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Wer war der erste Schauspieler?
ОглавлениеVom Steinzeit-Mimen zum römischen Theater-Sklaven
Fasziniert hat dieser Beruf immer schon. Ob zu den Urzeiten des Menschen, da Tanz und Grimasse Ausdruck der Fruchtbarkeit waren, ob im klassischen Altertum oder gar erst in unseren Tagen, da die Schauspieler zu Idolen wurden. Der soziale Aufstieg ihrer Profession ist unvergleichlich: Im alten Rom noch Sklaven, im Mittelalter mit dem Teufel im Bunde, versteckte man auch vor hundert Jahren noch »die Wäsch’«, wenn die Komödianten kamen. Heute hingegen wird jede Gelegenheit, an ihrer Seite gesehen und fotografiert zu werden, genützt, auch und vor allem von den Spitzen des Staates. Fast ist man versucht zu sagen: Hielten sich die Könige einst Hofnarren, so hält sich so mancher Hofnarr heute seinen König. Ein Hofnarr hat es gar selbst zum König gebracht: der Westerndarsteller Ronald Reagan, als er 1980 Präsident der Vereinigten Staaten wurde.
Wer aber war der erste Schauspieler auf Erden? Vielleicht Adam, als er Eva das Paradies vorspielte. Natürlich, der Spieltrieb steckt in jedem Menschen, wir aber wollen uns hier mit den Profis, mit jenen, die das Spiel zu ihrem Beruf, oft auch zu ihrer Berufung, gemacht haben, beschäftigen.
Der Ur-Schauspieler – Vorfahr von Laurence Olivier, Elisabeth Bergner, Oskar Werner – lebte vor 50 000 Jahren, am Ende der Altsteinzeit. Diese frühen Mimen standen auf keiner Bühne, ihr Spiel inmitten ihrer Stammesbrüder diente vielmehr ganz profanen Zwecken: Im Tanz vermittelten sie der jeweils jüngeren Generation zwei lebenswichtige Erfahrungen: wie man sich Nahrung beschafft und wie man sich – fortpflanzt! Die ersten Schauspieler waren also Lehrer für Jagd und Sexualkunde. Wie die späteren Romeo- und-Julia-Darsteller spielten sie ihrem Publikum die Liebe vor, wenn auch mehr auf das Körperliche als auf das Seelische konzentriert.
Mit seinem phallischen Spiel, zusammengesetzt aus Bewegung, Urlaut und Grimasse, feierte der Steinzeitmensch aber auch die alljährliche Erneuerung der Natur, und er meldete bei den Göttern den Wunsch nach Regen an.
Im dritten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung wurde die Mimik dann musikalisch untermalt. Bei Ausgrabungen in Mesopotamien fand man Harfen, Flöten und Schalmeien, die aus dieser Zeit stammen. Auf Felszeichnungen zeigten sich die Mimen mit Rentier- und Wolfsköpfen.
Ernste Szenen wurden zur Auflockerung der sich über Tage und Wochen hinziehenden »Vorstellungen« von Spaßmachern unterbrochen, die zum Gaudium des Publikums etwa darstellten, wie sich eine Frau mit einem Mann entfernt, worauf sich der von ihr Gehörnte aus Rache mit einer anderen amüsiert.
Doch wahre Schauspielkunst konnte sich erst mit dem Entstehen der Schriftzeichen entfalten. Waren die frühen Mimen ausschließlich auf ihr Improvisationstalent angewiesen, so schuf die sich im griechischen Altertum neu etablierende Berufsgruppe der Schriftsteller die literarischen Voraussetzungen, um aus vormals kultischen Handlungen Kunstwerke entstehen zu lassen. Die Dichter Aischylos, Sophokles, Euripides und Aristophanes verhalfen mit ihren Tragödien und Komödien dem Theater zu seinen ersten Höhepunkten. Die Geburtsstunde des Schriftstellers wurde somit auch zur eigentlichen Geburtsstunde des Schauspielers (wobei gerade in den Anfängen viele Autoren die Interpreten ihrer eigenen Werke waren).
Im wesentlichen war das Spiel der griechischen Mimen – vorerst in Chorszenen, später dann auch als Einzeldarsteller – auf zwei Schauplätze beschränkt: das idealisierte Bild der Götter auf der einen Seite und der Alltag der Bürger auf der anderen. Sie charakterisierten Figuren wie den Arzt, den Koch, den Bauern, den Matrosen, den Dieb, den Sklaven, die Kupplerin oder die Hebamme. Die männlichen Darsteller traten nach wie vor mit einem übermächtigen Phallus aus Leder auf, weiters mit dickem Wanst und feistem Hinterteil.
Der wohl bekannteste Name eines altgriechischen Schauspielers ist Thespis, der um 530 v. Chr. lebte und – zu Ehren des Fruchtbarkeitsgottes Dionysos – die erste Tragödie aufführte. In seinen Anfängen angeblich mit einem Wagen (»Thespiskarren«) für eine Art Wanderbühne unterwegs, erhielt er später in Athen ein festes, vom Staat bezahltes Engagement, bei dem er oft – durch Masken unkenntlich gemacht – in drei verschiedenen Rollen hintereinander auftrat.
