klopfte schon am nächsten Abend wieder an der Garderobentür des Fräulein Weiss. »No, was hat er gesagt, der Herr Doktor?«
»Sehr gut schaut’s nicht aus, Herr Moser. Aber passen S’ auf, wenn ich heut aus dem Theater geh, wird er draußen auf mich warten. Da werde ich Sie ihm vorstellen.«
Gesagt, getan. »Herr Doktor Beda – Hans Moser!«
»Ja, meine Freundin hat mir schon von Ihnen erzählt«, stöhnte der Vielbeschäftigte. »Ich soll Ihnen was schreiben. Was hätten S’ denn gern?«
»A Type, Herr Doktor, wenn S’ mir eine Type schreiben könnten, das wär sehr gut, wissen S’, so was Wienerisches.«
»Was für eine Type denn?«
»Ich hab’ mir dacht, einen Garderober oder einen Hausmeister oder so was halt.«
»Also gut, ich werd’s versuchen«, erwiderte Löhner-Beda – wohl um den Schauspieler loszuwerden. »Kommen S’ halt morgen vor der Vorstellung ins Dobner.«
Pünktlich, wie vereinbart, betrat Moser am nächsten Abend das beliebte Künstlercafé am Naschmarkt. Fritz Löhner-Beda saß an seinem Stammtisch, hatte die Vereinbarung aber längst vergessen. Er bat um Entschuldigung, sperrte sich eine dreiviertel Stunde lang in die Herrentoilette ein – und kam mit einem fertigen Einakter zurück. Der Titel lautete: Ich bin der Hausmeister vom Siebenerhaus.
Löhner-Beda hatte Moser die Szene eines »Hausdrachens« überlassen, der seine »Macht« gegenüber den Wohnungsmietern ausspielte, ohne dabei die Armut und die Erbärmlichkeit seines eigenen Daseins zu erkennen.
Der Direktor des Varieté »Reklame« war sofort begeistert, als er davon erfuhr. »Was, ein Sketch vom Löhner-Beda? Schon gekauft, das ist doch klar.« Drei Tage später spielte Hans Moser mit dem Hausmeister vom Siebenerhaus seine erste Solonummer.
Endlich und zum ersten Mal in seinem Leben bekam der jetzt schon 42 Jahre alt gewordene Schauspieler die Chance, sein überragendes Talent unter Beweis stellen zu können. Löhner-Beda war begeistert, als er sah, wie Moser seine Nummer »anlegte«. Er lud Gott und die Welt ins Varieté »Reklame«, und Moser wurde zum Gesprächsthema in Wien. Die berühmte Komikerin Gisela Werbezirk wünschte sich Moser nun als Partner für das von Karl Farkas an der Neuen Wiener Bühne inszenierte Lustspiel Frau Lohengrin.
Nach zwei weiteren Nummern, die Löhner-Beda für ihn verfasst hatte – Der Patient und Der Heiratsvermittler – ging Moser 1923 daran, sich selbst eine Solonummer zu schreiben. Die Idee erwies sich als durchschlagender Erfolg, er spielte die Rolle sein Leben lang: Der Dienstmann.
Robert Stolz sah Moser als Dienstmann und empfahl ihn dem Direktor des Ronacher, der ihn sofort für seine neue Revue Wien gib’ acht! engagierte. Eduard Sekler, der Regisseur des Programms, erinnerte sich viel später: »Damals, im Ronacher, hat Moser, als Dienstmann verkleidet, zum ersten Mal genuschelt. Wir inszenierten die Kofferszene, und irgendwie ergab sich diese eigentümliche Sprechweise. Sie sollte ihm zur Eigenart werden. Und da er merkte, dass das dem Publikum gefiel, hat er es eben beibehalten.«
Einer anderen Version zufolge sei das Nuscheln krankheitsbedingt, durch eine Verkrümmung des Moser’schen Kehlkopfs, entstanden.
Wie auch immer, das Ronacher war – im Gegensatz zu den bisherigen Kellerbühnen – ein großes Theater. Zeitungskritiken erschienen, und Anton Kuh schrieb 1924 von dem »bald in Pallenberg-Nähe rückenden Hans Moser«. Eines Abends kam kein Geringerer als Charlie Chaplin, auf Kurzbesuch in Wien, ins Ronacher. Moser spielte inzwischen die Solonummer eines Pompfunèbrers, die Karl Farkas für ihn verfasst hatte. Chaplin war hingerissen und kaufte Farkas die Rechte der Verwechslungsszene ab, weil er sie in Amerika verfilmen wollte. Er hat es – aus Respekt vor Mosers Leistung – nie getan.
