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Kapitel 3:
Wie aus Ketzerbestreitern Ketzer wurden oder: Die Jerusalemer Judenchristen in den ersten beiden Jahrhunderten
ОглавлениеHistorische Abgrenzungen. Das Problem der Kontinuität
Äußerlich lassen sich zwei Phasen des Jerusalemer Christentums unterscheiden, die Zeit vor dem Jüdischen Krieg im Jahre 70 n. Chr. und die Zeit danach, die den Jerusalemer Christen ein weiteres Verweilen in der jüdischen Metropole kaum mehr erlaubte, weil mit der Zerstörung des Tempels durch Heiden der heilige Ort auf Dauer geschändet worden und so ein Bruch mit der Vergangenheit vollzogen war.
Wie die Jerusalemer Christen die heilige Stadt der Juden verlassen haben, ist umstritten. Eine dogmatisch motivierte Antwort bietet der Kirchenvater Euseb im 4. Jh. Er schreibt darüber Folgendes in seiner Kirchengeschichte (= KG) III 5,2 f (die entsprechenden Bibelverse, die Euseb im Blick hat, sind in Klammern gesetzt):
(2) »Als nun nach der Himmelfahrt unseres Erlösers (Apg 1,9) die Juden zu dem Verbrechen an dem Erlöser (sc. als Schuldige an seinem Tode: 1Thess 2,15; Mk 15,6 – 15) auch noch die höchst zahlreichen Vergehen an seinen Aposteln begangen hatten, als zunächst Stephanus von ihnen gesteinigt (Apg 7,58 f), sodann nach ihm Jakobus, der Sohn des Zebedäus und Bruder des Johannes, enthauptet (Apg 12,2 f) und schließlich Jakobus, welcher nach der Himmelfahrt unseres Erlösers zuerst den bischöflichen Stuhl in Jerusalem erhalten hatte, auf die angegebene Weise beseitigt worden war1, als die übrigen Apostel nach unzähligen Todesgefahren, die man ihnen bereitet hatte, das Judenland verlassen hatten und mit der Kraft Christi, der zu ihnen gesagt hatte: ›Geht hin und lehrt alle Völker in meinem Namen!‹ (Mt 28,19) zur Predigt des Evangeliums zu allen Völkern hinausgezogen waren, (3) als endlich die Kirchengemeinde in Jerusalem in einer Offenbarung, die ihren Führern geworden war, die Weissagung erhalten hatte, noch vor dem Krieg die Stadt zu verlassen und sich in einer Stadt Peräas, namens Pella, niederzulassen, und als sodann die Christgläubigen von Jerusalem weggezogen waren, und weil damit gleichsam die heiligen Männer die königliche Hauptstadt der Juden und ganz Judäa völlig geräumt hatten, da brach zuletzt das Strafgericht Gottes über die Juden wegen der vielen Freveltaten, die sie an Christus und seinen Aposteln begangen hatten, herein und vertilgte gänzlich dieses Geschlecht der Gottlosen aus der Menschengeschichte.«
Der übergreifende Zusammenhang ist die dogmatische Aussage, dass die Zerstörung Jerusalems eine Strafe Gottes gegen die vielen »Untaten« der ungläubigen Juden gegen Jesus und seine Apostel war.2 In sie flicht Euseb die auf Überlieferung zurückgehende Einzelnachricht3 ein, dass die Christen vor dem Krieg die Weissagung erhielten, Jerusalem zu verlassen und in Pella Wohnung zu nehmen. Damit ist eine klare Trennung erreicht zwischen den Guten, die bisher eine Katastrophe verhindert haben, und den »Bösewichtern«, die in der Stadt bleiben und jetzt, da die heiligen Männer Jerusalem und überhaupt ganz Judäa verlassen haben, bestraft werden können.
Doch erregt hier wie sonst in der Geschichte ein Bericht von einem derart eindeutigen Verlauf das Misstrauen. Folgende Fragen stellen sich:
1. Wie alt ist und von wem stammt die Überlieferung vom Auszug der Urgemeinde nach Pella? Antwort: Sie dürfte auf Aristo von Pella (= Anfang des 2. Jh.s) zurückgehen (vgl. Euseb, KG IV 6,3 f) und setzt voraus, dass die Gemeinde in Pella geblieben und nicht nach Jerusalem zurückgekehrt ist.
2. Gibt es auch konkurrierende Traditionen? Das ist zweifellos der Fall. Der aus Palästina gebürtige Judenchrist Hegesipp verfasste in der zweiten Hälfte des 2. Jh.s ein fünfbändiges Werk »Hypomnemata«. Von ihm sind umfangreiche Fragmente in Eusebs Kirchengeschichte erhalten, in denen Hegesipp klar erkennbar von einer Kontinuität der Jerusalemer Gemeinde ausgeht.
3. Ist es vorstellbar, dass die Gesamtheit der Jerusalemer Gemeinde noch so kurz vor dem Krieg hätte fliehen können? Kaum. Verfechter der Historizität der Pella-Nachricht sind daher auch gezwungen, den Auszug vorzudatieren, z. B. ins Jahr 62, unmittelbar nach der Ermordung des Jakobus.
4. Wenn Pella anerkanntermaßen eine heidnische Stadt war, ist es dann überhaupt denkbar, dass dort eine judenchristliche Gruppe Zuflucht erhalten hätte? Die Frage ist zu verneinen.
An anderer Stelle4 habe ich diese Fragen ausführlicher behandelt und bin zu dem Schluss gekommen, dass die Tradition eines Auszugs der Urgemeinde von Jerusalem nach Pella unhistorisch und die Gründungslegende der Pellenser Kirche ist, die sich mit ihr von der Jerusalemer Gemeinde herleitete. Jetzt möchte ich die These insoweit ergänzen, dass unmittelbarer Anlass der Entstehung dieser Überlieferung die Erzählung einzelner Jerusalemer Judenchristen gewesen sein mag, die in der Tat kurz vor dem Krieg Jerusalem verlassen hatten, ebenso wie andere Juden auch (vgl. Josephus, Ant XX, 256/Bell II 279: Ende 64 n. Chr., mit dem Amtsantritt des Gessius Florus, haben Juden Jerusalem verlassen).5 Diese Christen hätten dann später in Pella einen bleibenden Wohnort gefunden.
Jedenfalls bedeutete die Zerstörung des Tempels einen tiefen Einschnitt für die damalige Jerusalemer Gemeinde (und ebenfalls für die »nichtchristlichen« Juden). Ihre Nachfahren lebten in der Zukunft zersplittert an verschiedenen Orten: in Pella, Kokabe, Nazareth und im syrischen Beröa. Ein Teil der Urgemeinde aus Jerusalem sowie Teile des palästinischen Christentums dürften nach Kleinasien übergesiedelt sein (vgl. nur die Töchter des Philippus [Apg 21,8 f], von deren Ephesus- bzw. Hierapolis-Aufenthalt spätere Schriftsteller berichten [Polykrates von Ephesus bei Euseb, KG III 31,3 und Papias von Hierapolis, ebd., III 39,9]). Und schließlich ist die Möglichkeit nicht völlig von der Hand zu weisen, dass judenchristliche Restgruppen Jerusalemer Herkunft nach einiger Zeit wieder in Jerusalem ansässig geworden sind.
Die Nachricht Eusebs (KG IV 5,2), bis zur Niederwerfung der Juden unter Hadrian seien in Jerusalem 15 Bischöfe einander gefolgt und alle von Geburt Hebräer gewesen, sollte man zugunsten der zuletzt angeführten Möglichkeit nicht ins Spiel bringen, denn diese Überlieferung ist aus zwei Gründen anzuzweifeln. Erstens hat angeblich der Nachfolger des Jakobus und zweite Bischof, Symeon, bis ca. 115 n. Chr. den Bischofsthron innegehabt.6 Dann aber ist es unwahrscheinlich, dass in der verbleibenden Zeit bis zum Aufstand unter Hadrian, d. h. in 20 Jahren, 13 Bischöfe regiert haben. Zweitens sagt Euseb im gleichen Atemzug, er habe »über die Jahre der Bischöfe in Jerusalem keine schriftliche Nachricht ausfindig machen können«. (KG IV 5,1). Das macht die ganze Bischofsliste nicht glaubwürdiger. Vermutlich stammt sie überhaupt vom heidenchristlichen Bischof Narzissus, Anfang des 3. Jh.s, oder von seinen Anhängern7, denn für die zweite Periode bis zu ihm führt Euseb in einem Schematismus8 gleichfalls 15 heidenchristliche Bischöfe auf (IV 5,1 – 4; V 12).
Die Leitungsfunktion der Verwandten Jesu. Das Schicksal der Judenchristen
Jakobus, der Herrenbruder, war die Autorität in der späteren Phase der Jerusalemer Gemeinde. Nach seiner Ermordung im Jahre 62 übte ein Vetter Jesu, Symeon, bis zur trajanischen Zeit (= 98 – 117) die Leitung des »Jerusalemer« Gemeindeverbandes aus. Allerdings wird nicht recht deutlich, ob sich sein Sitz in Jerusalem befand. Hegesipp setzt dies zwar voraus (bei Euseb, KG IV 22,4), weil er an der Kontinuität der Amtsinhaber auf dem Jerusalemer Bischofsstuhl interessiert ist9, doch ist das aus allgemeinen historischen Gründen unwahrscheinlich. Wir wissen nur, dass nach der Ermordung des Jakobus zu einem bestimmten Zeitpunkt Symeon sein Nachfolger wurde, und zwar, weil er mit Jesus verwandt war.
Unter Trajan, so berichtet Hegesipp (bei Euseb, KG III 32,3), erlitt Symeon im Alter von 120 Jahren den Märtyrertod. Er muss also in Palästina eine bekannte Gestalt gewesen sein. Das gleiche gilt für die Enkel des Judas, der ein Bruder Jesu war. Sie wurden Hegesipp zufolge (bei Euseb, KG III 20,1 – 6) vor Kaiser Domitian geführt, aber wegen ihrer Harmlosigkeit in Freiheit gesetzt. Am Schluss der Erzählung heißt es:
»Sie aber erhielten nach der Freilassung, da sie Bekenner und Verwandte des Herrn waren, führende Stellungen in der Kirche. Nachdem Frieden geworden war, lebten sie noch bis Trajan«. (20,6).
Und schließlich besitzen wir ein weiteres Zeugnis über das Ansehen der Verwandten Jesu in Palästina, wenn es bei Euseb, KG I 7,14 (im Exzerpt aus Julius Africanus) heißt: »Die Herrenverwandten breiteten sich von den jüdischen Dörfern Nazareth und Kokabe aus über das übrige Land …«10 Man kann es kaum für einen Zufall ansehen, dass die Heimat der Herrenverwandten, Kokabe, und der Ort, wo zahlreiche Judenchristen wohnten, denselben Namen haben.11 Vielmehr deutet das auf eine Vereinigung beider Gruppen hin, die ja ohnehin wahrscheinlich ist, da der Herrenbruder Jakobus die Leitung der (judenchristlichen) Gemeinde Jerusalems innehatte.
Von den anderen (Heiden-)Christen getrennt, waren die Ebioniten und Herrenverwandten auch von den jüdischen Brüdern separiert und gerieten sozusagen zwischen die Stühle der zunehmend heidenchristlich werdenden Kirche und des sich neu formierenden jüdischen Synagogenverbandes.
Durch die Zerstörung Jerusalems hatten auch die jungen heidenchristlichen Kirchen ihren durch Jesus und die Jerusalemer Gemeinde (!) gesetzen Mittelpunkt verloren; ein neuer etablierte sich mit der römischen Gemeinde, die unter Berufung auf Petrus und Paulus (1Clem 5) bald einen Führungsanspruch erhob und ihn innerhalb eines Jahrhunderts auch durchsetzte.
