Читать книгу T' schuldigung, wo geht' s denn hier nach Westdeutschland? - Georgia R. Bark - Страница 6
Kapitel 3 Die Kur ist zu Ende
ОглавлениеDie Kur, die doch keine Kur war, geht dem Ende zu. Noch drei Tage. Das Haus ist fast leer. Geheizt wird auch nicht mehr. Meine Nerven sind noch überhaupt nicht.
Im Gegenteil, die nutzlose Zeit verbrachte ich hier nur mit Pulloverstricken und Grübeln, wollte meine Gedanken im Kopf ordnen und mir einen Plan machen, wie es weitergehen sollte. Weiter mit mir und Bruno. Vielleicht ist die Wende da draußen auch ein Neubeginn für mich und Bruno. Eine neue Chance. Vielleicht öffnen sich neue Wege und alles wird besser. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich weiß es nicht.
Schon vor fünf Jahren war ich in der gleichen Situation, wollte mein Leben umkrempeln und Bruno verlassen. Wohin sollte ich aber mit zwei kleinen Kindern?
Eine andere Wohnung zu finden war schier unmöglich. Darauf mußte man lange warten, bis man an der Reihe war, und das ging auch nur mit Beziehungen.
Als ich meiner Ärztin damals alles erzählte, noch dazu mit der Anfangsfrage: „ Darf ich Sie mal unter zwei Augen sprechen?“, verstand sie gleich, was los war. Hier war jemand reif, reif für die Insel, und ich bekam ohne jahrelange Wartezeit sofort einen Kurplatz an einem wunderschönen See, um mich zu erholen. Damals, bei meiner ersten Kur vor fünf Jahren sah ich aus wie eine wandelnde dürre Leiche. Mit einer Kur hatte ich nun gar nicht gerechnet, um so mehr freute ich mich darüber.
Ja, meine Ehe mit Bruno hatte einen tiefen Riß bekommen. Schon lange, wenn ich ehrlich bin. Bruno hatte sich sehr verändert. Nach zehn Ehejahren ist die Liebe nicht mehr so wie am Anfang, das verstand ich schon. Aber komisch, es war ihm ein Leichtes, mich ständig zu provozieren, bis ich brüllte. Warum machte er das, ich kam nicht drauf. Wenn zwischen uns Streit war, hatte er genau die passende Rechtfertigung für sich, die er wollte. Sein privates Okay zum Abhauen und zum Fremdgehen, wie er mir dann später beichtete.
Ach, hätte er lieber nichts gesagt.
Es gab nur noch eine gereizte Stimmung zwischen uns, die man direkt spürte in unserer kleinen Neubauwohnung. Die Luft war spannungsgeladen. Bruno war dann meist kommentarlos verschwunden und Wohnung, unsere Kinder, unser kleiner Garten und der ganze Alltagskram waren allein mir überlassen. Dazu diese ewigen Laufereien, um etwas Gescheites auf den Tisch zu bekommen, und mein Beruf, der täglich aufs neue viel Kraft kostete.
Ich war auf einmal die Frau fürs Grobe, und die andere war für die schönen Stunden da. Mir wurden die stinkenden Arbeitsschutzanzüge in den Wäschekorb geworfen, und ich stopfte abends halb tot vor dem Fernseher Brunos Löcher in den Strümpfen.
Die viele Arbeit ließ es lange nicht zu, daß ich ihm und seiner Taktik auf die Schliche kam. Wollte es vielleicht auch gar nicht wahrhaben.
Aber doch. Bruno ging fremd, und das schon seit einem langen Jahr.
Mein Traummann, meine große Liebe, der Vater unserer Töchter. Er, für den ich beide Hände ins Feuer gelegt hätte. Mein Halt, mein Hafen, mein Lebensmittelpunkt. Und alle anderen wußten es schon lange, nur ich nicht.
