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Kapitel 4

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Dann war er da, der Tag unserer Abreise.

Wie vereinbart standen wir auf dem Bahnsteig Nummer elf am Dortmunder Hauptbahnhof, von wo der Intercity nach Frankfurt gleich abfuhr, alle,...... außer Ruth. Es war empfindlich kalt geworden und wir froren erbärmlich, denn die dicken Jacken hatten wir zu Hause gelassen. In Venezuela würden wir sie auf keinen Fall brauchen und wir wollten sie nicht die ganze Zeit nutzlos mit uns herumschleppen.

Bis zur Abfahrt des Zuges waren es noch genau fünf Minuten, aber wo war Ruth? Weit und breit nichts von ihr zu sehen. Noch drei Minuten, noch eine, dann kam auch schon der Zug. Ausgerechnet jetzt war er pünktlich, wo er doch sonst fast immer Verspätung hatte. Es nutzte alles nichts, wir stiegen ein, der Zug fuhr ab - ohne Ruth.

Während der Fahrt nach Frankfurt stellten wir alle möglichen Überlegungen an, was wohl passiert sein konnte. Während Horst meinte, dass sie wohl verschlafen haben könnte, tippte Gudrun eher auf einen Unfall oder dass das Auto nicht angesprungen war. Maria hielt auch eine plötzliche Krankheit für möglich, was ich persönlich aber eher ausschloss.

„Dann hätte sie doch bestimmt vorher angerufen“, gab ich zu bedenken.

„Da hast du Recht“, stimmte Maria mir zu.

Es half alles nichts, Ruth war nicht da und wenn sie auch nicht im nächsten Zug saß, würde sie den Flug verpassen und damit die ganze Reise.

Beim Check-in informierte ich die Dame am Schalter, dass höchstwahrscheinlich noch eine weitere Person einchecken würde, die zu uns gehörte. Ich gab ihr Ruths Namen und bat sie, so lange wie irgend möglich zu warten. Da wir ziemlich früh losgefahren waren und eventuelle Verspätungen der Bahn einkalkuliert hatten, bestand noch eine relativ gute Chance, dass sie es schaffen konnte. Die Züge fuhren im Stundentakt und nach der Wartezeit beim Einchecken, musste der nächste in zwanzig Minuten in den Frankfurter Flughafenbahnhof einfahren. Die innere Spannung war groß. Würde Ruth es noch schaffen, rechtzeitig hier zu sein, oder mussten wir das Abenteuer Südamerika ohne sie starten?

Schweigend standen wir in der Nähe des Check-in Schalters, unentwegt in die Richtung schauend, aus der sie kommen musste.

Die Dame am Schalter winkte mich heran.

„Noch zehn Minuten, länger kann ich wirklich nicht warten, der Schalter wird dann geschlossen“, flüsterte sie mir zu.

Ich nickte resignierend und sie zuckte bedauernd die Schultern.

Was tun? - Wir konnten nichts tun, außer warten und hoffen. Selbst Horst, der ständig alles kommentieren musste, sagte kein Wort. In der Halle waren kaum

Leute, was nicht wirklich verwunderlich war, denn es war keine Ferienzeit und auch keine Hauptreisezeit für Fernreisen.

Die zehn Minuten waren jetzt um und die Dame am Check-in war gerade im Begriff ihren Schalter schließen.