Erst in der zweiten Hälfte des 2. Jh.s entdeckten einzelne Heidenchristen das Heilige Land wieder neu (Bischof Melito von Sardes besuchte um 160 n. Chr. Jerusalem [vgl. Euseb, KG IV 26,14])12, aber da war es für eine Rehabilitierung der Jerusalemer Christen schon zu spät; sie waren zu ebionitischen Ketzern geworden. Auch im Verhältnis zu ihren jüdischen Brüdern ging es ihnen nicht besser. Wenn sie beispielsweise am Synagogengottesdienst teilnehmen wollten, mussten sie fürchten, dass man bei der Rezitation des Achtzehnbittengebetes den Spruch gegen die Häretiker auf sie beziehen würde.13
Teil I: Das Jerusalemer Judenchristentum vor dem Jüdischen Krieg
Ich zeichne im Folgenden die dramatische Vorgeschichte des Jüdischen Kriegs nach.14 Das Auftreten Jesu hatte durch seine Kreuzigung ein Ende gefunden. Die Motive für die Hinrichtung durch den Römer Pilatus lagen darin, dass er Jesus für einen politischen Aufrührer hielt, den es kaltzustellen galt. Die Kreuzesinschrift »Der König der Juden«. (Mk 15,26) zeigt, wie Jesu Wirken als politisches verstanden werden konnte.
Und doch bedurfte es für die Überstellung Jesu durch die jüdische Behörde an die Römer eines besonderen Grundes. Dieser dürfte in Jesu Haltung zum Tempel zu finden sein.15 In den ntl. synoptischen Evangelien steht der Auftritt Jesu im Tempel (Mk 11,15 – 19 parr) in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner späteren Hinrichtung. Wohl ist nicht ohne weiteres klar, was Jesus mit der Aktion – ihre Historizität vorausgesetzt – bewirken wollte.
a) War sie als Tempelreinigung gedacht? Aber wer wird das Vertreiben der Händler und Verkäufer und das Umstoßen der Tische der Geldwechsler und Taubenhändler so auffassen können?
b) War sie als Tempelreform zu deuten? Aber dazu passt nicht, dass sie gar nicht den ganzen Tempel, sondern nur einen kleinen Bezirk betraf.
c) Jesu Aktion im Tempel dürfte eher eine symbolische Handlung sein, die auf etwas anderes hindeutet (vgl. die Zeichenhandlungen der atl. Propheten.16 Jesus versuchte, zeichenhaft den Tempelkult aufzuheben. »Diese Aufhebung aber geschah nicht, um den Tempelkult zu reformieren oder seine (weitere) Profanisierung zu stoppen, sondern um einem ganz neuen Tempel, dem eschatologischen und damit von Gott erwarteten, Platz zu machen.«17
Voraussetzung dieses Verständnisses ist zweierlei: 1) Jesus hat in wörtlichem Sinn das Umstürzen (Mk 11,15) verstanden, das auf den ganzen Tempel zielte; 2) er hat damit die Hoffnung auf einen neuen Tempel verbunden, wie sie sich im Judentum in verschiedenen Ausprägungen findet (Jes 60,13; Mi 4,1 – 2; Hag 2,6 – 9; Tob 14,7; 1Hen 90,28 f).
Ein weiterer Reflex der Tempelkritik Jesu findet sich im Bericht über seinen Prozess. Vgl. Mk 14,58: »Wir haben gehört, dass er gesagt hat: ›Ich will diesen Tempel, der mit Händen gemacht ist, abbrechen und in drei Tagen einen anderen bauen, der nicht mit Händen gemacht ist‹.« Die jesuanische Herkunft dieses Tempellogions ist sehr wahrscheinlich, umso mehr, als Mk 14,57 es ausdrücklich als Falschzeugnis darstellt (vgl. Apg. 6,14, wohin es – zur Entschärfung? – vom Vf. der Apg transportiert worden ist) und damit der Radikalität der Verkündung Jesu an dieser Stelle die Spitze abbricht. Des weiteren war die jesuanische Erwartung des himmlischen Tempels auch insofern gut verstehbar, als die Jerusalemer Urgemeinde sich mit dem Tempel identifizierte. Ihre Mitglieder hielten sich stets zum jüdischen Heiligtum (Apg 2,46; 3,1 ff; 21,26) und erwarteten hier in Einklang mit Jesus das Ende der Zeiten.
Als Analogie zum Tempelwort Jesu und der Reaktion der jüdischen und römischen Behörden sei auf das Beispiel von Jesus, Sohn des Ananus verwiesen. Über ihn schreibt der jüdische Historiker Josephus in einem bisher nicht ausreichend gewürdigten Bericht18:
»Vier Jahre vor dem Krieg, als die Stadt noch im höchsten Maße Frieden und Wohlstand genoss, kam nämlich ein gewisser Jesus, Sohn des Ananias, ein ungebildeter Mann vom Lande zu dem Fest, bei dem es Sitte ist, dass alle Gott eine Hütte bauen, in das Heiligtum und begann unvermittelt zu rufen:
›Eine Stimme vom Aufgang,
eine Stimme vom Niedergang,
eine Stimme von den vier Winden,
eine Stimme über Jerusalem und den Tempel,
eine Stimme über Bräutigam und Braut,
eine Stimme über das ganze Volk!‹ (vgl. Jer 7,34; 16,9)
So ging er in allen Gassen umher und schrie Tag und Nacht. Einige angesehene Bürger, die sich über das Unglücksgeschrei ärgerten, nahmen ihn fest und misshandelten ihn mit vielen Schlägen. Er aber gab keinen Laut von sich, weder zu seiner Verteidigung noch eigens gegen die, die ihn schlugen, sondern stieß beharrlich weiter dieselben Rufe aus wie zuvor. Da glaubten die Obersten, was ja auch zutraf, dass den Mann eine übermenschliche Macht treibe, und führten ihn zum Statthalter, den die Römer damals eingesetzt hatten. Dort wurde er bis auf die Knochen durch Peitschenhiebe zerfleischt, aber er flehte nicht und weinte auch nicht, sondern mit dem jammervollsten Ton, den er seiner Stimme geben konnte, antwortete er auf jeden Schlag: ›Wehe dir, Jerusalem!‹
Als aber Albinus – denn das war der Statthalter – fragte, wer er sei, woher er komme und weshalb er ein solches Geschrei vollführe, antwortete er darauf nicht das Geringste, sondern fuhr fort, über die Stadt zu klagen und ließ nicht ab, bis Albinus urteilte, dass er wahnsinnig sei, und ihn laufen ließ.
In der Zeit bis zum Kriege aber näherte er sich keinem der Bürger, noch sah man ihn mit jemandem sprechen, sondern Tag für Tag rief er, als ob er ein Gebet eingelernt hätte, seine Klage: ›Wehe, wehe dir, Jerusalem!‹
Er aber fluchte keinem von denen, die ihn schlugen, obwohl es täglich vorkam, noch segnete er die, die ihm Nahrung gaben, – eine einzige Antwort nur hatte er für alle, jenes unselige Rufen.
Am meisten aber schrie er an den Festtagen, und das tat er sieben Jahre und fünf Monate lang ohne Unterbrechung – seine Stimme stumpfte nicht ab, noch wurde er müde, bis er zur Zeit der Belagerung zur Ruhe kam, als er seinen Ruf zur Tat werden sah. Denn als er auf seinem Rundgang von der Mauer herab gellend rief: »und noch einmal wehe der Stadt und dem Volk und dem Tempel!‹, da setzte er zum Schluss hinzu: ›und wehe auch mir!‹, denn ein Stein schnellte aus der Wurfmaschine und traf ihn, so dass er auf der Stelle tot war und, noch jene Weherufe auf den Lippen, seinen Geist aufgab«. (Bell VI 300 – 309).19
Zurück zu Jesus von Nazareth: Seine männliche Jüngerschar, die von Galiläa mit ihm nach Jerusalem zum Passahfest gezogen war, hatte ihn vor bzw. bei der Festnahme fluchtartig verlassen, nach anfänglichem Zögern auch Simon Petrus, der unter den Jüngern Jesu eine Vorrangstellung innehatte. Freundinnen Jesu, die ebenfalls mit ihm von Galiläa nach Jerusalem zum Passahfest gereist waren, hielten dagegen länger bei ihrem Meister aus. Doch konnten auch sie sein Schicksal nicht wenden. Zu ihnen gehörte mit Sicherheit Maria aus dem galiläischen Fischerort Magdala, die von Jesus von einer schweren Krankheit geheilt worden war (Lk 8,2).
Endete der Karfreitag also wie ein großes Rätsel und war damit scheinbar alles zu Ende, so brach nicht lange nach dem Tod Jesu am Kreuz und der Flucht der Jünger nach Galiläa unverhofft ein neuer Frühling an. Wann genau sich das abgespielt hat, werden wir nie wissen. Aber nicht lange nach dem Todesfreitag sah Petrus in einer Vision Jesus lebendig, und dieses Geschehen führte zu einer Kettenreaktion.20 Hatte Petrus Jesus gesehen und gehört, so war damit der Inhalt der Visionen und Auditionen der anderen vorgegeben. Die Kunde verbreitete sich blitzartig, dass Gott Jesus nicht im Tod gelassen, ja, ihn zu sich erhöht hatte und dass dieser demnächst als Menschensohn auf den Wolken des Himmels wiederkommen werde.
Damit war eine neue Lage geschaffen, und die Jesusbewegung erlebte einen schwungvollen Neuanfang. Jetzt konnten Jesu Freunde noch einmal nach Jerusalem gehen und dort anknüpfen, wo ihr Meister das Werk unvollendet gelassen hatte, und das Volk sowie seine Oberen zur Umkehr rufen.
Vielleicht verstand man die Gegenwart als allerletzte Bußfrist, die Gott gegeben hatte. Der von Jesus selbst ins Leben gerufene Zwölferkreis (Mt 19,28)21 wurde von Petrus mitgerissen und sah ebenfalls Jesus (1Kor 15,5). Und wohl an dem Wochenfest (= Pfingsten), das auf das Todespassah folgte, ereignete sich jene Erscheinung auf einmal vor einer größeren Menge von Menschen, die man mit mehr als 500 angab (1Kor 15,6).
Auch Frauen waren jetzt unter denen, die Jesus sahen. Ja, auf gegnerische Einwände von jüdischer Seite und Fragen nach dem Verbleib des Leichnams Jesu hin wusste man alsbald zu berichten, dass Frauen das Grab leer gefunden hätten, und später, dass Jesus den Frauen am Grab sogar erschienen sei.22
Die Dynamik des Anfangs23 müssen wir uns hochexplosiv vorstellen, um so mehr, wenn eine ekstatische Disposition der von Jesus Zurückgelassenen mit zu berücksichtigen ist (C. Colpe). Am Anfang stand nicht, wie noch Ernst Haenchen in seinem einflussreichen Kommentar zur Apostelgeschichte gemeint hatte, ein pietistisch angehauchter Quietismus24, sondern eine umwerfende Erfahrung, die von Lukas25 eher noch domestiziert worden ist. Es blieb daher auch nicht aus, dass die leiblichen Brüder Jesu in den Strudel mit hineingerissen wurden, nach Jerusalem gingen und Jakobus sogar eine Einzelvision empfing (1Kor 15,7) – jener Jakobus, der zu Lebzeiten Jesu von seinem Bruder nicht viel gehalten hatte (Mk 3,20 f).
Für die genannten Vorgänge ist kaum mehr als ein Jahr anzusetzen. Vieles lief dabei nebeneinander her. Neben der Erfahrung des »Auferstandenen« in Visionen und Auditionen sind folgende Elemente der Entwicklung historisch fassbar:
1. Im Brotbrechen der versammelten Gemeinde wurde alsbald die Gemeinschaft mit dem hingerichteten, nun aber lebendigen Messias Jesus gegenwärtig.
