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Sehnsuchtsziel Budapest:

Städtetrip mit Kleinkind und Großeltern

von Nadine Kraft

Urlaubsform: Kurzurlaub mit Großeltern in einer Ferienwohnung

Beteiligte: Reinhard (54), Nadine (35), Bente (1,5), Hannelore (56) und Norbert (60)

Dauer: 5 Tage

Reisedistanz: rund 700 Kilometer Luftlinie Berlin – Budapest

Reiseverkehrsmittel: Flugzeug, vor Ort Taxi und öffentlicher Nahverkehr

Kostenfaktor: mittel, durchschnittlich ca. 150 Euro pro Tag für Restaurantbesuche, Lebensmittel und Eintrittsgelder, 230 Euro pro Flug und 500 Euro für eine etwa 130 Quadratmeter große Wohnung mit 3 Schlafzimmern, pro Person etwa 480 Euro für den gesamten Urlaub. Für Bente war der Flug bis auf Steuern und Flughafengebühren gratis.

Vorbereitungszeit: kurz; Flüge und Ferienwohnung frühzeitig (etwa ein halbes Jahr vorher) buchen spart Geld.

Für meine Mutter war Budapest immer eine Art Sehnsuchtsziel. Irgendwann zu tiefsten DDR-Zeiten war sie einmal dort gewesen. Seither schwärmt sie von der Stadt an der Donau, wie es sonst nur wohlmeinende Reiseführer vermögen. Die Wärme. Die Donau. Die Altstadt. Ach! Es waren wohl ihre Träumereien, die mich für Budapest einnahmen. Ich habe viele Bücher von Sandor Marai gelesen, dem großen Erzähler der Ungarn, der Jahrzehnte im Exil auf die Wende wartete, dabei großartige Werke verfasste – und erst nach seinem Tod zu Ehren kam. Mit seinen autobiografischen Büchern über das Budapest des frühen 20. Jahrhunderts fütterte ich meine eigene Sehnsucht nach dieser angeblich schönsten Stadt Europas. Nicht zuletzt ist es auch den Ungarn zu verdanken, dass unsere Mauer fiel. Dafür hatten sie unseren Besuch verdient.

Es brauchte allerdings fast zwanzig Jahre der Nachwendezeit, bis wir endlich aufbrechen. Die fünftägige Fahrt im Mai wird zu einem doppelten Experiment: Wir gehen zum ersten Mal mit unserer knapp anderthalbjährigen Tochter auf Städtereise. Und wir nehmen die Großeltern mit. Bisher hatte ich es tunlichst vermieden, mit meinen Eltern auf Reisen zu gehen. Zu unterschiedlich sind unsere Bedürfnisse, zu verschieden die Interessen. Mein kleines Kind hat mich aber milde gestimmt, ich bin bereit, mich ganz auf diese neue Erfahrung einzulassen. Zudem hege ich die Hoffnung, dank mitreisender Babysitter auch ein wenig Freizeit zu bekommen.

Die erste Ernüchterung erleben wir direkt nach der Landung. Die rund zwanzigminütige Fahrt vom Flughafen in unsere Altstadtwohnung geht über eine zum Teil sechsspurige Magistrale, die die angrenzenden Stadtviertel mit ihren heruntergekommenen Wohnblocks einfach zerschneidet. Von goldenen Kuppeln, der blauen Donau und den herrschaftlichen Altstadthäusern weit und breit keine Spur. „Das sieht schlimmer aus als früher bei uns“, sagt mein Vater nur lapidar. Der Rest schweigt.

Wir finden unsere Sprache wieder, als wir das marmorne Treppenhaus betreten, das zu unserer Ferienwohnung führt. Mit staunenden „Ahs“ und „Ohs“ durchschreiten wir den großzügigen Aufgang, von dem im Geviert um einen Innenhof die Wohnungen abgehen. Schon immer heißt es über die Budapester, sie zögen ins Mauseloch, um ihre herrschaftlichen Wohnungen an Touristen zu vermieten. Und so ist es wohl geblieben, was sicher auch an den hohen Preisen in der Stadt liegt. Ein Glück für uns. Denn ein Hotel kommt für uns als reisende Großfamilie nicht in Frage. Wir wollen am Abend gemütlich beim Tokajer, dem legendären Weißwein aus der gleichnamigen nordungarischen Stadt, klönen, während das Kind schläft. Über einen Ferienhausanbieter haben wir im Internet eine große Wohnung in der Leopoldstadt gemietet. Dieser nördlich der eigentlichen Innenstadt gelegene Stadtteil ist bebaut mit großzügigen Wohnblocks aus dem 19. Jahrhundert. Dort haben zahlreiche Ministerien und Verwaltungen ihren Sitz.

