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Sehnsucht nach El Dorado
ОглавлениеDer Dschungel macht süchtig, wer einmal da war, den zieht es immer wieder dorthin zurück. Das wurde mir zutiefst bewusst, als ich nach meiner ersten Dschungeltour mit Carlos wieder zuhause auf dem Sofa saß und völlig unzufrieden in die Glotze starrte. Ich hatte eine innere Unruhe in mir, die sich durch nichts beruhigen ließ. Immer wieder zog es meine Gedanken nach El Dorado und zu den Ereignissen hin, die diese erste Begegnung mit dem Dschungel Südamerikas unvergessen machten. Diese nun hier einzeln aufzuführen, würde zu weit führen, sie sind bereits in meinem ersten Buch "Oma geht in den Dschungel" ausführlich beschrieben und dies soll schließlich eine ganz neue Geschichte werden. Also zurück zu meinem Sofa.
Mit angezogenen Knien hockte ich auf der blauen Ledercouch, den Kopf an die Rückenlehne gedrückt und schaute gelangweilt zu, wie Little Joe auf seinem Schecken hinter irgendeinem Verbrecher herjagte. Eigentlich sah ich diese alten Serien wie "Bonanza" oder "Die Waltons" ganz gerne, aber seit ich aus Venezuela zurückgekehrt war, konnte mich so etwas nicht mehr wirklich vom Hocker reißen. Wenn es so etwas wie ein Abenteuer-Virus gab, dann hatte es mich gepackt. Außerdem war ich im Sternzeichen des Widders geboren und von daher schon für derartige Aktivitäten prädestiniert.
Zu allem Überfluss regnete es seit Tagen, was meine Stimmung nicht gerade positiv beeinflusste, aber selbst wenn es mal ein paar Stunden nicht in Strömen goss, war doch der Himmel stets in trostloses Grau gehüllt.
So verging Tag für Tag, ohne dass ich mich besser fühlte und ich überlegte krampfhaft, wie ich mich aus dieser Misere befreien könnte. Wieder zurück nach Südamerika, dafür fehlte mir das Geld, denn leider hatten mir meine Eltern, die viel zu früh starben, außer ein mit Schulden belastetes Haus, nichts Nennenswertes hinterlassen.
Eine gute Idee war also von Nöten und urplötzlich, wie aus dem Nichts, war sie da, die Idee.
Warum nicht selbst mal eine Reise für andere Leute organisieren! In Venezuela kannte ich mich inzwischen gut aus und die nötigen Kontakte um eine Rundreise nebst Dschungeltour zu organisieren, hatte ich auch. Die Frage, die sich jetzt stellte, war jedoch, wie fange ich das am besten an. Ich konnte mich schlecht auf die Straße stellen, wahllos Leute ansprechen und fragen, ob sie nicht Lust hätten, mit mir in den südamerikanischen Dschungel zu kommen. Auch meine Verwandten und Bekannten wollten sich so etwas nicht antun, wie sie mir unverholt mitteilten und sich lieber auf Gran Canaria oder Mallorca im Vier-Sterne-Hotel verwöhnen lassen, statt irgendwo im Dreck herum zu kriechen und gegen Mücken und Kakerlaken zu kämpfen. Ich konnte ihnen nur entgegnen, sie wussten nicht, was ihnen entging, ihre Meinung dazu änderte das aber nicht. Nachdenken hilft, sagte ich mir und so kam ich schließlich darauf, mich an eine lokale Zeitung zu wenden und um Hilfe zu bitten. Mal von den kostenlosen Blättchen abgesehen, gab es drei davon in meiner Stadt; die Westfälische Rundschau, die Ruhrnachrichten und die WAZ. Ohne besonderen Grund entschied ich mich für die erstere