2. Die Erinnerung an Jesu Wirken und sein Wort war unmittelbar gegenwärtig.
3. Die Naherwartung Jesu wurde ungebrochen übernommen, und an die Stelle des von Jesus vorausgesagten neuen Tempels trat die Gemeinde als Tempel, die von den Aposteln als Säulen getragen wurde.
4. Bestimmte Psalmen, wie z. B. Ps 110, wurden recht bald auf den erhöhten Messias-Menschensohn Jesus bezogen.
Ein neues Stadium erreichte die Bewegung, als sich ihr in Jerusalem griechischsprachige Juden anschlossen.26 Das mag bereits an jenem auf das Todespassah folgenden Wochenfest (= Pfingsten) gewesen sein, als sie aus aller Herren Länder in Jerusalem anwesend waren und von Jesus hörten. Auch auf sie wirkte das Tempelwort Jesu elektrisierend, nun aber so, dass daraus eine Gesetzeskritik floss (Apg 6,13). Aus Jerusalem hinausgedrängt, verbreiteten sie die Jesusbotschaft in den Gegenden außerhalb Jerusalems und lenkten die Aufmerksamkeit des Pharisäers Saulus auf sich. Dieser schritt zur Tat, unterdrückte die neue Predigt, bis er ebenfalls von Jesus überwunden wurde, ihn sah und hörte.
Mit diesem Ereignis scheint ein Schlusspunkt des ältesten Osterglaubens erreicht. Ja, für die Jerusalemer Urgemeinde lag die Erscheinung Jesu vor Paulus eigentlich bereits außerhalb der Zeit der Osterereignisse. Die Tradition in 1Kor 15,7 sagt ausdrücklich, Christus sei allen Aposteln erschienen. Wenn Paulus trotzdem eine Christuserscheinung empfangen zu haben behauptet, sich dann aber im Vergleich mit den Uraposteln als »Fehlgeburt«. (1Kor 15,8) bezeichnet, bekräftigt er diese Sicht der Urgemeinde.27
Ekstatische Erfahrungen im Rahmen einer Christusschau kamen in Jerusalem auch noch später vor und setzten sich bei Paulus fort. So berichtet Lukas in Apg 7,55 – 56 unter Benutzung einer sicher auf einen geschichtlichen Kern zurückgehende Tradition (V. 56) von Stephanus28:
»Voll von heiligem Geist blickte er zum Himmel und sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen und sprach: ›Siehe, ich sehe die Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen‹.«29
Und Paulus gibt in 2Kor 12,2 – 4 zum Thema »Schauungen und Offenbarungen«, provoziert durch gegnerische Anwürfe, den Eigenbericht einer Entrückung bzw. einer Himmelsreise:
(2) »Ich kenne einen Menschen in Christus vor 14 Jahren – entweder im Leib, ich weiß es nicht, oder außerhalb des Leibes, ich weiß es nicht, Gott weiß es, dass dieser bis zum drittten Himmel entrückt wurde.
(3) Ich kenne diesen Menschen – entweder im Leib oder außerhalb des Leibes, ich weiß es nicht, Gott weiß es, (4) dass er in das Paradies entrückt wurde.«
Indes gewannen diese Erlebnisse nicht die normative Bedeutung wie die zuvor genannten.
Die erste gemeinsame Erfahrung der Menge in Jerusalem, die mit der Erscheinung Jesu vor den mehr als 500 (1Kor 15,6) identisch sein dürfte, hatte ja eine Art initiatorischen Charakter und steht in ihrer Bedeutung mit der ersten Vision des Petrus in Galiläa auf einer Stufe. So wie nur in dieser die eigentliche Berufung des Petrus erfolgte, so war auch das Pfingstereignis konstitutiv für die Bildung einer neuen Gruppe innerhalb der Jerusalemer Juden. Es verlieh der Jesusgemeinde einen Kraftschub und veränderte ihre Lage gegenüber der vor der Hinrichtung Jesu grundlegend.
Erste Institutionalisierungen und Parteiungen30
Bereits auf die von Petrus in Galiläa betriebene Wiederherstellung des Zwölferkreises treffen die Merkmale einer Institutionalisierung zu, doch hatte diese offenbar einen eschatologisch-symbolischen Charakter und war ganz vom Enthusiasmus geprägt. Denn »sinnvoll war sie nur, wenn wie bei Jesus 12 Stämme Israels bei Anbruch der Gottesherrschaft voll repräsentiert sein sollten«31, was ja eine fast rauschhafte Naherwartung voraussetzte. Hingegen ergab sich nach dem Abflauen der Pfingsterfahrung die Notwendigkeit eines größeren Realitätsbezugs, das Leben ging weiter.
Die nun folgenden Institutionalisierungen waren an einem Weiterbestehen des gegenwärtigen Äons orientiert – nicht an seinem Ende –, wobei Einzelelemente der Lehre und Erwartung Jesu aufgenommen und produktiv weiterentwickelt wurden.32
Die erste und bedeutendste Institutionalisierung neuen Charakters bestand in der Einführung der Taufe33, die von Anfang an zur Vergebung der Sünden geschah und mit der die Verleihung des heiligen Geistes per Handauflegung verbunden war. Der eigentliche Grund für diese Handlung dürfte die schlichte Tatsache der Taufe Jesu durch Johannes (»zur Vergebung der Sünden«34) gewesen sein. Als dann Jesus zum Mittelpunkt des neuen Kultes geworden war, entstand wohl die Meinung, er habe auch selbst getauft (vgl. Joh 3,26 [»(Jesus) tauft und alle kommen zu ihm«]), die aber sofort korrigiert wird (vgl. Joh 4,2 [»Jesus taufte nicht selber, sondern seine Jünger«]).
Die zweite gleichermaßen bedeutende Institutionalisierung war die des »Herrentages«. (so wörtlich in Apk 1,10), an dem das Herrenmahl gefeiert wurde. Der »Herrentag« war der Tag nach dem Sabbat, an dem Jesus nach urchristlichem Glauben von den Toten auferweckt worden war (1Kor 15,4b). Wahrscheinlich hielt die junge Gemeinde zusammen mit den Juden auch den Sabbattag, doch streicht die ebenfalls allwöchentlich begangene Feier des Herrenmahls am Sonntag ihre Identität schon stark heraus.
Eine dritte Institutionalisierung wird zuweilen in der Apg 6,1 ff geschilderten Witwenversorgung als Diakonat bzw. als Tischdienst gesehen.35 Doch fällt eine Zustimmung zu dieser These schwer, weil Lukas in Apg 6 mit der Witwenversorgung offensichtlich einen anderen Konflikt überspielt.36. Gleichwohl dürften die Sieben (ebenso wie die Zwölf) eine institutionelle Aufgabe gehabt haben. Vielleicht sind die Sieben Kontrastbildung zu den Zwölf, den bisherigen Repräsentanten des Zwölf-Stämme-Volkes. Nur wissen wir damit noch nichts über ihre Funktion.37
In jedem Fall deuten die Sieben auf eine Parteiung hin. Denn die sieben Männer (Stephanus, Philippus, Prochorus, Nikanor, Timon, Parmenas, Nikolaos) tragen alle griechische Namen. Sie waren offensichtlich Vertreter einer von den aramäisch sprechenden Jesusnachfolgern zu unterscheidenden griechischsprachigen Gemeinde in Jerusalem, die sich aus Juden der Diaspora rekrutierte und die, wie Apg 6 – 7 berichtete, in freierer Weise als die »Hebräer« unter Berufung auf Jesus (Apg 6,13 f) Gesetzeskritik übten.38
So bleibt festzuhalten, dass nahezu von Beginn an zwei unterschiedliche Arten von Christentum in der heiligen Stadt versammelt sind, die eine aramäischsprachig und an jüdischen Sitten festhaltend, die andere griechischsprachig mit latent antinomistischer Tendenz. Pluralität steht also am Anfang der Urgemeinde, die viele der später ausgebrochenen Gegensätze bereits in sich barg. Aber zunächst hielt man noch zusammen.
Die geschichtliche Entwicklung:
Von den Anfängen bis zum Apostelkonzil
Als erste Phase ist die eschatologische Sammlung unter der Leitung des Petrus anzusprechen. Während dieser Zeit wird die griechischsprachige Fraktion des Christentums, die Hellenisten, gewaltsam aus Jerusalem gedrängt und Stephanus, einer der Sieben, in einem Tumult zu Tode gebracht (Apg 7,58). Die Akteure hierbei waren im Gegensatz zum Prozess gegen Jesus, in dem die Römer einschritten, Jerusalemer Juden, die Stephanus steinigten. Die andere Fraktion des Christentums verblieb unbehelligt in der jüdischen Metropole. »Die eschatologische Institutionalisierung war das Werk des Petrus … Er leitete die Versammlung für Gott und war insofern dessen theokratischer Repräsentant. Als solcher konnte er nur ein einziger sein.«39 Es ist kein Zufall, dass Paulus ihn alsbald (drei Jahre) nach seiner Bekehrung aufgesucht hat, um ihn kennenzulernen (Gal 1,18).
In der Folgezeit bildeten zwei andere Männer, Jakobus und Johannes (die Söhne des Zebedäus), zusammen mit Petrus ein Leitungsgremium und erhielten den Ehrennamen »die Säulen«. Sie waren zusammen mit Petrus zu Jesu Lebzeiten dessen engste Vertraute gewesen.40 Als der Zebedaide Jakobus Opfer einer Verfolgung wurde (Apg 12,1 f), trat sein Namensvetter Jakobus, der Bruder Jesu, an seine Stelle, dies wohl nicht in erster Linie aufgrund seiner Jüngerschaft, sondern vor allem wegen Familienzugehörigkeit.41 Paulus hatte jedenfalls 14 Jahre danach bei seinem zweiten Besuch in Jerusalem (Gal 2,1) mit einem Leitungsgremium zu tun, das sich aus diesem zweiten Jakobus, dem Petrus sowie dem anderen Zebedaiden Johannes zusammensetzte (Gal 2,9).
Inzwischen waren die aus Jerusalem vertriebenen Hellenisten nicht untätig geblieben. Sie verbreiteten den neuen Glauben im Umkreis von Jerusalem und bis hin nach Damaskus, Antiochien und Phönizien (Apg 11,19 – 22). Ihre geisterfüllte Predigt (Apg 6,10) schloss nun auch Heiden nicht mehr aus, ja beide, Juden- wie Heidenchristen bildeten bald eine Gemeinschaft.
In Antiochien empfing die merkwürdige neue Sekte aus Juden und Nichtjuden von Außenstehenden den fortan geltenden Namen: Ihre Mitglieder wurden »Christianer« genannt (Apg 11,26). Dies geht nicht etwa auf das Programm der betreffenden Gruppe zurück, sondern ist eine Fremdbezeichnung durch politische Behörden, die etwas auf einen Begriff bringen, oder durch konkurrierende Gruppen, die sich damit abgrenzen.42 Dieser Name wurde von den Christen recht bald übernommen, weil er deren Anliegen treffend wiedergab. Bereits zwei Generationen später kann Bischof Ignatius aus demselben Antiochien, in dem diese Fremdbezeichnung aufgekommen war, wie selbstverständlich vom »Christianismos« sprechen und triumphierend ausrufen: »Das Christentum ist nicht zum Glauben an das Judentum gekommen, sondern das Judentum (zum Glauben) an das Christentum«. (IgnMagn 10,3 u.ö.).