Die verschenkten Jahre, die Auftritte mit Chor- und Statisterieverpflichtung, des Kulissenschiebens und Zettelaustragens waren vorbei. Jetzt ging alles Schlag auf Schlag. Das Theater an der Wien stieg durch Operetten aus der »Silbernen Ära« zu neuer Blüte auf. Hubert Marischka holte Moser als »Dritter-Akt-Komiker« für die Uraufführung von Kálmáns Gräfin Mariza und übertrug ihm von da an eine Traumrolle nach der anderen. Als Moser in Bruno Granichstaedtens Operette Der Orlow als Billeteur brillierte, kam Max Reinhardt ins Theater an der Wien, um ihn zu sehen – und sofort zu engagieren.
Von einem Tag zum anderen stand er, der kurz zuvor noch der »Schmiere« angehört hatte, an vorderster Front. Und Moser wurde zu einem der Lieblingsschauspieler Max Reinhardts. Er gab ihm die Rollen, für die nur er geschaffen schien.
Auf der Leinwand allerdings konnte er sich erst durchsetzen, als die Technik den Tonfilm zuließ. Ab Mitte der dreißiger Jahre zählte Moser dann aber auch zu den meistbeschäftigten und bestbezahlten Filmstars. Er drehte 150 Filme, oft so trivialen Inhalts, dass sie ohne Mosers Mitwirkung unvorstellbar wären. Doch sein Auftreten adelte die banalste Handlung, ließ den Unsinn, der da verbreitet wurde, vergessen. Viele der alten Schwarzweißfilme kann man heute nicht mehr ansehen, sie sind langweilig, verstaubt und überholt – es sei denn, der Moser spielt mit.
Moser war bereits 53 Jahr alt, als er – 1933 – in dem Willi-Forst-Film Leise flehen meine Lieder einen kleinen Pfandleiher so überwältigend menschlich darstellte, dass er in einer Zeitung zum ersten Mal als »Volksschauspieler« bezeichnet wurde.
Franz Antel, der in der Nachkriegzeit die meisten Moser-Filme drehte, erklärt die Bedeutung dieses Titels so: »Curd Jürgens und Oskar Werner waren hinreißende Schauspieler. Aber sie haben mit dem Hirn gespielt. Der Moser und der Hörbiger hingegen – die haben mit dem Herzen gespielt. Und deswegen trugen sie, wie nur ganz wenige andere, den Titel Volksschauspieler.«
Das Glück, das die große Karriere und die damit verbundene Popularität brachte, sollte wieder nur auf ein paar Jahre begrenzt sein: Mosers Frau Blanca, die er über alles liebte, musste nach Hitlers Einmarsch in Österreich das Land verlassen, ebenso Tochter Grete, die nach den Nürnberger Rassegesetzen als »Halbjüdin« eingestuft wurde. Auf Jahre war Moser von seiner Familie getrennt, verzweifelt, allein. Berühmt zwar, aber unglücklich.
Seine beiden letzten Lebensjahrzehnte, nach dem Zusammenbruch des »Dritten Reiches«, waren dann die schönsten seines Lebens. Alles schien perfekt, beruflich wie privat. Nur Tochter Gretl war – das beeinträchtigte die Idylle – in Südamerika geblieben. Sie hatte sich mit ihrer Mutter zerstritten und wurde von ihr, nach Hans Mosers Tod, enterbt. Ein jahrzehntelang andauernder Gerichtsstreit, in dem Grete Hasdeu der Pflichtteil nach dem Erbe ihres Vaters zuerkannt wurde, war die Folge. Jetzt erst, nach Abschluss des Erbschaftsprozesses, konnte auch der künstlerische Nachlass Hans Mosers freigegeben und veröffentlicht werden.
Wie groß der Hass auf ihre Mutter blieb, zeigt ein Brief, den mir Grete Hasdeu im April 1980 aus Buenos Aires schrieb: »Ihn habe ich sehr geliebt. Schade, dass Männer nicht ohne Frauen Kinder bekommen können.«
Mit achtzig hatte Hans Moser sein Comeback als Bühnenschauspieler gefeiert und das Publikum durch tiefe Menschlichkeit berührt, zu der sich nun auch die Weisheit des Alters gesellte. Susi Nicoletti erzählt über die legendären Aufführungen von Schnitzlers Liebelei am Akademietheater, in denen Moser als alter Weiring seine Kollegen dermaßen faszinierte, »dass alle, egal ob Arbeiter oder Schauspieler, während er gespielt hat, hinter der Bühne standen, um ihm zuzuschauen. Wir haben unzählige kleine Löcher in die Kulissen gebohrt, nur um den Moser beobachten zu können. «
Hans Moser starb 83-jährig am 19. Juni 1964. Er war bis kurz vor seinem Tod auf der Bühne und vor der Kamera gestanden, selbst im hohen Alter noch unnachahmlich, unerreicht. Und er ist bis heute unvergessen, und wie man auch nach Jahrzehnten ohne falsches Pathos sagen kann: unersetzlich.
Diesem einen Mimen flicht die Nachwelt Kränze.