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Kapitel 3: Monogam oder polyamor

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»Sex muss transformiert werden. Weder unterdrückt noch sinnlos übertrieben. Und der einzige Weg, Sex zu transformieren, ist sexuell zu sein, in tiefer meditativer Wachheit«

Osho

An dieser Stelle möchte ich auf die Frage eingehen, wie viele Liebesverbindungen wir, wenn überhaupt, auf eine heilende, wohltuende und segensreiche Weise gleichzeitig eingehen und leben können. In meinen Seminaren und Trainings zeigen sich immer wieder Teilnehmer mit dem Konflikt, dass sie sich gleichzeitig zu mehr als nur einem Menschen hingezogen fühlen. Sie erleben sich in solchen Konstellationen oft verwirrt oder überfordert und ringen um eine stimmige und für alle Beteiligten würdevolle Lösung.

Nach meiner Erfahrung ist dabei vor allem die Qualität unseres Kontaktes zu uns selbst entscheidend wichtig. Um diese zu vertiefen und zu stabilisieren braucht es unsere rückhaltlose Bereitschaft, den schmerzhaftesten Wunden und dunkelsten Schatten in uns wahrhaftig zu begegnen. Dabei geht es auch immer wieder um die Klärung und Heilung unserer Ur-Wunden, die wir aus den primären Prägungen unserer Kindheit in uns tragen. Dies erweckt in uns den wachsenden Wunsch, den Kontakt zu unserer Innenwelt und dem Göttlichen (beides ist natürlich eins!) ständig zu pflegen. Darauf werde ich im weiteren Verlauf dieses Buches noch vertieft eingehen.

Je bewusster, liebevoller, geduldiger und wertschätzender wir mit uns selbst umgehen können, desto freier und harmonischer wird sich auch der Ausdruck unserer menschlichen Liebe entfalten. Je sicherer wir uns von innen her geführt fühlen und erleben, desto weniger brauchen wir Gebote, Vorschriften, Richtlinien und Anleitungen. Wir sind dann zunehmend bewusst und präsent und bleiben auch in intensiven Erfahrungen in unserer eigenen Mitte. Die Verbindung mit der Klarheit und Gewissheit unserer inneren Weisheit und Führung wird kraftvoll und klar.

Natürlich sind und bleiben wir in unserer Offenheit auch weiterhin berührbar und verletzlich, doch die Liebe befreit uns mehr und mehr von lähmender Angst und quälender Schuld. In Momenten des Nicht-Wissens können wir innerlich die göttliche Kraft anrufen und sie bitten, uns den nächsten Schritt, die nächste Bewegung, die angemessenen Worte und stimmigen Entscheidungen zu zeigen. Dann durchströmt sie uns, führt und bewegt uns, spricht und entscheidet durch uns. Dies ist jedes Mal buchstäblich wundervoll und wird immer öfter und schließlich ständig zur Grundqualität unseres Lebens.

Aus einer freien Entscheidung für eine klar monogame Partnerschaft kann ein großartiger gemeinsamer Weg erwachsen. Entscheidend ist, dass ein solcher Entschluss nicht überwiegend aus Angst vor Verlust und Einsamkeit getroffen wird. Denn dies hätte Abhängigkeit und ungesunde Anpassung zur Folge. Abhängigkeitsbeziehungen können vorübergehend als „Ruhebank“ dienen, verhindern jedoch auf Dauer weiteres Wachstum. Aus einem tiefen Bedürfnis nach Entwicklung muss dann früher oder später einer von beiden diesen unerträglich gewordenen Zustand oft schmerzhaft aufbrechen. Wer in seinem Leben schon mehr als einmal verliebt war, trägt polygame Tendenzen in sich, die dann meist im Nacheinander gelebt werden.

