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ОглавлениеMit Kind und Kuh:
Kulinarischer Müßiggang auf Südtiroler Bauernhof
von Raimund Haser
Urlaubsform: Urlaub auf einem Südtiroler Bauernhof
Beteiligte: Mia (11 Monate), Corinna und Raimund (beide 38)
Dauer: 5 Tage
Reisedistanz: rund 340 Kilometer
Reiseverkehrsmittel: Anreise mit eigenem Auto
Kostenfaktor: etwa 800 Euro für Benzin, Unterkunft und Verpflegung – Ausflüge inklusive
Vorbereitungszeit: Buchen, hinfahren, fertig. Da die Appartements in der Haupturlaubszeit am liebsten wochenweise vermietet werden, sollte man mindestens drei Monate vorher reservieren.
Gegen die Bullenhitze hilft nur Bier. Sepp wischt sich den Schweiß von der Stirn, bevor er sich daran macht, die nächste Fuhre fertiger Schüttelbrote aus dem selbst gebauten Backofen zu holen. Mia wird noch viele dieser kernig knackigen Brote verschlingen – später einmal, da bin ich mir sicher. Im Moment ist sie aber noch nicht einmal ein Jahr alt, isst am liebsten Zermahlenes und Zerhacktes und sitzt mit ihrer Mutter in der Ferienwohnung über der Backstube, während ich beim Brotbacken helfe. Corinna und ich haben uns dieses Mal bewusst für einen Urlaub auf dem Frötscherhof in Südtirol entschieden, ohne Kinderbetreuung und festes Programm.
Es riecht nach Ingwer, Anis und Schweiß. Der Weiß- und Roggenmehl-Teig klebt uns allesamt an Hemd, Schürze und Händen. „Das darf ruhig dicker sein“, sagt Anna lächelnd. Die Hofherrin ist es gewohnt, Gäste bei der Arbeit zu korrigieren, ohne ihnen gleich den Spaß zu nehmen.
Handarbeit hat etwas Befreiendes. Vor allem, wenn Mithelfen auf dem Hof ein „Kann“ ist und kein „Muss“. Das Gefühl, wirklich etwas geschafft zu haben, zeigt sich beim Brotbacken oder bei der Entdeckungstour durch den beschaulichen Kuhstall. Auf den Regalen der Backstube liegen schon bald die Früchte unserer Arbeit. Zweihundert harte Fladenbrote haben wir in rund drei Stunden gebacken. Schüttelbrote, mit denen wir uns als Kind immer verdroschen haben, bevor wir sie zu Speck und Käse verschlungen haben.
Das war vor langer Zeit, als wir beide noch selbst Kinder waren und wir in Südtirol zum Wandern verdonnert wurden. Mit Kniebundhosen und selbst gestrickten Jacken ausstaffiert, mussten wir uns das Brot verdienen. Doch mit der Pubertät wandelte sich des Müllers Lust in akuten Wanderfrust, damit folgte auch der Abschied von den Bergen im Sommer. Und jetzt? Meine Frau und ich haben das Wandern und Klettern als Erwachsene unabhängig voneinander wiederentdeckt. Zu zweit ging es dann immer öfter in die Berge – zunächst nach Südtirol, danach nach Kanada, Uganda oder Thailand. Das, was uns dabei fasziniert, wollen wir auch unserer kleinen Mia näher bringen: Freiheit, Ruhe, Bewegung und wahnsinnig schöne Augenblicke. Aber wann ist der richtige Zeitpunkt dafür? Geht das denn, wenn sie selbst kaum gehen kann? Hat sie was davon? Ich glaube ja. Sie spürt während dieser fünf Tage unsere Zufriedenheit und Ruhe. Sie sieht, was wir sehen, und lernt, damit umzugehen. Sie nimmt etwas mit. Da bin ich mir sicher.