Damals, bei meiner ersten Kur, war ich leichte Beute für jeden Mann, der es darauf angelegt hätte. Selbst wenn der Papst aus Rom oder der Kaiser aus China gekommen wäre, hätte ich nicht „ nein“ gesagt. Ich brauchte Trost und wollte Gleiches mit Gleichem vergelten, um den Schmerz da drinnen in mir zu besiegen. Meine Welt war von heute auf morgen ein Scherbenhaufen und ich saß mittendrin.
Unsere kleine, glückliche Familie brach in dem Augenblick auseinander, als das Vertrauen zwischen Bruno und mir weg war. Es beendete unsere so einmalig große Liebe schneller als gedacht. Vertrauen ist der Klebstoff, der eine Ehe auch über Jahrzehnte zusammenkittet. Ohne, geht es nicht, aber es war weg. Restlos.
Um mich zu retten ließ ich mich mit einem netten Mann ein, mit dem ich reden konnte und, der mich mit den Augen verschlang und mir seine Zuneigung zeigte. Das tat mir gut und der Spiegel in meinem Zimmer zeigte es mir dann auch.
Das Spiel war keine gute Idee, denn er wollte sich gleich für mich scheiden lassen. Ich sollte mit den Kindern zu ihm ziehen in seine kleine Zweizimmerwohnung, in der vorerst auch seine Noch-Ehefrau wohnen würde. Eine Horrorvorstellung für mich. Das war es nicht, was ich wollte. Nein, auf keinen Fall könnte ich das meinen Kindern zumuten. Mir wurde klar: ich wollte Bruno, meinen Ehemann und den Vater meiner Kinder, den ich noch immer so liebte, zurückhaben.
Und ich wollte um ihn kämpfen.
Ich starre aus dem Fenster im Kurheim zum alten Vater Mond, der rund und freundlich auf mich und meine kranke Seele herunterschaut. Leise schließe ich das Fenster und wische mir die Tränen ab, die mir über mein kleines graues Gesichtchen laufen. Es tut so weh, verdammt, auch heute noch nach so vielen Jahren. Fünf Jahre lang so tun, als ob nichts wäre. Den Kindern zuliebe und auch den Leuten zuliebe.
Auch, um meine Eltern nicht zu enttäuschen. Enttäuschung ist ein bitterer Geschmack, den man immer wieder hinunter schlucken kann und der dennoch bleibt.
Zu entdecken, daß der Mensch, dem man blind vertraut, dem man sein Leben in die Hände gelegt hat und dem man seine größte Liebe, zu der man fähig ist, geschenkt hat, ein Schwein ist, das ist unbeschreiblich hart. Und es tut so weh, daß man sogar innerlich diesen gnadenlosen Schmerz spürt. Ich glaubte ja selbst nie, daß es auch mich einmal treffen könnte.
Die Anderen, ja, na gut, was soll's, aber mich? Nie und nimmer.
Da steht man dann da, von einer Minute zur anderen, und will es nicht wahrhaben, diese Lügen und dieser Verrat, diese Ungeheuerlichkeiten und diese Boshaftigkeit des einen Menschen, den man doch so liebt und der einem alles, wirklich alles bedeutet. Wie konnte er mir das antun? Vor fünf Jahren. Mein blöder Kopf arbeitet wieder auf Hochtouren.
Die Kinder im Kindergarten hier in diesem kleinen Dörfchen an der Havel tuscheln in ihren Betten. Ihre Erzieherin liegt mit dem Kopf auf dem kleinen Schreibtisch, der im Schlafraum neben der Tür steht. Die Vase ist umgekippt und das Blumenwasser läuft über den frisch geschriebenen Monatsplan und tröpfelt leise am Tischrand hinunter auf die Schuhe von Lisa. Es ist Mittagszeit, und die Kinder halten ihren Mittagsschlaf.
„Lisa, wach auf, was ist denn, soll ich einen Arzt holen, brauchst du ein Glas Wasser, man, bist du weiß im Gesicht. Doris, meine Arbeitskollegin, tätschelt mein Gesicht und rüttelt an mir herum.
