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DER SALON THUN
ОглавлениеIm Salon von Maria Wilhelmine Gräfin Thun nahe der Minoritenkirche treffen sich in den 80er-Jahren des 18. Jahrhunderts Künstler und Wissenschaftler, hohe Beamte und Aristokraten. Unter den Gästen sind Ignaz Born, Aloys Blumauer und Mozart, ja selbst Kaiser Joseph II. pflegt „fast wöchentlich einmal im Circle abends bei ihr einzusprechen“, wie der junge deutsche Weltumsegler und Freimaurer Georg Forster in seinen Briefen aus Wien berichtet. Forster, Mitglied der Wiener Loge „Zur wahren Eintracht“, lernt in der Gräfin die „vortrefflichste, aufgeklärteste Dame in Wien“ kennen, er schätzt ihre Liebe zu den Wissenschaften und ihre „ausgebreitete Lektüre“, die es ermögliche, sich mit ihr in „feinster Unterredung“ zu ergehen. Sie hört ihm geduldig zu, wenn er ihr einen Abend lang englische Gedichte vorliest, er kann mit ihr aber ebenso über Fragen der Erziehung oder des Glaubens sprechen.
Georg Forster schätzt die „feinsten Unterredungen“ mit Gräfin Thun. Porträt von J. H. W. Tischbein.
Vom Gatten der so glänzend geschilderten Dame schweigt Forster jedoch. Dabei ist Franz Joseph Graf Thun so wie er Mitglied der Loge „Zur wahren Eintracht“, allerdings unterhält der Graf auch Kontakte zu den Rosenkreuzern und zu magisch-mystischen Schwärmern, vor allem aber ist er ein überzeugter Anhänger des Mesmerismus und er glaubt offenbar an Geister – Dinge, die dem nüchternen Aufklärer Forster wohl doch zu weit gehen.
Selbst Mozart, der vom gräflichen Paar tatkräftig unterstützt wird, kann mit den seltsamen Vorlieben seines Gönners für Mystik und Magnetismus wenig anfangen. Er lernt das Ehepaar Thun bereits in der ersten Woche seines Wiener Aufenthalts kennen – Mozart trifft mutterseelenallein in einer Postchaise am 16. März 1781 in der Habsburgerresidenz ein – und ist von der Persönlichkeit der Gräfin sofort tief beeindruckt. Das „ist die scharmanteste, liebste Damme (sic!), die ich in meinem leben gesehen; und ich gelte auch sehr viel bey ihr“, schreibt er an seinen Vater Leopold. Der junge Künstler schätzt das offene Haus, das die Gräfin führt, fast täglich ist er nun bei ihr zu Gast. Was den Grafen betrifft, so bleiben Mozart dessen eigenwillige Züge nicht verborgen – in einem Brief an seinen Vater vom 24. März 1781 urteilt Mozart über den Mann seiner Wohltäterin: „Ihr Herr ist noch der nembliche sonderbare – aber gutdenkende Cavalier.“ Im Laufe seiner Wiener Jahre hat Mozart Gelegenheit, den Grafen und seine esoterischen Neigungen näher kennen zu lernen, so begleitet er Thun im Juni 1784 auf einer Reise nach Baden, gut möglich auch, dass es, wie Ivo Cerman vermutet, der Graf ist, der den genialen Musiker im Dezember 1784 zum Eintritt in die Loge „Zur wahren Eintracht“ bewegt.
Die beiden Töchter Marie Elisabeth und Wilhelmine Christine zählen zu den besten Partien Wiens – die beiden Mädchen sind im Kloster erzogen worden und werden im November 1784 verheiratet: Marie Elisabeth wird die Frau des Fürsten Rasumowsky, des späteren russischen Botschafters; Wilhelmine Christine heiratet den Fürsten Lichnowsky. Die beiden jungen Frauen gehen völlig ahnungslos in die Ehe; die Brautnacht wird für Marie Elisabeth, die als Erste Hochzeit hält, zum verstörenden Erlebnis, sie beklagt sich über die „Misshandlung“ und „Abscheulichkeit“, die ihr zuteil geworden sei – daraufhin löst Schwester Wilhelmine Christine die Verlobung mit dem Fürsten Lichnowsky, nur mit Mühe kann sie von der Familie doch noch zur Hochzeit überredet werden.