Das großbürgerliche Ambiente in unserer Ferienwohnung endet an der Eingangstür. Das Interieur ist bis auf den Flügel – Musik ist für die Ungarn ein essenzieller Bestandteil des Lebens – eher zweckmäßig und postsozialistisch schlicht. Die Lage jedoch entschädigt für alles: Neben uns die Freiheitsbrücke (nicht zu verwechseln mit der weltberühmten Kettenbrücke), die zweistöckige Große Markthalle (Nagy Vásárcsarnok) mit Lebensmittelständen, Schnellimbissen und Souvenirlädchen und in Sichtweite das Gellértbad, ein wahrer Badetempel im schönsten Jugendstil. Das wenige, was an altem Interieur in der Wohnung vorhanden ist, lässt uns bald schmunzeln: Knarrend ob des alten Parketts verabschieden wir uns abends hinter unsere üppigen Flügeltüren. Bis wir morgens vom ersten Klo-Gänger ebenso knarrend wieder geweckt werden. „So haben wir wenigstens genug Zeit für die Sehenswürdigkeiten“, kommentiert meine Mutter gut gelaunt die familieninterne Ruhestörung.

„Ich muss jetzt was essen.“ Dieser Satz, so oder in Varianten formuliert, wird zum ständigen Begleiter – und sorgt für Ernüchterung Nummer zwei. Reist man mit Kleinkind und nicht gar so fitten Großeltern, muss gefühlt alle halbe Stunde jemand eine Pause machen. Mein Mann braucht einen Kaffee, was in Budapest dank der beinahe an Wiener Verhältnisse heranreichenden Caféhausdichte kein Problem ist. Mein Vater braucht was zu essen, meine Mutter was zu trinken und dann auch gleich ein Klo. Meine Tochter hat die Hose voll, will plötzlich laufen lernen, hat Hunger oder ist müde.

Nach dem ersten Tag ist meine Laune am Nullpunkt angelangt. Außer der Markthalle, in der wir für viel Geld einen ungarischen Gulasch zum Mittag essen und für den Abend Salami, Brot, Tomaten, Paprika und Wein erstehen, haben wir noch nicht sehr viel gesehen von der schönsten Stadt Europas. Ich fühle Zeitdruck, Anpassungsdruck und den Wunsch nach Einsamkeit. Ich will Jugendstil und Eklektizismus sehen, mich über den Luxusboulevard Andrássy út treiben lassen, hier im Café klönen und dort mit Leuten ins Gespräch kommen. Auch das Haus des Terrors besuchen und mehr über die Regime in Ungarn erfahren. Doch nichts und niemand spielt mit: die Ungarn nicht, denn irgendwie sind sie immer gehetzt unterwegs und wirken unnahbar. Und meine Familie schon gar nicht. Meine Mutter arbeitet zwar eine Art Gedächtnisprotokoll ab – Burgberg mit Fischerbastei, Parlament, Margareteninsel, die Künstlerstadt Szentendre –, doch die Wege dorthin lässt sie uns planen. Auf Ausflüge allein haben meine Eltern keine Lust und aufs abendliche Babysitten auch nicht so recht.

In der ersten Nacht beschließe ich, alle Erwartungen abzulegen und einfach mitzumachen. Denn abreisen kann ich nicht. Und mit schlechter Laune durch eine sommerlich-warme Stadt zu watscheln, ist auch keine Option. Und plötzlich ist alles ganz einfach. Wegen unseres Kindes sind wir viel zu Fuß unterwegs, genießen das Dasein im Freien, erleben die Stadt in Slow Motion und sogar abseits der ausgetretenen Pfade, meistens auf der Suche nach preiswerten Restaurants oder Spielplätzen. Angenehmer Nebeneffekt für meinen Mann: Weil er unsere Tochter viel in der Kraxe durch die Stadt trägt, lässt er zwei Kilo Bauchspeck in Budapest. Der Wanderrucksack fürs Kind wird unser bester Reisebegleiter. Auf Augenhöhe mit uns Erwachsenen ist unsere Tochter deutlich geduldiger als im Buggy. Derart unterwegs entlocken wir zudem sogar dem ein oder anderen Budapester auch mal ein Lächeln oder ein paar Sätze.

Am Ende sträuben wir uns nicht mal mehr gegen eine Dampferfahrt nach Szentendre – für mich der Inbegriff von Rentnerreisen. Ein Strom von anderen Touristen zieht uns durch die verwinkelten Gassen und an gepflegten Häuserfassaden der barocken Kleinstadt am Donauknie entlang. Wir suchen die Kunsthandwerker und finden immer gleiche, gestickte Tischdecken, kitschige Keramik und allerlei Krimskrams. Wir suchen ein preiswertes, einheimisches Restaurant und landen zusammen mit all den anderen Ausflüglern unter einem Schatten spendenden Schirm mitten auf dem Marktplatz. Das Essen ist gut, wie eigentlich immer. Aber auch teuer. Wie eigentlich auch immer.