„Lisa, bitte.“
Doris holt mir ein Glas Wasser, und ich trinke es aus, als ginge es um mein Leben.
„Danke, Doris, du bist ein Schatz“, ich nicke und gebe ihr das leere Glas zurück.
Doris, zehn Jahre älter als ich, ist mir privat und beruflich meine allerbeste Freundin und Vertraute. Eine bessere Freundin als sie gibt es nicht auf dieser Welt. Ehrlich und großherzig, offen und zuverlässig, eben eine echte Freundin und meine Stütze in dieser schwierigen Zeit.
„Du hast mir aber einen Schrecken eingejagt, was ist denn los, Lisa?“
Ich erzähle ihr, daß mir Brunos Arbeitskollege Torsten am Telefon sagte, als ich nach Bruno fragte, daß mein Mann heute nicht zur Arbeit kam. Er hat zwei Tage Urlaub. Dieser Kumpel wußte wie alle anderen schon lange, daß Bruno eine Geliebte hat. Allzugern prahlte Bruno vor seinen Kollegen damit. Es machte ihn, so glaubte er, zu einem tollen Hecht, und Bruno fand sich großartig. Alle Kollegen in seiner Brigade aber kennen auch mich und unsere Kinder. Sie finden Brunos Verhalten gar nicht so toll, und ich tat ihnen sehr, sehr Leid.
Als ich heute ins Telefon heulte, sagte mir sein Arbeitskollege: „Lisa, es tut mir so alles so leid. Du bist so eine tolle Frau und ihr habt zwei so wunderschöne Töchter, aber deinem Bruno ist nicht mehr zu helfen. Du kennst ihn doch. Er ist so ein Blödmann geworden und so launenhaft, auch hier bei der Arbeit. Wir können seine große Schnauze manchmal gar nicht ertragen und er merkt es nicht einmal“.
„Torsten, hilf mir, sag mir, was du weißt“. „Sie wohnt in einem Hochhaus in Brandenburg mit Blick zum Altstädter See“. „Danke, Torsten“.
Das alles erzähle ich Doris und sehe sie mit verweinten, geschwollenen Augen hilflos an. Plötzlich haut Doris laut auf den Tisch. Ein paar Kinder schauen erschrocken hoch. „ Schlaft weiter, alles ist gut“, sagte Doris. Meine Tränen laufen, und ich kann sie nicht aufhalten.
„Schluß, Lisa, heute wirfst du den Kerl raus. Es reicht! Anneli, du paßt auf beide Gruppen auf, wir sind mal für eine Stunde weg.“
Doris greift mich am Arm.
„Rasch, wenn die Kinder ihren Mittagsschlaf beenden, müssen wir wieder zurück sein. Komm.“
Wir springen in ihr Auto und fahren los. Schnell packe ich zu Hause einen Koffer für Bruno. Das geht rasch, denn die Sachen liegen gestapelt im Kleiderschrank und ich stopfe sie ziellos in den Koffer und in seine Sporttasche. Obenauf glotzen provokativ seine neuen Hausschuhe.
Bitte sehr, der Herr. Sonst noch was? Doris hat recht, ich muß endlich handeln. Gutmütig sein und ausgenutzt werden war gestern. Ab heute bin ich nicht mehr die dumme Gans, die alles hin nimmt und still vor sich her leidet.
Heute schlage ich zurück.
Doris wartet unten und hilft mir, alles im Auto zu verstauen.
Fertig. Los geht's.
Wir fahren am Haus meiner Schwiegermutter vorbei. Doris hält an, und ich springe zur Tür und klingele. Fragend steht Brunos Mutter vor mir. Diese kleine, dicke Frau mit dem runden Gesicht und den weißen Haaren sieht in mein hochrot angelaufenes Gesicht und weiß sofort, daß etwas nicht stimmt.
„Mutti, heute schmeiß' ich deinen Sohn raus, damit du gleich Bescheid weißt. Er hat seit einem Jahr eine andere Frau in Brandenburg. Ich kann nicht mehr, verstehst du, Schluß, aus, basta“.
