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1.2 Kunstvermittlung – der ›blinde Fleck‹ der Kunstpädagogik

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Hinsichtlich des komplexen und facettenreichen Beziehungsgefüges zwischen Pädagogik und Kunst wird ein Charakteristikum häufig genannt, welches eher die Unvereinbarkeit zwischen Kunst und Pädagogik betont: Die Möglichkeit einer Vermittlung von Kunst, einer Vermittlung dessen, was die Kunst zur Kunst macht, wird in der kunstpädagogischen Diskussion oft grundsätzlich angezweifelt ( Kap. 2.13 und Kap. 4.3). Dieser Zweifel betrifft den kunstpädagogischen Berufsstand fundamental, der zwischen Pädagogik und Kunst steht, dessen Aufgabe es ist, Kunst zu vermitteln. Freilich lassen sich bildnerische Techniken lehren und vermitteln, wie etwa das Schraffieren mit dem Bleistift oder der Umgang mit einem Bildbearbeitungsprogramm, aber wer das Spezifische von Kunst vermitteln will, macht sie sich gefügig. Er unterrichtet hierdurch an der Kunst vorbei. Die Entwicklung der modernen und zeitgenössischen heterogenen Kunstrichtungen macht nämlich deutlich, dass sich Kunst und Kunsterfahrung durch die Verweigerung gegenüber Verstehensabsichten und durch die Irritation der Rezipientinnen und Rezipienten stetig dem rational auslegenden Verstehen zu entwinden versuchen (Sontag 1968). Eine solche Verweigerungshaltung mit lehrenden Methoden pädagogisch ›zähmen‹ zu wollen wäre kontraproduktiv. Kunst ist demnach nicht didaktisierbar (Buschkühle 2003, S. 32ff.).

Die Basis dessen, was kunstpädagogische Konzepte lange Zeit prägte und was alle kunstpädagogischen Methodenentscheidungen überhaupt erst legitimierte, wird durch diesen Ansatz radikal in Frage gestellt. »Erfahrung gelingt nicht durch Vermittlung«, sagte unmissverständlich der Kunstpädagoge Hermann K. Ehmer (Ehmer 1993, S. 32). Vermittlung gilt demnach nicht mehr als eine der Kunst angemessene Kategorie, weil der Inhalt möglicher Kunstvermittlung nicht reflexiv verfügbar ist.

Kunstlehrende geraten unversehens unter einen Rechtfertigungsdruck. Das Paradoxon, mit dem sie selbst unter Anerkennung der oben konturierten Prämisse umgehen müssen, lautet: Trotz allem versuchen sie weiterhin die Gelenkfunktion zwischen der Kunst und den Schülerinnen und Schülern bzw. den Adressatinnen und Adressaten einzunehmen – sie vermitteln ›etwas‹. Das Gewahrwerden dieses ›blinden Flecks‹ der Kunstpädagogik wird im Fach theoretisch kultiviert und gewissermaßen zu einem ›Kunstgriff‹ stilisiert ( Kap. 2.15) (Pazzini 2005). Aus Sicht der Praxis lässt sich die Wahl der Vermittlungsmethoden wohl vorwiegend als eklektisch oder noch treffender als pragmatisch bezeichnen. Das heißt, man wählt jeweils die situativ adäquat erscheinende Methode aus, die angesichts der eigenen Berufserfahrung momentan einen größtmöglichen Erfolg für kreative und produktive Anschlüsse verspricht. Die Wahl der Vermittlungsmethoden ist somit keinesfalls beliebig, d. h., zumindest im Nachhinein ist es mittels Reflexion möglich, die Wahl professionell zu begründen – unabhängig davon, ob sich die Wahl im Nachhinein auch als angemessen erwies. Es lässt sich offensichtlich der ›Kunstgriff‹ anwenden, dass Vermitteln auch angesichts der Anerkennung der Unvermittelbarkeit dessen, was Kunst ihrem Wesen nach ist, keineswegs überflüssig wird. Denn im Zentrum steht deswegen nun die Frage: Wie lässt sich die Nicht-Vermittelbarkeit der Kunst überzeugend und gegenstandsgerecht, d. h. kunstgerecht, vermitteln? Dass diese Frage so verhandelt wird, zeigt beispielsweise Hermann K. Ehmer mit seiner offenbar paradoxen Formulierung, wir müssten lernen, dass es an der Kunst nichts zu lernen gebe (Ehmer 1994, S. 14).

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