Die Jerusalemer Gemeinde dürfte die Entwicklung in Antiochien mit großer Skepsis und Sorge beobachtet haben. Wohnte sie selbst am Vorort des Heils, Jerusalem, und sah sie sich selbst als die Gemeinde an, die auf den Säulen Petrus, Jakobus und Johannes ruhte und von der es allenfalls einige Ableger außerhalb Jerusalems geben durfte, so wurde man in Antiochien eines neuen Kirchentyps gewahr. Dieser war nicht auf Petrus und den anderen Säulen, sondern auf Christus selbst gegründet und baute in der Praxis die Schranken zwischen Juden und Heiden ausdrücklich ab. Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Schilderung, die Paulus in Gal 2,12 vom gemeinsamen Essen von Juden- und Heidenchristen gibt (dazu weiter unten S. 74 f).
Ein anderes Unterscheidungsmerkmal zwischen beiden Kirchentypen betrifft den Aposteltitel. Ist er nach Jerusalemer Verständnis als Erscheinungsapostolat an Jerusalem gebunden und chronologisch begrenzt, so kann die antiochenische Gemeinde ihn für ihre Abgesandten gebrauchen und kennt offenbar keinerlei zeitliche Einschränkungen (vgl. Apg 14,4.14; Did 11,4). Hier ist er ein pneumatisch-charismatischer Wanderapostolat.
Idealtypisch geurteilt, liegen in Jerusalem und Antiochien also zwei verschiedene Kirchentypen vor43, allerdings nur idealtypisch, denn in der historischen Wirklichkeit realisieren sich Idealtypen nur bis zu einem gewissen Grad, und Paulus, aus dessen Schrifttum die obige Charakteristik weitgehend gewonnen wurde, ist im Hinblick auf das Kirchenverständnis nicht frei von widersprüchlichen Zügen. Er trieb die Unabhängigkeit seines Kirchenverständnisses nicht auf die Spitze und konnte gelegentlich auch so verstanden werden, dass Jerusalem in der Tat der Mittelpunkt der Christenheit sei.44 Eine ähnliche Kombination von Vorstellungen findet sich in dem Verständnis seines Apostelamtes. Behauptet er einmal, es entspreche dem Jerusalemer Erscheinungsapostolat (1Kor 15,8), so ist Paulus doch faktisch Wanderapostel.45
Konflikte waren angesichts der auseinanderdriftenden christlichen Gruppen der Frühzeit vorprogrammiert. Für die in Jerusalem verbleibende aramäisch-sprachige Gemeinde war die Thora nach wie vor gültig. Wer sich – ob Jude oder Heide – im Namen Jesu taufen ließ, hatte noch längst nicht den Freibrief, sich vom Gesetz zu dispensieren. Jesus war nämlich gekommen, das Gesetz zu erfüllen – nicht zu zerstören (Mt 5,17).
Ein Versuch, diese Krise zu meistern, ist das sog. Apostelkonzil, von dem Paulus in Gal 2 und Lukas in Apg 15 berichten. Wir halten uns an den Bericht des Paulus, der ja selbst maßgeblich am Krisenmanagement beteiligt war.46
Hier steht die Forderung zur Debatte, ob Heidenchristen beschnitten werden sollten, um Mitglieder der christlichen Gemeinde werden zu können (Gal 2,3). Sie richtet sich gegen die Praxis, Heiden ohne Beschneidung in die Gemeinde aufzunehmen, und wurde nicht erst zur Zeit des Konzils erhoben, sondern bereits vorher, und zwar in der Gemeinde Antiochiens, in die sich die von Paulus so titulierten »falschen Brüder« eingeschlichen hatten, um die Freiheit der dortigen Christen »auszukundschaften«.47
Darauf zieht Paulus mit Barnabas nach Jerusalem und nimmt in einem provokativen Akt auch den Heidenchristen Titus mit, um auf diese Weise grundsätzlich die Zustimmung der Jerusalemer Gemeinde zu seiner eigenen gesetzesfreien Praxis zu erlangen.
Aus dem paulinischen Bericht im Gal lassen sich zwei Verhandlungsgänge voneinander unterscheiden: Einer findet im Rahmen einer Gemeindeversammlung (Gal 2,2a), der andere mit den »Säulen« im kleinen Kreise statt (Gal 2,2b.6 ff). Das zeitliche Verhältnis der Unterredungen ist unklar.
Nach zähen Unterredungen und erregten Auseinandersetzungen, die spätestens in den Streitereien zum Zeitpunkt des Gal wieder aufgeflammt sind, kann Paulus den »Säulen« die Zustimmung abringen, dass die Heidenchristen nicht beschnitten werden müssen. Der Begleiter des Paulus, der Grieche Titus, wird jedenfalls nicht zur Beschneidung gezwungen (Gal 2,3; vgl. 2,14; 6,12).48 Gleichwohl war die Zustimmung hart umkämpft, ja, man wird sogar annehmen müssen: Die »falschen Brüder« hatten bei ihrer Forderung der Beschneidung des Titus wenigstens anfangs einen erheblichen Rückhalt in der Jerusalemer Gemeinde und weiterhin wohl auch die »Säulen« zumindest teilweise auf ihrer Seite.
Trotzdem – Paulus hatte die grundsätzliche Zustimmung der Jerusalemer Gemeinde zu seiner beschneidungsfreien49 Heidenmission erhalten. Der Grund für die mit einem feierlichen Handschlag besiegelte Einigung war offensichtlich ihr Erfolg, vor dem die Jerusalemer die Augen nicht verschließen konnten, und weiterhin die Bereitschaft der heidenchristlichen Gemeinden bzw. ihrer Vertreter, Paulus und Barnabas, die Einigung mit einer Geldgabe zu besiegeln.
Die Jerusalemer nahmen wohl eine zwiespältige Haltung gegenüber Paulus ein: Einerseits war sein Tun natürlich unzureichend, da die von ihm Bekehrten die Thora nicht hielten, und sogar gefährlich, da ihr Beispiel Juden andauernd zur Übertretung des Gesetzes anreizte. Andererseits war es besser als gar nichts, da Christus gepredigt und Zentren gegründet wurden, in denen die Arbeit durch Abgesandte aus Jerusalem fortgesetzt werden konnte. Die Richtigkeit solcher Betrachtungen vorausgesetzt, war die großzügige Geste des Paulus vielleicht der Punkt, der sie – zumindest für den Augenblick – für die seltsame Nachgeburt aus Tarsus einnahm, dies um so mehr, wenn sie aus der Spende gewisse Rechtsforderungen ableiten konnten. Zwar ist Paulus in seinem Bericht über die Konferenz in dieser Hinsicht zurückhaltend. Er versichert: »Mir haben die in Ansehen Stehenden nichts zusätzlich auferlegt«. (Gal 2,6). Dann aber folgt doch noch eine Zusatzklausel: »Nur sollten wir der Armen fürsorgend50 gedenken, was zu tun ich mich bemüht habe«. (Gal 2,10). »Deshalb ist die wichtigste Bestimmung des Konvents die unscheinbarste: die Sammlung für die jerusalemische Gemeinde; und die ferneren Bemühungen des Paulus für diese Kollekte gehören zum Wichtigsten seiner Tätigkeit.«51
Um das Verständnis der Kollekte ist in der Forschung lange gerätselt worden. Eine Richtung versteht sie in Analogie zur Tempelsteuer52, eine andere verweist darauf, dass mit ihr die Verheißung der Völkerwallfahrt in Erfüllung gehe.53 Schließlich wurde behauptet, die Kollekte sei in Jerusalem auferlegt und in den paulinischen Gemeinden gesammelt worden, damit diese »den traditionellen Status der Gruppe der ›Gottesfürchtigen‹ einnehmen können.«54 Da Primärquellen für die Sicht der Jerusalemer Gemeinde nicht vorhanden sind, bleiben das alles nur Vermutungen.
Eines scheint freilich sicher zu sein: Die Jerusalemer Verhandlungspartner und Paulus haben die Kollekte verschieden aufgefasst55, oder, vorsichtiger gesagt, die Vereinbarung erlaubte ihnen, die Kollekte unterschiedlich zu interpretieren. Dabei hat die Jerusalemer Gemeinde mit großer Wahrscheinlichkeit Rechtsforderungen aus der »Vereinbarung« abgeleitet56, Paulus aber den rechtlichen Charakter der ständigen Unterstützung z. T. verschleiert. Man vgl. Röm 15,25f: »Jetzt aber fahre ich hin nach Jerusalem, um den Heiligen zu dienen. Denn die in Makedonien und Achaia haben freiwillig eine gemeinsame Gabe zusammengelegt für die Armen unter den Heiligen in Jerusalem.« Doch an anderen Stellen kommt zum Ausdruck, dass »Arme«57 ebenso wie »Auserwählte«. (Röm 8,33; Kol 3,12) und »Heilige« Ehrennamen der Jerusalemer Gemeinde waren.58. Es bleibt auffällig, wie viele verschiedene Ausdrücke Paulus für die Kollekte benutzt: logeia, charis, koinonia, eulogia. Dies zeigt die Dehnbarkeit der gemeinten Sache an.
Jedenfalls blieben zwischen Paulus und den Leitern der Jerusalemer Gemeinde, denen er eine Einigung abringen konnte, auch während der Konferenz erhebliche Spannungen bestehen. Gleichzeitig gehörten die »falschen Brüder« trotz des Konkordats mit dem Heidenapostel natürlich weiterhin der Gemeinde in Jerusalem an und werden die Vereinbarung nach Kräften bekämpft haben. Ihre offene Feindschaft gegen Paulus ist jedenfalls als maßgeblicher Faktor auf dem Konzil und in der Folgezeit vorauszusetzen, in der die Jerusalemer Kirche unter der Führung des Jakobus aktiv in die paulinischen Gemeinden eingriff.
Falls diese Überlegungen von der historischen Wahrheit nicht allzu weit entfernt sind, sollte man auch annehmen dürfen, dass die »falschen Brüder« trotz der Niederlage in der Beschneidungsfrage von indirektem Einfluss auf die Einzelheiten des Verhandlungsergebnisses gewesen sind. Diese Annahme wird bestätigt durch eine genaue Betrachtung der einen rechtlichen Charakter aufweisenden Einigungsformel Gal 2,9: »Wir zu den Heiden, sie … zu den Juden.«
Das Missionsfeld wird aufgeteilt. Die Heidenmission ist fortan Aufgabe des Paulus und des Barnabas, die Judenmission die der Jerusalemer Jakobus, Kephas, Johannes. Die Wendungen »zu den Heiden« bzw. »zu den Juden« lassen vom Wortlaut her nur ein exklusives Verständnis der in ihnen ins Auge gefassten Bezugsgruppen zu. Daraus ist dann zu entnehmen, dass jeweils nur Heiden bzw. ausschließlich Juden Zielgruppen der Mission sind. Das hat dann aber auch zur Konsequenz: Der Einigungsvertrag der Apostel war zugleich ein Scheidungsvertrag der beiderseitigen Kirchen, der gesetzestreuen und der gesetzesfreien.
Die obige Einigungsformel sicherte zwar Paulus das uneingeschränkte Recht der Heidenmission zu. Aber gleichzeitig konnte sie auch dazu benutzt werden, um eine Mission an Heiden und Juden rückgängig zu machen. Die Regelung schloss daher nicht aus, dass in Zukunft Juden, die gesetzeslos in einer heidenchristlichen Gemeinde lebten, auf das Halten des jüdischen Gesetzes verpflichtet werden konnten. Wir beobachten hier den Vorgang, dass ein zu starker Wille zur Einigung, die fast um jeden Preis geschieht und daher eigentlich nichts taugt, die entgegengesetzten Kräfte, die den Konflikt erst ausgelöst haben, wieder neu belebt.