Als ich die Backstube verlasse und Mia ausgeschlafen hat, machen wir uns zu dritt auf den Weg, um im Stall nach dem Rechten zu sehen. Dort wird uns klar, warum es gut war, sich für einen Bauernhof zu entscheiden. Milch, Eier und Käse stammen von den achtzehn Kühen, drei Ziegen und zwanzig Hühnern, die wir nun fast alle mit Vornamen kennen. „Unsere jüngste Kuh heißt Caro“, sagt Sepp, „die haben wir nach unserer Hof-Praktikantin benannt.“ Caro, Anfang zwanzig, scheint die Namenswahl nicht übel zu nehmen, sie liebt nicht nur Kühe, sondern auch Kinder. Wie alle hier – auch daran hat sich in den letzten dreißig Jahren nichts geändert.
Was uns gefällt: Jedes Produkt, das zum Frühstück oder zur abendlichen Vesper gereicht wird, kommt vom Hof. Mia hat sich während des Gesprächs über naturverbundene Landwirtschaft, den Milchpreis und touristische Attraktionen bereits auf Entdeckungsreise gemacht. Sie streichelt die Tiere, genießt es, dass ihr derzeit nur wenige Kinder Konkurrenz machen, und lacht buchstäblich über jeden Dreck auf dem Boden. Tiere wie Menschen haben es gut hier. Sie genießen die Aussicht auf Brixen und auf all das, was Anna und Sepp ihnen bieten. „Man muss gerne Bäuerin sein, sonst geht das nicht“, sagt Anna. Und man muss einen Mann wie Sepp haben, der alles mit einer Leichtigkeit erledigt, die ansteckend ist.
Das Ehepaar bewirtschaftet den jahrhundertealten Bauernhof auf einer Anhöhe bei Mellaun. Sie haben trotz der harten Arbeit auf dem Hof eine wunderbare Art, miteinander umzugehen, erfüllen den Raum mit Freundlichkeit, begegnen ihren Gästen warmherzig. All das überträgt sich auf uns, und spätestens dann, wenn Onkel Hans zum Hüttenabend samt Zither, Akkordeon und allerhand wilden Instrumenten lädt, fühlt man sich fernab aller E-Mails und Probleme. Mia schläft, während wir Gäste des Hauses Tiroler Liedern und Geschichten zuhören. Das abendliche Sprachengewirr mit deutschen Dialekten endet mit einem freundschaftlichen „Du“ und mit etwas zu viel Südtiroler Rotwein nach Lagreiner Art.
„Geht doch mal auf die Plose“, rät uns Anna schließlich und schickt uns damit prompt am kommenden Tag auf ihren Hausberg, nur zehn Minuten vom Hof entfernt, wo uns die Kabinenbahn in luftige Höhen bringt. Ein Abenteuerweg samt Holzkunst, Rutschbahn und Barfuß-Erlebnispfad führt hinauf zur Jause auf die Rossalm, wo köstliches Essen, eine prächtige Aussicht, Liegestühle und ein kleinkindtauglicher Abenteuerspielplatz warten. Für den Weg brauchen wir nicht einmal die Kraxe – mit dem geländegängigen Kinderwagen sind wir hier gut unterwegs, auch wenn wir ab und an kopfschüttelnde Blicke ernten, die uns zu verstehen geben, dass wir das dem „armen“ Kind doch nicht antun müssen. Aber: Von wegen antun. Mia fühlt sich pudelwohl, Kühe kreuzen unsere Wege, an den Spielgeräten sucht sie trittunsicher nach der Balance. Die Dolomiten-Gipfel in der Ferne schauen freundlich und still auf uns herab. Und die Eltern? Die haben ihr Pensum Sport für heute gehabt.
Zurück im Tal ruft dann aber doch wieder die Zivilisation, denn Brixen ist eine kulturell ansprechende, historisch bedeutende Stadt. Davon hat unsere Tochter zwar nichts, wir Erwachsene dafür umso mehr. Denn wo es schön ist, lassen sich auch Boutiquen und Sportgeschäfte nieder. Und wer sagt, dass man Wandern und Shoppen nicht verbinden kann? Also geht’s mit Tüten bepackt zurück zum Auto – Wanderschuhe für Mia sind auch mit dabei. Das mit dem Laufen dauert ja nicht mehr lange, und zum Schlittenfahren im Winter sind die Treter sicher praktisch. Zurück auf dem Hof treffen wir Anna beim Apfelpflücken. Mit frischen Tipps für den nächsten Tag verziehen wir uns am Abend in unser Appartement. Mia fällt erschöpft ins Bett. Umso mehr bleibt auch mal Zeit zu zweit.