„Da ist sie ja!“

Maria sah sie zuerst und strahlte, als ob ihr gerade jemand tausend Euro geschenkt hätte. Auch aus unseren Gesichtern verschwand die Besorgnis über Ruths Verspätung und selbst die Dame am Schalter lächelte zufrieden, nahm ihr Flugticket und den Pass entgegen und kaum eine Minute später befanden wir uns auf dem Weg zur Sicherheitskontrolle. Ich fühlte, wie plötzlich eine Zentnerlast von mir abfiel. Gerade noch mal gut gegangen, dachte ich bei mir, aber jetzt hieß es, sich zu beeilen, denn in zehn Minuten sollte das Boarding beginnen. Gott sei Dank gab es keine langen Schlangen an der Personenkontrolle, aber nachdem Ruth eingecheckt hatte, würde das Flugzeug sowieso nicht abfliegen, solange ihr Rucksack an Bord war. Mit so einem Fall hatte ich bereits Bekanntschaft gemacht. Zuerst wird dreimal durchgezählt, dann werden die vermissten Passagiere mehrmals aufgerufen und falls das erfolglos bleibt, wird das ganze Gepäck ausgeladen, alle Passagiere müssen aussteigen und jeder seinen Koffer identifizieren. Das Teil, das übrig bleibt, wird unter größter Vorsicht entsorgt. Und das dauert! Bei mir waren es damals anderthalb Stunden. Also Ruhe bewahren, alles gut.

„Mein Gott Ruth, was ist denn passiert?“, fragte ich sie, nachdem wir die Kontrolle hinter uns hatten und eilig Richtung Flugsteig gingen.

„Erzähl ich euch gleich“, entgegnete sie prustend.

Das Gate war nur noch wenige Meter entfernt und wir waren alle aufs äußerste gespannt, den Grund für Ruths Verspätung zu erfahren. Die war immer noch ganz außer Atem und der Stress stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.

Im Wartesaal gab es noch genügend freie Plätze, ein Zeichen dafür, dass der Flieger kaum voll besetzt sein wird. Das bestärkte meine Hoffnung, dass der Platz neben mir leer blieb. In der sogenannten Holzklasse, wo die Sitze nicht gerade breit sind, war es einfach angenehmer, wenn man etwas mehr Bewegungsfreiheit hatte. Aber nun zu Ruth. Wir hatten uns eine Gruppe freier Plätze gesucht und sahen sie nun gespannt an. Welche Gründe mochte es geben, einen so wichtigen Termin zu verpassen und damit fast die Reise. Der Grund dafür war tatsächlich so banal, dass wir es nicht glauben mochten.

„Wir haben im Stau gestanden“, kam die Antwort kurz und bündig.

„Und dann hatte der Zug noch Verspätung!“ Unfassbar, auf der kurzen Strecke von Lünen nach Dortmund so lange im Stau zu stehen, dass man den Zug verpasst! Horst konnte sich nicht länger zurückhalten.

„Mensch Ruth, bei so einer wichtigen Reise muss man das doch einkalkulieren. Ich hätte dich für schlauer gehalten!“

Das letztere hätte er lieber nicht sagen sollen, denn augenblicklich wandte sich Ruth beleidigt von ihm ab. Horst sah vorsichtig zu Maria hinüber, aber der erwartete vorwurfsvolle Blick blieb aus. Sie war ganz seiner Meinung.

Der Aufruf zum Boarding vermied Gott sei dank weitere Diskussionen. Wir saßen alle dicht beisammen, außer Ruth, deren Platz sich zehn Reihen hinter den unseren befand. Horst holte seine Videokamera aus dem kleinen Rucksack, den er unter seinem Sitz verstaut hatte. Er wollte die ganze Reise im Film festhalten. Gerade hielt er sie auf Gudrun gerichtet, die auch sofort darauf reagierte.

„Urlaub hab ich!“ rief sie plötzlich laut und riss dabei die Arme in die Luft.

Horst lächelte zufrieden und hielt seinen linken Daumen hoch, womit er Gudrun seine Zufriedenheit bestätigte. Das war ein origineller Anfang für seinen Film. Zwei Jugendliche, die hinter Gudrun saßen und somit auch auf dem Video zu sehen sein würden, schnitten daraufhin Grimassen und fuchtelten wild mit den Armen herum.

Ich hatte Glück mit meinem Wunsch nach mehr Bewegungsfreiheit, denn nachdem die Stewardess die Tür geschlossen hatte war klar, dass der Platz neben mir frei blieb.

Sehnsucht nach El Dorado

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