Dafür liefert ein weiterer Vorgang, von dem wir einen Augenzeugenbericht besitzen, reichhaltiges Anschauungsmaterial.59
In der neugegründeten Gemeinde Antiochiens hielten geborene Juden(christen) mit Heiden(christen) regelmäßig Tischgemeinschaft. Daran hatte Paulus, als er in Antiochien anwesend war, teilgenommen, und ebenso Petrus. Als »einige von Jakobus«, d. h. von ihm abgesandte Boten, in Antiochien ankamen, änderte sich das schlagartig. Petrus, Barnabas und die anderen anwesenden Juden(christen) ziehen sich aus Furcht vor den »Beschneidungsleuten« zurück und erregen damit den Zorn des Paulus, nach dessen Meinung Petrus damit die alleingelassenen Heiden(christen) zwinge, sich beschneiden zu lassen, um die Tischgemeinschaft zwischen Juden(christen) und Heiden(christen) wiederherzustellen. Ja, Paulus spitzt die Situation noch dadurch zu, dass er sagt, Petrus habe vorher heidnisch gelebt (Gal 2,14).
Wie »heidnisch« hatten die dort anwesenden Gemeindeglieder wirklich gelebt? War etwa Schweine-, Esel- oder Hasenbraten auf den Tisch gekommen?60 Trank man gar heidnischen Wein, der den Göttern geweiht worden war? Ging es um Speisen, für die man nicht den Zehnten abgeliefert hatte?61 Oder hatte man Fleisch gegessen, das ursprünglich den Göttern geopfert worden war? Diese Fragen stellen heißt einerseits, vor Augen zu führen, wie wenig wir über den Zwischenfall in Antiochien eigentlich wissen. Andererseits ist aus 1Kor 8 – 10 bekannt, wie Paulus sich zum Götzenopferfleisch verhielt. Im allgemeinen hatte er keine Bedenken, es zu essen (1Kor 10,25 – 27). Falls aber jemand auf die Herkunft des Fleisches hinweisen würde, gab er den Rat, auf dessen Verzehr zu verzichten – dies um der Gemeindeglieder willen, die schwach im Glauben waren (1Kor 10,28 f). Hatte also Paulus für seine eigene Person eine große Freiheit gegenüber Götzenopferfleisch, so traf das für Barnabas und die übrigen Judenchristen nicht zu, andernfalls hätten sie sich nicht so schnell in Antiochien zurückgezogen.
Deswegen ist es unwahrscheinlich, dass die oben genannten extremen Möglichkeiten zutrafen. Vielmehr wird ein Mindestmaß an Thora eingehalten worden sein; nur Jakobus selbst drang auf eine strikte Einhaltung und hatte dafür gute Gründe, weil nämlich die Judenchristen in Jerusalem nicht noch mehr kompromittiert werden sollten. M. a. W., auch hier findet er eine Trennung besser – ebenso wie beim Jerusalemer Konzil.62
Paulus sah im Verhalten des Petrus ein falsches Verständnis der Gerechtigkeit vor Gott, in der er mit ihm doch einig gewesen war (Gal 2,15 - 16), übertreibt dann aber, wie erwähnt, mit seiner Bemerkung, Petrus habe vorher heidnisch gelebt (Gal 2,14). Indes stellte sich sofort die allgemeine Frage, wieviel Wert das Gesetz für die junge Kirche überhaupt noch haben sollte. Immerhin war der vorher und später erhobene Vorwurf gegen Paulus nicht von der Hand zu weisen, dass er mit solcher Schwarz-weiß-Malerei, die in einem Entweder-Oder gipfelte, dem jüdischen Gesetz den entscheidenden Stoß versetzt hatte, auch wenn er das Gegenteil behauptete.
Die geschichtliche Entwicklung (Fortsetzung):
Vom Apostelkonzil bis zur Ablehnung der paulinischen Kollekte und der Hinrichtung des Jakobus
In der Zeit zwischen dem Konzilsbesuch und der letzten Jerusalemreise des Paulus nahm die dortige Gemeinde unter der Führung des Jakobus zunehmend eine paulusfeindliche Haltung ein, ja, sie stilisierte Paulus förmlich zum Ketzer. Das findet eine Reaktion in der zunehmenden Bitterkeit des Paulus gegenüber Jerusalemer Sendlingen. Er hatte die Judaisten in Galatien konditional verflucht (Gal 1,6 ff) und sich ähnlich zu den Eindringlingen Jerusalemer Provenienz in Philippi geäußert (Phil 3,2 ff). (Im nächsten Kapitel werden wir die Geschichte dieser Paulusfeindschaft weiter verfolgen.) Der Bericht der Apostelgeschichte (Kap. 21) bestätigt die Paulusgegnerschaft der Jerusalemer Gemeinde weiter.
Paulus bemühte sich zwischen dem zweiten und dritten Jerusalembesuch, der Zusatzformel des Jerusalemer Konkordats zu genügen und in seinen Gemeinden eine Kollekte zugunsten der Armen in Jerusalem einzusammeln. Den ursprünglich gefassten Plan, Abgesandte mit dieser Kollekte nach Jerusalem zu schicken (vgl. 1Kor 16,3: »Wenn ich also [sc. zu euch nach Korinth] gekommen bin, will ich die, die ihr für bewährt haltet, mit Briefen senden, damit sie eure Gabe nach Jerusalem bringen«), ließ er fallen und plante, die Kollekte selbst nach Jerusalem zu bringen (Röm 15,25: »Jetzt aber fahre ich hin nach Jerusalem, um den Heiligen zu dienen«), – das hatte er freilich bereits vorher als Möglichkeit erwogen (1Kor 16,4: »Wenn es aber die Mühe lohnt, dass ich auch [nach Jerusalem] hinreise, sollen sie [sc. die Abgesandten der Gemeinde] mit mir reisen«). Diese Änderung in der (seit 2Kor 9,4 absehbaren) Strategie lässt sich wohl nur so erklären, dass Paulus der judenchristlichen Gegnerschaft vor Ort entgegentreten wollte.
Die Kollekte kristallisierte sich förmlich zu einem Symbol der Einheit der Kirche aus Heiden- und Judenchristen, an dessen Ausgang sich ihre Zukunft entscheiden würde. An der Gemeinschaft von Heidenchristen und Judenchristen war Paulus alles gelegen. Gerade deswegen musste er entsprechend dem vor wenigen Jahren geschlossenen Vertrag die vereinbarte Kollektengabe nach Jerusalem bringen und gleichzeitig den in seinen Gemeinden durch Jerusalemer Sendlinge verursachten Streit schlichten. Das sind keine »unhaltbaren Behauptungen«, wie der bedeutende dänische Neutestamentler Johannes Munck meinte63, sondern Aussagen, die an der komplexen und widersprüchlichen Situation paulinischer Gemeinden im 1. Jh. orientiert sind.
Zwar fehlt ein eigenes Zeugnis des Paulus über den letzten Jerusalemaufenthalt, doch enthält die Berichterstattung der Apg in Kap. 21 wertvolles, altes Textmaterial, auch wenn der Wir-Bericht nur eine Augenzeugenschaft fingieren soll.64
Paulus reist mit einigen Begleitern von Milet über Cäsarea nach Jerusalem. Er erhält in Cäsarea gastliche Aufnahme beim Hellenisten Philippus und in Jerusalem beim Hellenisten Mnason (Apg 21,16). In der Jerusalemer Gemeinde, die gesetzestreu lebt und der Jakobus vorsteht, ist seine Person höchst umstritten, denn Gerüchte kursieren: Paulus sei antinomistisch und wende sich gegen die Beschneidung von jüdischen Knaben. Jakobus sagt daher zu Paulus: (Viele Tausende von Gläubiggewordenen unter den Juden) »haben über dich erfahren, du lehrtest alle Juden, die unter den Heiden sind, den Abfall von Moses, indem du sagtest, sie sollten ihre Kinder nicht beschneiden und nicht nach (jüdischen) Bräuchen leben«. (Apg 21,21). Paulus tritt dem durch die Übernahme der Auslösung von vier Nasiräern entgegen (Apg 21,26). Ein solcher Akt, der im Judentum als frommes Werk galt, bestand aus einer Geldspende an den Tempel, womit das Ende des Gelübdes der Nasiräer bezeichnet wird. Er selbst geht daher in den Tempel, um sich als einer, der unter Heiden gewesen ist, entsühnen zu lassen.
Man hat gefragt, ob der auf der Grundlage der Tradition der Apg gewonnene Erzählablauf überhaupt Anspruch auf historische Wahrscheinlichkeit haben kann. Das ist nachdrücklich zu bejahen, da andere Quellen die Bestandteile der herausgeschälten Tradition bestätigen:
a) Durch andere Quellen65 wird die Führungsstellung des Jakobus und der nomistische Charakter der Gemeinde in den fünfziger Jahren des 1. Jh.s bekräftigt.
b) Die Beteiligung des Apostels an einem Kultakt ist wegen des Freiheitsverständnisses des Paulus gut denkbar. So schreibt er verallgemeinernd 1Kor 9,19 – 21:
(19) »Denn obwohl ich allen gegenüber frei bin, habe ich mich allen zum Sklaven gemacht, damit ich immer mehr gewänne. (20) Und ich bin den Juden wie ein Jude geworden, damit ich Juden gewänne; denen, die unter dem Gesetz stehen, als ob ich unter dem Gesetz stände …; (21) denen, die ohne Gesetz sind, als ob ich ohne Gesetz wäre …«
c) Dass der Apostel bei einem Hellenisten Unterkunft fand, ist wegen der früheren engen Beziehung des Paulus zu den Hellenistenkreisen wahrscheinlich. Er ist ja von diesen Gruppen, die er einst verfolgte, im Christentum unterwiesen worden.
d) Schließlich dürfte, wie bereits erwähnt, der Apg 21,21 ausgesprochene Vorwurf gegen den Apostel historisch sein und zutreffend die Vorbehalte Jerusalemer Christen gegen Paulus wiedergeben. Er lautet: Paulus »lehrt alle Juden, die unter den Heiden wohnen, den Abfall von Mose« und sage, »sie sollen ihre Kinder nicht beschneiden und auch nicht nach den (jüdischen) Bräuchen leben«.
Ein solcher Vorwurf kommt im Verhältnis zu dem, was in der Apg von Paulus berichtet wird, überraschend. Lukas hatte Paulus als praktizierenden Juden beschrieben, der z. B. Timotheus beschnitt (Apg 16,2 f) und sich später als gesetzestreuen Pharisäer hinstellte (Apg 23,1 – 9). Deswegen geht der genannte Vorwurf sicherlich auf eine vorlukanische Überlieferung zurück.
Historisch hatte er einen Anhalt in dem, was in paulinischen Gemeinden wirklich vor sich ging. Zwar predigte Paulus in Übereinstimmung mit den Absprachen auf dem Konzil und entsprechend seiner Berufung vornehmlich den Heiden das Evangelium. Auch findet sich in keinem seiner erhaltenen Briefe eine Aussage, wie sie ihm Apg 21,21 unterstellt wird. Doch erwartete der Apostel von geborenen Juden im Umgang mit Heidenchristen zumindest teilweise die Nichtbeachtung von Speisegesetzen (vgl. Gal 2,11 ff) und schärfte in seinen Briefen mehrfach die Gleichgültigkeit des Gesetzes gegenüber der neuen Schöpfung in Christus ein. Ein Lehrsatz, der schnell zu einer Kampfesformel werden konnte, lautete z. B.:
»Beschnittensein ist nichts, und Unbeschnittensein ist nichts,
sondern Gottes Gebote halten (sc. darauf kommt es an)«. (1Kor 7,19).
Ein anderer Spruch hatte folgenden Inhalt:
»(In) Christus gilt weder Beschneidung etwas
noch Unbeschnittenheit etwas,
sondern eine neue Kreatur«. (Gal 6,15).66
Konnte es da ausbleiben, dass geborene Juden infolge einer solchen Praxis sich vom Gesetz entfremdeten und ihre Kinder nicht mehr beschnitten?