Ein unsicheres Zucken geht durch ihr Gesicht und ihre Augen verfinstern sich. „Ach was, Lisa, mein Sohn macht so was nicht.“
„Gut, dann kommst du eben mit“.
Sie setzt sich samt Schürze, die sie noch um ihren Bauch gebunden hat, ins Auto und nickt Doris unsicher und fragend zu. Wir fahren los und Doris gibt Gas.
Wir wollen schnell zurück sein. Die Fahrt dauert nur fünfundzwanzig Minuten.
Fünfundzwanzig Minuten, in denen die drei Frauen im Auto schweigen und scheinbar die Luft anhalten.
Sie sehen die Felder und Wiesen nicht, an denen sie vorbei fahren und auch nicht die Löcher in den Straßen, die heute mit Regenwasser gefüllt sind. Es herrscht Stille.
Totenstille.
Und jeder fragt sich, was jetzt kommt.
Finden wir den Scheißkerl?
Nach einer erneuten Runde um den Altstädter See, finden wir ihn, unseren Trabi.
Er steht vor Hausnummer 21. Den Namen der Frau weiß ich nicht, aber sie hat zwei Töchter, von denen die älteste Tochter Sabine heißt. Genauso wie unsere älteste Tochter auch, das konnte ich aus Bruno herausquetschen.
Ich spreche es aus, und es tut mir tief innen in meinem Herzen so weh.
Und mein Herz pocht laut und will fast platzen.
Wir klingeln uns durch die Etagen durch. Eine Wohnung nach der anderen.
Während Doris und ich bei einer älteren Dame ins Hausbuch schauen dürfen, in dem alle Mieter eingetragen sind, wird meine Schwiegermutter fündig.
Ihr Sohn persönlich öffnet die Wohnungstür.
Schlagartig wird Brunos Gesichtsfarbe aschgrau. Ein Bär von einem Mann wird vor unseren Augen plötzlich zu einem kleinen Kind, dem die Knie zittern.
„Bruno, was machst du denn hier?“
Ich selbst warte die Antwort nicht ab und stürme in die Wohnung und dann ins Schlafzimmer, Wenn ich die dort im warmen Bett erwische, dann bring ich sie um. Meine Wut ist bomben gleich.
Das Schlafzimmer ist leer, die Betten sind gemacht, sein Liebchen ist bereits ausgeflogen. Sie muß arbeiten und kann nur in der Mittagspause für zwei Stunden nach Hause fahren. Sie ist wohl gerade weg, denn es ist vierzehn Uhr.
„So, mein Schatz, dein Koffer steht unten auf der Straße, du kannst ihn dir holen. Heute ist Schluß. Klare Verhältnisse. Du kannst uns nicht beide haben, wir sind doch nicht in Timbuktu. Was ich unseren Kindern sagen soll, weiß ich allerdings noch nicht“.
Bruno schweigt und Doris fährt mit seiner Mutter zurück. Bruno trägt seine Sachen in unser Auto. Wir fahren schweigend im Eiltempo durch die Stadt. Irgendwo dort im Außenbezirk arbeitet sie. Sie, die meine Ehe mit Bruno auf dem Gewissen hat.
Sie, meine Konkurrentin, arbeitet in einem kleinen Lottogeschäft, in dem es auch Getränke, Bockwürstchen und Zeitungen gibt. Die Menschenschlange übersehe ich. Ich gehe einfach nach vorn. Dann sehe ich sie zum ersten Mal. Was hat sie, was ich nicht habe? Nichts dran an der.
„Sind Sie Frau Engelhardt?“
Die graue Maus guckt über ihren Brillenrand fragend zu mir rüber und nickt.
„Mein Mann Bruno steht draußen. Ich glaube, es gibt etwas zu klären zwischen uns!“
Sie nickt und kommt mit. Bruno steht vor der Tür und ist sichtlich nervös. Bud Spencer ist so klein mit Hut und Mantel und gibt eine lächerliche Figur ab.