Für den kommenden Nachmittag haben wir uns zu einer ganz besonderen Führung angemeldet: Einblicke in die Klöster der Stadt bieten uns die achtundachtzigjährige Klarissen-Schwester Elfriede, die lange mit den Tertianerinnen in Kamerun war, bevor sie sich hier zurückgezogen hat, und der siebenundsiebzigjährige Abt Cassian, der uns durch die beeindruckende, jahrhundertealte Bibliothek des Kapuzinerklosters führt. Zu den Highlights der Klosterführung gehören handschriftliche Predigten „aus der Zeit der Türkenkriege“, Atlanten aus dem 15. Jahrhundert und prachtvoll geschmückte Bibeln aus allen Jahrhunderten, die für jedermann zugänglich sind. Nix für Mia, aber Pustekuchen: Sie sitzt vergnügt auf dem Arm, krabbelt bei Gesprächsbedarf während der Führung munter durch die Bibliothek und verhält sich so ruhig, dass sogar die zunächst naserümpfenden Mitgänger anerkennend nicken, anstatt – wie zu Beginn – den „Was müssen die jetzt auch noch ihr Kind hierher schleppen“-Blick aufzusetzen. Als Belohnung fürs Bravsein gibt’s für Mia einen Spaziergang durch den Klostergarten, in dem Blumen blühen und Kräuter wachsen.
Der nächste Tag gehört dann wieder ganz den Bergen – rund um Brixen gibt es viele Almen, die auf gerodeten Anhöhen Kühe, Ziegen und Gasthäuser beherbergen. Ein guter Tipp unserer Gastgeber war hier die Villander-Alm, die bequem mit dem Auto und über einen kurzen Fußweg erreichbar ist und von wo aus man einen wunderbaren Blick auf die Sella-Gruppe und die Dolomiten hat. Mia schaukelt auf der Terrasse, während Mama und Papa einen Kaffee schlürfen – was braucht der Mensch sonst?
Fehlt nur noch ein Abstecher nach Bruneck ins Messner Mountain Museum. Der Extrem-Bergsteiger setzt sein Geld und viel Energie in Projekte, die uns zum Nachdenken anregen sollen. Mitdenken kann Mia noch nicht, aber mit muss sie trotzdem. Wie das geht? Ganz einfach: Hinfahren, sich in der Burgschenke erst mal kräftig stärken und dann mit großem „Hui, schau mal!“ und „Guck mal, was da ist!“ durch die Gänge huschen. Auch das macht Mia prima mit. Geplättet ob der vielen Eindrücke sinkt sie noch während der Tour in einen sanften Mittagsschlaf. Das ist nicht die ungünstigste Situation, wenn Eltern mit Kleinkind ein Museum für Erwachsene besichtigen wollen.
Nach dem Blick auf das, was der Mensch in den vergangenen Jahrhunderten den Bergen angetan hat, sehen wir das, was die Landwirte mit dem Konzept „Roter Hahn“ erreichen wollen, mit anderen Augen. „Es geht darum, die bäuerliche Landwirtschaft in ihrer jetzigen Form zu erhalten“, zitiert Anna aus den Statuten, als wir nach unserer Rückkehr nach Mellaun darauf zu sprechen kommen. Nicht „mehr Kühe sollen immer mehr Ertrag bringen“ soll das Ziel aller Bemühungen sein, sondern das, was man gemeinhin „Auskommen“ nennt, „auskommen mit dem, was man hat“, sagt Anna. Also: Landwirtschaft und Tourismus in einem positiven, naturnahen Miteinander. Damit alles so bleiben kann, wie es ist.
Als krönenden Abschluss unserer Reise ins Land der Schüttelbrote, Almen und Museen führt uns Annas Tipp in einen der vielen Buschenschanken, die nicht nur Landwirtschaft und Tourismus, sondern auch bäuerliche Lebensart und hoch anspruchsvolle Küche miteinander verbinden. „Da gehen sogar die Italiener zum Essen hin“, sagt Anna, „und das will was heißen.“ Bei in Butter gezogenen Teigtaschen, die man Schlutzkrapfen nennt, und anderen Südtiroler Spezialitäten klingt die Reise in unsere Vergangenheit aus, der Duft von Ingwer und Anis bleibt uns anschließend aber noch wochenlang in der Nase.