Freilich mußte Thespis seine Verse eher brüllen als sprechen, faßte doch das riesige Rund des oben offenen Dionysostheaters bis zu 17 000 Zuschauer. Am alten Tanzplatz an der Akropolis gelegen, war die Bühne von Holzgerüsten umgeben, auf denen das Publikum Platz nahm. Als die Sitzreihen bei diversen Vorstellungen mehrmals zusammenbrachen und unter den Zuschauern immer wieder Opfer zu beklagen waren, wurden sie durch steinerne Traversen verstärkt.
Waren die hellenischen Dramen bis zum fünften vorchristlichen Jahrhundert nur bei obszönen Gelagen, auf Märkten und Dorfplätzen aufgeführt worden, so wurden sie etwa hundert Jahre später erstmals auch an den vornehmen, ja sogar an königlichen Höfen gezeigt. Ab diesem Zeitpunkt gab es in Athen auch die ersten Sprechschulen.
Um einen Schritt weiter gingen die Akteure in Rom, die sich bereits zu kleinen Spielgruppen vereinigten, denen ein Direktor – der Archimimus – vorstand. Die Römer waren die ersten, die ohne Masken auftraten. Sie führten also das Mienenspiel ein – und hatten auch ihre »Stars«: von Roscius, Pylades und Bathyllos wird berichtet, daß sie prinzipiell nur Hauptrollen spielten. Es gab Schauspieler, die sich eigene Sklaven hielten, deren Aufgabe es war, zufällig vorbeikommende Passanten durch Zuruf darüber aufzuklären, wer ihnen sogleich begegnen würde.
Doch im Gegensatz zu ihren »Kollegen« in Athen, wo Schauspieler angesehene, vom Kriegsdienst befreite und auch sonst privilegierte Mitbürger waren, gehörte das Heer der römischen Mimen, so sie nicht als »Stars« eine Sonderstellung hatten, dem niedrigsten sozialen Status an. Der Großteil war unfrei – es gab nicht wenige römische Edelmänner, die sehr gut von den Einkünften leben konnten, die ihnen ihre Schauspieler-Sklaven abliefern mußten.
Vielfach hing deren Ansehen auch von den Launen und Interessen des jeweiligen Herrschers ab: Während es Kaiser Tiberius seinen Senatoren untersagte, Schauspieler in ihrem Haus zu besuchen, war Caligula den Mimen sehr gewogen. Nero, der die Komödie liebte, ließ einen Schauspieler hinrichten, weil er in ihm einen Nebenbuhler sah. Prinzipiell war es in allen Epochen des Römischen Reiches erlaubt, einen Schauspieler, der eine Dame verführt hatte, zu töten.
Die Gliederung in einzelne Sparten ist beim römischen Theater schon fortgeschritten. Da ist der Liebhaber, dann der – meist mit kahlem Schädel, Mütze, übergroßen Ohren und pausbäckigem Gesicht – auftretende Narr, der für seine tölpelhaften Streiche mit Maulschellen belohnt wird. Und die ungetreue Ehefrau. Männer zeigten mit erigiertem Penis, daß das Triebhafte nach wie vor im Vordergrund, auch des theatralischen Lebens, stand. Frauen wurden in Rom erstmals auch von Frauen verkörpert. Cicero schreibt von der schönen Mimin Dionysia, »ihr Spiel habe ihr jährlich 200 000 Sesterzen eingebracht«. Die weiblichen Schauspieler trugen prunkvolle Gewänder oder geschickt gebundene Umhängetücher, die ihre Reize kaum verhüllten.
Da die Miminnen zu den schönsten Frauen Roms zählten, waren sie bei den Herrschern überaus begehrt. Eine von ihnen war Cytheris, der man ganz außergewöhnliche Verführungskünste nachsagte. Einst als Sklavin freigelassen, soll sie ein luxuriöses Leben geführt haben, das von Marc Anton finanziert wurde. Sie hatte den großen Feldherrn derart in ihren Bann gezogen, daß er sogar eine Diskussion über sein Verhältnis mit der Schauspielerin in aller Öffentlichkeit zuließ.
Die größte »Karriere« freilich machte die Akteurin Theodora, Tochter eines Bärenwärters im Zirkus, deren Darstellungskünste ebenso witzig wie schamlos waren. Um 520 n. Chr. wurde sie die Gattin Justinians, der als glanzvollster Kaiser des byzantinischen Reichs in die Geschichte einging. Die Rachsucht der ebenso klugen wie grausamen einstigen Mimin war im Volk überaus gefürchtet.
Doch auch Frauen wurden nur selten akzeptiert, die meisten waren nicht »gesellschaftsfähig«. So war es Bäckern verboten, eine Schauspielerin zu heiraten, zumal diese als Dirnen galten. Und ein Senator, dem eine Schauspielerin ein Kind gebar, durfte dieses nicht für legitim erklären.