„Entweder sie oder ich, beide kriegst du nicht.“
Bruno geht zu ihr und sagt leise und unsicher: „Versteh doch, die Kinder..“
Sein Kopf ist rot angelaufen, und er schwitzt sichtlich. Jetzt platzt mir der Kragen, und ich habe Lust darauf Prügel zu verteilen.
„Bruno, wenn du heute zurückkommst, dann meinetwegen, sonst hol deine Taschen aus dem Auto und scher dich zum Teufel.“
Die Frau da in ihrer bunten Kittelschürze zeigt keine Regung.
Sie nimmt es gelassen, tut zumindest so. Bruno verabschiedet sich kurz von ihr und geht mit mir zum Auto. Wir steigen ein und fahren zurück. Dreißig Minuten herrscht Totenstille im Auto.
Ein Jahr Tauziehen ist zu Ende. Mein Sieg. Aber es fühlt sich nicht so an. Ein Jahr voller Lügen und Streitereien. Ein Jahr ist lang, zu lang.
Was kann eine gute Ehe aushalten, das frage ich mich.
Ein Jahr, in dem er mich vor unseren Kindern als blöde Kuh betitelte und er es immer schaffte, tobend und türenknallend zu verschwinden. Wohin, das wußte ich jetzt hundertprozentig. Ja, er holte sich grünes Licht mit seinen Provokationen und ich war diejenige, die ihn geradewegs zum Fremdgehen getrieben hatte. Schuld hatte ich, na klar. Eine einfache Strategie und es dauerte zu lange, bis ich ihm auf die Schliche kam.
Der Rausschmiß ist das eine und das Zusammenleben danach etwas anderes.
Nun sollte die Sache auch noch in einer Parteiversammlung öffentlich geklärt werden. Bruno ist ja schließlich in der SED, zwar nur ein zahlendes Mitglied, aber immerhin.
Am Abend des nächsten Tages schnappe ich mein Fahrrad und fahre zu Brunos Parteivorsitzendem. Ich bitte ihn händeringend darum, nichts zu unternehmen, wir klären unser Problem privat. Er ist einverstanden, und wir werden beide unbürokratisch und schnell in den Urlaub geschickt, um unsere Ehe zu kitten.
Wir fahren für eine Woche in ein Ferienheim und nehmen unsere Kathleen mit.
Sabine bleibt bei der Oma, denn sie muß zur Schule gehen. Wir sollen nun unsere Ehe kitten, einen Schlußstrich ziehen und neu beginnen. Aber wie macht man das.
Das Ferienhaus war riesig und wir erfuhren, daß die Korridore, aneinander gereiht, fast 15 Kilometer ergeben. Sozialistische Urlaubsbewältigung im großen Stil. Massenabfertigung des Arbeiter- und Bauernvolkes. Das Schönste waren morgens und abends die Kämpfe am offenen Büfett, welches hinter einem Vorhang stand. Wenn sich dann der Vorhang endlich dem hungrigen und wartenden Arbeiter- und Bauernvolk öffnete, stürmte eine riesige
Menschenmasse um sich schlagend und rücksichtslos zu den
Tischen. In Windeseile waren die Teller am Büfett leer und die Letzten bekamen die Krümel und warteten auf Nachschub, der meist ausblieb. Es war immer sehr lustig und Bruno meist der Schnellste. Mein Bruno. Ein bißchen liebe ich ihn ja noch, und wir schafften es tatsächlich, uns im Urlaub etwas näher zu kommen.
Der Kampf um ihn ging zu Hause aber weiter, damals vor fünf Jahren.
Ich wußte ja, daß noch viele Scherben da waren, und war mir meines Sieges überhaupt nicht sicher. Unsere Liebe wollte ich zurück, für mich und unsere Kinder.
Um jeden Preis. Kämpfen war angesagt, damit Bruno nicht vielleicht doch noch einmal schwach wird und vom Wege abkommt. Ist ja schließlich auch bloß ein Mann.