Apg 21,21 gibt daher eine historisch zuverlässige Information über die Folgen der Predigt des Paulus sowie seiner Praxis unter Juden und über die starken Vorbehalte, um nicht zu sagen: die Feindschaft der Jerusalemer Gemeinde ihm gegenüber wieder. Zwar litt Paulus in Jerusalem für eine Sache, die nicht die seine war, nämlich die totale Loslösung des Christentums vom Judentum. Aber die Judenchristen hatten frei nach Adolf von Harnack recht: Letztlich zerstörte Paulus’ Werk die jüdischen Sitten und bereitete dem Gesetz des Moses ein Ende.
Wenn nun feststeht, dass die letzte Jerusalemreise des Apostels den alleinigen Zweck hatte, die Kollekte abzuliefern, warum steht darüber nichts in Apg 21? Dieser Befund ist um so erstaunlicher, als Apg 21 im wesentlichen historische Elemente enthält. Gerade deswegen erscheint es ausgeschlossen, dass die in Apg 21 benutzte Quelle keinen Hinweis auf die Sammlung enthielt, was die Frage provoziert: Warum tilgt Lukas jeglichen Hinweis auf die Kollekte in jenem Kapitel?
Die Dringlichkeit der Beantwortung der Frage wird erhöht, wenn sich in Apg 24,17 (Paulus in Jerusalem: »Nach vielen Jahren bin ich hergekommen, um für mein Volk Liebesgaben zu bringen und zu opfern«) eine versprengte Notiz über den Sinn der letzten Jerusalemreise des Paulus verbirgt.67 Die einzige mögliche Antwort auf die gestellte Frage kann daher nur lauten: Lukas meidet Apg 21 absichtlich das Kollektenthema, weil die von ihm benutzte Quelle von einem Scheitern ihrer Übergabe bzw. von ihrer Ablehnung berichtete. Hätte nämlich die Quelle ihre Annahme erzählt, würde Lukas diese Nachricht aufgenommen haben (an dieser Stelle!), kommt es ihm doch gerade darauf an, das gute Verhältnis zwischen Paulus und der Jerusalemer Gemeinde aufzuzeigen. Statt dessen vorverlegt er das in Kap. 21 vermiedene Kollektenthema und bringt es Apg 11,27 ff, wo er unter Verarbeitung von Einzeltraditionen eine »Modellreise« konstruiert68 und Barnabas und Paulus eine Kollekte nach Jerusalem bringen lässt. (Freilich wird selbst dort nicht explizit von einer Annahme der Sammlung berichtet!)
Nun kann man natürlich historisch versuchen, die Auslösung von vier Nasiräern mit der Kollekte in Verbindung zu bringen, und überlegen, ob nicht Paulus einen Teil des Kollektengeldes dafür verwendet haben mag.69 Aber auch in diesem Fall bleibt das Fehlen einer Erwähnung der Kollekte erklärungsbedürftig, und die These, die Kollekte sei »anscheinend gleichsam nur im Nebenzimmer und sozusagen nur flüsternd übergeben und empfangen« worden70, ist eine Verlegenheitsauskunft. Sie geht nämlich von der nicht mehr hinterfragten Voraussetzung aus, die Jerusalemer Gemeinde habe auf jeden Fall einen Bruch mit Paulus vermeiden wollen. Das aber ist doch die Frage, um so mehr, als Paulus wenige Jahre zuvor in Jerusalem nur mühsam das Blatt zu seinen Gunsten hatte wenden können.
Dieser Rückschluss auf eine Ablehnung der Kollekte71 wurde in der Forschung oftmals so nicht gezogen. Jürgen Becker schreibt: Es »muß … unter den Judenchristen in Jerusalem Leute gegeben haben, die für eine Verweigerung der Kollekte eintraten.« Er fährt sogleich einschränkend fort: »Zu diesen wird mit ganz hoher Wahrscheinlichkeit nicht Jakobus gezählt haben.«72 Die Hauptbegründung dafür leuchtet jedoch nicht ein, denn in einer Konfliktsituation war es auf jeden Fall denkbar, »daß Jakobus seine Anerkennung des Heidenchristentums auf dem Apostelkonvent … durch die offizielle Verweigerung der heidenchristlichen Kollekte praktisch in Gestalt eines öffentlichen Eklats rückgängig machen konnte.«73
Aber wieso soll den Jerusalemer Judenchristen eine Kollekte nicht mehr willkommen gewesen sein, die sie einige Jahre zuvor noch akzeptiert hatten? Mehrere Gründe legen sich als Antworten nahe.
Zum einen war die Spannung zwischen Paulus und den Jerusalemern gestiegen. Der Apostel hatte Worte gegen das Gesetz geschrieben, die den Jerusalemern zu Ohren gekommen waren. Aus ihrer Mitte waren Spione in die paulinischen Gemeinden entsandt worden. Sie hatten dort Gräueltaten gegen das Gesetz beobachtet, die geborene Juden betrafen: Judenchristen beschnitten ihre Kinder nicht mehr und aßen zusammen mit Heidenchristen.
Zum anderen war die Lage in Jerusalem für die dortige Gemeinde schwieriger geworden, weil sich einflussreiche Gruppen in Jerusalem im Vorfeld des jüdischen Krieges radikalisiert hatten. Und vielleicht ist die Kollekte auf der Konferenz zunächst gar nicht gefordert, sondern erst von Paulus ins Spiel gebracht worden, um einen Verhandlungserfolg zu erzielen.
Unter den 18 Halachot (vgl. MSchab 1,4 – 9), die einige Juden vor der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 beschlossen hatten, befand sich auch das Verbot, von Heiden Geschenke anzunehmen.74 Man kann darin eine Entsprechung zum Verhalten der Jerusalemer Gemeinde gegenüber der Gabe der heidenchristlichen Kirchen sehen und schlussfolgern: Was einst akzeptabel war, war jetzt, mitbedingt durch Entwicklungen in Jerusalem und im paulinischen Missionsgebiet, für die Jerusalemer Gemeinde unerträglich, ja geradezu »ein vergiftetes Geschäft«75 geworden.
Paulus ahnte offenbar Böses, denn er bittet kurz vor der Reise nach Jerusalem die Römer um Beistand im Gebet, »dass ich errettet werde vor den Ungehorsamen (= Juden) in Judäa und mein Dienst (= die Kollekte) den Heiligen (= der Jerusalemer Gemeinde) willkommen sei«. (Röm 15,31). M. a. W., er kennt die Entrüstung der (ungläubigen) Juden in Jerusalem, aber auch die Verschlossenheit der dortigen Gemeinde gegenüber seiner Person und der Kollekte.
Der jüdische Geschichtsschreiber Josephus über die Hinrichtung des Jakobus
Josephus, Ant XX 199 – 203:
»Der jüngere Hannas jedoch, dessen Ernennung zum Hohepriester ich soeben erwähnt habe, war von heftiger und verwegener Gemütsart und gehörte zur Partei der Sadduzäer, die, wie schon früher bemerkt, im Gerichte härter und liebloser sind als alle anderen Juden. Streng und hart, wie er war, glaubte Hannas auch jetzt, da Festus gestorben, Albinus aber noch nicht angekommen war, eine günstige Gelegenheit gefunden zu haben. Er versammelte daher den Hohen Rat zum Gericht und stellte vor dasselbe den Bruder des Jesus, der Christus genannt wird, mit Namen Jakobus, sowie noch einige andere, die er der vermeintlichen Gesetzesübertretung anklagte und zur Steinigung führen ließ. Das aber erbitterte auch die eifrigsten Beobachter des Gesetzes, und sie schickten deshalb insgeheim Abgeordnete an den König (sc. Agrippa) mit der Bitte, den Hannas schriftlich aufzufordern, daß er dergleichen nicht mehr tue. Denn es war nicht das erste Mal, daß er nicht recht gehandelt hätte.«76
Die Erzählung des jüdischen Historikers Flavius Josephus »ist ein echter Bericht des Jerusalemer Priesters und Augenzeugen und ist sicher zuverlässig, nicht eine christliche Interpolation.«77 Zum Zeitpunkt der Hinrichtung des Jakobus ca. 62 n. Chr. war Josephus Priester in Jerusalem und etwa 25 Jahre alt (Vita 12 f). Das Interesse der Erzählung betrifft den sadduzäischen Hohenpriester Hannas, der sich eine unrechtmäßige Hinrichtung zu Schulde hat kommen lassen, nicht etwa Jakobus. Auch deswegen scheidet die These einer späteren Hinzufügung durch einen Christen aus.
Josephus blickt aus Gründen des Kontrasts, indem er die Grausamkeit des Sadduzäers Hannas herausstreicht, offenbar auf einen Vorfall unter Johannes Hyrkanus zurück (Ant XIII 293 – 296), der von der Milde der Pharisäer vor Gericht Zeugnis ablegte.
Der oben zitierte Josephus-Text lässt folgende Schlüsse zu78:
1. Jakobus wurde auf Betreiben des Hohenpriesters Hannas vor dem Hohen Rat zusammen mit einigen anderen, die wohl als Judenchristen zu identifizieren sind, wegen Gesetzesübertretung zum Tod durch Steinigung verurteilt. Dies geschah zwischen dem Tod des Prokurators Festus und vor der Ankunft des neuen Prokurators, des Albinus, ungefähr im Jahr 62.
2. Eine Gruppe, die zu den eifrigsten Beobachtern des Gesetzes gehörte, d. h. Pharisäer, protestierte aufs schärfste gegen das Vorgehen des Hannas, was zu dessen Absetzung führte. Dabei mag offen bleiben, ob die Pharisäer sich gegen das Recht des Hohenpriesters aussprachen, den Hohenrat ohne Genehmigung des Prokurators in einem Kapitalprozeß einzuberufen, oder ob sie gegen das Todesurteil Stellung nahmen oder gegen beides.79 In jedem Fall protestierten die Pharisäer sowohl gegen die Anklage als auch gegen den Ausgang des Verfahrens. Die Anklage, dass Jakobus und seine Anhänger Gesetzesbrecher seien, erfolgte daher zu Unrecht.
Die Stellung des Jakobus muss so profiliert gewesen sein, dass die Gruppe, die er repräsentierte, nun nicht mehr als in, sondern neben der jüdischen Gemeinde stehend angesehen wurde. Er galt als der Gerechte (vgl. Hegesipp bei Euseb, KG II 23,7). Nach Martin Hengel hat der »Beiname ›der Gerechte‹… dabei in ähnlicher Weise ›ekklesiologische‹ Bedeutung wie ›Kephas‹ für Simon, ja er übertrifft für das Judenchristentum dessen Gewicht bei weitem. Zugleich erklärt die Funktion des Jakobus als saddiq seine Bezeichnung als ›Schutzmauer‹. Schon seine Existenz hält Unheil von seinem Volke fern, seine Fürbitte dringt zu Gott und hat Sühne wirkende Funktion, denn die Gerechten verwandeln Gottes Strafgerechtigkeit in Barmherzigkeit.«80 Jakobus’ vorbildlicher Thoragehorsam wurde offenbar auch außerhalb der Jerusalemer Gemeinde anerkannt.
Sein Amt mag vom Hohenpriester als Konkurrenz empfunden worden sein. Die Macht seiner Person und das traditionelle Misstrauen der Sadduzäer, welche meistens den Hohenpriester stellten, gegen Neuerungen werden ein übriges hinzugetan haben. So konnte der Hohepriester Hannas auch den Jakobus seinen Gegnern zurechnen, gegen die er im Hohenrat Todesurteile durchsetzte. Jakobus wurde gesteinigt, er starb aber in Wahrheit nicht »als Gesetzesbrecher«, wie selbst Martin Hengel missverständlich schreibt81, sondern aus persönlicher Rivalität, über deren theologischen Hintergrund kein Urteil mehr möglich ist.82 Wenn irgendwo, dann wird hier der untadelige Wandel des Jakobus im Judentum deutlich.