und betrat schon am nächsten Tag, noch etwas zögernd, die Geschäftsstelle. Nachdem ich mein Anliegen vorgetragen hatte, zeigte die freundliche junge Dame hinter der Theke auf eine Tür am Ende des Raums. In großen, silbernen Buchstaben stand dort "Redaktion". Auf mein Klopfen hin ertönte ein lautes, aber freundliches "herein". Ich folgte dieser Aufforderung und sah mich einem gut aussehenden Herrn in den mittleren Jahren gegenüber. Er bat mich Platz zu nehmen und fragte, was er für mich tun könnte. Ich erzählte ihm von Venezuela, El Dorado, meinen Dschungeltouren und dass ich jetzt so eine Abenteuerreise selbst organisieren wollte, denn abenteuerlich würde diese Reise auf jeden Fall werden, das war ganz klar. Vielleicht ließen sich ja Leute finden die daran interessiert waren, unter meiner Leitung, abseits vom Pauschaltourismus, Land und Leute zu erkunden. Der Redakteur war sichtlich angetan von dem, was ich vorhatte und er fand, dass es sich lohnen würde, wenn seine Zeitung darüber berichtete. Und hinterher könnte man bestimmt eine neue Geschichte schreiben, zum Beispiel über das, was wir alles erlebt hatten, so hätten wir beide etwas davon. Der erste Schritt war also getan, jetzt konnte ich vorerst nur noch darauf warten, dass mein Artikel erschien.
Es ging schneller als ich dachte. Schon am nächsten Tag stand unter der Rubrik "Lokales" ein nicht übersehbarer Artikel, der über mich und mein Vorhaben berichtete. Von zuhause aus hatte ich noch per Email ein Bild von mir an die Redaktion geschickt, damit sich die Leute einen ersten Eindruck davon verschaffen konnten, mit wem sie es zu tun hatten.
Und noch einmal hieß es warten. Ich spürte eine starke, innere Anspannung, die sich von Stunde zu Stunde, in der das Telefon nicht klingelte, steigerte. Ich war mir zutiefst unsicher, welche Reaktionen dieser Artikel bewirken würde? Gab es tatsächlich Menschen, die sich mir, einer ihnen gänzlich unbekannten Person, anvertrauen würden? Dazu auch noch einer Frau!
Ich war voller Hoffnung, gleichzeitig aber auch voller Zweifel. Ein Wechselbad der Gefühle, das ich nicht lange ertragen würde ohne durchzudrehen, da war ich mir sicher.
Als dann das Telefon endlich klingelte, zuckte ich regelrecht zusammen und das Herz schlug mir bis zum Hals. Sekunden später hielt ich den Hörer in der Hand und war zutiefst enttäuscht, als ich die Stimme am anderen Ende der Leitung hörte. Es war eine Bekannte, die einfach nur wissen wollte, wie es mir geht. Normalerweise freute ich mich über so einen Anruf, aber diesmal kam er äußerst ungelegen. Monika, so hieß die Anruferin, schien das zu spüren und meinte, sie könnte sich auch später noch mal melden, wenn es jetzt ungünstig wäre, aber ich wollte sie nicht einfach so abwimmeln, beteuerte mehrmals, dass ich auf jeden Fall jetzt Zeit für sie hätte und wir unterhielten uns eine geraume Weile über ganz belanglose Dinge. Kurz darauf klingelte das Telefon erneut und diesmal war es tatsächlich jemand, der sich für meine Abenteuerreise nach Südamerika interessierte. Spätestens nach seiner Frage, ob es im Dschungel denn auch Duschen und Nachttischlampen gäbe, musste ich ihm sagen, dass er dafür eher nicht in Frage käme.