Auf die in unserer Gesellschaft anerkannte Zweisamkeit werde ich (im dritten Teil) noch ausführlich eingehen. Da sich in meinem Leben die Liebe über längere Zeit eher unkonventionell ausgedrückt hat, beleuchte ich zunächst auch jene Bereiche, über die aus der Perspektive des Bewusstseins der Einheit bislang noch wenig geschrieben wurde. Falls dies für dich kein Thema ist, das dich beschäftigt, kannst du auch den Rest dieses Kapitels überspringen, ohne etwas für dich Wichtiges zu verpassen. Ob wir uns in gewissen Phasen unseres Lebens nur mit einem einzigen Partner verbinden wollen oder auch für mehrere offen sind, ist abhängig von unserem Seelenplan (auf den ich im nächsten Kapitel eingehe), sowie von der Qualität unseres Kontaktes zu uns selbst.

In diesem Zusammenhang taucht gerade in mir eine Erinnerung auf an eine prägende Erfahrung, die ich vor ca. 30 Jahren als Teilnehmer einer Begegnungsgruppe mit etwa 60 Teilnehmern hatte. Am ersten Abend wurden wir aufgefordert, einen Partner des anderen Geschlechts zu finden, um mit ihr/ihm in der folgenden Nacht zusammen zu sein. Am nächsten Abend das Gleiche, nur dass wir dieses Mal jemanden wählen sollten, von dem wir uns gar nicht besonders angezogen fühlten. Diese Übung sollte uns die Möglichkeit einer Begegnung unabhängig von äußeren Reizen und oberflächlichen Anziehungsprogrammen aufzeigen. Welche Nacht war wohl für mich die schönere? Erraten – die zweite! Erstaunlich oder? Offensichtlich ist die Freiheit von Projektionen einer wohltuenden Begegnung und Nähe durchaus zuträglich.

Ich bleibe noch kurz in Poona/Indien – dort fand nämlich die besagte Gruppe statt. Für die letzte Nacht gab es die Einladung, sie in einer gemischten Kleingruppe zu verbringen. Wir waren vier Männer und vier Frauen und trafen uns in einer romantischen Bambushütte. Die Nacht war warm. Kerzen brannten. Wir kannten uns kaum und wussten, dass wir miteinander ein Risiko eingehen würden. Ich ging vor unserem Treffen noch allein in die große Meditationshalle und machte mich vollkommen leer von Erwartungen und Bedürfnissen. Eine tiefe Entspannung, verbunden mit einem völligen inneren Loslassen stellte sich dort in mir ein.

Dann später, in der schönen Hütte, kam ganz unerwartet eine befreite, ekstatische Liebesenergie über mich. Sie bewegte meinen Körper und die Kraft ließ alles in frei fließender, wunderbarer Weise geschehen. Wir entkleideten uns ganz natürlich und ungezwungen. Auf entspannte, achtsame und gleichzeitig voll präsente Weise begannen wir, uns gegenseitig zu berühren. Mehr und mehr entwickelte sich ein körperlich-energetischer Liebesreigen, der alle Anwesenden erfasste und für einen ekstatischen Liebesfluss öffnete. Es gab keine Konkurrenz, Eifersucht oder Rivalität. Wir waren eins. Mit jeder und jedem gab es lustvolle Berührungen und inspirierende Begegnungen.

Vollkommen wach konnte ich in jedem Moment spüren, wo noch etwas ängstlich festgehalten wurde. Meine öffnenden und befreienden Impulse wurden dankbar und freudig angenommen und weitergegeben. Diese Verzückung bewegte uns unendlich heilend und beglückend die ganze Nacht. Mein Geist war dabei voll präsent, kristallklar und ausgedehnt. In der Morgendämmerung verließ ich die Hütte, um in den großen Gartenbrunnen zu springen. Als ich in das kühle Nass eintauchte, wusste ich tief in mir, dass sich in dieser Nacht ein Potenzial freigesetzt hatte, von dem ich meinen damaligen Lehrer Osho oft habe sprechen hören.

Wenn wir als begrenztes Ich beiseite treten, bekommt das Göttliche in uns einen Raum, in dem ES vollkommen und ungehindert wirken kann. Osho sprach oft über die Vereinigung der „Zorbas-Natur“ mit der „Buddha-Natur“. Die Erfahrung dieser Einheit war für mich wie ein Gipfelerlebnis und schenkte mir klare Einsichten und höchste Erfüllung, die seither unvergesslich in meinem Zellgedächtnis gespeichert sind.

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