Vorteile dieser Reiseform:
Auf einem Bauernhof gehören die Gäste mit dazu, sie nehmen am Leben der Familie teil, werden zur Hofarbeit eingeladen und lernen viel über Landwirtschaft.
Höfe liegen häufig in einer exponierten Lage und nicht mitten in der Stadt. Es ist also meistens sehr ruhig und man ist sozusagen für sich.
Das Konzept „Roter Hahn“ verfolgt ein nachhaltiges Tourismuskonzept. Hinter der Marke, die versucht, Produktion, Handel und Tourismus zu vereinen, steht der Südtiroler Bauernbund. Die Höfe werden regelmäßig geprüft und müssen sich an strenge Vorgaben halten. Zum Beispiel muss eine bestimmte Anzahl von Produkten vom Hof selbst stammen, der Rest der den Gästen servierten Produkte sollte – wenn möglich – aus Südtirol sein. Der Urlaub eignet sich für Kinder jeden Alters.Kinder kommen mit Tieren in Berührung, sind den ganzen Tag draußen, erleben eine gute Mischung aus Spiel, Bergerlebnis und Stadt. Da die Höfe meist nur wenige Appartements anbieten, kommen Besucher schnell mit den Gastgebern ins Gespräch.
Nachteile dieser Reiseform:
Komfort und Ausstattung der Höfe lassen sich nicht mit einem Familienhotel vergleichen. Man muss sich und sein Kind selbst beschäftigen. Kinderbetreuung usw. gibt es keine.
Höfe liegen immer außerhalb von Städten. Ohne Auto ist der Urlaub also nicht empfehlenswert.
Erholung oder Abenteuer?
Eher Erholung. Der Urlaub ist dazu geeignet, städtisch geprägten Kindern oder Erwachsenen das Leben auf dem Land näherzubringen und das Bewusstsein für die Arbeits- und Lebensweise der Bauern zu schärfen. Wer „Action“ und Abenteuer sucht, sollte eine andere Reiseform wählen.
Das würden wir beim nächsten Mal anders machen:
Wir sind davon ausgegangen, dass wir mehrmals abends essen gehen. Das ist utopisch, denn die Restaurants liegen zu weit entfernt und mit Kleinkind isst man entspannter in den eigenen vier Wänden. Dafür packt man idealerweise eine Grundausstattung an Lebensmitteln wie Salz, Öl, Essig ein.
Der ultimative Reisetipp für den Urlaub auf dem Südtiroler Bauernhof:
Die Region rund um Brixen ist bekannt für ihre Almen. Schön sind die Villander Alm oder auch die Plose. Die Städte darf man gerade mit Kindern nicht links liegen lassen. Brixen ist die ideale Einkaufsstadt, Bruneck nicht nur wegen des Messner Mountain Museums (www.messner-mountain-museum.it) eine Reise wert. Wenn es sich irgendwie verbinden lässt, gehört in Südtirol auch ein Abstecher nach Bozen oder Meran dazu. Die Städte verbinden österreichische, alpine und italienische Lebensart.
Spartipps:
Die Möglichkeiten des Appartements nutzen und selbst kochen. Mit der kostenlosen Brixen Card (sofern die Unterkunft wie im Falle des Frötscherhofs in oder um Brixen liegt) sind Busse, Züge, Bergbahnen und sogar Museen wie das Messner Mountain Museum gratis.
Allgemeine Infos zu Südtirol finden sich unter www.suedtirol.it, über den Roten Hahn, das Konzept, die Bauernhöfe und Buschenschanken unter www.roterhahn.it und natürlich auch auf www.froetscherhof.com.
Fazit: So ein Bauernhofurlaub ist vielleicht nicht so spannend wie ein Cluburlaub mit Programm. Soll er aber auch gar nicht. Zur Not helfen Wandern und Lesen gegen die Langeweile. Also: Bücher einpacken, abschalten und dem Müßiggang frönen.