Trotzdem trug die Hinrichtung des Jakobus dazu bei, dass aus den innerjüdischen Spannungen ein Bruch zwischen zwei Gemeinden wurde, von denen die eine langfristig nicht mehr zur jüdischen Gemeinschaft gehören sollte. Eine historische Entwicklung, die ungeplant war, führte zu einem Resultat, das vorher niemand ahnen konnte und das bezüglich der Jerusalemer Gemeinde unter Jakobus – historisch geurteilt – unberechtigt war.
Allerdings würde es zu weit führen, anzunehmen, dass sich Anhänger des Jakobus nicht am jüdischen Aufstand gegen Rom beteiligten. Zwar verwarf die Mehrheit einen Aufstand gegen die Römer. Selbst der Hohepriester Hannas, der Jakobus steinigen ließ, gehörte der gemäßigten Partei an, die einen Krieg gegen die Römer ablehnte. Doch folgt daraus keinesfalls, dass die Jerusalemer Gemeinde die Hauptstadt verließ, um so weniger, als ein Großteil der sogenannten Friedenspartei auch nicht aus Jerusalem flüchtete. Man wird vielmehr ernsthaft mit der Möglichkeit rechnen, dass ein Teil der christlichen Gemeinde ebenso wie die friedenswilligen Pharisäer und Sadduzäer im Jüdischen Krieg in Solidarität mit ihrem Volk umgekommen ist. Ein anderer Teil hatte Jerusalem bereits vorher verlassen, und noch andere Judenchristen dürften vor der anrückenden römischen Armee aus Galiläa und Samarien in das Ostjordanland geflohen sein.
Teil II: Das Jerusalemer Judenchristentum nach dem Jüdischen Krieg
Das Referat bei Irenäus
Ein summarisches Referat über die Judenchristen findet sich bei Irenäus, Haer I 26,2:
»Die sogenannten Ebionäer stimmen (uns) zwar darin zu, dass die Welt vom wahrhaftigen Gott gemacht ist, aber über den Kyrios erzählen sie genau wie Kerinth und Karpokrates. Sie verwenden nur das Evangelium nach Matthäus, und den Apostel Paulus lehnen sie ab, indem sie ihn Apostaten vom Gesetz nennen. Sie bemühen sich übereifrig um die Auslegung der prophetischen Schriften. Sie praktizieren die Beschneidung und halten an diesen Gewohnheiten, die vom Gesetz verlangt sind, fest, auch an den jüdischen Lebensformen, so dass sie Jerusalem verehren, als ob es Haus Gottes sei.«83
Da zwischen dem Ende der Jerusalemer Gemeinde und der Niederschrift des zitierten Referats gut ein Jahrhundert liegt, muss die Vermutung, die Gruppe der Ebioniten sei ein Ableger der Jerusalemer Gemeinde, natürlich begründet werden. Für ihre historische Plausibilität sprechen folgende Überlegungen:
1. Der Name »Ebioniten« dürfte die Selbstbezeichnung dieser Gruppe sein. Irenäus, bzw. seine Quelle, gebraucht ihn ja ohne weiteren Kommentar – wohl deswegen, weil sie darüber nichts Näheres auszuführen wussten. Der Name geht auf das hebräische Wort ebjonim zurück. Diese Selbstprädikation konnte an eine jüdische Ehrenbezeichnung anknüpfen (vgl. Ps 86,1 f; 132,15 f; Jes 61,1 ff); höchstwahrscheinlich jedoch nahm die Gruppe damit einen Titel der Jerusalemer Urgemeinde, »die Armen«, auf.84
2. Die Paulusfeindschaft ist im christlichen Bereich in der Zeit vor 70 vor allem für Gruppen bezeugt, die aus Jerusalem stammen.
3. Das Gleiche gilt von der Gesetzesbeobachtung, die in der Beschneidung gipfelt.
4. Die Gebetsrichtung nach Jerusalem macht die Herkunft der Ebioniten von dort wahrscheinlich.
Fazit: Das Irenäus-Referat enthält ein wertvolles Zeugnis über den Ableger der ältesten Jerusalemer Gemeinde. Man wird dabei jedoch mit mehreren Gruppen rechnen, die Irenäus in diesem Referat zusammengefasst hat.
Der Bericht Justins85
Eine Generation vor Irenäus beschreibt der Apologet Justin judenchristliche Gruppen im Dialog mit Tryphon 46 f. Der relativ ausführliche Text ist wegen seiner Wichtigkeit86 am Ende dieses Buches (S. 290 – 291) auszugsweise in deutscher Übersetzung beigegeben.87
Justin zählt folgende Merkmale der von ihm beschriebenen Christen auf: Sie halten den Sabbath, praktizieren die Beschneidung, beobachten Monate und praktizieren Taufen bzw. Reinigungsbäder (vgl. Dial 46,2).88 Das erweist sie als Judenchristen. Man wird sie zusätzlich in überwiegendem Maße als Juden im ethnischen Sinne bezeichnen dürfen. Zwar setzt Justin voraus, dass ein Heidenchrist Judenchrist oder sogar Jude werden könnte. Doch sind das Spezialfälle, die gerade als Ausnahmen die Regel bestätigen, dass Justin in Dial 46 f von als Juden geborenen Christen und ihrem Verhältnis zu Heidenchristen handelt.
Nach dem Justinreferat nahmen die Judenchristen eine unterschiedliche Haltung zu ihren heidnischen Glaubensbrüdern ein. Sie hatten darüber eine abweichende Meinung, ob sie die von ihnen geübte Gesetzespraxis auch von den Heidenchristen verlangen sollten. Der eine Teil lehnte die Gemeinschaft mit den Heidenchristen ab, falls diese nicht ebenfalls jüdisch lebten (47,3). Der andere Teil befürwortete ohne eine solche Forderung Gemeinschaft mit ihnen (47,2).
An welche Art Gemeinschaft ist gedacht? Justin spricht 47,2 vom Zusammenleben, d. h. von der Gemeinschaft des geselligen Verkehrs und des Essens.
Das Problem wurde für reisende Christen akut, die Unterkunft in christlichen Häusern suchten und auf die Hilfe ihrer Brüder und Schwestern angewiesen waren. Justin, der nach eigener Angabe aus Flavia Neapolis in Palästina stammt (I Apol 1,1) und sich später in Ephesus und Rom aufhielt, war schon von seiner Biographie her die Wichtigkeit einer solchen Frage geläufig. Da er zumindest in Palästina Judenchristen persönlich kennengelernt hatte, empfand er Verständnis für ihre Eigenheiten. Andere Heidenchristen brachten diese Toleranz nicht auf und lehnten die Gemeinschaft mit Judenchristen generell ab.
Justin scheinen daher Judenchristen beider Arten vertraut zu sein, so dass seinem Bericht ein besonderer Wert zukommt. Da zwischen ihnen nur die Stellung zu den Heidenchristen kontrovers gewesen zu sein scheint, mag man davon ausgehen, dass sie nicht zu verschiedenen Gemeinden gehört haben, sondern jeweils in einer Gemeinschaft vereint gewesen sind. Eine Parallele liefert die judenchristliche Kirche Jerusalems vor 70 n. Chr., die trotz unterschiedlicher Einstellung zur Heidenchristenheit eine Gemeinde bildete. »Unschwer sind hier (sc. im Bericht Justins) die beiden auf dem Apostelkonvent von judenchristlicher Seite in Jerusalem vertretenen Positionen wiederzuerkennen, wie immer auch der Zusammenhang historisch sein mag.«89
Über den geographischen Ort der Judenchristen äußert Justin sich leider nicht. Man wird aber wahrscheinlich an Palästina denken (vielleicht aber auch an Kleinasien); in beiden Gebieten hat sich Justin längere Zeit aufgehalten.
Es ist nun möglich, eine Paulusfeindschaft der Judenchristen Justins als wahrscheinlich zu erweisen, obwohl Justin diese nicht ausdrücklich erwähnt.
Als Voraussetzung sei die Annahme eingeführt, dass Paulus in der ersten Hälfte des 2. Jh.s im östlichen und westlichen Christentum bekannt gewesen ist. Zwar kann man den Gebrauch seiner Briefe und/oder die Kenntnis seiner Person nicht in jeder heidenchristlichen Gemeinde voraussetzen, wohl aber in den Zentren Antiochien, Kleinasien, Griechenland und natürlich Rom.
Nun hat eine Klasse der Judenchristen Justins harte Forderungen gegenüber Heidenchristen erhoben und bei ihrer Nichtbeachtung die Gemeinschaft mit diesen abgelehnt. Dies setzt voraus, daß die Judenchristen über Heidenchristen einschließlich ihrer Wertschätzung des Heidenapostels informiert waren. Eine Verweigerung der Gemeinschaft mit den Heidenchristen war daher in vielen Fällen notwendig mit einer Ablehnung des Paulus verbunden.
Die Frage, ob Justin Paulusbriefe gekannt und benutzt hat, ist sicher positiv zu beantworten. So benutzt er Dial 27,3 dieselben Psalm- und Jesajazitate wie Röm 3,12 – Ps 14,3; 5,10; 140,4; Jes 59,7 f –, und zwar in derselben Reihenfolge, und er gibt Dial 39,1 f »die Klage des Elias gegen Israel und Gottes Antwort (vgl. 1Kg 19,10/17) in einer Weise wieder …, die in mehreren Einzelheiten gegen die LXX-Version mit Röm 11,2/5 übereinstimmt.«90 Überdies ist daran zu erinnern, dass in Rom vor dem Ende des 1. Jh.s Petrus und Paulus ein festes Personenpaar und zumindest Röm und 1Kor greifbar waren. Man vgl. dazu auch den am Ausgang des 1. Jh.s verfassten Brief der römischen Kirche an die korinthische Gemeinde:
(1) »Doch um mit den alten Beispielen aufzuhören, lasst uns zu den Kämpfen der jüngsten Zeit kommen: Nehmen wir die edlen Beispiele unseres Geschlechts. (2) Wegen Eifersucht und Neid sind die größten und gerechtesten Säulen verfolgt worden und haben bis zum Tode gekämpft. (3) Halten wir uns vor Augen die tapferen Apostel: (4) Petrus, der wegen ungerechtfertigter Eifersucht nicht eine und nicht zwei, sondern viele Mühen auf sich genommen hat und der so – nachdem er Zeugnis abgelegt hatte – gelangt ist an den ihm geschuldeten Ort der Herrlichkeit. (5) Wegen Eifersucht und Streit hat Paulus den Kampfpreis der Geduld aufgewiesen: (6) Siebenmal Ketten tragend, vertrieben, gesteinigt, Herold im Osten wie im Westen, hat er den edlen Ruhm für seinen Glauben empfangen. (7) Gerechtigkeit hat er die ganze Welt gelehrt und hat Zeugnis abgelegt vor den Führenden, so ist er aus der Welt geschieden und ist an den heiligen Ort gelangt – größtes Vorbild der Geduld«. (1Clem 5,1 – 7).
Aus der Tatsache, dass Justin Paulus nicht explizit erwähnt, erschließen manche Forscher in Verbindung mit anderen Argumenten eine paulusfeindliche Einstellung des Justin – zweifellos zu Unrecht, denn Justin greift Paulus gar nicht an. Andreas Lindemann hat diesen Sachverhalt anders erklärt: »Daß er Paulus nicht erwähnt, ist Folge seines theologischen Prinzips: Die Wahrheit des Christentums wird aus dem Alten Testament erwiesen; von Bedeutung sind daneben nur noch Worte Jesu, wie sie in den ›Denkwürdigkeiten der Apostel‹, d. h. den Evangelien, aufgezeichnet sind.«91 Hiergegen stellt sich aber sofort die Frage, warum Justin überhaupt Paulusbriefe benutzt. Daher ist Lindemanns Lösung unwahrscheinlich.
