Читать книгу Die Furt von Windermere Grove - Gerda M. Neumann - Страница 9
ОглавлениеKapitel 3
Die nächsten Stunden verbrachte Olivia über den Akten zum Mordfall Charlotte Hewitt in Laureens Kanzlei im Temple. Währenddessen ließ Lady Gaynesford ein Zimmer im Old Brewery House Hotel in Windermere Market buchen, ab morgen, Dienstag. Sie telefonierte mit Anwalt Hobart und avisierte nebenher Miss Lawrence, Übersetzerin und Journalistin aus London, eine Freundin ihrer Schwiegermutter. Beim verspäteten gemeinsamen Lunch besprachen die beiden technische Einzelheiten. Sie waren sich einig, in engem Kontakt bleiben zu wollen. Laureen bestand mit ernster Beharrlichkeit auf einem täglichen Telefonat: »Sie dürfen nie vergessen, dass Sie sich mit einem Mord befassen. Gehen Sie kein Risiko ein, wenn Sie Gefahr wittern, dafür haben wir die Polizei. Mit konkreten Fragen kann ich die Beamten wieder auf den Weg schicken. Ein Mensch, der einmal gemordet hat, wird es wiederholen, wenn er sich entdeckt fürchtet – ich habe eine leichte, einfach zu bedienende Damenpistole; könnten Sie damit umgehen?«
»Oh, Sie meinen, mit Schirm, Charme und Pistole? Nein, ich habe nie eine Pistole in der Hand gehabt und könnte sicher nicht damit umgehen, wenn ich Angst habe. Und Angst bekomme ich, wenn ich Ihren ernsten Blick sehe.«
»Ich werde froh sein, wenn Sie heil zurück sind! Wollen Sie meine Pistole bestimmt nicht? Auch ungeladen kann sie nützlich sein.«
»Nein, wirklich nicht. Ich muss mich auf meine ureigenen Möglichkeiten verlassen, die mir auch unter Stress zur Verfügung stehen. Theater spiele ich schon genug, indem ich Ihren Detektivauftrag annehme. Mehr kann nicht vernünftig sein.« Erstmals kroch die Gefahr, die in der Umgebung der Furt von Windermere Grove wartete, als Kälte über Olivias Rücken und sie begann die Sicherheit zu schätzen, die regelmäßiges Telefonieren ihr bot. Damit musste Laureen sich zufriedengeben, die vorübergehend mehr Angst um ihre Mitstreiterin hatte, als ihr lieb war.
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Im Anschluss an den Lunch kaufte Olivia bei Stanford eine Generalstabskarte des Gebietes um die beiden Windermere und eine Autokarte von ganz East Anglia. Danach setzte sie sich auf eine Bank im Garten der kleinen St. Paul-Kirche neben Covent Garden. Die Spatzen taten es ihr gleich und wärmten sich in der Oktobersonne. Draußen hinter dem gusseisernen Gitter summte und lärmte die große Stadt. Olivia auf ihrer Insel sah den Vögeln zu und dachte nach. Eine ganze Weile, als sie jedoch die neugekauften Karten ausbreiten wollte, fand sie, dass man das doch besser in geschlossenen Räumen tat und stand auf, um nach Hause zu fahren.
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»Ringel, ringel Reihe, sind der Kinder zweie, tanzen unterm Hollerbusch…« sang Olivia gedankenverloren vor sich hin, während sie den Schlüssel aus dem Haustürschloss zog. Sie hielt ein, als Leonard die Treppe herunterkam: »Sind zwei nicht etwas wenig?« erkundigte er sich.
»Wenig, wozu?«
»Zum Ringelreihen tanzen. Ich stelle mir vor, dass sie sich leicht gegenseitig auf die Füße treten könnten.«
»Schon möglich. Pierre Hobart sieht auch immer ganz viele um sich herumtanzen. Und einer von den vielen muss Charlotte Hewitt erschlagen haben, während die anderen sich gerade losgelassen hatten, um die eigene Achse zu wirbeln. Als alle sich erneut bei den Händen fassten, war er wieder dabei und tanzt seitdem weiter Ringelreihen wie sie alle.«
»Ich sehe, der junge Mensch hat dich zum Detektivspielen verleitet. Leider ist es gefährlicher als Ringelreihen tanzen.«
»Nicht unbedingt. Charlotte Hewitt kam beim Tanzen ums Leben.«
»Wann willst du fahren?«
»Morgen nach dem Lunch. Am Vormittag möchte ich mich noch mit Norfolk befassen, damit die Journalistin wenigstens Material für einige Essays in der Mappe trägt, wenn die Detektivin ergebnislos zurückkommt. Heute Abend würde ich gern mit dir vor dem Feuer sitzen und reden.« Und das taten sie dann auch.