Das Kämpfen um unsere Ehe war damals schwieriger als gedacht. Mein Vertrauen zu ihm war weg und Mißtrauen stand von früh bis spät auf dem Plan. Ich erwischte mich stets dabei, an seinen Sachen rumzuschnüffeln und alle seine Jacken- und Hosentaschen umzukrempeln. Papierschnitzel wurden gebügelt und identifiziert. Kontrolltelefonate standen auf der Tagesordnung.
„Ja, Bruno ist hier bei seiner Arbeit.“
Aber innerlich, in meiner Brust, kam keine Ruhe auf. Mir war rasch klar, daß ich eine Strategie brauchte. Ich muß ihn um den Finger wickeln, meine weiblichen Reize spielen lassen. Es war ja ganz einfach. Wenn er mit mir Sex hatte, dann brauchte er nicht mehr zu einer anderen. Nun begann ich die Nachmittage für ein Schäferstündchen einzuplanen. Die Stunde, in der unsere Kinder noch in der Schule waren.
Wenn Bruno nun frisch geduscht, nach getaner Arbeit nach Hause kam, stand ich aufgeputzt und ebenfalls frisch geduscht und duftend an der Tür. Ich packte ihn am Kragen und zog ihn ins Schlafzimmer. Anfangs erschreckte sich Bruno mächtig über diese neue Wende in unserer Ehe. Es rang ihm ein Lächeln ab und er zeigte sichtliches Vergnügen an dieser neuen Verführung durch seine Ehefrau. Die sich sehr bemühte, ihren Mann nicht zu verlieren. Aber die Lust, die ich mir verordnete, war sehr anstrengend. Nicht für meinen Bruno. Es amüsierte ihn mächtig, und er kam freudig seinen ehelichen Pflichten nach. Ich bemühte mich tagtäglich und bemerkte nicht, daß ich mich zum Trottel machte. Erst Brunos Bemerkung: Er hätte ja auch bei ihr bleiben können, holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Ja, dachte ich mir, du hättest, bist aber nicht. Dann klappte es plötzlich nicht mehr im Bett, und das machte mich stutzig. Ja, geht nicht, der Herr hatte schon.
Brunos Ausrede, er sei so kaputt von der Arbeit, rang mir nur ein Lächeln ab. Für wie blöd hält er mich eigentlich? Anscheinend für ziemlich blöd, und vielleicht hatte er damals auch recht. Man kann ja nichts erzwingen. Nur wenn beide für die Ehe kämpfen und nach dem Schlußstrich gemeinsam neu anfangen, dann kann man eine zerbrochene Ehe retten, aber so?
Bruno ging wieder fremd, und ich merkte es ganz schnell.
Verdammte Scheiße. Diesmal fiel ich in ein großes, schwarzes, seelisches Loch. Meine Haare fielen aus, ich kratzte mir meine Haut großflächig blutig und es stellten sich Gleichgewichtsstörungen ein. Ich fühlte mich irgendwie plemplem. Mit Hilfe von Beruhigungstabletten schlich ich mich so durchs Leben,
Es geht mir gut, redete ich mir ein. Doch es ging mir gar nicht gut, damals vor fünf Jahren und es war der Anfang eines Endes. Das endgültige Ende meiner Liebe zu Bruno.
Es folgten Jahre, in denen ich nur funktionierte und mein Leben mit Bruno so mehr oder weniger ertrug. Ja, sollte er doch fremdgehen, es war mir inzwischen egal.
Im Gegenteil, ich war meiner neuen, oder alten Konkurrentin sogar dankbar für jeden Tag, an dem sie mir Bruno vom Halse hielt.
Aber etwas anderes passierte ungewollt in meiner Umwelt. Es interessierten sich plötzlich enge Freunde und Arbeitskollegen meines Mannes für mich. Alle verheiratet, alle glücklich. Nein danke, kein Bedarf, mein Bedarf an Katastrophen ist gedeckt, ihr Idioten. Ich war tot innerlich und kam nicht dagegen an.