Von nun an, klingelte das Telefon fast ohne Unterbrechung und eigentlich sollte ich mich darüber freuen, aber die meisten hatten eine ganz andere Vorstellung von der Reise und dachten, es wäre so etwas voll organisiertes á la Neckermann Pauschalangebot. Sie erwarteten im Dschungel elektrisches Licht, Toiletten und natürlich frisch bezogene Betten, sowie ein ordentliches Frühstücksbuffet. Nachdem ich sie darüber aufgeklärt hatte, was sie wirklich dort erwartete und dass wir eher in Hängematten unter freiem Himmel, statt in Betten schlafen würden, fielen die meisten aus. Die restlichen Interessenten lud ich zu mir ein, um ihnen die bevorstehende Reise detaillierter vorzustellen und außerdem ein Video meiner letzten Tour mit Carlos zu zeigen. Von den zwölf Leuten, die an dieser Veranstaltung teilnahmen, blieben zum Schluss noch fünf übrig, die aber fest entschlossen waren, das Abenteuer Venezuela mit mir zu wagen. Zwei Ehepaare und eine alleinstehende Dame, alle ungefähr in meinem Alter.
Horst und Maria, Willi, Gudrun und Ruth gaben mir eventuell die Möglichkeit, noch einmal unvergessliche Tage im Dschungel zu erleben und ich wollte mein Bestes tun, um es auch für sie zu einem einmaligen Erlebnis zu machen, das sie nie mehr vergessen sollten, natürlich im positiven Sinne gemeint. Selbstverständlich würden wir die geplanten viereinhalb Wochen nicht nur im Dschungel verbringen. Eine Reise durch ganz Venezuela, von Caracas im Norden bis zu dem an der brasilianischen Grenze gelegenen Ort Santa Elena, war geplant. Doch soweit war es noch lange nicht, denn zunächst mussten wir einen geeigneten Termin finden. Er sollte auf keinen Fall in der Hurrikan Zeit liegen und da Gudrun noch arbeitete, musste es ihr gelingen, den Chef zu einem derart langen Urlaub zu überreden. Da sie aber ein außerordentlich gutes Verhältnis zu ihm hatte, stellte es sich als kein allzu großes Problem heraus. Sogar ihren kleinen Dackel Waldi wollte er in der Zeit versorgen, wo sie und Willi nicht zu Hause waren.
Als möglicher Termin wurde schließlich irgendein Tag in der zweiten Oktoberhälfte festgehalten. Ein genaues Datum zu bestimmen, war im Moment noch nicht möglich, da ich erst einmal wissen musste, wann es einen einigermaßen günstigen, verfügbaren Flug nach Caracas gab, denn das Ganze sollte sich auch in einem bezahlbaren Rahmen bewegen. Das Internet befand sich noch in der Anfangsphase und es gab keine Flugdatenbanken, wie es heute der Fall ist, deshalb führte mich mein Weg ins örtliche Reisebüro, wo ich die zuständige Angestellte an den Rand des Verzweifelns brachte. Mein Wunsch war ein Gabelflug, weil wir unsere Reise in Caracas starten und auf der Isla Margerita beenden wollten, und ich nicht zusätzlich noch einen Inlandflug von Porlamar nach Caracas buchen wollte. Nach langem hin und her und endloser Sucherei, war es aber dann doch geschafft, ein Direktflug von Frankfurt nach Caracas mit Avianca und der Rückflug, ebenfalls direkt, von Porlamar nach Frankfurt mit Condor, beide zusammen für sechshundertfünfzig Euro. Das war ein durchaus akzeptabler Preis, um nicht zu sagen, ein Schnäppchen. Das Problem bestand darin, dass nach Caracas nur Linienmaschinen flogen, während es beim Rückflug dann genau umgekehrt war, ab Porlamar starteten nur Chartermaschinen.
Nachdem das erledigt war, ging es an die Planung des genauen Ablaufs. Um möglichst alle Wünsche zu berücksichtigen, trafen wir uns mehrere Male bei mir zuhause, wo wir uns in endlose Diskussionen verzettelten.
„Wenn wir schon an der Grenze zu Brasilien sind, können wir doch bestimmt auch mal rüber, oder?", fragte Gudrun. „Ich hätte nämlich gern den Stempel im Pass.“
„Oh ja, ich auch!“
Horst war sofort begeistert von der Idee.
„Das wird sich bestimmt machen lassen“, antwortete ich voller Zuversicht, dass es kein Problem sein würde und sah in fünf zufriedene Gesichter.