Als meine Mutter allerdings auch noch Gödöllő, der Sommerresidenz von Sissi, einen Besuch abstatten will, streiken mein Mann und ich. Wir haben genug Barockes in Szentendre gesehen und wollen nicht noch einen Tag außerhalb der Stadt verlieren. Der gemeinsame Nenner ist mit der Margareteninsel gefunden, mitten in der Stadt und im Fluss gelegen. Der größte Teil der Insel ist schlicht ein weitläufiger, autofreier Park, den die Budapester zur Erholung und zum Sporttreiben nutzen. Es gibt zahlreiche Sportanlagen und ein Freibad. Für unsere Tochter bietet sich endlich ausgiebig Zeit, die ersten Schritte zu perfektionieren. Und für mich? Auf der Insel berühren wir mein Lieblingsthema. In früheren Jahrhunderten lebten dort verschiedene christliche Orden. Ich streife durch die Ruinen, erkläre meiner Familie, wie die Klöster dereinst funktionierten, und bin ausnahmsweise einmal ganz bei mir.

Ich hätte gern noch den Zoo mit Botanischem Garten besucht – die Tiere als Attraktion für das Kind, die Gebäude im Sezessionsstil für die Eltern – und einen Badetag in einem der Thermalbäder eingelegt. Schließlich brodeln unter Budapest mehr als hundert heiße Quellen. Beim nächsten Mal. Denn ein Wiedersehen muss einfach sein.

Vorteile dieser Reiseform:

 Für umfangreiche Entdeckungen waren fünf Tage mit Kind und Großeltern im Schlepptau zu wenig. Um von der Stadt einen Eindruck und Lust auf ein Wiedersehen zu bekommen, reicht es. Auch war die gemeinsame Zeit nicht zu lang und der Babysitter zumindest theoretisch immer dabei. Das viel gepriesene Nachtleben allerdings ist für junge Eltern trotzdem kein Magnet.

 Eine große Wohnung in zentraler Lage ist für eine Familie die günstigste und angenehmste Variante des Wohnens. Allein die Tatsache, dass es solche Wohnungen zu erschwinglichen Preisen gibt, spricht für einen Urlaub in Budapest. Zudem spart man sich lange Anfahrten aus der Peripherie zum Stadtbummel, kann zwischendurch in die Wohnung zurückkehren und abends gemeinsam kochen (was Geld spart) und zur Ruhe kommen (was die Nerven schont).

 Für einen Wein in einem der gemütlichen Restaurants am Donauufer kann man abends die Wohnung auch mal verlassen. Wenn die Babysitter mitspielen.

Nachteile dieser Reiseform:

 Stadturlaub mit Kleinkind und Großeltern heißt vor allem für die dazwischen hängende Generation: Verzicht üben. Denn Rücksicht muss man nicht nur auf die Bedürfnisse des Kindes, sondern auch auf die der Großeltern nehmen. Es dauert einige Zeit, bis man den kleinsten gemeinsamen Nenner gefunden hat.

 Die Kombination „relativ kurze Reisedauer und Städtetrip“ macht den Urlaub vergleichsweise teuer.

Erholung oder Abenteuer?

Eher Abenteuerurlaub, denn es war nicht nur unsere erste Städtereise mit Kind, sondern auch mit Großeltern.

Das würden wir beim nächsten Mal anders machen:

Vorher klären, wer klassische Sehenswürdigkeiten will und wer abseits ausgetrampelter Touristenpfade auf Entdeckungsreise gehen möchte, öfter mal getrennte Wege gehen. Ganz klar vorab festlegen, wie viel Babysitter-Dienst die Großeltern tatsächlich leisten wollen. Für eine erste gemeinsame Reise ist es sicher auch von Vorteil, ein schon etwas bekanntes Reiseziel zu wählen.

Der ultimative Reisetipp für Reisen mit Großeltern und Kleinkind:

Die Margareteninsel mitten in der Stadt und der Donau gelegen. Der weitläufige Park hat ein paar sehenswerte Ruinen, nette Restaurants und Spielmöglichkeiten für Kinder. Immer wieder kann man Blicke auf die Silhouette der Stadt werfen.

Spartipps:

 Zahlreiche Sehenswürdigkeiten in Budapest kann man gratis besichtigen, etwa das Parlamentsgebäude, die St. Stephans-Basilika oder die Ungarische Nationalbank (Treppenhaus und Eingangshalle, Wandmalereien und Kacheln im Jugendstil). Oft sind die Fassaden in den Straßen Sehenswürdigkeit genug.

 Für Kinder gibt es fast immer Ermäßigungen, auch Familienpreise sind üblich. Wenn es in den Restaurants kein spezielles Kinderessen gibt, werden die normalen Portionen durchaus geteilt.

 In den meisten Thermalbädern (Gellért, Király, Lukács, Rudas, Széchenyi) bekommt man tagsüber einen Teil des Eintrittsgeldes zurück, wenn man das Bad innerhalb von zwei bzw. drei Stunden wieder verlässt.

Allgemeine Infos:

www.ungarn-tourismus.de

Fazit:Stadturlaub mit Großeltern und Kleinkind würden wir erst einmal nicht mehr machen. Als Mittelgeneration bleiben unsere eigenen Bedürfnisse zu sehr auf der Strecke.

Günstig reisen mit Kindern

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