Statt dessen wird man den obigen Befund wie folgt deuten: Justin steht zwischen zwei Fronten. Er attackiert auf der einen Seite Markion und entwickelt ihm gegenüber eine eigentümliche Gesetzeslehre92, um die Kontinuität der atl. und ntl. Offenbarung zu sichern. Auf der anderen Seite befindet sich Justin in einem Dialog mit dem Judentum, so sehr dieser auch monologisch geführt wird. Das Fatale an der Situation bestand nun darin, dass der christliche Ketzer Markion, den Justin in einem früheren Werk ausdrücklich bekämpfte (s. oben S. 41), Paulus auf seinen Schild erhoben hatte und andererseits derselbe Paulus den Juden tabu war. Ein Nennen des Heidenapostels hätte Justin daher gleichzeitig zu sehr in die Nähe Markions gerückt und den Dialog mit den Juden erschwert. Die
»absichtliche Nennung des Apostels und die ausdrückliche Berufung auf ihn als orthodoxen Ausleger alttestamentlicher Typologie (sc. wäre eben) wenig hilfreich in einer Stadt, in der zur gleichen Zeit Markion wirkte und mit Paulus das Alte Testament bekämpfte.«93
Das alles hat Konsequenzen für die Beurteilung von Dial 46 f. Denn war Paulus aus den aufgeführten Gründen von Justin absichtlich ausgelassen worden, so verbot es sich von selbst, die Paulusablehnung von Judenchristen zur Sprache zu bringen. Justin war dann gezwungen, den Antipaulinismus der von ihm referierten Judenchristen zu übergehen.
Nach dem soeben Ausgeführten drängt sich also die These auf, dass die Judenchristen Justins ein historisches Bindeglied zwischen dem Jerusalemer Judenchristentum vor dem Jahre 70 und den im Ketzerreferat des Irenäus zusammengefassten judenchristlichen Gemeinden sind.
Das Jerusalemer Judenchristentum in den Pseudoklementinen94
Ableger des Jerusalemer Judenchristentums finden sich nachweislich bis zum 4. Jh. über Palästina, das Ostjordanland und Syrien verstreut. Dies ergibt eine hier ausgelassene Analyse der Referate der Kirchenväter Hippolyt, Eusebius und Epiphanius.95 Die für die Kenntnis des älteren Judenchristentums einst hochgeschätzten Pseudoklementinen sind heute fast in Vergessenheit geraten – m. E. zu Unrecht, wie einige Proben ihrer Paulus-Feindschaft noch erweisen werden.
Die Pseudoklementinen sind in ihrer jüngsten Fassung (4. Jh.) ein Wiedererkennungsroman, angeblich verfasst von Klemens von Rom, der in ihm von dem Verlust seiner Familie und ihrer glücklichen Zusammenführung berichtet. In sie wurden verschiedene Quellenschriften eingelegt, deren älteste Schichten aus dem 2. Jh. stammen. Sie enthalten heftige Polemik gegen Paulus, die z. T. pamphlethaft wirkt, und es »spitzt sich alles auf eine krasse Bestreitung der Legitimität seines Apostolats zu.«96 In einer Disputation in Laodicea, deren Tradition ins 2. Jh. weist, führt Petrus in einer für jerusalemische Paulusgegner typischen Art ein für allemal aus, dass Paulus den Auferstandenen auf keinen Fall gesehen haben könne. Die Begründung dafür ist ebenso einfach wie einleuchtend: Nur die Augenzeugen des geschichtlichen Jesus kommen für die Erwählung zum Apostelamt in Frage. Man vgl. Apg 1,21 f.
Demgegenüber hätten die Schauungen des Herrn, die Paulus 2Kor 12,1 zufolge empfangen habe, keine Geltung, und nicht nur dies, sie seien vielmehr Offenbarungen eines bösen Dämons oder Lügengeistes. Allein der persönliche Umgang mit dem geschichtlichen Jesus und die Belehrung durch ihn gäben Gewissheit, die Vision dagegen, die auch von einem Teufelsgeist herrühren könne, lasse in Ungewissheit. Zwar lögen von Gott gesandte Visionen nicht. »Ungewiss aber ist, ob der Sehende einen gottgesandten Traum gesehen hat«. (Hom XVII 15,2).
Im Anschluss führt Petrus eine Reihe biblischer Visionen bzw. Träume auf (XVII 17,1 – 4), um sofort zu betonen, dass der Fromme dieses Umgangs gar nicht bedürfe.
»Denn dem Frommen quillt das Wahre im Verstand, der angeboren und rein ist, hervor – nicht im Traum erstrebt, sondern dem Guten durch Einsicht gegeben. Denn so ist auch mir der Sohn vom Vater offenbart worden. Daher weiß ich, was das Wesen der Offenbarung ist, da ich es an mir selbst erfahren habe. Denn zugleich, als der Herr sagte, wie man ihn nenne, und da ich hörte, dass ihn jeder anders nannte, stieg es in meinem Herzen auf; und ich sprach, ich weiß wahrlich nicht, wie ich dazu kam: ›Du bist der Sohn des lebendigen Gottes‹ (Mt 16,16). Nachdem er mich aber seliggepriesen hatte, verriet er mir, dass es der Vater sei, der mir das offenbart habe, ich aber weiß seither, dass Offenbarung Wissen ist ohne Belehrung, ohne Erscheinung und Träume«. (Hom XVII 17,5 – 18,2).
Die daraus gezogene polemische Nutzanwendung an die Adresse des Paulus lautet dann:
»Wenn dir wirklich auch unser Jesus in einer Vision erschienen ist und sich dir bekanntgemacht hat, dann ist er mit dir zürnend wie mit einem Widersacher zusammengekommen; deshalb sprach er durch Visionen und Träume oder auch durch Offenbarungen, die von außen sind. Ob aber jemand aufgrund einer Erscheinung zur Lehre befähigt werden kann? Und wenn du sagst: ›Es ist möglich‹– weshalb blieb und verkehrte dann der Lehrer ein ganzes Jahr mit denen, die wach waren? Wie können wir dir aber auch glauben, selbst wenn du sagst, dass er dir erschienen ist? Wie kann er dir aber auch erschienen sein, wenn du das denkst, was seiner Lehre widerspricht? Wenn du aber von jenem eine Stunde lang besucht und unterwiesen und daraufhin Apostel geworden bist, dann verkündige seine Worte, lege seine Lehre aus, liebe seine Apostel, kämpfe nicht mit mir, seinem Jünger; denn mir, gegen den festen Fels, der ich bin, den Grundstein der Kirche, bist du feindlich entgegengetreten. Wenn du kein Widersacher wärst, würdest du mich nicht schmähen, indem du die Verkündigung von mir verleumdest, damit man mir nicht glaubt, wenn ich sage, was ich vom Herrn als Ohrenzeuge gehört habe, so als sei ich unstreitig verurteilt worden und du von gutem Ruf. Wenn du mich aber ›verurteilt‹ nennst (Gal 2,11), beschuldigst du Gott, der mir den Christus offenbart hat, und setzt den herab, der mich aufgrund der Offenbarung seliggepriesen hat. Wenn du aber doch wahrhaftig die Wahrheit fördern willst, dann lerne zuerst von uns, was wir von jenem gelernt haben, und wenn du ein Jünger der Wahrheit geworden bist, dann werde unser Mitarbeiter«. (Hom XVII 19,1 – 7).
Diese Rede des Petrus ist sensationell. Sie wirkt echt und erweckt den Eindruck, die wichtigsten Argumente der judenchristlichen Widersacher gegen Paulus zu enthalten. Formal hat sie eine Entsprechung in der Gal 2,11 ff aufbewahrten Rede des Paulus an die Adresse des Petrus in Antiochien und ist von dem bitteren Beigeschmack durchdrungen, den diese bei Petrus hinterlassen hat. Auf derselben Ebene an einer anderen Stelle der Pseudoklementinen liegt die Bemerkung des Petrus, dass Paulus von dem Vorfall in Antiochien eine falsche Darstellung gegeben habe. So heißt es im dortigen Brief des Petrus an Jakobus, der den Homilien vorangestellt ist:
»Denn einige derer, die von den Heiden sind, haben die durch mich verkündigte gesetzliche Predigt verworfen und sich einer ungesetzlichen und albernen Lehre des feindlichen Menschen (= Paulus, Vf.) angeschlossen. Und noch dazu haben einige, obwohl ich noch lebe, versucht, mit manch schillernden Deutungen meine Worte zu entstellen in Richtung auf eine Auflösung des Gesetzes, als ob auch ich selbst so dächte, es aber nicht freimütig predigte. Das sei fern!«. (2,3 f).
Andererseits – trotz der scheinbaren Echtheit des Stils der petrinischen Rede – stammt diese bzw. die in ihr überlieferte Tradition frühestens aus dem 2. Jh. und kann nicht direkt auf die antipaulinischen Widersacher zurückgeführt werden. Das scheidet auch deswegen aus, weil der historische Petrus in einer relativen Nähe zu Paulus stand und die eigentliche Opposition auf die Kreise um Jakobus bzw. diesen selbst zurückgehen. Trotzdem dürfte die Annahme berechtigt sein, dass in den Pseudoklementinen die »alten Argumente der Jerusalemer Judenchristen gegen Paulus benutzt und konserviert worden sind.«97
Der kompromisslose Widerstand der Judenchristen gegen Paulus entzündete sich dort, wo er seine Damaskusvision dazu gebrauchte, a) seine Ebenbürtigkeit mit den Jerusalemer Aposteln zu erweisen und b) daraus die Rechtfertigung zu einer »gesetzeslosen« Predigt unter den Heiden abzuleiten. Das konnten jene, die mit Jesus persönlichen Umgang hatten, niemals zulassen.
Paulus galt unter diesen Judenchristen sogar als der »feindliche Mensch«. In dem oben angeführten Brief des Petrus an Jakobus prangern sie sein Falschevangelium an und verabscheuen seine ungesetzliche Lehre. Petrus und Jakobus vertreten demgegenüber die »gesetzliche« Verkündigung, die sich an Juden aber auch an Heiden richtet. Von dem Ketzer Paulus sei ein Evangelium gekommen. Dann sei nach der Zerstörung Jerusalems »ein wahres Evangelium heimlich ausgesandt worden, um die kommenden Ketzereien zu korrigieren«. (Hom II 17,4). Offenbar haben dabei die judenchristlichen Lehrer, die hinter dieser Tradition stehen, an die Stelle der Beschneidung die Taufe als Initiationsakt gesetzt. Waren sie sich etwa nicht bewusst, dass sie nun ebenso wie ihr Feind Paulus Heidenmission trieben und dabei in gleicher Weise auf die Beschneidungsforderung verzichteten? Merkten sie nicht, dass sie Paulus ein Stückweit entgegengekommen waren, ohne es zu wollen? Aber jetzt war es für eine wirkliche Annäherung zwischen diesen Judenchristen und Paulus schon zu spät.
Zusätzlich ist es eine Ironie des Schicksals, dass die Jerusalemer Judenchristen bzw. ihre Nachfahren zu einem Zeitpunkt weiter heftig gegen Paulus polemisieren, als dessen Person und Wirken in der katholischen Kirche bereits im Vormarsch war. Walter Bauer hat die Ironie in dem sich über eineinhalb Jahrhunderte abspielenden Prozess mit folgenden Worten beschrieben:
»So ist also, wenn man sich etwas zugespitzt ausdrücken darf, der Apostel Paulus das einzige Ketzerhaupt gewesen, das die apostolische Zeit kennt, der einzige, der in ihr – wenigstens von gewisser Seite her – so beurteilt worden ist. Wenn man so will, haben die Judenchristen in ihrem Gegensatz zu Paulus den Begriff Ketzerei in die christliche Betrachtungsweise eingeführt. Der Pfeil ist schnell auf den Schützen zurückgeflogen.«98
Diesem ältesten christlichen »Ketzer« wenden wir uns in dem nun folgenden Kapitel zu.